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Handynutzung durch nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder während der Arbeitszeit

KLAUSMAYR (LINZ)
§§ 72, 115 Abs 3, 4, 116, 117 ArbVG
  1. Auch Mobiltelefone sind Sacherfordernisse gem § 72 ArbVG, da sie heute zur üblichen Büroausstattung gehören.

  2. Daher steht auch den nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern im Prinzip das Recht zu, zur Ausübung der Betriebsratstätigkeit ihre Mobiltelefone zu verwenden, und zwar auch während der Arbeitszeit.

  3. Die Betriebsratstätigkeit beschränkende Maßnahmen des AG können im Einzelfall durch betriebliche Gründe gerechtfertigt werden. Die Rechtfertigung ist in Beachtung des Normzwecks des § 115 ArbVG im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zwischen den Interessenvertretungsaufgaben und den Betriebsinteressen zu prüfen.

  4. Die Rechtfertigung des Handyverbots mit dem AN-Schutz und die Befürwortung des Verbots durch den Arbeitsinspektor genügt dafür nicht, da faktische Gegebenheiten, die kurzfristig ein Telefonieren wegen des Lärms bei den Maschinen und der hohen Temperaturen im Heißeinsatzbereich nicht ermöglichen, nicht ein generelles Verbot ermöglichen.

Die Bekl beschäftigen rund 720 Arbeiter und 70 bis 80 Leiharbeiter. Der klagende Arbeiter-BR hat 13 Mitglieder, von denen zwei permanent freigestellt sind. Die sonstigen Betriebsräte sind in drei bis vier Schichten tätig, darunter auch im Gießereibereich. Dem Arbeiter-BR steht ein Büro samt Festnetztelefon und Fax sowie Computer mit E-Mail und Internet zur Verfügung. Die beiden permanent freigestellten Betriebsratsmitglieder verfügen auch über Mobiltelefone. Die Produktionsstätten der Bekl umfassen mehrere Hallen in verschiedenen Gebäuden. Pro Halle und Schicht sind mehrere Schichtführer im Einsatz, die über „Schichtführerhandys“ verfügen; die Schichtführerbüros sind mit einem Festnetzanschluss ausgestattet. Zur Sicherheitsausrüstung der Arbeiter gehört ein Gehörschutz, der aufgrund des Lärmpegels in den Produktionshallen bei den Maschinen verwendet werden muss. Im Gießereibereich müssen Heißeinsatzhandschuhe getragen werden. Zudem gibt es drei weitere Arten von Handschuhen, wobei die Bedienung eines Mobiltelefons nur mit der dünnsten Ausführung der Handschuhe überhaupt möglich ist. Aufgrund der Lärmsituation im Produktionsbereich ist es nicht möglich, das Läuten und auch das Vibrieren eines Mobiltelefons wahrzunehmen. Aus diesem Grund reagierten die Betriebsratsmitglieder auf Anrufe an ihrem Handy zumeist mit einer Zeitverzögerung von bis zu einer Stunde.

Am 30.3.2010 wurde die Nutzung des Privathandys während der Arbeitszeit am Arbeitsplatz untersagt. Aktive Betriebsratsmitglieder wurden von diesem Verbot ausgenommen. Am 28.3.2012 wurde dieses Verbot der privaten Handynutzung am Arbeitsplatz auf die aktiven, nicht freigestellten Arbeiterbetriebsratsmitglieder ausgedehnt. Mit Schreiben vom 2.5.2012 unterstützte der Arbeitsinspektor das Handyverbot am Arbeitsplatz im Produktionsbereich.

Der Kl begehrte die Feststellung, dass die Nutzung privater Mobiltelefone (auch) durch nicht freigestellte351Arbeiterbetriebsräte in Ausübung ihrer Betriebsratstätigkeit keine Privatnutzung darstelle und daher über den 30.3.2012 hinaus während der Arbeitszeit zulässig sei. Das Verbot der Handynutzung für nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder verstoße gegen das Beschränkungsverbot des § 115 Abs 3 ArbVG. Diese Maßnahme sei auch nicht durch überwiegende schutzwürdige Interessen der Bekl gerechtfertigt. Da sich die Betriebsräte schon wegen des hohen Lärmpegels zum Telefonieren vom Arbeitsplatz entfernen müssten, bestehe auch kein erhöhtes Sicherheitsrisiko. Bei Vorliegen einer Gefahrensituation würden die Betriebsräte Anrufe ohnedies nicht entgegennehmen. Die Inanspruchnahme der Schichtführertelefone sei nicht adäquat, weil die Betriebsräte in Ausübung ihrer Tätigkeit keiner Kontrolle durch die Bekl unterliegen dürften.

Die Bekl entgegneten, dass das Verbot der Nutzung privater Mobiltelefone dem AN-Schutz diene. Es würde ein erhöhtes Sicherheitsrisiko bedeuten, wenn die Betriebsratsmitglieder wegen eines Anrufs die Sicherheitsausrüstung ablegen oder durch ein Telefonat abgelenkt würden. Die Erreichbarkeit der Betriebsratsmitglieder sei sichergestellt, weil eine Kontaktaufnahme über das Schichtführertelefon jederzeit möglich sei.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren hinsichtlich der aktiven, nicht freigestellten Arbeiterbetriebsräte (samt Eventualbegehren) ab. [...]

Das Berufungsgericht bestätigte diese E. [...] Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

Gegen diese E richtet sich die Revision des Kl, die auf eine Stattgebung des Feststellungsbegehrens (auch) hinsichtlich der aktiven, nicht freigestellten Mitglieder des Arbeiter-BR abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragen die Bekl, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Entgegen dem den OGH nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig, weil sich die Beurteilung der Vorinstanzen zur Zulässigkeit des in Rede stehenden Verbots der Nutzung privater Mobiltelefone durch die aktiven, nicht freigestellten Betriebsratsmitglieder als korrekturbedürftig erweist. Die Revision ist dementsprechend auch berechtigt.

1. Im Revisionsverfahren ist die Frage zu klären, ob den aktiven, nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern im Betrieb der Bekl die Verwendung von Mobiltelefonen zur Verrichtung ihrer Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit untersagt werden darf. Die Kl berufen sich auf das Beschränkungsverbot nach § 115 Abs 3 ArbVG.

2. In der Rsp ist anerkannt, dass (auch) Mobiltelefone Sacherfordernisse iSd § 72 ArbVG darstellen und der Begriff der Kanzlei- und Geschäftserfordernisse nach dieser Bestimmung dynamisch zu interpretieren, also dem jeweiligen Stand der technologischen Entwicklung anzupassen ist (9 ObA 89/07i; Neumayr in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 72 Rz 11 f; Kallab in ZellKomm2 § 72 ArbVG Rz 8; Preiss in
Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller
, Arbeitsverfassungsrecht4 § 72 Erl 1 und 4). Heutzutage stellt das Mobiltelefon sowohl im Privat- als auch im Unternehmensbereich ein übliches Kommunikationsmittel dar. Die modernen Kommunikationsformen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Erreichbarkeit nahezu überall und zu jeder Zeit gegeben ist. Ausgehend von dieser technologischen Entwicklung gehören Mobiltelefone zur üblichen Büroausstattung (Preiss § 72 Erl 1). Es kann daher auch nicht ausgeschlossen werden, dass unter bestimmten Umständen die Beistellung einer angemessenen Anzahl von Mobiltelefonen nach § 72 ArbVG in Betracht kommt (vgl 9 ObA 89/07i), sofern dies in concreto nach Vornahme einer Interessenabwägung tatsächlich erforderlich ist (Preiss § 72 Erl 6).

3.1 Nach dem Beschränkungsverbot iSd § 115 Abs 3 ArbVG sind grundsätzlich alle Anordnungen des Betriebsinhabers untersagt, die innerhalb des betriebsverfassungsrechtlichen Wirkungsbereichs den AN die Inanspruchnahme des BR oder dem BR die Ausübung seiner Befugnisse erschweren oder unmöglich machen. Auch auf AN-Schutzvorschriften gestützte generelle Verbote dürfen nicht zu einer Beschränkung der Tätigkeit der Betriebsratsmitglieder in Durchführung ihrer Aufgaben führen (vgl Schneller in

Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller
, Arbeitsverfassungsrecht4 § 115 Erl 6). Eine Beschränkung der Betriebsratstätigkeit besteht in jedem Eingriff in den Ablauf des vom Betriebsratsmitglied gewünschten bzw in Aussicht genommenen Verhaltens im Rahmen der Interessenvertretung als Belegschaftsorgan. Das Beschränkungsverbot schützt dabei nicht nur das Belegschaftsorgan als Gremium (vgl 9 ObA 175/08p; 9 ObA 133/12t), sondern auch jedes einzelne Betriebsratsmitglied vor einer Erschwerung oder Verhinderung seiner Mandatsausübung (Resch in
Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 115 Rz 81 f).

3.2 Bis zur Ausdehnung des Verbots der Handynutzung auf aktive, nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder am 28.3.2012 durften sämtliche Betriebsratsmitglieder ihre Mobiltelefone zur Verrichtung ihrer Betriebsratstätigkeit im Betrieb der Bekl verwenden. Dass die betroffenen Betriebsratsmitglieder durch dieses Verbot in der von ihnen gewünschten Art und Weise der Verrichtung ihrer Betriebsratstätigkeit behindert werden und das Verbot zu Recht als Eingriff in ihre Befugnisse als Belegschaftsvertreter betrachten, ist evident.

Hinzu kommt, dass die dargestellten Wertungen nach § 72 ArbVG in die hier anzustellende Beurteilung nach § 115 Abs 3 ArbVG einzufließen hat. Dies ergibt sich vor allem aus der gleichgelagerten Zielrichtung beider Bestimmungen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Betriebsratsfonds jene Sacherfordernisse, deren Bereitstellung der Betriebsinhaber rechtswidrig verweigert, auch selbst anschaffen könnte (Preiss § 72 Erl 6; siehe dazu auch 9 ObA 175/08p).

3.3 Für den Anlassfall ergibt sich aus diesen Grundsätzen, dass auch den nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern im Prinzip das Recht zusteht, zur Ausübung der Betriebsratstätigkeit ihre Mobiltelefone zu verwenden, und zwar auch während der Arbeitszeit. Gerade das Erfordernis der raschen, möglichst einfachen und breiten Erreichbarkeit des bevorzugten Betriebsratsmitglieds für die Mitarbeiter und die flexible Handhabung der Kontaktaufnahme mit Rücksicht auf den jeweils konkret stattfindenden 352Arbeitsablauf spricht eindeutig für den Einsatz von Mobiltelefonen. Das in Rede stehende Verbot der Verwendung privater Mobiltelefone stellt somit eine potentielle Beschränkung der Betriebsratstätigkeit nach § 115 Abs 3 ArbVG dar.

4.1 Auch die Betriebsratstätigkeit beschränkende Maßnahmen des AG können im Einzelfall durch betriebliche Gründe gerechtfertigt werden. Die Rechtfertigung ist in Beachtung des Normzwecks des § 115 ArbVG im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zwischen den Interessenvertretungsaufgaben und den Betriebsinteressen zu prüfen (vgl Resch § 115 Rz 61).

4.2 Die Bekl beruft sich zur Rechtfertigung des Handyverbots auf den AN-Schutz und die Befürwortung des Verbots durch den Arbeitsinspektor.

Im gegebenen Zusammenhang bestehen zwei Gefahrenquellen, die auch die Verwendung einer Sicherheitsausrüstung erforderlich machen, und zwar die Lärmentwicklung bei den Maschinen in den Produktionshallen und die hohen Temperaturen im Heißeinsatzbereich (Gießereibereich).

4.3 Nach den Feststellungen ist es aufgrund der Lärmsituation in den Produktionshallen faktisch nicht möglich, das Läuten oder Vibrieren eines Mobiltelefons wahrzunehmen. Entgegen der Ansichten der Vorinstanzen können derartige faktische Gegebenheiten das in Rede stehende Verbot der Verwendung von Mobiltelefonen allerdings nicht rechtfertigen. Nach den Feststellungen reagieren die Betriebsratsmitglieder im Fall eines Anrufs in der Regel zeitverzögert. Die Verwendung eines Mobiltelefons ermöglicht ihnen also, den Zeitpunkt des Rückrufs frei zu bestimmen und die Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Interessenvertreter mit den Erfordernissen des konkreten Arbeitsablaufs und des AN-Schutzes zu koordinieren.

Anders als die Vorinstanzen meinen, stellt die Möglichkeit der Verwendung der Mobiltelefone der Schichtführer (bzw der Teamleiter oder Abteilungsleiter) oder der Festnetztelefone in den Schichtführerbüros keine adäquate Alternative für die Betriebsratsmitglieder dar. Nach den Feststellungen dürfen diese Telefone nur „in dringenden Fällen“ von den Mitarbeitern benützt werden. Demgegenüber muss jedem Betriebsratsmitglied selbst die Entscheidung überlassen sein, welche Betriebsratstätigkeit zu welcher Zeit ausgeübt wird (vgl Resch § 115 Rz 84). Die Betriebsratsmitglieder dürfen daher in ihrer Kompetenz, wann sie eine Kontaktaufnahme mit der Belegschaft für erforderlich halten, nicht durch die fremdbestimmte Beurteilung, ob ein Anruf „dringend“ ist, beschränkt werden. Aus diesem Grund ist auch etwa die aus § 72 ArbVG resultierende Pflicht des Betriebsinhabers zur Überlassung von Mobiltelefonen nur dann erfüllt, wenn dem BR die uneingeschränkte Verfügungsmacht über die Handys eingeräumt wird. Zudem ist eine Überprüfung der vom BR geführten Telefongespräche, etwa durch Überprüfung der einzelnen angerufenen Telefonnummern, nicht zulässig. Eine solche Vorgangsweise würde nicht nur die Tätigkeit des BR behindern, sondern auch die Verschwiegenheitspflicht gem § 115 Abs 4 ArbVG gefährden (Preiss § 72 Erl 7).

4.4 Ein objektives Gefahrenpotential im Zusammenhang mit der Verwendung von Mobiltelefonen besteht nach den Feststellungen im Heißeinsatzbereich (Gießereibereich), was sich auch aus dem Schreiben des Arbeitsinspektors ergibt. Zunächst lässt sich den Feststellungen nicht eindeutig entnehmen, ob alle aktiven, nicht freigestellten Arbeiterbetriebsräte überhaupt im Gießereibereich arbeiten (arg: „darunter auch im Gießereibereich“). Ungeachtet dieses Umstands ist auch für den Kl unbestritten, dass im Heißeinsatzbereich nicht telefoniert werden darf, sondern dieser Bereich zum fraglichen Zweck verlassen werden muss.

Die Betriebsratsmitglieder, die im Gießereibereich arbeiten, haben grundsätzlich auch das Recht, zum Telefonieren den Gefahrenbereich zu verlassen. Nach § 116 ArbVG hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, soweit die Ausübung der Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit erforderlich ist. Auch diese Frage ist anhand einer Interessenabwägung zu beantworten. Dabei ist zu beachten, dass die Vornahme der Interessenabwägung zunächst dem jeweiligen Betriebsratsmitglied selbst obliegt; sie unterliegt der nachträglichen gerichtlichen Erforderlichkeitsprüfung. Wie viel Zeit ein Betriebsratsmitglied für die Erfüllung seiner Aufgaben als Interessenvertreter benötigt und in welcher Intensität eine solche Aufgabe wahrgenommen werden soll, hat also das betroffene Betriebsratsmitglied zunächst selbst zu entscheiden (Resch § 116 Rz 21 f; Schneller § 116 Erl 1). Konkret muss im jeweiligen Einzelfall selbst beantwortet werden, ob der Gefahrenbereich verlassen werden darf, um das private Mobiltelefon zur Ausübung der Betriebsratstätigkeit zu verwenden. Im gegebenen Zusammenhang ist anerkannt, dass eine Mandatsausübung während der Arbeitszeit etwa dann erforderlich ist, wenn der Kontakt mit den nur während der Arbeitszeit im Betrieb anwesenden AN notwendig ist (Resch § 116 Rz 19; Schneller § 116 Erl 1).

Die Bekl gehen letztlich selbst von diesen Grundsätzen aus, zumal sie den Betriebsratsmitgliedern zugestehen wollen, zum Telefonieren die Festnetz- und Mobiltelefone der Schichtführer zu verwenden. Auch dies kann freilich nicht im Gefahrenbereich erfolgen.

4.5 Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts bedeutet dies für den Anlassfall, dass ein Betriebsratsmitglied nach (von ihm bemerkter) Kontaktaufnahme durch einen Mitarbeiter nach pflichtgemäßer Einschätzung der Erforderlichkeit und mit Rücksicht auf die betrieblichen Notwendigkeiten im Hinblick auf den konkret im Gang befindlichen Arbeitsablauf seinen Arbeitsplatz verlassen darf, um außerhalb des Gefahrenbereichs in Ausübung seiner Aufgaben als Belegschaftsvertreter auch mit dem Mobiltelefon zu telefonieren. Beachtet das Betriebsratsmitglied diese Bedingungen, so sprechen weder AN-Schutzüberlegungen noch sonstige Gründe dagegen, ein Mobiltelefon am Arbeitsplatz mitzuführen und erforderlichenfalls außerhalb des Gefahrenbereichs zu verwenden.

4.6 Der Umstand, dass im Betrieb der Bekl außer den Heißeinsatzhandschuhen noch andere Arten von Sicherheitshandschuhen zum Einsatz gelangen, die die Bedienung eines Handys unmöglich machen, betrifft wiederum nur faktische Gründe, die das in Rede stehende Verbot der Bekl keinesfalls rechtfertigen können. 353

4.7 Schließlich ist auch das Argument des Erstgerichts, es reiche aus, wenn die beiden permanent freigestellten Betriebsratsmitglieder Mobiltelefone während der Arbeitszeit nützten, nicht stichhaltig. Eine permanente Freistellung nach § 117 ArbVG darf nämlich nicht dazu führen, dass die anderen Betriebsratsmitglieder nur auf die Mitwirkung in den Sitzungen des BR beschränkt werden (vgl Mosler in ZellKomm2 § 116 ArbVG Rz 7). Auch ihnen kann der Kontakt insb zu den Mitarbeitern oder den überbetrieblichen Interessenvertretungen nicht generell verwehrt werden. Selbst wenn bei Vorhandensein permanent freigestellter Betriebsratsmitglieder „die Erforderlichkeit“ der Freistellung von der Arbeitspflicht nach § 116 ArbVG strenger zu prüfen ist (Resch § 116 Rz 29; Mosler § 116 Rz 7), sind die Mitarbeiter nicht gehalten, ausschließlich mit den permanent freigestellten Betriebsratsmitgliedern in Kontakt zu treten.

4.8 Insgesamt ergibt sich somit, dass die von den Bekl und von den Vorinstanzen ins Treffen geführten betrieblichen Gründe die Beschränkung der Betriebsratstätigkeit in Bezug auf die übliche Kommunikationsform mit Mobiltelefonen nicht tragen. [...]

Anmerkung

Obwohl der gegenständliche Sachverhalt die heute alltägliche Frage der Zulässigkeit des Telefonierens mit dem Handy im Betrieb bzw während der Arbeitszeit betrifft, sind in diesem Zusammenhang auch grundsätzliche Fragen des Betriebsverfassungsrechts zu behandeln. Der OGH hat diesen Fall mustergültig gelöst, sodass diesem Urteil vollinhaltlich zuzustimmen ist. Da es in der Praxis und wie man hier sieht auch beim Erst-und Berufungsgericht immer wieder Missverständnisse über grundsätzliche Fragen im Betriebsverfassungsrecht gibt, möchte ich solche näher beleuchten. Bevor man die Frage der Zulässigkeit der Handynutzung durch einzelne, nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder beantworten kann, muss man sich mit der Frage beschäftigen, welche Befugnisse dem BR überhaupt zustehen und danach, ob diese Befugnisse nur dem Kollegialorgan und/oder auch den einzelnen Betriebsratsmitgliedern zustehen. Das Erstgericht hat hier die Ansicht vertreten, es genüge, dass die gem § 117 ArbVG freigestellten Betriebsratsmitglieder mit den Handys während der Arbeitszeit telefonieren könnten. Erst- und Berufungsgericht hielten auch die Möglichkeit des Telefonierens „in dringenden Fällen“ mit den Handys der Schichtführer etc für ausreichend. Daher ist nun den Ursachen auf den Grund zu gehen.

1.
Betriebsratsbefugnisse

Die grundlegende Bestimmung des Betriebsverfassungsrechts findet sich in § 38 ArbVG und ist mit der Überschrift „Aufgaben“ versehen. Danach haben die Organe der Arbeitnehmerschaft die Aufgabe, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der AN im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern. Deren Zweck ist es, die AN des Betriebes in die Lage zu versetzen, ihre Interessen gegenüber dem Betriebsinhaber zur Geltung zu bringen. Diese Aufgabe kommt den Organen der Arbeitnehmerschaft zu. § 38 ArbVG kommt eine zentrale Bedeutung zu, indem dort die grundlegende Interessenvertretungsaufgabe formuliert wird (vgl Gahleitner in

Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller
, Arbeitsverfassungsrecht 24 [2010] § 38 Erl 1). Die der Arbeitnehmerschaft eingeräumten Befugnisse in den §§ 89 ff ArbVG sind dieser Aufgabe zugeordnet, also Mittel zum Zweck. Sie dienen nicht dazu, den Interessengegensatz zwischen AG und AN zu überwinden, sondern die Austragung dieser Gegensätze in geordnete Bahnen zu lenken, wobei der Grundsatz des Betriebsfriedens oberste Richtschnur ist (vgl Strasser im ArbVG-HK [1975] §§ 38, 39 4.3.1.). Außerdem soll dadurch die nach Meinung des Gesetzgebers schwächere Seite in dieser Auseinandersetzung gestärkt werden. In Zweifelsfällen ist § 38 Richtlinie für Interpretation und Handhabung einzelner Bestimmungen der Betriebsverfassung (vgl Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht II3 [1990] 303). Das 3. Hauptstück des II. Teils (Betriebsverfassung) trägt die Überschrift „Befugnisse der Arbeitnehmerschaft“ und unterteilt diese dann in Abschnitt 1 „Allgemeine Befugnisse“ und in die Abschnitte 2 bis 4 mit der Bezeichnung „Mitwirkung“ in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Daneben gibt es aber auch innerhalb des 3. Hauptstückes Befugnisse, welche andere ergänzen bzw konkretisieren. Auch in anderen Gesetzen (zB § 4 Abs 2 AZG, § 2 Abs 4 UrlG) finden sich einzelne Befugnisse (vgl Cerny in
Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller
, Arbeitsverfassungsrecht 34 [2009] § 89 Erl 1).

2.
Ausübung der Betriebsratsbefugnisse

Das Grundkonzept der Betriebsverfassung geht davon aus, dass die Befugnisse dem Kollegialorgan (BR) zustehen. Dies wird auch durch § 69 ArbVG bestätigt (vgl Neumayr in

Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz [Loseblatt] § 69 Rz 1 mwN), welcher die Übertragung von Aufgaben im Einzelfall regelt. Gem § 69 Abs 1 ArbVG kann der BR im Einzelfall die Durchführung einzelner seiner Befugnisse einem oder mehreren seiner Mitglieder übertragen. Würde man nun die naheliegende These vertreten, dass alle Befugnisse nur dem BR als Kollegialorgan zustehen, so würde dies nicht nur bedeuten, dass Betriebsratsmitglieder einer Minderheitsfraktion mit Ausnahme der Teilnahme an einer Betriebsratssitzung keine sonstigen Befugnisse hätten, sondern auch, dass den Betriebsratsmitgliedern der Mehrheitsfraktion infolge der allgemeinen Vertretungsbefugnis durch den Vorsitzenden gem § 71 ArbVG kaum Befugnisse übrig bleiben würden. Allerdings könnten sich die Mitglieder der Mehrheitsfraktion einzelne Befugnisse übertragen lassen. Eine derart restriktive Interpretation der Befugnisausübung widerspricht aber dem Verhältniswahlrecht gem § 51 Abs 2 ArbVG bzw § 27 BR-WO. Könnten alle Befugnisse nur von der siegreichen Liste ausgeübt werden, hätte es keinen Sinn, der unterlegenen Liste Betriebsratsmandate zuzuteilen. Zudem müssen Rechte, die jeder Mensch gem § 16 ABGB bzw ein AN gem § 37 ArbVG hat, auch jedem einzelnen Betriebsratsmitglied zustehen.

Es ist daher davon auszugehen, dass die allgemeinen Befugnisse gem §§ 89 bis 92 ArbVG sowohl vom BR als Kollegialorgan als auch von den einzelnen Betriebsratsmitgliedern ausgeübt werden können (vgl 354dazu grundsätzlich EA Wien Re 42/67 Arb 8403; EA Leoben Re 24/83 Arb 10.235; VwGH83/01/0073

), soweit sie überhaupt einzeln ausübbar sind. Dies ist etwa bei den Quartalsgesprächen gem § 92 Abs 1 ArbVG nicht denkmöglich.

Somit ist grundsätzlich geklärt, dass auch nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder Befugnisse als BR ausüben können. Es genügt daher nicht – wie vom Erst- und Berufungsgericht gemeint –, dass die freigestellten Betriebsratsmitglieder telefonieren dürfen und die nicht freigestellten Betriebsratsmitglieder „in dringenden Fällen“ mit den Handys der Schichtführer telefonieren können. Als Letztes ist im Folgenden noch zu klären, inwieweit dies während der Arbeitszeit, also auf Kosten des AG, zulässig ist.

3.
Kostentragung

§ 116 ArbVG regelt für die nicht freigestellten Betriebsratsmitglieder eine Entgeltfortzahlung für die Erfüllung ihrer Obliegenheiten. Neben der allgemeinen Voraussetzung, dass die Ausübung der Tätigkeit durch das Betriebsratsmitglied während der Arbeitszeit erforderlich sein muss, sind mE diese Obliegenheiten bei einzelnen Betriebsratsmitgliedern jedenfalls bei Wahrnehmung der allgemeinen Befugnisse sowie bei Wahrnehmung des § 37 Abs 2 ArbVG gegeben. Für eine weite Auslegung des § 116 ArbVG spricht auch § 72 ArbVG, welcher dem BR zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben Sacherfordernisse auf Kosten des AG einräumt. Auch § 22 BR-GO, welcher in großen Betrieben die Beistellung einer Schreibkraft vorsieht (vgl Neumayr in

Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz [Loseblatt] § 72 Rz 14 mwN), verwendet den Begriff „Aufgaben“. Es spricht daher Vieles dafür, Aufgaben und Obliegenheiten iSv § 38 ArbVG weit zu verstehen (vgl Resch in
Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz [Loseblatt] § 116 Rz 10 mwN). Dafür, dass nicht alle Betriebsratsmitglieder ständig in Angelegenheiten des § 38 ArbVG unterwegs sein können, sorgt § 39 Abs 3 ArbVG, welcher verlangt, dass die Tätigkeit der Organe der Arbeitnehmerschaft tunlichst ohne Störung des Betriebes zu erfolgen hat. Welche Aufgaben den einzelnen Organmitgliedern konkret zukommen, ist nach den organisationsrechtlichen Regelungen zu beurteilen, also nach den Organbeschlüssen, insb Konstituierung, Geschäftsordnung und die Beschlüsse gem §§ 69 und 71 ArbVG (vgl Strasser/Jabornegg, ArbVG3 § 116 Anm 3; Resch in
Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 116 Anm 10). Für den vom OGH entschiedenen Sachverhalt bedeutet dies, dass jedes einzelne Betriebsratsmitglied unter Beachtung der Voraussetzungen des § 116 ArbVG grundsätzlich mit dem Handy während der Arbeitszeit zur Erfüllung aller Aufgaben telefonieren darf.