32Zum Kostenersatz einer Augenlaserbehandlung
Zum Kostenersatz einer Augenlaserbehandlung
Das Maß des Notwendigen bestimmt sich aus dem Zweck der Leistung. Notwendig ist jene Maßnahme, die zur Erreichung des Zwecks unentbehrlich oder unvermeidbar ist. Die Beschränkung auf das Maß des Notwendigen enthält auch das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Krankenbehandlung.
Eine Interessenabwägung des Kl an der Vornahme der Laserbehandlung und jener der Versichertengemeinschaft an der wirtschaftlichen Mittelverwendung ergibt, dass die Laserbehandlung das Maß des Notwendigen überschreite.
Der Umstand, dass die Laserbehandlung die Behebung der Kurzsichtigkeit bewirkt hat, führe im Rahmen der Gesamtbetrachtung nicht schon zwingend dazu, diese Behandlung als unentbehrlich oder unvermeidbar anzusehen. Da sich die Verwendung von Sehbehelfen zum Ausgleich der Fehlsichtigkeit als ausreichend und zweckmäßig erweist, ist kein solches Maß an Betroffenheit gegeben, dass die Kosten von der KV zu tragen wären.
Der 1967 geborene Kl ist als Polizeibeamter tätig und bei der Fremdenpolizei eingesetzt. Er ist kurzsichtig [...]. 2010 entschied er sich dann für die Vornahme einer Laserbehandlung. Sie verlief erfolgreich, sodass er seither keine Sehhilfen mehr in Anspruch nehmen muss. Aus medizinischer Sicht war die Korrektur des Sehfehlers mittels Laserbehandlung nicht erforderlich. Es bestand auch keine medizinische Indikation gegen die Versorgung mit Brillen oder Kontaktlinsen. Diese wäre nach den – den OGH bindenden Feststellungen – auch kostengünstiger gewesen. Die Verwendung von Brillen oder Kontaktlinsen hätte den Einsatz des Kl bei der Fremdenpolizei nicht ausgeschlossen. [...]
Rechtliche Beurteilung
[...]
2. Wie der OGH bereits mehrfach ausgeführt hat, ist [...] ein Interessenkonflikt zwischen Patient, Arzt und Sozialversicherungsträger hinsichtlich Art und Umfang der Krankenbehandlung gegeben. Dem (verständlichen) Wunsch des Patienten nach bestmöglicher ärztlicher Betreuung und weitestgehender versicherungsmäßiger Deckung der entstandenen Kosten, sowie der Forderung des Arztes nach möglichst freier Berufsausübung unter angemessener Honorierung seiner Leistung, steht das Interesse des Sozialversicherungsträgers an dem möglichst ökonomischen Verhalten des Arztes gegenüber (10 ObS 20/12g). Aus diesem Grund wird in § 62 Abs 2 Satz 1 B-KUVG als Maßstab festgelegt, dass die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein muss, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf. [...]
3.2 Zweckmäßigkeit liegt vor, wenn die Behandlung in Verfolgung der Ziele der Krankenbehandlung erfolgt, erfolgreich oder zumindest erfolgversprechend war. Darunter ist zu verstehen, dass die Behandlung nach den Erfahrungssätzen der medizinischen Wissenschaft mit hinreichender Sicherheit objektiv geeignet ist, die beabsichtigte Wirkung zu erzielen (10 ObS 14/08v, SSV-NF 22/16 mwN). Sehbehelfe werden daher als zweckmäßig anzusehen sein, wenn sie nach dem anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft objektiv geeignet sind, die durch die Fehlsichtigkeit gegebene Funktionsbeeinträchtigung des Auges auszugleichen.
3.3 Das Maß des Notwendigen bestimmt sich aus dem Zweck der Leistung. Notwendig ist jene Maßnahme, die zur Erreichung des Zwecks unentbehrlich oder unvermeidbar ist. [...] Die Beschränkung der Krankenbehandlung auf das Maß des Notwendigen enthält auch das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Krankenbehandlung (10 ObS 174/93 mwN = SSV-NF 7/112). Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit kommt es aber auf die Gesamtbetrachtung einer zweckmäßigen Behandlung an, sodass nicht immer auch die billigste Lösung dem Gebot der Zweckmäßigkeit entsprechen muss (10 ObS 174/93= SSV-NF 7/112).
4.1 Die Abwägung zwischen den Interessen des Patienten an der „besten“ Behandlung und der Versichertengemeinschaft an einer kostenoptimalen Versorgung hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab (Schober in
4.2 Bei den für die Betroffenheitsintensität maßgeblichen Wertungen ist in erster Linie die absolute Priorität des Lebens zu beachten, dem andere Güter nachgeordnet sind. Geringeren Stellenwert besitzen die körperliche Integrität, die körperliche Bewegungsfreiheit und die geistige Betätigungsfreiheit, die spezielle Ausformungen in der Arbeitsfähigkeit und der Selbsthilfefähigkeit finden.
5. Mit diesen Grundsätzen steht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts in Einklang, eine Abwägung der Interessen des Kl an der Vornahme der Laserbehandlung und jener der Versichertengemeinschaft an der wirtschaftlichen Mittelverwendung ergebe im vorliegenden Fall, dass die Laserbehandlung das Maß des Notwendigen überschreite. Zum Ausmaß der Betroffenheit des Kl hat bereits das Berufungsgericht darauf verwiesen, das dem Kl nach den Feststellungen die weitere Verwendung von Brillen oder Kontaktlinsen medizinisch zumutbar gewesen wäre und eine medizinische Notwendigkeit für die Laserbehandlung nicht gegeben war. Die Laserbehandlung diente auch nicht der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit, weil feststeht, dass das Tragen von Kontaktlinsen oder einer 338Brille einer Berufstätigkeit bei der Fremdenpolizei nicht entgegensteht.
6.1 Zum Vorbringen des Kl, das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Interessensabwägung nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Laserbehandlung zu einer Behebung der Kurzsichtigkeit führt, während Sehhilfen bloß zu deren Ausgleich dienen, ist noch im Einzelnen auszuführen:
6.2 Ziel der Krankenbehandlung ist, die Gesundheit, die Dienstfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederherzustellen, zu festigen oder zu bessern (§ 62 Abs 2 Satz 2 B-KUVG). Aus den genannten Zielen, wurde von der Rsp abgeleitet, dass nicht jedwede Störung des Wohlbefindens zu Lasten der gesetzlichen KV zu beseitigen ist. Es soll kein Idealzustand eines gesunden Menschen erreicht werden, was insb aus der Einschränkung auf die Fähigkeit, „für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse“ (also nicht „für alle Bedürfnisse“ oder „für alle wichtigen Bedürfnisse“) zu sorgen, ersichtlich wird. Ebenso wird durch die Beschränkung auf das Maß des Notwendigen zum Ausdruck gebracht, dass es nicht Aufgabe der gesetzlichen KV sein kann, dem Versicherten durch eine Behandlung maximale Bedürfnisbefriedigung zu ermöglichen (10 ObS 227/03k, SSVNF 18/65 = ZAS 2006/14 [Pfeil]). [...]
6.3 Es ist auch daran festzuhalten, dass der Krankenbehandlungsanspruch von einem gesellschaftlichen Konsens darüber abhängt, dass die Kosten von der Versichertengemeinschaft – und nicht vom Versicherten selbst – getragen werden sollen, was sich bereits aus dem Gesetz, insb der Auflistung der Ziele der Krankenbehandlung in § 133 Abs 2 (§ 62 Abs 2 Satz 2 B-KUVG) ergibt (Felten/Mosler in SV-Komm § 133 ASVG Rz 26).
6.4 Eine notwendige Krankenbehandlung ist schon dann anzunehmen, wenn die Behandlung geeignet erscheint, eine Verschlechterung des Zustands hintanzuhalten (RIS-Justiz RS0106245; RS0106403). Die notwendige Krankenbehandlung muss daher nicht die endgültige und vollständige Heilung des Patienten zum Ziel haben; es genügt vielmehr, wenn sie die Besserung des Leidens oder die Verhütung von Verschlimmerungen bezweckt (10 ObS 258/02tmwN SSV-NF 17/17 = RIS-Justiz RS0106245 [T1]). Bei Funktionseinschränkungen kann unter dieser Voraussetzung der Zweck der Wiederherstellung oder Festigung der Gesundheit auch durch Maßnahmen der Substitution erreicht werden (Mazal, Krankheitsbegriff und Risikoabgrenzung, 321). Die in § 137 ASVG aufgezählten „Behelfe“ dienen dem gleichen Zweck, weil sich der Gesundheitszustand eines Versicherten ohne Brillen, orthopädische Schuheinlagen oder Bruchbänder verschlechtern würde (Binder in
6.5 Auch für – durch die Entwicklung der Medizin möglich gewordene – neue Behandlungsmethoden muss sich das Maß des Notwendigen als grundsätzliches Ziel einer Krankenbehandlung aber immer aus dem Zweck der Leistung bestimmen. Für neue Behandlungsmethoden gilt somit in gleicher Weise die Einschränkung, dass notwendig nur jene Maßnahmen sind, die zur Erreichung des Zwecks unentbehrlich oder unvermeidbar sind. Nach der bisherigen Rsp ist bei Bestehen mehrerer gleichermaßen zweckmäßiger Behandlungsmethoden diejenige zu wählen, die die geringsten Kosten verursacht bzw bei der die Relation von Kosten und Nutzen am günstigsten ist (RIS-Justiz RS0083823).
7. Ausgehend von diesen Überlegungen stellt auch die Ansicht des Berufungsgerichts keine Fehlbeurteilung dar, der Umstand, dass die Laserbehandlung die Behebung der Kurzsichtigkeit bewirkt habe, führe im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung nicht schon zwingend dazu, diese Behandlung als unentbehrlich oder unvermeidbar anzusehen. Da sich die Verwendung von Kontaktlinsen oder Brillen zum Ausgleich der Fehlsichtigkeit als ausreichend und zweckmäßig erweise, ist kein solches Maß an Betroffenheit des Versicherten gegeben, dass die Kosten der Laserbehandlung von der gesetzlichen SV zu tragen wären.
Ergänzend ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall im Vordergrund das der höchstpersönlichen Lebenssphäre des Kl zuzuordnende Interesse steht, zum Ausgleich der Fehlsichtigkeit in Hinkunft weder Brillen noch Kontaktlinsen tragen zu müssen. Dieses Interesse liegt also darin, einer rein subjektiv empfundenen Beeinträchtigung der Lebensqualität abzuhelfen; ein von der gesetzlichen KV verfolgtes Ziel der Krankenbehandlung wird aber damit nicht erfüllt (siehe Schober in
Der OGH behandelt in der vorliegenden E die Grenzen der Leistungspflicht der gesetzlichen KV in Zusammenhang mit einer Augenlaserbehandlung. Angesichts der rasanten medizinischen Entwicklung im Bereich der Augenheilkunde und der vermehrten Durchführung von Augenlaserverfahren überrascht es nicht, dass die Frage des Kostenersatzes den Weg zum OGH gefunden hat. Dieser verneint die Kostenübernahme einer Laserbehandlung aufgrund der Möglichkeit des Einsatzes von Sehbehelfen. Der folgende Beitrag beschäftigt sich daher mit der Frage des Umfanges der Leistungspflicht, wenn mehrere Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, wobei eine zur Behebung der Funktionseinschränkung und die andere zu deren Ausgleich führt.
Ausgangspunkt nachstehender Überlegungen ist § 133 Abs 2 ASVG: Demnach hat der Versicherte Anspruch auf eine Krankenbehandlung, die ausreichend und zweckmäßig ist, das Maß des Notwendigen jedoch nicht überschreitet. Der Sinngehalt dieser Kriterien ist unter Berücksichtigung der Ziele der Krankenbehandlung zu ermitteln (Mazal, Krankheitsbegriff und Risikoabgrenzung [1992] 331 f; Felten/Mosler, SV-Komm § 133 Rz 49). Als solche nennt das Gesetz die Wiederherstellung, Festigung oder Besserung der Gesundheit, der Arbeitsfähigkeit und der Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen. § 62 Abs 2 Satz 1 B-KUVG, auf dessen 339Grundlage der OGH in der vorliegenden E judiziert hat, ist wortgleich ausgestaltet. Die folgenden Ausführungen sind daher auch für das B-KUVG relevant.
Eine Krankenbehandlung ist zweckmäßig, wenn sie nach dem anerkannten Stand der Wissenschaft objektiv geeignet ist, eines der in § 133 Abs 2 ASVG genannten Ziele zu erfüllen (OGH10 ObS 86/09hZAS 2011/46 [Stadler]). Während die Laserbehandlung die Gesundheit wiederherstellt, sind Sehbehelfe geeignet, eine weitere Verschlechterung der Sehkraft zu verhindern und festigen somit die Gesundheit (OGH10 ObS 193/98z
Begrifflich kann die Wiederherstellung der Gesundheit iSd § 133 Abs 2 ASVG auf die Beseitigung des regelwidrigen Zustandes selbst oder lediglich auf die Beseitigung der nachteiligen Folgen des regelwidrigen Zustandes abstellen. Mazal (Krankheitsbegriff 321) geht von einem weiten Begriffsverständnis aus: Eine Wiederherstellung der Gesundheit könne auch durch Substitutionsmaßnahmen erfolgen, wenn es sich beim regelwidrigen Zustand um eine Funktionseinschränkung handle. Als Beispiele hierfür zählt er die Dialysebehandlung, die Verabreichung von Insulin und die künstliche Beatmung auf. Die hM (OGH10 ObS 193/98z
In der vorliegenden E finden sich widersprüchliche Aussagen zu der Frage, ob eine Substitutionsmaßnahme die Gesundheit wiederherstellt: Der OGH führt einerseits aus, dass durch Substitutionsmaßnahmen der Zweck der Wiederherstellung und der Festigung der Gesundheit erreicht werden kann. Die Sehbehelfe ordnet er aber in weiterer Folge der Festigung zu. Auch die Behandlung eines Zuckerkranken mit Insulin oder eine Dialysebehandlung bei Niereninsuffizienz wurde von der älteren Judikatur als bloße Festigung eingeordnet (OGH10 ObS 193/98z
ME ist die Rsp des OGH zur In-Vitro-Fertilisation eindeutiges Indiz für ein enges Begriffsverständnis der Wiederherstellung, die auf die Beseitigung der Regelwidrigkeit abzielen muss. Kann eine Krankheit dem Grunde nach nicht behandelt werden, ist eine Wiederherstellung der Gesundheit nicht möglich. Für die Qualifikation als Krankenbehandlung gem § 133 ASVG ist daher auf eine Festigung oder Verbesserung der Gesundheit abzustellen.
Folgt man der hier vertretenen Auffassung und führt die Substitutionsmaßnahme daher nicht zu einer Wiederherstellung der Gesundheit, hat die Maßnahme aber sehr wohl festigenden Charakter, stellt sich die Frage nach einer Rangordnung der gem § 133 Abs 2 ASVG zu verfolgenden Zwecke, wenn gleichzeitig auch eine die Gesundheit wiederherstellende Maßnahme existiert.
Ein Vorrang der Wiederherstellung ist weder dem Gesetzestext noch den Materialen (599 BlgNR 7. GP 53 f) zu entnehmen. Auch in der Literatur hat bislang eine Diskussion über eine Reihenfolge der Vorgänge, auf denen die Ergebnisse der Krankenbehandlung (Gesundheit, etc) zu erreichen sind, nicht stattgefunden (zur Unterscheidung zwischen Vorgängen und Ergebnissen vgl Mazal, Krankheitsbegriff 314). Allerdings wird teilweise eine Rangordnung der Ergebnisse vertreten: Nach Pfeil (Anm zu OGH10 ObS 227/03kZAS 2006, 93; siehe auch Felten/Mosler, SV-Komm § 133 Rz 34 ff) bringe die im Gesetz vorgesehene Reihung eine gewisse Wertigkeit zum Ausdruck, nach der primär die Gesundheit, dann die Arbeitsfähigkeit und schlussendlich erst die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, wiederherzustellen, zu festigen oder zu bessern seien. Selbst wenn man dieser Auffassung folgt, ist dieser Gedanke jedoch nicht auf die Vorgänge übertragbar. Denn der Gesetzestext von § 133 Abs 2 ASVG spricht als ersten Punkt von der Wiederherstellung, dann von der Festigung und schlussendlich von der Besserung. Eine Besserung des Zustandes ist aber im Vergleich zur Festigung wertungsmäßig ranghöher einzustufen. Eine dem Gesetz zu entnehmende Wertung ist daher mE auszuschließen.
Auch der OGH verneint in der vorliegenden E eine Reihung der Vorgänge: Ein Idealzustand eines gesunden Menschen sei durch die KV nicht herzustellen. Die Beschränkung auf das Maß des Notwendigen bringe zum Ausdruck, dass die Ermöglichung einer maximalen Bedürfnisbefriedigung nicht Aufgabe der KV sei. Daher würden festigende oder verbessernde Maßnahmen genügen. Eine vollständige Heilung des Patienten müsse nicht vorgenommen werden. Mangels dogmatischer Anhaltspunkte für einen Vorrang der Wiederherstellung ist der Rsp des OGH zuzustimmen. Die Ansicht, dass wiederherstellende Maßnahmen anstelle von festigenden unabhängig von Kostenüberlegungen 340zu gewähren seien, ist daher abzulehnen. Ein absoluter Vorrang scheidet mE aus.
Allerdings ist die Frage, ob eine Maßnahme zur Wiederherstellung oder Festigung der Gesundheit führt, dennoch relevant: Der OGH(10 ObS 113/94ZAS 1994/18 [Tomandl]) nimmt für die Lösung der Kostenersatzfrage eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Patienten an der besten Behandlung und dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer kostenoptimalen Versorgung vor. Das Gewicht des Kostenarguments nimmt zu, je geringer der von der Behandlung tangierte Zweck der Krankenbehandlung bewertet wird. Die Kosten sind daher nur eines der Beurteilungskriterien im Rahmen des Bewertungsaktes. Die Abwägung ist wesentlich von der Betroffenheit des Patienten abhängig. Für die Beurteilung der Betroffenheit spielen Wertungen eine große Rolle, wobei das Leben absolute Priorität genießt. Dem Leben sind andere Güter, wie zB die körperliche Integrität, nachgeordnet. Die Betroffenheit des Patienten ist aber idR auch unterschiedlich hoch, je nachdem, ob eine Maßnahme zur Wiederherstellung oder Festigung der Gesundheit führt. Auch dieser Aspekt hat daher mE in die Interessenabwägung einzufließen. Weil die Wiederherstellung der Gesundheit höher zu bewerten ist, kommt den Kosten eine vergleichsweise geringere Bedeutung zu. Allerdings ist diese Beurteilung immer anhand des Einzelfalls vorzunehmen. Hat eine festigende Maßnahme daher gleichzeitig ausgleichende Wirkung und führt sie im Endeffekt zum gleichen Ergebnis wie die wiederherstellende, muss die Betroffenheit des Patienten bei Vornahme der festigenden Maßnahme nicht automatisch größer sein als bei Vornahme der wiederherstellenden. Allein die Überlegung, dass die Wiederherstellung der Gesundheit höher zu bewerten ist als die Festigung, führt nicht zu einem automatischen Vorzug. Diese Sichtweise wird auch durch die Judikatur bestätigt, nach der eine kostenintensivere Behandlung zweckwidrig ist, wenn nur geringe Unterschiede zu einer billigeren Methode bestehen (OGH10 ObS 113/94ZAS 1994/18 [Tomandl]).
Endbefund ist daher, dass ein absoluter Vorrang von Maßnahmen, die zu einer Wiederherstellung der Gesundheit führen, zu verneinen ist. Existieren mehrere Behandlungsmethoden, wobei eine zur Wiederherstellung der Gesundheit und die andere zur Festigung führt, fließt dies als einer von mehreren Faktoren in die Beurteilung der Betroffenheit des Patienten ein.
Für den vorliegenden Fall bedeutet diese Ansicht Folgendes: Aufgrund der Tatsache, dass die Laserbehandlung zur Wiederherstellung der Sehkraft führt, ist sie gegenüber der Verwendung von Sehbehelfen nicht automatisch vorrangig. In die Interessenabwägung ist dieser Umstand zwar einzubeziehen, da aber durch die Sehbehelfe final betrachtet das gleiche Ergebnis wie aufgrund einer Laserbehandlung erzielt wird, ergibt sich rein aus diesem Aspekt keine größere Betroffenheit des Patienten durch die Verwendung von Sehbehelfen.
Stehen mehrere zweckmäßige Behandlungsmethoden zur Verfügung, ist nach Judikatur (OGH10 ObS 113/94ZAS 1994/18 [Tomandl]) und Lehre (Schrammel, ZAS 1986, 151; Felten/Mosler, SV-Komm § 133 Rz 51) jene Methode auszuwählen, deren Einsatz mit den geringsten nachteiligen Nebenwirkungen für den Patienten verbunden ist. Der OGH geht in seiner Begründung überraschenderweise auf die Frage nachteiliger Nebenwirkungen nicht ein. Dies obwohl die Laserbehandlung mit einer Reihe von Risiken verbunden ist. Die Komplikationen reichen von trockenen Augen, optischen Wahrnehmungsstörungen (zB erhöhte Lichtempfindlichkeit) bis hin zu Sehverschlechterungen (Knorz, Komplikationen der Excimerchirurgie, in
Die Notwendigkeit bestimmt sich nach hA (Neumayr in
Im Zuge der Wirtschaftlichkeitsprüfung gewinnt das Argument, dass aufgrund der Laserbehandlung die Gesundheit wiederhergestellt wird, erneut an Relevanz: Denn ist zwar der Vorgang der Wiederherstellung teurer als die Festigung durch Substitutionsmaßnahmen, kann die Wiederherstellung aber gesamthaft betrachtet dennoch billiger sein, wenn damit ein dauerhafter Erfolg erzielt werden kann (OGH10 ObS 113/94ZAS 1994/18 [Tomandl]). Über welchen Zeitraum eine Beurteilung zu erfolgen hat, ist offen, wird aber vom konkreten Einzelfall abhängig sein. In der vorliegenden E hat das Erstgericht festgestellt, dass die Versorgung mit Sehbehelfen kostengünstiger sei. Auch hier gibt es allerdings keinen Anhaltspunkt, welcher Zeitraum vom Gericht herangezogen wurde. Laut Auskunft der 341Österreichischen Ophthalmologischen Gesellschaft (ÖOG) kosten Operationen nach der „Lasik-Methode“ derzeit ungefähr € 3.000,– bis € 4.500,– gemeinsam für beide Augen. Diese Kosten sind im Einzelfall mit der Kostenübernahme des Sozialversicherungsträgers für Brillen oder Kontaktlinsen gem § 137 Abs 2a ASVG zu vergleichen. Zu bedenken ist hierbei, dass die Kosten einer Laserbehandlung aufgrund der erweiterten medizinischen Möglichkeiten künftig weiter sinken werden. Es ist daher mE nur eine Frage der Zeit, bis Laserverfahren kostengünstiger als die Versorgung mit Sehbehelfen sein werden.
Weiters kann der medizinische Fortschritt dazu führen, dass die neue Behandlungsmethode als unentbehrlich oder unvermeidbar anzusehen ist. Gegen diese Ansicht spricht zwar, dass verbesserte Behandlungsmöglichkeiten nicht automatisch dazu führen, dass der medizinische Mindeststandard angehoben wird. Allerdings bestimmen gesellschaftliche Wertungen das Ausmaß der Krankenbehandlung (Ettmayer/Posch, DRdA 2006, 201). Ändert sich daher die gesellschaftliche Auffassung und werden in Zukunft Laserverfahren als notwendige Mindestbehandlung angesehen, wären diese selbst dann zu gewähren, wenn sie kostenintensiver sind. Dies erkennt auch der OGH in der vorliegenden E, indem er auf die „(derzeit geltenden) Wertvorstellungen
“ abstellt.
Eine gesellschaftliche Wertung, dass die Laserbehandlung eine unentbehrliche Maßnahme darstellt, existiert heutzutage nicht. Stellt das Gericht fest, dass die Laserbehandlung teurer als die Versorgung mit Sehbehelfen ist, kommt es daher entscheidend darauf an, „ob der höhere Preis mit einem ausreichenden therapeutischen Mehrnutzen verbunden ist
“ (Rebhahn, ASVG § 136 Rz 47). Dies ist im vorliegenden Fall zu verneinen, da – wie bereits erwähnt – sowohl durch die Sehbehelfe als auch die Laserbehandlung derselbe Effekt erzielt wird; die Patienten können wieder ausreichend gut sehen. Dem OGH ist daher im Ergebnis zuzustimmen, dass keine Pflicht zur Kostenübernahme durch die KV besteht, wenn die Laserbehandlung die kostenintensivere Maßnahme ist.