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Die Tücke der Beweislast

WolfgangKozak (Wien)
  1. Für eine aus der vorzeitigen Auflösung resultierende Abfertigungsdifferenz [aus einer nach der vorzeitigen Beendigung resultierenden Kollektivvertragserhöhung] gilt, dass sie bei regulärer Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt auf Basis des dann zustehenden Monatsentgelts vom AG ohne Weiteres zu zahlen gewesen wäre und der berechtigt ausgetretenen Kl einen in § 29 AngG begründeten Schadenersatzanspruch verschafft.

  2. Bei einer Urlaubsersatzleistung wäre dieser konkrete Vermögensnachteil nur dann anzunehmen, wenn die Kl auch im Fall regulärer Kündigung am Ende der Kündigungsfrist noch Anspruch auf eine Urlaubsersatzleistung für den bei der Austrittserklärung offenen Urlaub gehabt hätte, wofür sie beweispflichtig ist.

Die Kl war vom 22.1.2001 bis 21.12.2011 als Angestellte beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis, das durch Austritt nach § 25 IO endete, war der KollV für die Angestellten im Metallgewerbe anzuwenden. Am 12.9.2011 wurde über das Vermögen ihres DG das Insolvenzverfahren eröffnet.

Das Urlaubsjahr der Kl entsprach dem Kalenderjahr. Unstrittig steht ihr aufgrund des berechtigten Austritts eine Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 22.12.2011 bis 31.3.2012 zu. Ab 1.1.2012 wäre eine kollektivvertragliche Ist-Gehaltserhöhung im Ausmaß von 3,85 % zum Tragen gekommen.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid lehnte die Bekl den Anspruch der Kl auf Insolvenz- Entgelt für Abfertigung und Urlaubsersatzleistung teilweise in Höhe jenes Mehrbetrags ab, der sich bei Einrechnung der Ist-Gehaltserhöhung in die Bemessungsgrundlage ergibt [...].

Die Kl begehrt die Zuerkennung von Insolvenz-Entgelt für die im Bescheid abgelehnten Forderungen. Ein AN sei nach § 29 AngG im Fall eines berechtigten Austritts aus dem Titel des Schadenersatzes so zu stellen, wie wenn das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß durch AG-Kündigung beendet worden wäre; daraus folge, dass auch kollektivvertragliche Gehaltserhöhungen, die ihr bei aufrechtem Dienstverhältnis243 in der fiktiven Kündigungsfrist zugute gekommen wären, in die Berechnung der Ansprüche einzubeziehen seien. Die Kl habe ihre im Verwaltungsverfahren angemeldeten Forderungen nicht nur auf Erfüllungsansprüche, sondern auch auf Schadenersatz gestützt.

Die Bekl wandte ein, für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der strittigen Ansprüche sei ausschließlich jener Zeitpunkt maßgebend, zu dem das Dienstverhältnis rechtlich beendet wurde.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Der AG solle sich nicht Leistungen ersparen können, die er bei regulärer Kündigung erbringen hätte müssen, wenn er Anlass zum berechtigten Austritt gegeben habe. Der Anspruch nach § 29 AngG umfasse daher auch eine Entschädigung dafür, dass während der fiktiven Kündigungsfrist ein neuer Urlaubsanspruch oder ein höherer Anspruch auf Abfertigung entstanden wäre. Urlaubsersatzleistung und Abfertigung seien in jeder Hinsicht so zu berechnen, wie wenn das Dienstverhältnis bis zum fiktiven Ende der Kündigungsfrist aufrecht gewesen wäre.

Das Berufungsgericht [...] teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts zur Berechnung der Abfertigung. Bei der Urlaubsersatzleistung sei aber zwischen dem vor Austritt erworbenen Urlaubsanspruch und dem Schadenersatzanspruch für jenen Urlaub, der fiktiv in der Kündigungsfrist entstanden wäre, zu unterscheiden. Nach der höchstgerichtlichen Rsp sei die Urlaubsersatzleistung für bereits entstandene, aber nicht konsumierte Urlaubsguthaben auf Basis des im Austrittszeitpunkt gebührenden Entgelts zu berechnen. Für den weiteren Schadenersatzanspruch müsse nach den Grundsätzen des § 29 AngG auch die in der fiktiven Kündigungsfrist eingetretene kollektivvertragliche Gehaltserhöhung berücksichtigt werden. Da höchstgerichtliche Judikatur zu dieser über den Einzelfall hinaus bedeutenden Rechtsfrage nicht vorliege, sei die ordentliche Revision zulässig.

Beide Streitteile haben gegen dieses Urteil Revision erhoben. Die Kl strebt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an, die Bekl eine gänzliche Klagsabweisung.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zulässig, sie sind aber nicht berechtigt.

[...]

2. Revision der Bekl

Die Bekl vertritt die Rechtsansicht, dass nachträgliche Ereignisse, die sich in einem fiktiven Kündigungszeitraum ereignet hätten, für die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen der Abfertigung und Urlaubsersatzleistung außer Betracht zu bleiben hätten. Die Regelung des § 29 AngG beziehe sich in erster Linie auf das laufende Arbeitsentgelt. Die Abfertigung erfülle andere Funktionen, wie Belohnung der Betriebstreue und Überbrückung einer anschließenden Arbeitslosigkeit. Es seien zwar die weiteren Anwartschaftszeiten in die Abfertigungsberechnung einzubeziehen, die in der Kündigungsfrist erworben worden wären, Änderungen des Entgeltanspruchs hätten aber außer Betracht zu bleiben. Auch bei der Berechnung der Urlaubsersatzleistung sei nicht auf Ereignisse Bedacht zu nehmen, die sich nach dem rechtlichen Ende des Dienstverhältnisses ereignen.

Diesen Ausführungen ist Folgendes zu erwidern:

Grundsätzlich umfasst der Anspruch auf Abfertigung nach § 23 Abs 1 AngG, abhängig von der Dauer des Dienstverhältnisses, ein Mehrfaches des dem Angestellten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts. Die Abfertigung ist bis zum Ausmaß von drei Monatsentgelten mit Wirksamkeit der Beendigungserklärung und nicht mit Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist fällig.

Endet das Dienstverhältnis vorzeitig durch berechtigten Austritt, unberechtigte Entlassung oder fristwidrige Kündigung, dann ist nach der stRsp auch die fiktive Kündigungsfrist in die Anwartschaftszeit einzurechnen (ua RIS-Justiz RS0028397; K. Mayr in ZellKomm2 § 23 AngG Rz 4).

Der Revision ist aber beizupflichten, dass für die Berechnung der Ansprüche der Höhe nach gem § 23 Abs 1 AngG das für den letzten Monat des aufrechten Dienstverhältnisses gebührende Entgelt maßgeblich ist (ua K. Mayr, aaO, § 23 AngG Rz 24 mwN). Bei schwankenden Bezügen ist eine Durchschnittsberechnung anzustellen (RIS-Justiz RS0043295). Im Unterschied zum Problem der Anwartschaftszeit, die durch eine fristwidrige Beendigung nicht zu Lasten des AN verkürzt werden soll, ist bezüglich der Bemessungsgrundlage generell kein ins Gewicht fallender Anreiz gegeben, die DG-Position durch eine fristwidrige Beendigung günstiger zu gestalten. Dem AN soll für den durch die Abfertigung abgedeckten Zeitraum nicht mehr und nicht weniger als der zuletzt bezogene Durchschnittsverdienst gesichert und damit eine gewisse Kontinuität des zuletzt bezogenen Verdienstes für diesen fiktiven Zeitraum gewährleistet werden (RIS-Justiz RS0028943).

Den Vorinstanzen ist jedoch beizupflichten, dass ein Ersatzanspruch nach § 29 AngG bestehen kann, wenn innerhalb der fiktiven Kündigungsfrist eine kollektivvertragliche Gehaltserhöhung in Kraft getreten wäre, die bei regelrechter AG-Kündigung zu einem höheren Abfertigungsanspruch geführt hätte.

Soweit der OGH wiederholt ausgesprochen hat, dass bei der Berechnung der Ansprüche nach § 29 AngG nach dem Auflösungszeitpunkt eintretende Veränderungen bzw Ereignisse nur insoweit zu berücksichtigen sind, als sich daraus eine schon frühere (gesetzliche) Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Ende der fiktiven Kündigungsfrist ergeben hätte (8 Ob 2092/96x; 8 ObS 9/08v; vgl auch 9 ObA 207/93), bezog sich dies jeweils nicht auf die Bemessungsgrundlage, sondern auf die Dauer des Anspruchszeitraums und dessen sachgerechte Begrenzung.

Die Kündigungsentschädigung nach § 29 AngG entspricht jenem Betrag, den der AG im Fall einer fristgerechten Kündigung zahlen hätte müssen, der betroffene AN soll aber durch die vorzeitige Auflösung auch nicht mehr erhalten, als er im Fall der Weiterarbeit bis zum Kündigungstermin verdienen hätte können. Wenn sich nachträglich herausstellt, dass das Dienstverhältnis jedenfalls vor dem Kündigungstermin ein rechtliches Ende gefunden hätte und die Entgeltpflicht des AG vorzeitig weggefallen wäre, dann steht spiegelbildlich auch eine Kündigungsentschädigung nicht über diesen Zeitpunkt hinaus zu.

Für eine aus der vorzeitigen Auflösung resultierende Abfertigungsdifferenz gilt dagegen, dass sie bei244 regulärer Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt auf Basis des dann zustehenden Monatsentgelts vom AG ohne Weiteres zu zahlen gewesen wäre und der nach § 25 IO berechtigt ausgetretenen Kl einen in § 29 AngG begründeten Schadenersatzanspruch verschafft (vgl RIS-Justiz RS0119684), der nach § 1 Abs 2 Z 2 IESG im Rahmen der gesetzlichen Höchstbeträge gesichert ist. Die Kl hat sich auf diese Anspruchsgrundlage bereits im Verwaltungsverfahren gestützt.

Auch bei der Berechnung einer Urlaubsentschädigung ist der berechtigt ausgetretene AN grundsätzlich so zu behandeln, wie wenn er gesetzmäßig gekündigt worden wäre, was dazu führt, dass er auch für einen erst während der fiktiven Kündigungsfrist mit Beginn des neuen Urlaubsjahres entstandenen neuen Urlaubsanspruch zu entschädigen ist (RIS-Justiz RS0029215). Der auf Abgeltung dieses entgangenen Urlaubs gerichtete Ersatzanspruch wird nicht aus § 10 UrlG abgeleitet, die Anspruchsgrundlage ist nach der herrschenden Auffassung wiederum in § 29 AngG zu finden (Kuras in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 29 Rz 57; Reissner in ZellKomm2 § 10 UrlG Rz 7 mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0028397; RS0119684; zuletzt 8 ObS 11/11t). Zwischen Urlaubsersatzleistung einerseits und Schadenersatz aus dem Titel der Kündigungsentschädigung andererseits ist daher zu unterscheiden.

Der Revision ist beizupflichten, dass bei Bemessung der Urlaubsersatzleistung nach stRsp nach dem Ausfallsprinzip jenes Entgelt zugrunde zu legen ist, das der AN zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezogen hat (RIS-Justiz RS0077544, RS0028685; 8 ObS 4/05d; 8 ObA 23/09d; 8 ObS 11/11t; Reissner, aaO § 10 UrlG Rz 12).

Für den Schadenersatzanspruch nach § 29 AngG gilt hingegen der zitierte Grundsatz, dass er jenen Betrag umfasst, den der AG bei regulärer Kündigung zu bezahlen gehabt hätte. Da die Ersatzleistung für den innerhalb der Kündigungsfrist erworbenen Urlaubsanspruch in diesem Fall zum regulären Endtermin auf Grundlage der dann geltenden Bemessungsgrundlage gebührt hätte, muss das Gleiche auch für den korrespondierenden Schadenersatzanspruch nach § 29 AngG gelten.

Der Revision der Bekl kommt daher keine Berechtigung zu.

3. Revision der Kl

Die Kl vertritt den Standpunkt, auch der Berechnung der Urlaubsersatzleistung nach § 10 UrlG sei jenes Entgelt zugrunde zu legen, das zum Zeitpunkt der rechtmäßigen Beendigung gebührt hätte, allenfalls begründe die Differenz einen Anspruch nach § 29 AngG; andernfalls würden AG, die sich rechtstreu verhalten, gegenüber jenen benachteiligt, die fristwidrig kündigen oder dem AN begründeten Anlass für eine vorzeitige Auflösung geben.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen.

Die Urlaubsersatzleistung ist ein Geldsurrogat für den nicht konsumierten Erholungsurlaub, dessen Verbrauch in natura ab dem rechtlichen Ende des Dienstverhältnisses unmöglich wird (Reissner in ZellKomm2 § 10 UrlG Rz 6 mwN). Entsprechend der Rechtsnatur der Ersatzleistung ist für ihre Höhe die bei Beendigung des Dienstverhältnisses geltende Bemessungsgrundlage heranzuziehen und besteht kein Anlass für eine Bedachtnahme auf zukünftige Ereignisse. Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass diese Berechnung auf dem „Ausfallsprinzip“ beruht, wonach der AN während des Urlaubs jenes Entgelt zu bekommen hat, das ihm aus der Perspektive des Urlaubsbeginns zugekommen wäre, wenn er gearbeitet hätte (§ 510 Abs 3 ZPO); es ist folgerichtig, dass es bei Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauchs wegen rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das zu diesem Zeitpunkt gebührende Entgelt ankommt.

Die Kl kann ihr Differenzbegehren auch nicht auf einen Schadenersatzanspruch nach § 29 AngG stützen. Ein konkreter Vermögensnachteil wäre nur dann anzunehmen, wenn die Kl auch im Fall regulärer Kündigung durch den Insolvenzverwalter am Ende der Kündigungsfrist noch (eventuell teilweise) Anspruch auf eine Ersatzleistung für den bei der Beendigungserklärung offenen Urlaub gehabt hätte, wofür sie beweispflichtig war.

Während die fiktive Höhe eines Abfertigungsanspruchs unter der Hypothese einer DG-Kündigung unzweifelhaft ermittelt werden kann, trifft dies auf ein im fiktiven Beendigungszeitpunkt offenes Urlaubsguthaben nicht zu. Das Urlaubsguthaben ist ein veränderlicher Wert. Der gesetzliche Erholungsurlaub ist seinem Zweck entsprechend in natura zu verbrauchen, mit der Folge, dass ein Anspruch auf Geldsurrogat gar nicht entsteht. Die Kündigungsfrist der Kl dauerte länger als drei Monate, denen nur neun offene „alte“ Urlaubstage gegenüberstanden. Ein Naturalverbrauch des alten Urlaubs wäre bei aufrechtem Dienstverhältnis rein zeitlich möglich gewesen. Gründe, die einen Verbrauch im Einzelfall ausgeschlossen hätten, wurden nicht vorgebracht. Der Kl ist damit der ihr obliegende Beweis, dass der DG bei ordnungsgemäßer Kündigung für den vor dem Austritt entstandenen Urlaubsanspruch eine höhere als die zuerkannte Urlaubsersatzleistung bezahlen hätte müssen, nicht gelungen. Hinsichtlich des „alten“ Urlaubs fehlt die schlüssige Behauptung eines konkreten Schadens.

Auch der Revision der Kl kommt daher keine Berechtigung zu. [...]

Anmerkung

Vorliegende E behandelt einen Spezialfall der Berechnung von Beendigungsansprüchen bei der vorzeitigen Beendung eines Arbeitsverhältnisses. Durch eine Kollektivvertragserhöhung des Entgelts (es kommt hier nicht allein darauf an, ob eine Ist- Kollektivvertragserhöhung vorliegt, auch eine auf das Gehalt wirksame Mindest-Kollektivvertragserhöhung entfaltet dieselbe Wirkung), die erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, jedoch im Zeitraum für den eine Kündigungsentschädigung gebührt, wirksam wird, stellt sich die Frage der Berechnungsbasis für das Entgelt der Abfertigung alt bzw eines bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nichtkonsumierten Urlaubsanspruches.

Diese Frage stellte sich als Folge eines Austritts der Kl im Rahmen einer Insolvenz des AG nach § 25 IO. Nach der Anordnung des § 25 Abs 1 IO letzter245 Absatz ist der Austritt des AN nach § 25 IO als Austritt aus wichtigem Grund zu werten. Die Ergebnisse der E sind daher nicht nur auf Verfahren nach dem IESG beschränkt, sondern sind auf sämtliche Beendigungsarten von Arbeitsverträgen, welche eine Kündigungsentschädigung des AN auslösen, zu beachten.

Grundsätzlich sind sowohl Abfertigung als auch Urlaubsersatzleistung Beendigungsansprüche, welche auf ein (fiktives bzw durchschnittliches) Entgelt im Beendigungszeitpunkt abstellen. Eine zusätzliche Dimension kommt hinzu, wenn die Beendigung nicht regulär erfolgt, sondern Schadenersatzansprüche auslöst. Diese Kündigungsentschädigung umfasst neben dem Entgelt, welches der AN bei ordnungsgemäßer Beendigung in das Verdienen gebracht hätte, auch sonstige Schadenersatzansprüche (Löschnigg, Arbeitsrecht11 [2011] Rz 7/407).

1.
Beendigungsansprüche oder Schadenersatz

Den Ausführungen der E ist in jenem Teil zu folgen, in welchem die rechtlichen Folgen der berechtigten vorzeitigen Auflösung für die Beendigungsansprüche dargelegt werden. Die Höhe der gebührenden Monatsentgelte der Abfertigung alt und die Berechnungsbasen für Abfertigung und Urlaubsersatzleistung richten sich nach dem Datum der Beendigung. Der Ausgleich für Einkommensverluste, die sich aus der berechtigten vorzeitigen Auflösung gegenüber einer regulären Beendigung des AG ergeben, wird durch die Kündigungsentschädigung vorgenommen. Leitsatz dafür ist, dass der AN so gestellt werden soll, wie dies bei regelmäßigem Ablauf des Dienstverhältnisses der Fall gewesen wäre (vgl Krejci in

Rummel
[Hrsg], ABGB3 [2000] § 1162b Rz 12). Stellt also die Urlaubsersatzleistung von bereits entstandenen Urlaubsansprüchen regelmäßig keinen Bestandteil der Kündigungsentschädigung dar (vgl OGH4 Ob 60/81), ist dies bei jenen Urlaubsansprüchen, welche erst in jenem Zeitraum entstünden, welchen die Kündigungsentschädigung abdeckt, jedenfalls der Fall (OGH9 ObA 33/95Arb 11.365). Deren Wert ist also Bestandteil der Kündigungsentschädigung.

Es ist daher bei vorliegendem Sachverhalt einer Kollektivvertragserhöhung, welche in die Zeit der Kündigungsentschädigung fällt und Auswirkungen auf die Abfertigungsberechnungsbasis und Berechnungsbasis für jene Urlaubsersatzleistung – die den Anspruch auf Urlaubstage, der bereits im laufenden Arbeitsverhältnis bestand – abgilt, konsequent die daraus resultierenden Ansprüche des AN als Teil der Kündigungsentschädigung zu behandeln. Gegenständlicher Anspruch bestand noch nicht zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern ergibt sich erst durch den Anspruch auf Kündigungsentschädigung. Die Einnahme der Gegenposition hätte zur Folge, dass durch eine undifferenzierte, einheitliche Betrachtung die (sich später ergebenden) erhöhten Berechnungsbasen von Abfertigung und Urlaubsersatzleistung bereits im Zeitpunkt der Beendigung entstanden (und somit fällig) wären, obwohl diese jedoch als conditio sine qua non an einen bestehenden Anspruch einer Kündigungsentschädigung gebunden sind. Da nun aber auch bei dieser Rechtsansicht die erhöhte Berechnungsbasis vom Anspruch auf Kündigungsentschädigung abhängig ist, ist mE klar ersichtlich, dass Ansprüche, die sich aus der (nachträglichen) Kollektivvertragserhöhung ergeben, nur als Teil des Schadenersatzes gesehen werden können. Insofern ist also vorliegender E des OGH vollinhaltlich zuzustimmen. Zusätzlich entspricht vorliegendes Ergebnis auch der bisherigen Systematik, welche der OGH zum Verhältnis von Beendigungsansprüchen (insb der Abgeltung von Urlaubstagen bei Beendigung) und Kündigungsentschädigung entwickelt hat.

An diese ratio legis anknüpfend differenziert der OGH bei den Auswirkungen der beschriebenen Kollektivvertragserhöhung auf die Berechnungsbasen von Abfertigung und Urlaubsersatzleistung also nicht. Umso bemerkenswerter ist nun, dass er bei der Beurteilung des Bestehens der von der Kl geltend gemachten Ansprüche zwischen jenen der Abfertigung und jenen der Urlaubsersatzleistung für bereits im Arbeitsverhältnis bestandenen Urlaubstagen unterscheidet.

Die unterschiedliche Beurteilung ergibt sich daher nicht aus der Rechtsansicht des OGH über die Kündigungsentschädigung selbst. Vielmehr greift das Höchstgericht auf die Verteilung der Beweislast zurück, um vorliegendes Ergebnis zu begründen.

2.
Beweislast oder Behauptungslast?

Grundsätzlich hat der AN die Beweislast für den Schaden und seine Höhe, also für den Anspruch auf Kündigungsentschädigung, insgesamt zu tragen (Pfeil in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 [2011] § 29 AngG Rz 41). In vorliegendem Fall hatte daher die Kl nach Ansicht des OGH bei beiden Ansprüchen sowohl die Kollektivvertragserhöhung als auch die anspruchsbegründende Auswirkung zu beweisen.

Die Kollektivvertragserhöhung und ihre anspruchserhöhende Wirkung auf die Abfertigungsberechnung stellt beweistechnisch kein Problem dar: Durch die Erhöhung des Monatsgehalts ändert sich jedenfalls die Berechnungsgrundlage der Abfertigung, da bei der Berechnung auf das fiktive Letztentgelt abgestellt wird (Mayr in

Löschnigg
[Hrsg], Angestelltengesetz II9 [2012] § 23 Rz 24). Da der Abfertigungsanspruch der Kl an sich nicht bezweifelt wurde, war die Kollektivvertragserhöhung in Höhe der sich daraus ergebenden Abfertigungsdifferenz als Schadenersatz zu qualifizieren, da bei ordnungsgemäßer Beendigung das Ende des Arbeitsverhältnisses nach der Kollektivvertragserhöhung lag und die Abfertigung daher vom erhöhten Entgelt zu berechnen gewesen wäre.

Hinsichtlich der Berechnung der finanziellen Abgeltung nicht konsumierter Urlaubstage differenziert jedoch der OGH zwischen der Abgeltung jenes Urlaubes (im Rahmen des Schadenersatzes), welcher erst im Zeitraum der Kündigungsentschädigung entstanden ist (Urlaubsersatzleistung zur Kündigungsentschädigung), und der eigentlichen Urlaubsersatzleistung für die Urlaubstage, die die nicht konsumierten Urlaubstage bis zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abdeckt. Aus der differenzierenden Formulierung des Urteils ist zu entnehmen, dass der OGH hinsichtlich des Schadenersatzanspruches die246 Kollektivvertragserhöhung für die Urlaubsersatzleistung zur Kündigungsentschädigung als Berechnung zulässt und so in der Tradition seiner Rsp verbleibt (vgl OGH9 ObA 33/95Arb 11.365). In dieser E, die noch zur alten Fassung des UrlG hinsichtlich Zumutbarkeit des Verbrauches von Urlaub ergangen ist, verneint der OGH die Möglichkeit der Behandlung der Frage nach der Zumutbarkeit des fiktiven Verbrauches des Urlaubes in der Kündigungsentschädigung für einen im Kündigungsentschädigungszeitraum entstandenen Urlaubsanspruch, da diese Frage aufgrund ihrer Abstraktheit irrelevant für die Anspruchsbegründung bzw Anspruchsvernichtung ist.

Für die jüngeren LeserInnen ist festzuhalten, dass die Fassung des UrlG, welche der E des OGH zugrunde lag, den Anspruch auf Abgeltung des vollen offenen Urlaubs (die Urlaubsentschädigung) bei Kündigungsfristen über drei Monaten Dauer lediglich dann vorsah, wenn der Urlaubsverbrauch nicht zumutbar war (vgl § 9 Abs 1 Z 4 UrlG idF BGBl I 1999/181). Mit der Einführung der Rechtslage neu und der Abgeltung von nicht konsumierten Urlaubstagen durch eine Urlaubsersatzleistung durch das Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 entfiel die Zumutbarkeitsprüfung für eine Anspruchsbegründung einer Urlaubsauszahlung (vgl § 19 Abs 6 UrlG idF BGBl I 2000/44).

Bemerkenswert ist nun, dass sich der Gedanke dieser Regelung des UrlG alt, die durch die Novelle 2000 vom Gesetzgeber im Rahmen der Reduzierung der Anspruchshöhe der AN von einer vollen Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den AG auf eine ausnahmslose Aliquotierung dieses Anspruches (quasi als Ausgleich) entfernt wurde, nun in der ablehnenden Argumentation eines Schadenersatzanspruches im Rahmen einer Kündigungsentschädigung wiederfindet.

Der OGH argumentiert nämlich, dass Urlaubstage einen veränderlichen Wert darstellen, da diese ja konsumiert werden können. Weiters hätte die Kündigungsfrist der Kl länger als drei Monate gedauert. Dieser langen Kündigungszeit hätten aber nur neun Tage Urlaub gegenübergestanden. Es wären keine Gründe vorgebracht worden, die einen Verbrauch des Urlaubs ausgeschlossen hätten. Somit sei aufgrund der Beweispflicht der Kl somit derselbe nicht gelungen. Es fehle daher hinsichtlich des alten Urlaubs an einer schlüssigen Behauptung eines Schadens.

Um diese Argumentation des Höchstgerichtes würdigen zu können, empfiehlt es sich, das letzte Argument des Senates als erstes zu behandeln: die Beweispflicht der Kl, dass diese den Urlaub nicht verbraucht hätte. Grundsätzlich wird von Judikatur und Lehre davon ausgegangen, dass die Beweislast des Urlaubsverbrauches den AG trifft (vgl OGH4 Ob 73/82Arb 10.143). Die Nichtbeachtung dieser Judikatur in vorliegender E führt im Endergebnis zu einer Beweislastumkehr im Schadenersatzprozess, welche nun, da sich die Prozessausgangslage ja nicht ändert, nicht sachgerecht erscheint. Insb ist anzumerken, dass der AG näher zum Beweis steht, da er bezüglich des Urlaubsanspruches der AN Aufzeichnungen führen muss (§ 8 UrlG), also bessere Zugangsmöglichkeiten zum Beweis besitzt (vgl zur Unterscheidung Fucik, Die [objektive] Beweislast – Besonders im Haftpflichtprozess, RZ 1990, 54).

ME ist jedoch fraglich, ob man bei richtiger Betrachtung der Sachlage überhaupt zu gegenständlicher Beweislagenproblematik kommt. Vielmehr ist bereits der Ausgangspunkt der Argumentation des OGH zu hinterfragen.

Natürlich stellt der Anspruch auf Urlaub im Arbeitsverhältnis eine veränderliche Größe dar, da Urlaub ja konsumiert werden kann. Durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird jedoch aus der Variablen eine Konstante, da sich der Resturlaub, welcher durch eine Urlaubsersatzleistung abgegolten werden muss, nun nicht mehr verändern kann. Ab der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist kein Urlaubskonsum mehr möglich. Durch diese Unmöglichkeit des weiteren Urlaubsverbrauchs ist die Kl daher auch bezüglich des Ausmaßes des abzufindenden Alturlaubes nicht beweispflichtig. Das Ausmaß steht konstant fest. Es liegt nun vielmehr am Prozessgegner – typischerweise dem AG – einen (fiktiven) Urlaubsverbrauch, also eine anspruchsvernichtende Veränderung, im Zeitraum der Kündigungsentschädigung einzuwenden und zu beweisen. Der AN obliegt im gegenständlichen Fall nur die Behauptungslast, und diese erfüllt sie mit Erhebung und Berechnung des Anspruches (vgl zur Unterscheidung zur Beweislast: Fucik, Die [objektive] Beweislast – Besonders im Haftpflichtprozess, RZ 1990, 54).

Die Rechtsansicht des OGH führt weiters dazu, dass dem jeweiligen Kl ein Beweis – dass der alte Urlaubsanspruch nicht konsumiert worden wäre, nur in Ausnahmefällen, etwa bei Krankheit, welche der Dauer der Kündigungsentschädigung entspricht – gelingen könnte. In dieser Rechtsansicht lebt also die alte Rechtslage des UrlG vor 2000 weiter, in welcher de lege lata bei zumindest drei monatiger Kündigungsfrist von der Zumutbarkeit eines Urlaubsverbrauches ausgegangen worden ist. Durch den Wegfall dieser Norm hat jedoch im Rahmen einer weiteren Rechtsauslegung, die den Bereich eines Urlaubsverbrauches berührt, der „Generalverdacht des Urlaubsverbrauches“ in der Kündigungsfrist zu unterbleiben. Natürlich setzt ein dolus des AN hinsichtlich rechtsschikanöser Verweigerung von Urlaubskonsum eine Grenze. Ein solcher dolus wurde jedoch in der rechtlichen Begründung wahrscheinlich mangels einschlägiger Sachverhaltsargumente nicht vorgebracht. Vielmehr hätte die Kl, selbst wenn im Unternehmen ein BR eingerichtet gewesen wäre, gem § 4 Abs 4 UrlG den Urlaub einseitig nicht antreten können, da der alte Urlaubsanspruch mit weniger als zwei Kalenderwochen zu gering war, als dass die Kl diese Bestimmung auch nur fiktiv für sich in Anspruch hätte nehmen können.

Als letzter Punkt sei noch erwähnt, dass der OGH im Rahmen seiner Ausführungen nicht untersucht, ob als Betrachtungszeitpunkt der fiktiven Urlaubskonsumation, oder eventuell einer fiktiven Urlaubsvereinbarung (der AG spielt ja bei der Urlaubsvereinbarung schließlich auch eine tragende Rolle) eine ex ante- Betrachtung oder – mE unzulässigerweise – eine ex post-Betrachtung eingenommen werden muss. Nun wird durch die Argumentation des Höchstgerichtes aber der Eindruck der Einnahme einer ex post- Betrachtung erweckt. Zusätzlich führen das völlige Ausblenden der Rolle des AG, der einem Urlaubsanbot247 des AN schließlich zustimmen muss, sowie die auf den Formalaspekt beschränkte Rechtsansicht bezüglich des Tragens der Beweislast insgesamt zu einer unbefriedigenden und unzutreffenden Behandlung der Abgeltung von Urlaubstagen im Rahmen einer Kündigungsentschädigung.

3.
Zusammenfassung

Fällt eine wirksame Kollektivvertragserhöhung in den Zeitraum einer Kündigungsentschädigung, so ist diese im Rahmen der Schadenersatzberechnung der Kündigungsentschädigung für sich aus dieser Erhöhung ergebende Differenzen bei der Berechnung der Abfertigung jedenfalls zu berücksichtigen. Die Differenzen sind bei einer Urlaubsersatzleistung für bereits im Arbeitsverhältnis entstandenen Alt-Urlaub dann zu berücksichtigen, wenn diese Urlaubstage im Zeitraum der Kündigungsentschädigung (fiktiv) nicht verbraucht worden wären. Entgegen der Rechtsauffassung des OGH, der die Kl als beweispflichtig sieht, trägt nach vorliegender Rechtsauffassung des Autors der Prozessgegner, also typischerweise der AG, die Beweislast dafür, dass Alt-Urlaub im Zeitraum der Kündigungsentschädigung (fiktiv) konsumiert worden wäre.