22Pflichten im Krankenstand
Pflichten im Krankenstand
Für den AN ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag die Verpflichtung, sich im Falle einer Krankheit und einer dadurch ausgelösten Arbeitsunfähigkeit so zu verhalten, dass die Arbeitsfähigkeit möglichst bald wiederhergestellt wird.
Schon die Eignung eines Verhaltens, den Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen oder den Heilungsprozess zu verzögern, kann Vertrauensunwürdigkeit begründen. Wesentlich bleibt dabei aber immer, dass das objektiv sorgfaltswidrige Verhalten dem Angestellten auch subjektiv vorwerfbar ist.
Es kann nicht generell ausgeschlossen werden, dass Angestellte mit einem Burn-out-Syndrom auch während des Krankenstandes für die Bekanntgabe unbedingt erforderlicher Informationen, deren Vorenthaltung zu einem wirtschaftlichen Schaden des AG führen würde, in einem Ausmaß – etwa telefonisch – zur Verfügung stehen, das ihren Genesungsprozess nicht beeinträchtigt. Dies erfordert jedoch, dass vom AG konkretisiert wird, um welche Informationen es sich handelt, warum diese nicht anderweitig beschafft werden können und warum aus dem Fehlen der Information ein schwerer wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
Die Kl war von 2.1.1974 bis 31.10.1984, von 4.1.1988 bis 30.4.2001 und ab 1.6.2001 beim Vorgänger der bekl Rechtsanwälte OG als Sekretärin beschäftigt. Das frühere Dienstverhältnis vom 4.1.1988 bis 30.4.2001 wurde als Vordienstzeit ua für die gesetzliche Abfertigung angerechnet. Mit 1.1.2009 ist das Dienstverhältnis gem § 3 AVRAG mit allen Rechten und Pflichten auf die bekl Rechtsanwälte OG (eine Rechtsanwältin und ein Rechtsanwalt) übergegangen. Die Kl hat zuletzt 2.255 € brutto monatlich verdient. Mit der Übernahme der Kanzlei wurde der Standort der Kanzlei verlegt und eine neue Kanzleisoftware verwendet. Zum Aufgabengebiet der Kl zählte die Sachbearbeitung, das Schreiben von Diktaten und die Postbearbeitung. Die Kl war für Grundbuchseingaben zuständig, hatte Insolvenzakten und Sachwalterschaftsakten zu betreuen und bereitete auch selbständig Klagen vor. Sämtliche Arbeiten, die die Kl durchzuführen hatte, wurden von einem Juristen angeordnet, kontrolliert und vor Abfertigung unterfertigt.
Die Umstellung der verantwortlichen Juristen der Kanzlei brachte für die Kl massive Probleme mit sich, da sie das Gefühl hatte, dass der männliche Rechtsanwaltspartner mit ihrer Arbeitsleistung nicht zufrieden war, sie massiv kritisierte und sie sich massiv unter Druck gesetzt fühlte. Sie klagte zunehmend über Arbeitsüberlastung, was zu Umschichtungen in der Arbeitsaufteilung führte. Da die Bekl massive Zweifel an der von der Kl erbrachten Arbeitsleistung hatte, wurde der Kl als einziger DN der Bekl im Juli 2009 aufgetragen, eine schriftliche Leistungserfassung durchzuführen. Dies empfand die Kl als Schikane. Bei von der anderen Partnerin zur Vorbereitung übergebenen Klagen kritisierte der männliche Partner die Kl, dass sie diese nicht sofort abgearbeitet hatte. Die Kl wurde aber weder verwarnt, noch wurde ihr für den Fall eines bestimmten Verhaltens irgendeine Konsequenz angedroht. Am 17.6.2009 kam es zu einem Gespräch, bei dem die Kl von diesem Partner auf ihre mangelhafte Arbeitsleistung angesprochen wurde, und angab, er möge sie doch kündigen, wenn er mit ihrer Leistung nicht zufrieden wäre.
Die Kl war dann vom 18.6.2009 bis 7.7.2009 im Krankenstand und konsumierte von 8.7.2009 bis 21.7.2009 Urlaub. Danach arbeitete die Kl bis 4.8.2009. Die Kl befand sich ab dem 5.8.2009 durchgehend bis zur Entlassung am 16.2.2010 im Krankenstand. Die Kl litt seit mehreren Jahren unter Asthma bronchiale. Bereits ab Juni 2009 versuchte die Kl durch Psychotherapie ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Für die psychotherapeutische Behandlung wurde ihr ein Kostenzuschuss für 50 Therapiesitzungen bewilligt.
Aufgrund von Belastungsstörungen, Somatisierungsstörungen, einem Burn-out-Syndrom und einer mittelgradig depressiven Episode war die Kl längerfristig nicht in der Lage, ihre Arbeit bei der Bekl auszuführen. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit war selbst im Zeitpunkt der Entlassung nicht abschätzbar. Die Kl informierte die Bekl mehrmals telefonisch über ihren Gesundheitszustand und hoffte auf die Wiedererlangung248 ihrer Dienstfähigkeit. Sie plante einen Kuraufenthalt im März 2010 und einen Aufenthalt in einem Psychosomatischen Zentrum, um ihre Dienstfähigkeit wieder zu erlangen. Sie teilte der Bekl im Dezember mit, dass sie jedenfalls bis 22.2.2010 im Krankenstand ist (kontrollärztliche Untersuchung).
In der ersten Februarwoche fuhr die Kl – wie seit vielen Jahren – auf Urlaub. Das wurde kontrollärztlich bewilligt. Am 1.2. und 2.2.2010 versuchte die Bekl mehrfach vergeblich die Kl telefonisch am Handy zu erreichen.
Am 2.2.2010 forderte die Bekl die Kl schriftlich unter Hinweis auf die mehrfachen telefonischen Versuche auf, einen Termin in dieser Woche zu vereinbaren, jedenfalls aber telefonisch Kontakt aufzunehmen. Die Bekl wies auf die Dringlichkeit hin.
Die Kl hatte ihr Handy in der Wohnung gelassen und wurde über die Anrufe und den Brief von ihrem Sohn in Kenntnis gesetzt. Der Ehemann der Kl rief in der Kanzlei der Bekl an und ersuchte mit der Rechtsanwaltspartnerin verbunden zu werden. Das Gespräch wurde aber mit dem männlichen Rechtsanwaltspartner verbunden. Dieser teilte dem Ehemann der Kl mit, dass die Kl noch diese Woche in die Kanzlei kommen müsse.
Die Bekl richtete am 3.2.2010 ein weiteres Schreiben an die Kl, in dem sie auf dieses Telefonat Bezug nahm und die Kl ersuchte, am Donnerstag, dem 11.2.2010 um 9:00 Uhr in die Kanzlei zu kommen.
Am 10.2.2010 suchte die Kl ihre Psychiaterin auf, die feststellte, dass die Kl aus psychiatrischer Sicht nicht in der Lage ist, mit ihrem AG ein Gespräch zu führen. Die Kl richtete am 10.2.2010 ein Schreiben an die Bekl, in dem sie auf das Telefonat vom Dezember 2009 verwies, in dem sie ja mitgeteilt hatte, dass der nächste Kontrollarzttermin erst am 22.2.2010 vorgesehen sei und sie vom 9.3. bis 30.3.2010 auf Kur gehe und einen Krankenhausaufenthalt im Psychosomatischen Zentrum habe. Sie befinde sich noch im Krankenstand und es sei ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, den Termin am 11.2.2010 wahrzunehmen. Nach dem Kontrollarzttermin werde sie mitteilen, ob sie weiter arbeitsunfähig sei.
Am 10.2.2010 richtete der männliche Partner der Bekl ein Schreiben an die Kl. Er sei verwundert, dass die Kl den Termin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen könne, umso mehr, da es ihr möglich war, das Haus zu verlassen, um die Arbeiterkammer aufzusuchen und sie die Woche davor eine längere Reise antreten konnte. Er wies darauf hin, dass die Bekl mehrere dringende Themen in einem kurzen Gespräch von 20 Minuten abklären möchte. Es gehe vor allem um interne Schulungsmaßnahmen, eine Frage zu einem Mandanten, Unterlagen, zu denen nur die Kl Zugang habe, und schließlich den Kanzleischlüssel, der benötigt werde. Die Kl wurde daher aufgefordert, am Dienstag, dem 16.2.2010 um 9:00 Uhr in die Kanzlei zu kommen. Jedenfalls wurde die Kl aufgefordert, längstens bis zu diesem Termin einen geeigneten Termin zu vereinbaren. Sollte sich die Kl grundsätzlich weigern, mit den Bekl überhaupt zu sprechen, so werde dies als eine beharrliche Verletzung einer dienstlichen Anordnung und eine krasse Verletzung ihrer Treuepflichten erachtet. Aus diesem Schreiben konnte die Kl eindeutig entnehmen, dass es um ihr persönliches Erscheinen in der Kanzlei ging.
Auf das Schreiben der Bekl vom 10.2. reagierte die Kl mit Schreiben vom 12.2.2010, dem sie die ärztliche Bestätigung anschloss und in dem sie mitteilte, dass sie sich nicht grundsätzlich weigere, mit den Bekl zu sprechen. Sobald es ihr Gesundheitszustand zulasse, werde sie mit den Bekl einen Termin vereinbaren. Auch werde sie, sobald sie wieder arbeitsbereit und arbeitsfähig sei, an Schulungen teilnehmen. Es sei nicht richtig, dass die Kl alleine Zugang zu Unterlagen habe. Alle Unterlagen seien auf den öffentlichen Stellen, zu denen jeder Mitarbeiter Zugriff habe, abgelegt worden. Den Kanzleischlüssel habe ihr Mann bereits abgegeben. Die ausgestellte Bestätigung entsprach dem Gesundheitszustand der Kl. Deren gegenüber ihrer Ärztin gemachten Angaben entsprachen den von ihr empfundenen Tatsachen. Die Kl hat weder übertriebene noch unrichtige Angaben gemacht.
Mit Schreiben vom 14.2.2010 wies die Bekl darauf hin, dass es nicht um die Teilnahme an internen Schulungsmaßnahmen ginge, sondern um koordinative Fragen. Die Kl verletze durch ihr Verhalten die ihr als DN obliegende Treuepflicht so erheblich, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen unausweichlich seien, wenn die Kl nicht ein Mindestmaß an Kooperation zeigt. Die Bekl hätten Verständnis mit dem Gesundheitszustand der Kl, hätten aber zum Wohle der Kanzlei iSd übrigen Mitarbeiter zu planen. Die von der Kl übergebene ärztliche Bestätigung sei keine geeignete Grundlage, das Gespräch mit der Bekl zu verweigern. Das Gespräch sei auch bislang möglich gewesen. Die Kl habe, solange sie in einem Dienstverhältnis zur Bekl stehe, auch die Interessen der Bekl zu berücksichtigen. Dies gelte umso mehr, als es der Kl möglich gewesen sei, einen einwöchigen Schiurlaub anzutreten und Termine bei der Arbeiterkammer wahrzunehmen. Der Hausarzt bestätige ganztägige Ausgehzeiten, die die Kl auch wahrnehme. Der männliche Kanzleipartner forderte die Kl letztmalig auf, am Dienstag um 9:00 Uhr für 20 Minuten zur Abklärung dieser Themen in die Kanzlei zu kommen oder die Bekl bis längstens mittags an diesem Tag persönlich telefonisch zu kontaktieren. Andernfalls werde die Bekl das Dienstverhältnis aufgrund der Verhaltensweise der Kl fristlos beenden.
Der Kl war es im Februar 2010 nicht möglich, mit der Bekl persönlich Kontakt aufzunehmen. Eine solche persönliche Kontaktaufnahme hätte mit einer Verschlechterung der Gesundheit einhergehen können. Aus medizinischen Gründen wäre zwar eine kurze telefonische Kontaktaufnahme mit der weiblichen Rechtsanwaltspartnerin möglich gewesen, keinesfalls aber ein persönliches Gespräch. Hätte die Kl selbst in der Kanzlei angerufen, wäre es nicht sicher gewesen, dass sie nicht mit dem männlichen Rechtsanwaltspartner verbunden worden wäre.
Die Kl war aus gesundheitlichen Gründen auch nicht in der Lage, ihre Tätigkeit bei der Bekl weiter auszuüben. Die Kl hat alles in ihrem Bereich liegende getan, um ihre Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. Die Kl hat wöchentliche psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch genommen. Die Kl war sowohl in lungenfachärztlicher als auch in psychiatrischer Behandlung. Die Kl hat sich regelmäßig den Untersuchungen249 und Terminen des Kontrollarztes unterzogen. Zum Zeitpunkt der Entlassung war die Kl im Krankenstand und war weder zu einer Arbeitsleistung noch zu einem persönlichen Gespräch mit dem DG in der Lage. Die Kl hat alles ihr zumutbare getan, um den Forderungen der Bekl nachzukommen.
Die Kl hat sämtliche Unterlagen und Aktenbestandteile in der Kanzlei belassen.
Das Dienstverhältnis wurde von den Bekl mit Schreiben vom 16.2.2010 durch Entlassung aufgelöst. Die Kl beantragte eine Berufsunfähigkeitspension, die ab Stichtag 1.3.2010 auch unbefristet gewährt wird.
Darüber hinaus hat das Erstgericht noch verschiedene, von der Bekl bekämpfte Feststellungen zu der psychischen Verfassung der Kl zu bestimmten Zeitpunkten, ihren Wissensstand und Eindrücken der Kl vom Inhalt der Schreiben der Bekl, aber auch deren Organisation getroffen.
Mit ihrer Klage begehrte die Kl im hier noch maßgeblichen Umfang die der Höhe nach unstrittige gesetzliche Abfertigung. [...]
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. [...]
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Bekl Folge und änderte es im klagsabweisenden Sinne ab. [...]
Die gegen dieses Urteil des Berufungsgerichts erhobene außerordentliche Revision der Kl ist zulässig und auch berechtigt. Zutreffend zeigt die Revision auf, dass eine Rsp des OGH zur Frage, inwieweit eine unterlassene Kontaktaufnahme des AN während des Krankenstandes eine Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 AngG bewirkt, nicht besteht.
I. Der Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 letzter Fall AngG erfasst Handlungen oder Unterlassungen eines Angestellten, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und auf ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines AG unwürdig erscheinen lässt, weil dieser befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, sodass dadurch die dienstlichen Interessen des AG gefährdet sind (RIS-Justiz RS0029547).
Bei der Beurteilung der Vertrauensunwürdigkeit kommt es darauf an, ob für einen AG vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischem Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien, wobei nicht das subjektive Empfinden des DG entscheidet, sondern ein objektiver Maßstab anzulegen ist (RIS-Justiz RS0029833; vgl auch RS0029733). Die Vertrauenswirkung kann selbst durch Handlungen des Angestellten bewirkt werden, die mit dem Dienstverhältnis in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0029333; dazu, dass an das außerdienstliche Verhalten kein so strenger Maßstab anzulegen sei: RIS-Justiz RS0029333 [T7]).
II. Die allgemeinen Rahmenbedingungen für die Beurteilung des Verhaltens des AN im Krankenstand wurden durch die Rsp des OGH bereits geklärt. Es wird davon ausgegangen, dass sich für den AN aus dem Arbeitsvertrag die Verpflichtung ergibt, sich im Falle einer Krankheit und einer dadurch ausgelösten Arbeitsunfähigkeit so zu verhalten, dass die Arbeitsfähigkeit Arbeitsfähigkeit möglichst bald wiederhergestellt wird (RIS-Justiz RS0060869; Holzer in
III.1. Hier geht es nun aber im Wesentlichen nicht um die Einhaltung der während des Krankenstandes zur Erlangung der Arbeitsfähigkeit gebotenen Schonung, sondern genau gegenteilig darum, inwieweit AN auch während des Krankenstandes verpflichtet sind, dem AG für bestimmte Auskünfte zur Verfügung zu stehen.
III.2. Allgemein haben AN aufgrund der sie treffenden Treuepflicht die betrieblichen Interessen des AG zu wahren. Sie haben insb alles zu unterlassen, was den unternehmerischen Tätigkeitsbereich, dessen Organisationswert und dessen Chancen beeinträchtigt und die Interessen des AG zu gefährden geeignet ist (RIS-Justiz RS0021449). An AN in gehobener Position sind auch in diesem Zusammenhang strengere Anforderungen zu stellen, als an andere AN (RIS-Justiz RS0029341). Zu diesen gehörte die Kl aber nicht.
Es kann nun nicht generell ausgeschlossen werden, dass Angestellte mit einem Krankheitsbild, wie es die Kl hat, auch während des Krankenstandes für die Bekanntgabe unbedingt erforderlicher Informationen, deren Vorenthaltung zu einem wirtschaftlichen Schaden des AG führen würde, in einem Ausmaß – etwa telefonisch – zur Verfügung stehen, das ihren Genesungsprozess nicht beeinträchtigt. Dies erfordert jedoch, dass vom AG konkretisiert wird, um welche Informationen es sich handelt, warum diese nicht anderweitig beschafft werden können und warum aus dem Fehlen der Information ein schwerer wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
III.3. All diesen Anforderungen genügen die Aufforderungen der Bekl nicht. Weder wurde der Kl mitgeteilt, um welche konkreten Informationen es sich handelt, noch warum diese nicht anders beschafft werden können und inwieweit daraus ein schwerer wirtschaftlicher Schaden entstehen könnte. Im Übrigen wurde hier festgestellt, dass für die ua an einem Burn-out- Syndrom leidende Kl nicht nur das Erscheinen in der Rechtsanwaltskanzlei, sondern jeglicher persönlicher Kontakt mit dem männlichen Rechtsanwaltspartner aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar war. Die konkrete Aufforderung im Schreiben vom 14.2.2010 bezog sich aber auf einen persönlichen Kontakt.
IV. Im Ergebnis konnte die Bekl das Vorliegen eines von der Kl verschuldeten Entlassungsgrunds nach § 27 AngG nicht nachweisen. Die E des Berufungsgerichts war daher in der Hauptsache dahin abzuändern, dass die E des Erstgerichts wiederhergestellt wird. [...]250
Die vorliegende E, der im Ergebnis vollinhaltlich zuzustimmen ist, enthält – vordergründig betrachtet – wenig Neues bzw jedenfalls wenig, das nicht bei einer unbefangenen Herangehensweise als selbstverständlich erachtet würde: Eine AN, deren krankheitswertiger Zustand durch den Kontakt zu einem bestimmten Vorgesetzten hervorgerufen wurde und durch weiteren Kontakt verschlechtert würde (bzw dessen Besserung sich zumindest verzögern würde), kann nicht gezwungen werden, mit eben diesem Vorgesetzten in Kontakt zu treten.
Ebenso selbstverständlich ist, dass die AN die Gebote allgemein üblicher Verhaltensweisen im Krankenstand nicht betont und offenkundig verletzen darf und sich so zu verhalten hat, dass die Arbeitsfähigkeit möglichst bald wiederhergestellt wird; tut sie dies nicht, setzt sie einen wichtigen Grund für eine vorzeitige Auflösung (vgl nur OGH RIS-Justiz RS0029337, RS0060869).
Gerade in diesem Zusammenhang stellt sich allerdings in der Praxis offenbar häufig ein nicht unwesentliches Problem: Weil bei unterschiedlichen Erkrankungen höchst unterschiedliche Verhaltensweisen im Krankenstand gefordert sein können und etwa – wie in dem vom OGH zu beurteilenden Sachverhalt – ein Schiurlaub bei einer Belastungsdepression anders zu beurteilen sein wird als bei einem Krankenstand aufgrund eines grippalen Infekts, ist für den AG, dem der Grund für den Krankenstand – also die Diagnose – nicht bekannt ist, die Beurteilung naturgemäß schwierig, ob die AN ihre Pflichten einhält. Die vorliegende E soll Anlass dafür sein, diesen Problemkreis, aber auch die Frage nach den Pflichten der AN im Krankenstand etwas näher zu beleuchten.
Nach dem Wortlaut des § 8 Abs 8 AngG ist der Angestellte verpflichtet, auf Verlangen des AG eine Bestätigung über Ursache und Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen; für Arbeiter sieht § 4 Abs 1 EFZG eine analoge Verpflichtung vor. Die „Ursache“ der Arbeitsunfähigkeit war in der RV zum EFZG nicht als notwendiger Inhalt der Bestätigung genannt, um der Rsp zu § 8 Abs 8 AngG zu entsprechen (ErläutRV 105 BlgNR 13. GP 14) und wurde erst mit dem AB mit dem Hinweis eingefügt, darunter sei „nicht eine ärztliche Diagnose zu verstehen, sondern nur die Angabe darüber, ob die Ursache der Arbeitsverhinderung eine ‚Krankheit‘, ein ‚Arbeitsunfall‘ eine ‚Berufskrankheit‘, o. dgl. ist“ (1188 BlgNR 13. GP 2). Weil solchermaßen mit § 4 Abs 1 EFZG – wohl auch dem Gebot der Gleichbehandlung entsprechend – eine dem § 8 Abs 8 AngG analoge Regelung für Arbeiter geschaffen werden sollte, ist daraus für die Interpretation beider Bestimmungen letztlich wenig zu gewinnen (aA Melzer-Azodanloo in
In den dem AngG zugrunde gelegten Initiativanträgen (19, 50 BlgNR 1. GP) war die Verpflichtung zur Anzeige und Vorlage einer Bestätigung über Ursache und Dauer der Arbeitsunfähigkeit noch nicht vorgesehen; Abs 8 wurde in seiner Gesamtheit – aufgrund der von den AG in der vom Unterausschuss durchgeführten Enquete der AG und Angestellten geäußerten Befürchtung des Missbrauchs der Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung – erst durch den Ausschuss eingefügt (AB 322 BlgNR 1. GP 3).
Das LGZ Wien hat (als damals in Arbeitsrechtssachen in zweiter Instanz zuständiges Gericht) zunächst ausgesprochen, die Bestätigung habe als Ursache der Arbeitsunfähigkeit die Art der Erkrankung zu enthalten (LGZ Wien Cg XLIV 66/24/9 Arb 3271), ist davon aber bereits wenige Monate später abgegangen (LGZ Wien Cg XLIV 8/25/8 Arb 3439). Seither entspricht es der stRsp, dass die Mitteilung keine Diagnose enthalten muss und es ausreicht, wenn als Grund für die Dienstverhinderung bloß „Krankheit“ genannt wird (OGH RIS-Justiz RS0027976; OGH 19.5.1993, 9 ObA 106/93; eingehend Kuderna, ZAS 1979, 111; dazu und zur Kritik daran Drs in
In der Tat wird – wobei allerdings ein gewisses Spannungsverhältnis zum Wortlaut des § 8 Abs 8 AngG bzw § 4 Abs 1 EFZG besteht – die Interessenabwägung zwischen den schutzwürdigen Interessen beider Vertragsteile häufig die Pflicht zur Mitteilung der Diagnose verhindern: Zu berücksichtigen sind dabei der aus dem Persönlichkeitsrecht des AN resultierende Anspruch auf Geheimhaltung der Art der Erkrankung – der gerade bei psychischen Erkrankungen gegenüber „allgemein-körperlichen“ regelmäßig intensiviert erscheint – einerseits und die betriebliche Notwendigkeit der Information andererseits (vgl dazu näher Resch,
). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der AG nicht allenfalls weitere Informationen verlangen könnte.Die Sorge für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit liegt nicht nur im wohlverstandenen eigenen Interesse des AN, sondern ergibt sich auch aus der arbeitsvertraglichen Pflicht, die Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Dementsprechend wird die betonte und offenkundige Missachtung der Anordnungen des Arztes oder – wenn solche infolge der allgemeinen Lebenserfahrung entbehrlich sind – der Gebote der allgemein üblichen Verhaltensweisen im Krankenstand bei Arbeitern unter den Tatbestand der beharrlichen Pflichtverletzung des § 82 lit f GewO 1859 subsumiert (OGH RIS-Justiz RS0060869), bei Angestellten unter jenen der Vertrauensunwürdigkeit des § 27 Z 1 letzter Fall AngG (OGH RIS-Justiz RS0029456, vgl auch OGH 18.12.2006, 8 ObA 101/06w).
Beide Tatbestände setzen nicht nur voraus, dass das Verhalten – objektiv betrachtet – dazu geeignet251 war, den Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen und/oder den Heilungsprozess zu verzögern (OGH RIS-Justiz RS0029337); dem AN muss außerdem subjektiv ein Verschulden – und zwar zumindest Fahrlässigkeit – zur Last fallen (vgl OGH RIS-Justiz RS0029531 [zu § 27 Z 1 letzter Fall AngG] bzw RS0060748 [zu § 82 lit f GewO 1859]).
In diesem Zusammenhang kommt den ärztlichen Anordnungen besondere Bedeutung zu, mögen sie durch den behandelnden Arzt oder den Kontrollarzt der Krankenkasse erfolgt sein: Der AN darf – sofern er die ärztliche Bestätigung nicht etwa durch bewusst unrichtige Angaben gegenüber dem Arzt erwirkt hat – einerseits auf deren Richtigkeit vertrauen (OGH RISJustiz RS0028875), muss sich aber andererseits auch daran halten, selbst wenn sich die ärztliche Anordnung später als nicht erforderlich erweisen sollte (OGH9 ObA 128/10dArb 12.960 = DRdA 2012, 234 [Felten]; OGH 25.5.2011, 8 ObA 35/11x) oder bloß vermeintlich, nicht aber tatsächlich erteilt wurde (aA OLG Linz12 Ra 60/12yARD 6302/3/2013 zu einem AN, der trotz vermeintlicher ärztlicher Anweisung, Rauch zu meiden, einige Stunden im Raucherbereich eines Gasthauses verbracht hat).
Solange dem AG weder die Diagnose noch die erteilten ärztlichen Anordnungen bekannt sind, hilft ihm das alles bei der Beurteilung des Verhaltens des AN im Krankenstand freilich wenig. Hinzu kommt, dass gerade psychiatrische Erkrankungen nicht nur von außen schwierig zu erkennen sind, sondern Krankenstände aufgrund derartiger Erkrankungen statistisch gesehen auch zunehmen (vgl Leoni, Fehlzeitenreport 2012. Krankheits- und unfallbedingte Fehlzeiten in Österreich [2012] 50 f).
In diesem Zusammenhang könnte allerdings die Rsp zum Mitverschulden an der Entlassung weiterentwickelt und nutzbar gemacht werden: Nach hA trifft jeden AN, der einen ihm bekannten Rechtfertigungsgrund für ein an sich pflichtwidriges Verhalten dem AG trotz bestehender Möglichkeit nicht (rechtzeitig) bekannt gibt, grundsätzlich ein Mitverschulden an seiner Entlassung, wenn sie der AG bei Kenntnis des Rechtfertigungsgrunds aller Voraussicht nach nicht ausgesprochen hätte (OGH RIS-Justiz RS0101991; vgl Grillberger in
In der hier relevanten Konstellation geht es nun nicht darum, ein an sich objektiv pflichtwidriges Verhalten zu überprüfen bzw zu rechtfertigen, sondern um ein (bloß) potentiell pflichtwidriges Verhalten. Setzt der AN ein Verhalten, das vom „Musterverhalten in einem Krankenstand an sich“ abweicht – indem er sich zB nicht überwiegend zu Hause aufhält und den Wohnbereich nur zu wichtigen Erledigungen bzw zu Therapien verlässt, sondern mehr oder weniger ausgedehnte Reisen unternimmt –, muss dem AG die Möglichkeit zugestanden werden, ihn zur Rechtfertigung des konkret anzuführenden Verhaltens aufzufordern.
Soweit der AN nicht das vorgeworfene Verhalten überhaupt bestreitet, kann die Rechtfertigung entweder in der Bekanntgabe der Diagnose bestehen; in diesem Fall läge es am AG, die „Krankenstandswidrigkeit“ des vorgeworfenen Verhaltens zu beurteilen. Um eine Aushöhlung des Grundsatzes zu vermeiden, dass der AN die Diagnose gerade nicht bekanntgeben muss, kann der AN aber auf die Aufforderung zur Rechtfertigung auch durch Übergabe einer ärztlichen Bestätigung reagieren, dass das vorgeworfene Verhalten nicht zur Verzögerung des Heilungsverlaufs geeignet war. Zwar mag auch einer derartigen Bestätigung das der „Krankschreibungspraxis“ entgegengebrachte Misstrauen (vgl dazu etwa die Nachweise bei Drs in ZellKomm2 § 8 AngG Rz 75; Burger in
Die Verweigerung der Rechtfertigung durch den AN ist nicht nur pflichtwidrig, sondern wird im Regelfall – soweit also der AN zur Rechtfertigung in der Lage gewesen wäre – zur Annahme eines entsprechenden Mitverschuldens des AN an der Entlassung und damit – insofern im Einklang mit § 8 Abs 8 AngG – einer Reduktion der aus der unbegründeten Entlassung resultierenden Ansprüche führen (vgl etwa zum Mitverschulden eines AN, der unklare Krankschreibungen nicht aufklärt OGH 25.11.2011, 9 ObA 26/11f).
Zur Beantwortung der Frage, inwieweit der AN im Krankenstand verpflichtet ist, dem AG Auskünfte zu erteilen, ist zunächst die Rechtsgrundlage für die – vom Krankenstand abstrahierte – Verpflichtung des AN zur Auskunftserteilung an sich festzustellen:
Sofern nicht im Arbeitsvertrag ohnedies eine ausdrückliche Regelung getroffen wurde, wird die Auslegung des Arbeitsvertrags nach der Absicht redlicher Parteien (§ 914 ABGB) in aller Regel dazu führen, dass der AN nicht nur seine Arbeit zu erbringen hat, sondern – jedenfalls soweit dies erforderlich ist – dem AG auch entsprechende Informationen über die erbrachte Arbeitsleistung zu erteilen hat. Dementsprechend wird etwa ein mit Büroarbeiten beschäftigter AN seinen AG erforderlichenfalls darüber zu informieren haben, wo erstellte Schriftstücke abgelegt bzw gespeichert wurden. Für die Begründung dieser Pflicht ist daher ein Rückgriff auf die Treuepflicht nicht erforderlich.
In einem zweiten Schritt ist zu überprüfen, ob die Erkrankung den AN an der Erteilung der Auskunft faktisch hindert (etwa infolge eines komatösen Zustands) oder ob durch die Auskunftserteilung die Gesundheit des AN gefährdet bzw der Genesungsverlauf verzögert werden könnte (wie im Anlassfall).
Ist dies nicht der Fall, stellt sich die Frage nach den Auswirkungen der Unfähigkeit zur Erbringung der Arbeitsleistung an sich auf die Verpflichtung zur Erteilung von Informationen über die erbrachte Arbeit. Damit ist die Thematik der „Teil-Arbeits(un)fähigkeit“ angesprochen, die bislang nicht restlos geklärt252 erscheint. Aus dem Wortlaut des § 8 Abs 1 AngG bzw § 2 Abs 1 EFZG kann dazu letztlich nichts gewonnen werden. Der OGH scheint zumindest implizit nicht vom Alles-oder-Nichts-Prinzip auszugehen, nach dem eine (mehr oder weniger) geringfügige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bereits die gänzliche Arbeitsunfähigkeit bewirken würde, sondern von der Möglichkeit einer Teil-Arbeitsunfähigkeit in inhaltlicher oder zeitlicher Hinsicht, wenn der AN infolge der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen nur einen Teil der geschuldeten Arbeitsleistung oder die geschuldete Arbeitsleistung nur in einem Teil der vereinbarten Arbeitszeit erbringen kann (eine explizite Stellungnahme dazu fehlt allerdings soweit ersichtlich bislang; vgl aber OGH RIS-Justiz RS0116675; OGH9 ObA 206/94Arb 11.335 =
Ob sich ein AN in diesem Fall zur Verweigerung der Auskunftserteilung mit Erfolg auf die erfolgte ärztliche – nicht differenzierende und insofern umfassende – Krankschreibung berufen kann, muss wohl im jeweiligen Einzelfall überprüft werden.
Wenn eine Gesundheitsgefährdung bzw eine Verzögerung im Genesungsverlauf zwar nicht zu erwarten ist, aber auch nicht ausgeschlossen werden kann, könnte sich allenfalls eine Auskunftspflicht aus der Treuepflicht ergeben. Weil jedoch eine aus der Treuepflicht resultierende Pflicht zu einem Tun nur anzuerkennen ist, wenn der AG vor drohenden Schäden zu warnen bzw zur Beseitigung von Schäden beizutragen ist (vgl eingehend Spielbüchler/Floretta/Strasser, Arbeitsrecht I4 [1998] 202 ff; Löschnigg, Arbeitsrecht11 [2011] Rz 6/086; vgl auch OGH 9.6.1993, 9 ObA 122/93), kommt eine Auskunftspflicht nur unter den vom OGH in der vorliegenden E umschriebenen Bedingungen in Betracht, also wenn der AG die konkreten Informationen nicht anders erlangen kann und bei Fehlen der Informationen ein schwerer Schaden droht.
Ist eine Gesundheitsgefährdung nicht bloß nicht auszuschließen, sondern geradezu zu erwarten, scheidet eine Auskunftspflicht aufgrund der vorzunehmenden Abwägung der wechselseitigen Interessen wohl in aller Regel von vornherein aus.
Die vorliegende E zeigt jedenfalls, dass Justament- Standpunkte – von wem auch immer sie eingenommen werden – selten hilfreich sind.
Auch wenn der AN die Art der Erkrankung grundsätzlich nicht bekanntgeben muss, kann sich bei objektiv „krankenstandswidrig“ erscheinendem Verhalten die Verpflichtung zu weiteren Informationen über den Krankenstand ergeben.
Der AN hat dem AG jedenfalls auch Auskünfte über die bisher von ihm erbrachte Arbeitsleistung zu erteilen, soweit er dazu gesundheitlich in der Lage ist. In Ausnahmefällen kann diese Auskunftspflicht auch darüber hinausgehen.