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Legalitätsprinzip und Vertrauensschutz bei Leistungen aus der zusätzlichen PV

STEFAN LEOFRANK (WIEN)
  1. § 479 Abs 2 und 4 ASVG begegnet aus der Sicht des verfassungsrechtlichen Determinierungsgebots keinen Bedenken.

  2. Die mit der Satzung 2012 des Pensionsinstituts für Verkehr und öffentliche Einrichtungen erfolgte Herabsetzung der Leistungen des (mit 1.1.2012 ausgelaufenen) leistungsorientierten Systems verstößt nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.

[...]

2.2 Die Zusatzversicherung beruht auf entsprechenden Satzungen der Pensionsinstitute (§ 479 Abs 2 ASVG). Eine gesetzliche Determinierung dieser Satzungen ist nur insoweit gegeben, als § 479 Abs 2 ASVG zufolge bei der Regelung der Zusatzversicherung auf die „finanzielle Leistungsfähigkeit“ des jeweiligen Versicherungsträgers (vgl auch § 479 Abs 4 ASVG) sowie auf die „wirtschaftlichen Bedürfnisse der Versicherten“ Bedacht zu nehmen ist und zusätzlich eine Reihe von Bestimmungen des ASVG sinngemäß anzuwenden sind. Über die Höhe der in der zusätzlichen PV zu leistenden Beiträge gibt § 479 ASVG ebenso wenig Auskunft wie über Art und Ausmaß der vorzusehenden Pensionsleistungen (Frank in SV-Komm § 479 ASVG Rz 7). [...]

2.4 Bedenken [ob der] Verfassungsmäßigkeit des § 479 Abs 2 und 4 ASVG aus der Sicht des Legalitätsprinzips (Art 18 Abs 1 B-VG) bestehen nicht. Art 120b Abs 1 B-VG idF BGBl I 2008/2eröffnet den Trägern der nicht-territorialen Selbstverwaltung, zu der auch die Bekl gehört, ausdrücklich die Möglichkeit, ihre Angelegenheiten „im Rahmen der Gesetze“ durch Satzungen zu ordnen. Dieses gesetzergänzende Verordnungsrecht erlaubt es, die in § 479 ASVG vorgesehene Zusatzversicherung gänzlich im Satzungsweg zu regeln, soweit dabei nicht gegen „bestehende Gesetze und Verordnungen“ verstoßen werde (vgl Art 118 Abs 6 B-VG). Vor diesem Hintergrund ist § 479 ASVG daher – verfassungsrechtlich unbedenklich – (nur) die Bedeutung beizumessen, die Pensionsinstitute als Träger der sozialen Selbstverwaltung zu konstituieren, die Durchführung der zusätzlichen PV zu ihrer „Aufgabe“ (Art 120b Abs 1 B-VG) zu erklären und einzelne Schranken für die Ausgestaltung dieser Versicherung aufzustellen (vgl 10 ObS 9/13sunter Hinweis auf Frank, SV-Komm § 479 ASVG Rz 8).

2.5 Die vom Kl als verfassungswidrig erachtete Regelung des § 479 Abs 4 ASVG bestimmt näher, wann die finanzielle Leistungsfähigkeit der Pensionsinstitute gegeben ist, und verfügt, dass bei Überschreiten des – konkret festgelegten – Betrags zur Deckung des Abgangs die Versicherungsleistungen zu vermindern oder die Beiträge zu erhöhen sind. Eine mangelnde Determinierung dieser Bestimmung aus der Sicht des Legalitätsprinzips ist aufgrund der dargelegten Erwägungen, deren Richtigkeit auch vom Kl nicht in Zweifel gezogen wird, nicht erkennbar.

3. Weiters macht der Kl – zusammengefasst – geltend, die Kürzung seines Ruhegenusses im Jahr 2012 von 337,03 € monatlich auf 183,35 € monatlich, somit um 45,6 % stelle einen schwerwiegenden und massiven Eingriff in seine Rechtsposition dar [...]. Die Höhe dieser Kürzung sei iSd Rsp des VfGH als überproportional und erheblich anzusehen und stelle eine Verletzung des aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes sowie des Eigentumsrechts dar. [...] 342

4. Diesen Ausführungen des Kl ist insoweit beizupflichten, als entsprechend seinem Vorbringen die von ihm konkret bekämpfte Kürzung seiner Zusatzpension auch nach Ansicht des erkennenden Senats keinesfalls mehr als geringfügig bezeichnet werden kann, sondern als erheblich iSd Kriterien des VfGH gewertet werden muss. Diese Ansicht bedarf keiner weiteren Erörterung.

4.1 [...]

4.2 Mit dem SRÄG 2011, BGBl I 2011/122, wurden – als erster Schritt zur Auflösung und Abwicklung des bekl Pensionsinstituts – sämtliche Zuschussleistungen und Anwartschaften aus den im Pensionsinstitut geführten „Altlasten“ in die Höherversicherung nach § 248 ASVG übernommen, und zwar mit Wirkung vom 1.1.2012. Gleichzeitig wurde auch die Übertragung des beitragsorientierten Systemteils auf Pensionskassen bis Ende 2013 beschlossen sowie die Schließung des bekl Pensionsinstituts zum 31.12.2014 normiert (vgl AB 2508 BlgNR 24. GP 6).

4.2.1 [...]

4.2.2 [...]

4.2.3 Dazu führen die Materialien (ErläutRV 1512 BlgNR 24. GP 4 f und 12 f) auszugsweise aus:

„Das Pensionsinstitut für Verkehr und öffentliche Einrichtungen wurde im Jahr 1898 gegründet und vom Gesetzgeber im Jahr 1956 als „Zuschusskasse öffentlichen Rechts“ in das ASVG übernommen (...). Das im Wesentlichen im Umlageverfahren finanzierte System des Pensionsinstituts für Verkehr und öffentliche Einrichtungen geriet – unter anderem weil die Zahl der BeitragszahlerInnen zwischen 1980 und 1997 drastisch gesunken war – ab Mitte der 1990er-Jahre in einen erheblichen finanziellen Engpass.Im Rahmen eines im Jahr 1999 umgesetzten Sanierungskonzepts, zu dem neben einem beachtlichen finanziellen Beitrag des Bundes auch die LeistungsbezieherInnen und die Anwartschaftsberechtigten (durch Kürzung von Leistungen und Anwartschaften) sowie die DienstgeberInnen einen Beitrag geleistet hatten, sollte das umlagefinanzierte Altsystem auslaufen, neu eintretende Versicherte aber in einem neuen „beitragsorientierten System“ geführt werden.Das auslaufende „Altsystem“ (sogenanntes leistungsorientiertes System) startet im Jahr 2000 dennoch mit einer finanziellen Unterdeckung von rund 25,5 Mio EUR, die – nachdem in den folgenden Jahren insbesondere auch die zugrundeliegende Ertragserwartung nicht erfüllt werden konnte – spätestens ab Vorliegen der versicherungstechnischen Bilanz zum 31.12.2006 die Setzung entsprechender Maßnahmen mit 2007 dringend angezeigt erscheinen ließ.Die erforderlichen massiven Eingriffe in bestehende Leistungen und Anwartschaften, um das Problem systemintern zu lösen, stießen auf evidente verfassungsrechtliche Schranken, weshalb in der Folge in Gesprächen unter Beteiligung des Pensionsinstituts, des Sozial- und des Finanzressorts Varianten zur Sanierung unter neuerlicher Hilfestellung des Bundes entwickelt wurden.In diesem Zusammenhang wurde von den erwähnten Bundesministerien insbesondere auch eine umfassende Prüfung der Sachlage durch den Rechnungshof als Basis für eine tragfähige Lösung in die Wege geleitet (vgl Bericht des Rechnungshofs Bund 2011/4).Die nunmehr vorgeschlagene Lösung basiert auf der Übernahme sämtlicher Zuschussleistungen und Anwartschaften aus dem im Pensionsinstitut geführten „Altsystem“ (dem leistungsorientierten System nach Abschnitt V der Satzung 2006 ...) in die Höherversicherung nach § 248 ASVG....Von dieser Maßnahme werden rund 1.300 ZuschussleistungsbezieherInnen und 1.586 Anwartschaftsberechtigte betroffen sein.Das Ausmaß der Zuschussleistungen und Anwartschaften aus dem Altsystem ist entsprechend der neuen Satzung des Pensionsinstituts mit deren Inkrafttreten am 31.12.2011 bescheidmäßig herabzusetzen und diese herabgesetzten Leistungen werden sodann in die Höherversicherung nach dem ASVG übernommen.Aufgrund dieser Höherversicherung gebührt – soweit schon ein Leistungsanspruch besteht – anstelle der bisherigen Zuschussleistungen des Pensionsinstituts ein besonderer Steigerungsbetrag, und zwar in der Höhe der am 31.12.2011 satzungsmäßig (neu) festgestellten Zuschussleistung....Von Bundesseite werden für die erforderlichen Leistungen Mittel in Höhe von 27,5 Mio EUR bereitgestellt, welche im Lauf der kommenden 60 Jahre sukzessive in die – durch die Leistungsübernahme – erhöhte Abgangsdeckung fließen. Die dem „Altsystem“ zugeordneten finanziellen Mittel (insgesamt rund 55 Mio EUR) sind im Gegenzug dem zuständigen Pensionsversicherungsträger zu übertragen.Um mit den genannten finanziellen Mitteln das Auslangen zu finden, ist aber auch eine entsprechende Leistungskürzung durch das Pensionsinstitut unabdingbar: Durch diese im Rahmen und in der Verantwortung der Selbstverwaltung des Pensionsinstituts vorzunehmende Kürzung soll sichergestellt werden, dass die in das ASVG übernommenen Leistungen aus der Höherversicherung letztendlich keine höhere Belastung als die genannte Summe von 27,5 Mio EUR verursachen....Durch die Übertragung von Zuschussleistungen und Anwartschaften des Pensionsinstituts in der vorgeschlagenen Form werden die in der Satzung 2012 des Pensionsinstituts vorgesehenen Pensions-Zuschussleistungen abgesichert, wobei die Belastung des Bundes den vorgesehenen Betrag von 27,5 Mio EUR insgesamt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht überschreiten wird.“

4.2.4 In dem in den soeben zitierten Gesetzesmaterialien erwähnten Bericht des Rechnungshofs Bund 2011/4 ist ua die finanzielle Lage des bekl Pensionsinstituts für die Jahre 2000 bis einschließlich 2009 umfassend dargestellt. Danach unterstützte der Bund das bekl Pensionsinstitut im Jahr 1999 mit rund 67,33 Mio €. Dies änderte aber nichts daran, dass das bekl Pensionsinstitut in der versicherungstechnischen Bilanz 2009 erneut einen Abgang von rund 84,11 Mio € auswies (S 61). Damit waren rund 45 % der Pensionszusagen der vor dem Jahr 2000 versicherten Personen nicht gedeckt. Aufgrund der starken Unterdeckung schränkte der Prüfaktuar im Jahr 2007 343den Bestätigungsvermerk ein, 2008 und 2009 verweigerte er ihn zur Gänze. Die dauerhafte Erfüllbarkeit der Verpflichtungen sei nicht gegeben (vgl S 64). Das bekl Pensionsinstitut wies 2009 und 2010 auch im beitragsorientierten System (Neusystem) Leistungen aus, die aktuarisch nicht gedeckt waren. Diese finanzielle Lage des bekl Pensionsinstituts führte dazu, dass am 1.4.2009 eine Leistungskürzung um 15 % einheitlich für alle Versichertengruppen rückwirkend ab 1.1.2009 beschlossen wurde (vgl S 105).

4.3 Durch die Satzung 201[2] der Bekl erfolgte eine weitere Leistungskürzung.

§ 52 der am 2.12.2011 kundgemachten neuen Satzung 201[2] der Bekl (avsv 2011/353) lautet auszugsweise wie folgt:

„(1) Monatliche Leistungen des leistungsorientierten Systems der vor dem Inkrafttreten dieser Satzung geltenden Satzung werden wie folgt herabgesetzt:...b) Ruhegenüsse, die nach dem Jahr 1982 und vor dem Jahr 2000 angefallen sind, werden einer Neuberechnung nach der am 1.1.1999 in Geltung gestandenen Satzung unterzogen. Von der Neuberechnung ist ein allfälliger besonderer Steigerungsbetrag gemäß § 581 Abs 2a ASVG in Abzug zu bringen. Sind 85 vH des verbleibenden neu berechneten Ruhegenusses niedriger als der vor dem Inkrafttreten dieser Satzung gebührende Ruhegenuss, wird der Ruhegenuss um den halben Differenzbetrag herabgesetzt. Ruhegenüsse, die vor dem Tag, an dem die Altersgrenze für die Alterspension aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG erreicht ist, angefallen sind, werden überdies für jeden angefangenen Monat des Anfalls vor dieser Altersgrenze um 0,25 vH, höchstens jedoch um 15 vH des zuvor ermittelten Ausmaßes herabgesetzt....(2) Die gemäß Abs 1 herabgesetzten Leistungen werden weiters auf 77,5 vH ihres Ausmaßes herabgesetzt.“

5. Für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der soeben dargestellten Leistungskürzungen ist davon auszugehen, dass die geltende Rechtslage keine Verpflichtung des Bundes vorsah, die Pensionsinstitute finanziell zu unterstützen. Nach den zu Pkt 4.2.3 wiedergegebenen Gesetzesmaterialien und dem darin erwähnten Bericht des Rechnungshofs ist aber auch davon auszugehen, dass das leistungsorientierte System nach der mit der 57. ASVG-Novelle vorgegebenen kapitalgedeckten Finanzierungsform ohne Steuermittel nicht aufrechtzuerhalten war. Ohne die Beteiligung des Bundes in Höhe der Hälfte der dem „Altsystem“ zugeordneten finanziellen Mittel (vgl den Bundesbeitrag zur gesetzlichen PV nach § 80 ASVG) hätte die Leistungskürzung noch höher ausfallen oder hätten die Beiträge so beträchtlich erhöht werden müssen, dass diese Belastungen dem Gesetzgeber nicht verfassungsmäßig erschienen. Die Zielsetzung, den Beitrag des Bundes mit einem Drittel des zur Finanzierung der in das ASVG-Pensionssystem übergeleiteten Zuschussleistungen aus dem „Altsystem“ zu begrenzen, liegt im öffentlichen Interesse. Sie bedingt aber den Beitrag der Leistungsbezieher, dass es für sie weiter eine Zusatzleistung zur ASVG-Grundpension gibt (10 ObS 9/13s).

5.1 Soweit der Kl verfassungsrechtliche Bedenken gegen das konkrete Ausmaß der bei ihm erfolgten Kürzung seiner Zusatzpension geltend macht, ist ihm entgegenzuhalten, dass es sich dabei nicht um Grundleistungen der gesetzlichen PV, sondern um ergänzende Leistungen einer Zusatzversicherung – ähnlich einer Pensionskasse – handelt. Weiters bestand aufgrund der Regelung des § 479 Abs 4 ASVG eine dringende gesetzliche Handlungspflicht der Bekl, da der tatsächliche Abgang ein Vielfaches des zulässigen Ausmaßes betragen hat und daher aufgrund der hohen wirtschaftlichen Unterdeckung die finanzielle Leistungsfähigkeit iS dieser Gesetzesstelle bei weitem nicht mehr gegeben war. Allfällige Beitragserhöhungen in einem sachlich begründbaren Ausmaß hätten nach zutreffender Rechtsansicht der Bekl im Hinblick auf die seit dem Jahr 2000 kontinuierlich sinkende Zahl der Beitragszahler in dem mit 31.12.2011 ausgelaufenen leistungsorientierten System die finanziellen Probleme auch nicht annähernd lösen können. Die Bekl war daher zu sofortigen massiven Leistungskürzungen gezwungen, die aber ohne den staatlichen Zuschuss im Ausmaß von 27,5 Mio € noch immer nicht ausgereicht hätten, um die Finanzierung des nun ausgelaufenen leistungsorientierten Systems sicherzustellen. Eine Sanierung ohne jeglichen staatlichen Zuschuss hätte jedenfalls einen noch massiveren Kürzungsbedarf bedingt.

5.2 Dem Einwand des Kl, er habe darauf vertrauen dürfen, dass er jedenfalls den Betrag, den er nach der ersten Leistungskürzung im Jahr 2009 erhalten habe, auch weiterhin beziehen werde, ist zu entgegnen, dass die zusätzliche PV nach § 479 Abs 2 ASVG unter Bedachtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Versicherungsträger und auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Versicherten durch die Satzung der Versicherungsträger zu regeln ist. Weiters ordnet der seit dem Jahr 2000 in Geltung stehende § 479 Abs 4 ASVG Leistungskürzungen oder Beitragserhöhungen an, wenn der versicherungstechnische Abgang das zulässige Ausmaß überschreitet. Der Kl konnte daher nicht darauf vertrauen, dass die Leistungen der zusätzlichen PV durch die Bekl stets in unveränderlicher oder nur begrenzt veränderlicher Höhe gebühren. Es musste ihm vielmehr auch aufgrund der Sanierungsbemühungen der letzten Jahre bewusst sein, dass es zu Leistungskürzungen in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Situation der Bekl kommen könne.

5.3 [...]

5.4 Schließlich ist im vorliegenden Fall vor allem aber auch zu berücksichtigen, dass der Kl durch die von der Bekl vorgenommene Leistungskürzung im Ergebnis (unstrittig) tatsächlich keinen finanziellen Nachteil erlitten hat, weil aufgrund kollektivvertraglicher Regelung sein früherer AG diese Kürzung auszugleichen hat. Zum Einwand des Kl, es könne nicht von einem unveränderten Fortbestand dieser kollektivvertraglichen Regelung ausgegangen werden, zumal er darauf auch keinen Einfluss nehmen könne, ist zu bemerken, dass Regelungen in Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen nicht beliebig abänderbar sind, weil die Kollektivvertragsparteien bzw die Partner einer BV dabei verschiedene Grenzen der Verhältnismäßigkeit und der Begründbarkeit beachten 344müssen. Dies beruht nach stRsp auf der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte (Eigentumsschutz und Gleichheitssatz), die im Wege der Konkretisierung der Generalklausel des § 879 ABGB auch auf den normativen Teil von Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträgen durchschlagen und einwirken (vgl 8 ObA 47/08g; 9 ObA 7/96mwN). [...]

Anmerkung

Die Einrichtung der Pensionsinstitute verweist auf die Anfänge der gesetzlichen PV. Ursprünglich (in Konkurrenz zu den Trägern der gesetzlichen PV) mit der Durchführung der gesetzlichen PV betraut, wurden die Pensionsinstitute unter der Geltung der deutschen Reichsversicherung zu bloßen „Zuschusskassen“ herabgestuft; in dieser Funktion haben die Pensionsinstitute auch Eingang in die gesetzliche SV der Zweiten Republik gefunden (Frank in SV-Komm § 479 ASVG Rz 1 ff).

1.
Die zusätzliche PV als Anwendungsfall des autonomen Satzungsrechts der Träger der sonstigen Selbstverwaltung

Das Beitrags- und Leistungsrecht der zusätzlichen PV entbehrte von Anfang an einer näheren gesetzlichen Regelung. Aus § 29 Abs 5 Zweite VO, dRGBl I 1940, 270, ging lediglich hervor, dass die Institute berufen waren, die aus der gesetzlichen PV gewährten Leistungen so weit zu ergänzen, dass die Gesamtleistung den nach den am 31.12.1939 geltenden Vorschriften gebührenden Ansprüchen „mindestens“ gleichwertig war. § 122 SV-ÜG ordnete an, dass diese Institute „nach den weiter anzuwendenden bisherigen Vorschriften“ Zuschüsse zu gewähren hatten (Abs 1), wobei die näheren Bestimmungen durch die Satzung zu treffen waren (Abs 3). Auch im geltenden § 479 ASVG wird die Regelung der zusätzlichen PV im Wesentlichen dem Satzungsweg vorbehalten.

Dass diese gesetzliche Grundlage – für sich betrachtet – dem aus Art 18 Abs 2 iVm Abs 1 B-VG abgeleiteten verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht gerecht wird, liegt nahe (vgl VfGH 1968/VfSlg 5742 [378], VfGH 1986/VfSlG 10.899; VfGH 2003/VfSlg 16.900; VfGH 2003/VfSlg 16.902; aM – die sich aus diesem Verfassungsgebot ergebenden Anforderungen jedoch verkennend – OGH10 ObS 68/89SSV-NF 3/53). Dennoch kann § 479 ASVG nicht (mehr) als verfassungswidrig qualifiziert werden, steht doch den Trägern der „sonstigen“, also nicht-territorialen Selbstverwaltung seit der B-VG-Novelle BGBl I 2008/2ein gesetzesergänzendes Satzungsrecht zu (Art 120b Abs 1 erster Satz B-VG; vgl VfGH 2008/VfSlg 18.660; zur Rechtslage vor dieser B-VG-Novelle vgl – ein derartiges autonomes Satzungsrecht ausdrücklich ablehnend – VfGH 1976/VfSlg 7903). Als Träger der (abgeleiteten) Selbstverwaltung eingerichtet (vgl § 479 Abs 2 Z 4 ASVG), sind die Pensionsinstitute demnach ermächtigt, die zusätzliche PV zur Gänze im Satzungsweg zu regeln, soweit dabei nicht „gegen bestehende Gesetze und Verordnungen“ verstoßen wird (vgl Art 118 Abs 6 B-VG; Frank in SV-Komm § 479 ASVG Rz 8). Dem OGH ist daher zuzustimmen, dass gegen die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlagen der zusätzlichen PV aus dem Blickwinkel des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots keine Bedenken bestehen.

2.
Vertrauensschutz bei Leistungskürzungen

Bei der Ausgestaltung der zusätzlichen PV verfügen die Pensionsinstitute über einen Spielraum, der jedoch – wie gesagt – seine Grenze in den „bestehenden Gesetzen und Verordnungen“, also in der übrigen Rechtsordnung einschließlich der Bundesverfassung, findet. Diese Bindung an die Bundesverfassung wird etwa dann schlagend, wenn sich ein Pensionsinstitut veranlasst sieht, einer versicherungstechnischen Schieflage gegenzusteuern. Da der zusätzlichen PV keine öffentlichen Mittel (etwa nach Art des Bundesbeitrags gem § 80 ASVG) zur Verfügung stehen, lässt sich ein derartiges Ungleichgewicht systemintern nur in der Weise beheben, dass entweder die Beiträge erhöht oder die Versicherungsleistungen vermindert werden (§ 479 Abs 4 ASVG). Welche dieser Maßnahmen auch gewählt wird, es kommt in jedem Fall zu Eingriffen in „wohlerworbene“ Rechte der Versicherten bzw der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten. Damit stellt sich die Frage, wie weit solche Verschlechterungen gehen dürfen, ohne mit verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der Betroffenen, insb mit dem aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten Vertrauensschutz, in Konflikt zu geraten. Dieser verfassungsrechtliche Vertrauensschutz verbietet es, in erworbene Rechtspositionen plötzlich („abrupt“) – gemeint: ohne angemessene Übergangsregelung – und intensiv einzugreifen (zuletzt VfGH 12.12.2013, G 53/2013 – ÖBB-Pensionsrecht).

Dass angefallene Leistungsansprüche aus Versicherungsverhältnissen „erworbene Rechtspositionen“ sind, bedarf keiner weiteren Erörterung. Freilich ist zu bedenken, dass die Leistungen der zusätzlichen PV nicht zu den Grundleistungen der gesetzlichen PV zählen, sondern diese lediglich ergänzen. Diesen Gesichtspunkt hebt auch der OGH hervor, ohne jedoch den – naheliegenden – Schluss zu ziehen, dass es für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einschnitten bei solchen Leistungen konsequenterweise nur darauf ankommen kann, in welchem Ausmaß sich die insgesamt zufließenden Pensionsleistungen vermindern (vgl VfGH 2002/VfSlg 16.754 [1040 ff]). Eine Herabsetzung der Zusatzpensionsleistung um 45,6 %, wie sie der Kl erlitten hat, ist zwar alles andere als geringfügig, doch ist damit – ohne Berücksichtigung der Grundleistungen der gesetzlichen PV – noch nicht dargetan, dass auch ein Eingriff von erheblichem Gewicht iSd Rsp des VfGH zum Grundsatz des Vertrauensschutzes vorläge. Indem der OGH diese Frage „ohne weitere Erörterung“ bejaht, verschließt er sich der Möglichkeit, die gegen diese Maßnahme erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken knapper abzuhandeln, als dies im vorliegenden Beschluss geschehen ist.

Umgekehrt ist es – entgegen der Auffassung des OGH – für die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Satzungsbestimmung ohne Bedeutung, dass der frühere AG des Kl die erlittene Minderung der Zusatzpension aufgrund kollektivvertraglicher Regelung auszugleichen hat: Kann doch eine derartige Zuwendung den erfolgten Eingriff niemals ungeschehen machen, 345sondern nur im Nachhinein wieder beseitigen (vgl neuerlich VfGH 2002/VfSlg 16.754 [1046]).

Unabhängig davon, ob von einem intensiven Eingriff ausgegangen werden kann, ist dem OGH jedoch darin zu folgen, dass dem Satzungsgeber kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes angelastet werden kann:

Da sich die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Pensionsinstituts – in gleicher Weise wie bei Pensionskassen – nach dem Verhältnis zwischen eingehobenen Beiträgen und ausbezahlten Leistungen bestimmt, konnten die Leistungsberechtigten nicht darauf vertrauen, die zuerkannten Leistungen stets in unveränderter Höhe zu beziehen; dies umso weniger, als das (mit 1.1.2012 ausgelaufene) sogenannte leistungsorientierte System des Pensionsinstituts bereits seit der 57. Novelle einem Übergangsregime mit verpflichtenden Anpassungen (vgl § 479 Abs 4 iVm § 581 Abs 4 ASVG) unterworfen war.

Ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen ist bei solchen lediglich ergänzenden Leistungen wohl nur insoweit denkbar, als die Betroffenen davon ausgehen dürfen, eine Leistung zu erhalten, die nicht „außer Verhältnis“ zu den geleisteten Beiträgen steht (vgl VfGH 2002/VfSlg 16.764 [1124]). Wo diese Grenze im Einzelnen liegt, sei hier dahingestellt. Fest steht aber, dass es eine solche Grenze gibt und dass auf diese Weise zumindest konfiskatorisch wirkenden Maßnahmen aus verfassungsrechtlicher Sicht ein Riegel vorgeschoben ist.

Von Eingriffen in Anwartschaften und Leistungen ist demnach – bei verfassungskonformer Handhabung des § 479 Abs 4 ASVG – abzusehen, wenn die vom Grundsatz des Vertrauensschutzes gezogene „Schmerzgrenze“ erreicht ist. Hat aber das Pensionsinstitut seinen verfassungsrechtlichen Spielraum für systeminterne Anpassungen erschöpft, so ist letztlich der Staat aufgerufen, gestützt auf öffentliche Mittel die finanzielle Leistungsfähigkeit des betroffenen Trägers der zusätzlichen PV wiederherzustellen oder in anderer Weise für bestehende Anwartschaften und angefallene Leistungsansprüche Vorsorge zu treffen (im Fall des Pensionsinstituts für Verkehr und öffentliche Einrichtungen: durch Überleitung dieser Ansprüche in die Höherversicherung nach dem ASVG). Mit der Schaffung einer Pflichtversicherung, wie sie auch die zusätzliche PV darstellt, übernimmt der Staat nämlich eine spezifische Verantwortung (Stelzer, Verfassungsrechtliche Grenzen des Eingriffs in Rechte oder Vertragsverhältnisse, DRdA 2001, 508 [516]), der er sich nicht (in derselben Weise) entziehen kann wie bei abgabenfinanzierten Transferleistungen (zum Spielraum des Gesetzgebers bei solchen Leistungen vgl VfGH 2011/VfSlg 19.411 und VfGH 2011/VfSlg 19.517).

Dass sich der Staat dieser seiner sozialen Verantwortung für das Schicksal der von ihm gebildeten Versichertengemeinschaften bewusst ist, stellt der vorliegende Fall unter Beweis: Ist doch die strittige Leistungskürzung lediglich Teil eines auch erhebliche Bundesmittel einschließenden Konzepts zur Absicherung der vom Pensionsinstitut gewährten Leistungen der zusätzlichen PV.