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Anspruch auf aliquote Sonderzahlungen trotz Entlassung eines Angestellten

MARTA J.GLOWACKA (WIEN)
  1. § 16 AngG steht dem nachträglichen Wegfall eines bereits aliquot erworbenen Sonderzahlungsanspruchs entgegen. Soweit in OGH 15.9.1994, 8 ObA 240/94 obiter eine gegenteilige Auffassung bezüglich § 16 AngG zum Ausdruck kommt, wird an dieser nicht festgehalten.

  2. Eine Kollektivvertragsbestimmung, wonach der – ohne Einschränkung und ohne Bedingung gewährte – Sonderzahlungsanspruch im Falle einer schuldhaften Entlassung, eines unberechtigten Austritts oder einer Nichteinhaltung der Kündigungsfrist durch den Angestellten als gar nicht erworben gilt, verstößt gegen die zwingende Bestimmung des § 16 AngG.

Die Bekl war bei der Kl von 10.3.2003 bis zur berechtigten, von der Bekl verschuldeten Entlassung am 30.6.2011 als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester beschäftigt. Sie verrichtete Angestelltentätigkeiten. Mit der Endabrechnung im Juli 2011 nahm die Kl eine Rückverrechnung des der Bekl mit der Juniabrechnung für 2011 bereits ausbezahlten Urlaubsgeldes [...] vor. Daraus errechnet sich unter Berücksichtigung offener Ansprüche der Bekl ein Saldo von 1.238,52 €. [...]

Das Dienstverhältnis unterlag dem KollV für DN der Privatkrankenanstalten Österreichs (idF: KollV). Dessen § 15, der für alle DN, also auch Angestellte gilt, lautet:

„Urlaubsgeld (13. Monatsbezug) und Weihnachtsremuneration (14. Monatsbezug):1. Allen Dienstnehmern gebührt jährlich ein Urlaubsgeld und eine Weihnachtsremuneration in der Höhe eines laufenden Monatsentgeltes [...].Der Anspruch auf Urlaubsgeld und Weihnachtsremuneration gebührt nicht, wenn der Dienstnehmer schuldhaft entlassen wird oder ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder die Kündigungsfrist nicht einhält.2. Bei einer Dienstzeit von weniger als einem Jahr gebührt der aliquote Teil. Ein über den aliquoten Teil des Urlaubsgeldes hinausgehendes bereits empfangenes Urlaubsgeld kann mit dem Anspruch auf das aliquote Weihnachtsgeld aufgerechnet werden und umgekehrt.3. Das Urlaubsgeld ist den Dienstnehmern vor Urlaubsantritt, spätestens aber am 30. Juni, das Weihnachtsgeld spätestens am 30. November des laufenden Jahres zur Auszahlung zu bringen. [...]“

Die Kl begehrt, gestützt auf § 15 Z 1 zweiter Satz KollV, den offenen Saldo von 1.238,52 € [...].

Die Bekl bestritt das Klagebegehren dem Grunde nach [...]. § 15 Z 1 zweiter Satz KollV widerspreche der zwingenden (§ 40 AngG) Bestimmung des § 16 AngG und sei daher rechtsunwirksam. Unter Berücksichtigung der der Bekl zustehenden aliquoten Weihnachtsremuneration (1.1.2011 bis 30.6.2011) und des Anspruchs der Kl auf Rückverrechnung des aliquoten Urlaubsgeldes (1.1.2011 bis 30.6.2011) stehe der Kl nichts mehr zu. [...] 355

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung zu Recht [...] bestehe [...].

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge. Übereinstimmend mit dem Erstgericht gelangte es zum Ergebnis, dass § 15 Z 1 zweiter Satz KollV nicht gegen § 16 AngG verstoße, weil diese Aliquotierungsverpflichtung keinen Anspruch auf eine Remuneration schaffe, sondern einen solchen voraussetze. Einen derartigen Anspruch habe die Bekl hier aber aufgrund der berechtigten Entlassung nicht erworben. Die Bekl sei auch ohne ausdrückliche Rückverrechnungsregel zur Rückzahlung der zuviel ausbezahlten Sonderzahlung verpflichtet. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rsp zu dem in einem Angestellten-KollV normierten Entfall der Sonderzahlung bei berechtigter verschuldeter Entlassung vorliege. [...]

Rechtliche Beurteilung [des OGH]:

[...] Nach stRsp ist es den Kollektivvertragsparteien unbenommen, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, an bestimmte Bedingungen zu knüpfen (RIS-Justiz RS0048332), soweit deren Ausgestaltung nicht gegen die gesetzlichen Rahmenbedingungen bzw gegen grundlegende Wertungen der Arbeitsrechtsund Sozialrechtsordnung verstößt (9 ObA 85/10f). Regelungen in (Arbeiter-)Kollektivverträgen, wonach der Anspruch auf die aliquoten Sonderzahlungen bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis ua dann entfällt (erlischt), wenn der AN unberechtigt vorzeitig ausgetreten ist oder berechtigt entlassen wird, wurden für zulässig erklärt (9 ObA 40/95; 8 ObA 75/07y; 9 ObA 97/08tua). Bei einer gerechtfertigten Entlassung des AN wird dieser Anspruch auf Sonderzahlungen dann gar nicht erworben und eine bereits enthaltene [gemeint wohl: erhaltene] Sonderzahlung ist auch ohne ausdrückliche Rückzahlungsverpflichtung zurückzuzahlen (RIS-Justiz RS0048332).

§ 16 Abs 1 AngG lautet: „Falls der Angestellte Anspruch auf eine periodische Remuneration oder auf eine andere besondere Entlohnung hat, gebührt sie ihm, wenngleich das Dienstverhältnis vor Fälligkeit des Anspruches gelöst wird, in dem Betrage, der dem Verhältnisse zwischen der Dienstperiode, für die die Entlohnung gewährt wird, und der zurückgelegten Dienstzeit entspricht.

Nach ständiger Judikatur schafft § 16 AngG keinen gesetzlichen Anspruch auf Sonderzahlungen, sondern setzt einen solchen – aufgrund eines Einzelvertrags, eines KollV oder einer sonstigen (neben dem AngG anwendbaren) Norm bestehenden – Anspruch voraus (RIS-Justiz RS0028232, RS0030313). Allerdings kann die nach § 40 AngG zwingende Bestimmung des § 16 AngG weder durch Dienstvertrag noch durch KollV (RIS-Justiz RS0029931; Drs in ZellKomm2 § 40 AngG Rz 1 mwN) dadurch umgangen werden, dass die Entstehung des nicht mit einer spezifischen Leis tung des AN verknüpften, sondern für die gesamte Arbeitsleistung im Kalender- oder Arbeitsjahr gebührenden Remunerationsanspruchs an das Erreichen eines bestimmten Stichtags gebunden wird (RIS-Justiz RS0028850). Dem liegt der Zweck der zwingenden Bestimmung des § 16 AngG, dem Angestellten das durch die Arbeitsleistung quotenmäßig fortlaufend von Tag zu Tag verdiente Entgelt auch dann zu sichern, wenn er vorzeitig ausscheidet, zugrunde (RIS-Justiz RS0028235; 8 ObA 127/00kmwN; Preiss in ZellKomm2 § 16 AngG Rz 3).

Sonderzahlungen sind eine Form aperiodischen Entgelts, dh mit abweichenden Fälligkeitsterminen, gehören aber zum „laufenden Entgelt“ (8 ObA 11/08pmwN). Sonderzahlungen sind keine freiwilligen Leistungen des AG, sondern aufgrund des KollV geschuldetes echtes Entgelt. Sie sollen die Tag für Tag geleistete Arbeit abgelten (RIS-Justiz RS0102516), werden daher als Gegenleistung für die vom AN erbrachte Arbeit geleistet (Preiss in ZellKomm2 § 16 AngG Rz 2).

Vereinbarungen, wonach der Anspruch des AN auf den aliquoten Teil der bereits ins Verdienen gebrachten periodischen Sonderzahlung unter gewissen Voraussetzungen entfällt, sind grundsätzlich unwirksam (8 ObA 11/08p; 9 ObA 104/02pmwN).

Der OGH hat bislang noch nicht ausdrücklich zur Frage Stellung genommen, ob auch im Angestelltenrecht Regelungen in Kollektivverträgen, wonach der Anspruch auf die aliquoten Sonderzahlungen bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis ua dann entfällt (erlischt), wenn der AN unberechtigt vorzeitig ausgetreten ist oder berechtigt entlassen wird, zulässig sind.

In 9 ObA 77/94(9 ObA 78/94) wurde betreffend einer zum Entgeltbestandteil gehörenden Erfolgsprämie festgehalten, dass der AG aufgrund der Aliquotierungsbestimmung des § 16 AngG dem AN diesen bereits erworbenen Entgeltbestandteil nicht einmal dann rückwirkend entziehen hätte können, wenn der AN gerechtfertigt entlassen worden wäre.

In 8 ObA 240/94wurde zwar obiter ausgesprochen, dass (auch) aus § 16 AngG nicht abgeleitet werden könne, dass in Kollektivverträgen das Entstehen eines Anspruchs auf Remuneration nicht sonst beschränkt werden dürfe, weil nach dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle durch diese der Anspruch auf Sonderzahlung nicht begründet, sondern vorausgesetzt werde. Diese E betraf aber einen Arbeiter-KollV.

In 9 ObA 104/02pwurde unter Bezugnahme auf Lehrmeinungen im Zusammenhang mit einem Angestellten-KollV entschieden, dass AN, sofern ihnen laut Arbeitsvertrag oder KollV eine Sonderzahlung gebühre, auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses während des Jahres Anspruch auf jenen Teil der Sonderzahlung hätten, der ihrer Dienstzeit während des laufenden Jahres entspreche. Aus der zwingenden Wirkung des Gesetzes ergebe sich, dass Vereinbarungen, wonach der Anspruch des AN auf den aliquoten Teil der bereits ins Verdienen gebrachten periodischen Sonderzahlung unter gewissen Voraussetzungen entfalle, unwirksam seien.

In 8 ObA 161/02pprüfte der OGH, ob es sich bei einer Aktienoptionszusage des DG, deren Verfall bzw Erlöschen mit der Beendigung des Dienstverhältnisses verknüpft war, um eine „Umgehung“ des § 16 AngG bzw „Vernichtung“ von „erdientem“ Entgelt gehandelt habe. Diese Frage wurde im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass dieser Zusage weder ein bestimmter Arbeitserfolg gegenüber gestanden sei (nur „Motivation“) noch davon ausgegangen werden 356könne, dass sie die Arbeitsleistung in einer bestimmten Periode auch nur mit einem bestimmbaren Entgelt abgelte. Eine klare synallagmatische Beziehung habe weder zu einer bestimmten Periode der Arbeitszeit noch der Arbeitsleistung bestanden. Die Zusage habe vor Ablauf der Wartezeit keinen selbständigen wirtschaftlichen Wert gehabt und es hätten die Aktienoptionen doch auch ganz wesentlich der freiwilligen Belohnung bereits erbrachter Dienste gedient. Jabornegg (in DRdA 2004/17)l kritisierte diese E ua mit dem Argument, dass bedingtes Entgelt nicht nur deshalb nicht als Entgelt angesehen werden dürfe, weil es eben bloß bedingt sei. Bei der Zuteilung von Aktienoptionen handle es sich daher zweifelsfrei um zusätzliches Arbeitsentgelt, nämlich um eine „andere besondere Entlohnung“ iSd § 16 AngG, die für eine bestimmte Periode, nämlich für das abgelaufene und (in der Regel) die nachfolgenden fünf Jahre gewährt werde. Das mögliche Argument, dass § 16 AngG nicht selbst den Anspruch schaffe, sondern ihn voraussetze und erst auf dieser Basis eine zwingende Aliquotierung vorsehe, vermöge in dem Augenblick nicht mehr zu greifen, in dem Aktienoptionen effektiv zugeteilt worden seien.

Die E 8 ObA 73/04zbegründete die Zulässigkeit einer Bestimmung in einem Angestellten-KollV, wonach für die ersten sechs Monate des Dienstverhältnisses kein Anspruch auf Sonderzahlungen bestehe, im Hinblick auf § 16 AngG damit, dass der Anspruch weder an einen Stichtag gebunden noch mit der Art der Auflösung des Arbeitsverhältnisses verknüpft sei.

Im Schrifttum finden sich unterschiedliche Meinungen:

Tomandl/Schrammel (Arbeitsrecht II7 81) teilen zwar die Ansicht, dass § 16 AngG keinen Anspruch begründet, halten aber fest, dass § 16 AngG dem Angestellten einen aliquoten Anspruch sichern wolle, also ein Zwölftel des Anspruchs auf Sonderzahlungen je Dienstmonat in diesem Jahr. Die Art der Beendigung sei – im Gegensatz zu gleichartigen Bestimmungen in Arbeiter-Kollektivverträgen – unbeachtlich. Das AngG sehe in diesen Sonderzahlungen ein Entgelt, das zwar in jeder Arbeitsstunde mitverdient werde, aber nur einmal pro Jahr fällig werde.

Marhold/Friedrich (Arbeitsrecht2 136) verweisen unter Bezugnahme auf den Zweck des § 16 AngG zunächst darauf, dass es für das Entstehen des aliquoten Remunerationsanspruchs nicht auf die Art der Beendigung des Dienstverhältnisses ankomme. Auch (kollektiv-)vertraglich könne daher nicht vereinbart werden, dass ein aliquoter Remunerationsanspruch im Falle der Selbstkündigung, gerechtfertigter Entlassung oder ungerechtfertigten Austritts nicht entstehen solle, da es sich um bereits verdientes Entgelt handle.

Nach Schrank (Arbeits- und Sozialversicherungsrecht 150) gebühren Angestellten die Sonderzahlungen bei verschuldeter fristloser Entlassung oder unbegründetem vorzeitigen Austritt aliquot.

Rabl (in

Reissner
, AngG § 16 Rz 37) teilt die Rechtsansicht von Marhold/Friedrich und Schrank.

Kraft (Sonderzahlungsrückverrechnung bei nachträglichem Anspruchsentfall, taxlex 2009, 489 [490]) spricht in diesem Zusammenhang von bereits aliquot „angewachsenen“ Sonderzahlungen, deren gänzlicher Entfall in einem Angestellten-KollV der zwingenden Wirkung des § 16 AngG widerspreche.

Spitzl (in ZAS 2000/18, 176 [179]) hält Wegfallsregelungen, wie die hier vorliegende, unter dem Gesichtspunkt des § 16 AngG ebenfalls für unzulässig und daher teilnichtig.

Nach Radner (in ZellHB AV-Klauseln Rz 39.09) widersprechen derartige in Arbeiter-Kollektivverträgen für zulässig angesehene Klauseln im Angestelltenrecht einerseits dem Gesetzeswortlaut des § 16 AngG, andererseits dem dieser Bestimmung zugrunde liegenden Gedanken, dass – auch freiwillig gewährte – periodische Sonderzahlungen keine Schenkung, sondern Entgelt für die Bereitstellung der Arbeitskraft darstellten, welches parallel zur erbrachten Dienstleistung erworben werde.

Löschnigg (Arbeitsrecht11 Rz 6/213) hält ebenfalls fest, dass weder der Umstand der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses noch die Art der Lösung ausschlaggebend sein könnten, in bereits erworbene Entgeltansprüche und damit in wohlerworbene Rechte einzugreifen.

Demgegenüber vertreten Binder/Schindler (in

Löschnigg
, AngG II9, § 16 AngG Rz 89), Marhold (in
Marhold/Burgstaller/Preyer
, § 16 Rz 77), Schindler (in
Mazal/Risak
, Das Arbeitsrecht, System und Praxiskommentar Kap XX Rz 24) und Rauch (Die jüngere arbeitsrechtliche Judikatur zu den Sonderzahlungen, ASoK 2000, 75), alle jedoch unter Bezugnahme vor allem auf – die grundsätzlich einen Arbeiter-KollV betreffende E – 8 ObA 240/94, die gegenteilige Ansicht. Allerdings sehen Binder/Schindler an anderer Stelle (in
Löschnigg
, AngG II9, § 16 AngG Rz 111) in Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis in pönalisierter Form beendet werde (verschuldete Entlassung, unberechtigter Austritt), es unter Hinweis auf Naderhirn (DRdA 2011/35, 365 [369] und Runggaldier, RdW 1997, 340 [341]) für dogmatisch unklar an, dass im Gegensatz zu laufendem Entgelt bereits verdiente Sonderzahlungsanteile wegfallen könnten, ja sogar zurückzuzahlen seien.

Der erkennende Senat teilt die von der überwiegenden Lehre mit überzeugenden Argumenten vertretene Rechtsansicht, dass § 16 AngG dem nachträglichen Wegfall eines bereits aliquot erworbenen Sonderzahlungsanspruchs entgegensteht. Soweit in 8 ObA 240/94obiter eine gegenteilige Auffassung bezüglich § 16 AngG zum Ausdruck kommt, wird an dieser nicht festgehalten.

Im vorliegenden Fall gewährt der anzuwendende KollV grundsätzlich – zunächst ohne Einschränkung und ohne Bedingung – allen DN jährlich ein Urlaubsgeld und eine Weihnachtsremuneration (§ 15 Z 1 erster Satz KollV). Da § 16 AngG darauf abzielt, die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung (Arbeitsleistung und Entgelt) zu wahren, zumal der Angestellte die Ansprüche auf Sonderzahlung bereits (anteilig) „verdient“ hat, verstößt die weitere Kollektivvertragsbestimmung, wonach dieser Sonderzahlungsanspruch im Falle einer schuldhaften Entlassung, eines unberechtigten Austritts des DN oder einer Nichteinhaltung der Kündigungsfrist durch den DN als gar nicht erworben gilt (§ 15 Z 1 zweiter Satz KollV), gegen die nach § 40 AngG zwingende Bestimmung des § 16 AngG. 357

Diese Regelung ist daher für die dem KollV für DN der Privatkrankenanstalten Österreichs unterliegenden Angestellten unwirksam, weil (teil-)nichtig.

Der Revision der Bekl ist danach Folge zu geben und das Klagebegehren in Abänderung der klagsstattgebenden E der Vorinstanzen abzuweisen. [...]

Anmerkung
1.
Fragestellung

Im Anlassfall sah der (für Arbeiter und Angestellte anwendbare) KollV für AN der Privatkrankenanstalten vor, dass allen AN jährlich ein Anspruch auf Urlaubsund Weihnachtsgeld gebührt, der bei unterjähriger Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich aliquot zusteht. Kein Anspruch auf Urlaubsgeld und Weihnachtsremuneration besteht allerdings dann, wenn der AN schuldhaft entlassen wird, ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder die Kündigungsfrist nicht einhält.

Die zuletzt erwähnte Klausel veranlasste das Erstgericht (bestätigt durch das Berufungsgericht), die bekl Angestellte (diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester) im Hinblick auf die von ihr verschuldete Entlassung zur Rückzahlung des vollen für das Jahr 2011 erhaltenen Urlaubsgeldes zu verpflichten und keinen Anspruch auf die geltend gemachte anteilige Weihnachtsremuneration zuzusprechen. Demgegenüber bejahte der OGH den Anspruch auf aliquotes Urlaubs- und Weihnachtsgeld, da er die gegenständliche Kollektivvertragsklausel für Angestellte im Hinblick auf §§ 16 iVm 40 AngG zutreffend als unwirksam erachtete.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob es in Beurteilung der Zulässigkeit solcher Kollektivvertragsklauseln keiner Differenzierung nach der Art der Sonderzahlung bedarf (siehe Pkt 2.2). Da sich der OGH im gegenständlichen Fall mit der Stellung der Angestellten beschäftigt hat, wird auch in dieser E-Besprechung – aus Platzgründen – vor allem auf diese AN-Gruppe näher eingegangen.

2.
Sonderzahlungsanspruch von Angestellten

§ 16 AngG normiert für den Fall, dass einem Angestellten ein Anspruch auf periodische Remuneration gewährt wird, diese auch dann gebührt, wenn ein Dienstverhältnis vor Fälligkeit des Anspruchs gelöst wird; und zwar im Verhältnis zur zurückgelegten Dienstzeit. Hiervon sind vor allem Urlaubs- und Weihnachtsgelder erfasst. Ausgeschlossen sind Leistungen, die vom Typus der Abfertigung alt ähneln (Binder/Schindler in

Löschnigg
, AngG II9 § 16 Rz 29, 36 und 45 ff).

§ 16 AngG schützt Angestellte bei dieser Form der Entlohnung nur vor dem Verlust im Falle einer Lösung des Dienstverhältnisses vor der Anspruchsfälligkeit, schafft jedoch keinen Sonderzahlungsanspruch (OGH8 ObA 134/97g

[122] [Waas]
; Trost, Anspruch auf Sonderzahlungen in entgeltfreien Zeiten,
[119] mwH
). Anspruchsgrundlage ist idR der Arbeitsvertrag oder KollV, der Anspruch auf Sonderzahlungen kann aber zB auch aus dem Gleichbehandlungsgebot resultieren (Marhold in
Marhold/Burgstaller/Preyer
, AngG § 16 Rz 27).

2.1.
Zulässigkeit von Bedingungen

Da § 16 AngG keinen Anspruch schafft, dürfen Kollektivverträge den Erwerb von Sonderzahlungen an Bedingungen knüpfen (zuletzt OGH8 ObA 32/11f Arb 13.005). Binder(Remuneration und Kündigung,

) spricht von einem „suspensiv bedingten Leistungsanspruch“.

Runggaldier (Grenzen der Kollektivvertragsautonomie bei der Regelung des Entgelts [1995] insb 146) vertritt diesbezüglich die Ansicht, dass der hinter auflösenden Bedingungen stehende pönale Zweck nicht verpönt sei, zumal von den Kollektivvertragsparteien eine bewusste Bedingung des Anspruchserwerbes erwartet werden könne. Somit können zB Wartezeitregelungen oder Qualitätsanforderungen als zulässige Bedingungen erachtet werden (Binder/Schindler in

Löschnigg
, AngG II9 § 16 Rz 86 ff, 95). Die hM verneint aber im Hinblick auf § 16 AngG die Zulässigkeit von Stichtagsklauseln, da hierdurch die Äquivalenz von Arbeitsleistung und Entgelt gestört wird (Preiss in ZellKomm2 § 16 AngG Rz 38 ff mwN; Marhold in
Marhold/Burgstaller/Preyer
, AngG § 16 Rz 53 ff mwN). Dahingegen sehen Teile der Lehre (Marhold in
Marhold/Burgstaller/Preyer
, AngG § 16 Rz 77; Binder/Schindler in
Löschnigg
, AngG II9 § 16 Rz 89 f, krit aber in Rz 111) in einer Kollektivvertragsklausel, wonach der Sonderzahlungsanspruch im Falle einer schuldhaften Entlassung oder eines unberechtigten Austritts entfällt, keinen Verstoß gegen § 16 AngG. Somit könne der KollV den Anspruch auf Urlaubs- und/oder Weihnachtsgeld im Falle einer verpönten Beendigungsart ausschließen. Eine Stütze für diese Ansicht findet sich im obiter dictum in der OGH-E 8 ObA 240/94 (RdW 1995, 69), die allerdings einen Arbeiter-KollV betraf (siehe Pkt 3). In dieser E vertrat der OGH die Ansicht, dass aus § 16 AngG nicht abgeleitet werden könne, dass ein KollV das Entstehen eines Anspruchs auf Remuneration nicht sonst beschränken darf und begründete vor allem im Hinblick auf den Grundsatz der Honorierung der Vertragstreue die Zulässigkeit der Differenzierung nach der Art der Beendigung (8 ObA 240/94RdW 1995, 69 f). In der vorliegenden E stellt der OGH jedoch klar, dass § 16 AngG dem nachträglichen Wegfall eines bereits aliquot erworbenen Sonderzahlungsanspruchs entgegensteht und distanziert sich von dem oben erwähnten obiter dictum.

In Konsequenz dieser bedeutenden Klarstellung erscheint die Erwägung notwendig, ob die Zulässigkeit solcher Kollektivvertragsklauseln abhängig vom Zweck einer Remuneration unterschiedlich zu beurteilen ist.

2.2.
Zweckgebundene Differenzierung

Runggaldier (Sozialrückbau durch Rechtsprechung?

) hält fest, dass nicht alle Sonderzahlungen als Entgelt für die konkret Tag für Tag geleistete Arbeit zu qualifizieren sind. Da ihnen nicht vorab ein bestimmter Zweck unterstellt werden kann, ist dieser insb aus den einzel- bzw kollektivvertraglichen Bedingungen zu ermitteln (Runggaldier, 358Anspruch auf anteilige Remuneration doch beschränkbar?RdW 1995, 64 [66]). IdS verfolgt eine Kollektivvertragsklausel den Zweck, eine bestimmte Betriebstreue zu honorieren, wenn sie den Wegfall der Sonderzahlung im Falle einer verpönten Beendigungsart regelt; in dieser Situation ähnelt sie dem Typus der Abfertigung alt (vgl Runggaldier, ). Da solche Leistungen vom Anwendungsbereich des § 16 AngG ausgenommen sind, kann der Wegfall des Anspruchs bei unberechtigtem vorzeitigem Austritt bzw bei verschuldeter Entlassung (auch für Angestellte) geregelt werden (siehe Pkt 2).

Tomandl (ZAS 1976/17, 146 [149]) hält fest, dass es für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Bedingung für den Anspruchserwerb festzustellen gilt, ob eine Remuneration mit einer spezifischen Tätigkeit des AN verbunden ist. Während bei zeitbezogenen Entgelten (zB Gewinnbeteiligungen) der Anspruch idR aliquot erworben wird, muss bei leistungsbezogenen Entgelten zwischen Prämien für kurzfristige (zB Bilanzerstellung) und langfristige Leistungen (zB Projektmitarbeit) unterschieden werden (vgl Kuras, Möglichkeiten und Grenzen einzelvertraglicher Gestaltungen im aufrechten Arbeitsverhältnis, ZAS 2003/19, 100 [109 ff]. Im Hinblick auf den Bedarf eines verstärkten Einsatzes in einer für das Unternehmen bedeutenden Phase ist der Gedanke der Betriebsbindung durchaus legitim; in diesem Fall wird die Tätigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt – nicht über das ganze Kalenderjahr – honoriert (vgl Löschnigg, Phänomene der Betriebsbindung, in

Resch
[Hrsg], Kritische Klauseln im Arbeitsvertrag [2004] 15 ff). Dahingegen muss davon ausgegangen werden, dass sich der Angestellte bei einem längerfristigen Projekt den Sonderzahlungsanspruch anteilig von Tag zu Tag erarbeitet. IdS wurde vom OGH bereits bei anderen Gelegenheiten festgehalten, dass ein AN seine Kräfte im verstärkten Maße bereits ab Jahresbeginn einsetzen wird, wenn ihm für das Erreichen eines für ein ganzes Geschäftsjahr vorgesehenen Zieles eine Prämie zugesagt wird (zB OGH8 ObA 127/00kArb 12.049). Deswegen sind Leistungen, denen ein „Ansporneffekt“ immanent ist, besonders schutzwürdig (Pircher, ZAS 1992/4, 48 [51]).

Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass § 16 AngG nicht nach der Beendigungsart differenziert, ist im Falle, dass die Sonderzahlung nicht eine Leistung (zB Prämie), sondern im Allgemeinen die Zurverfügungstellung der Arbeitsleistung honoriert (zB 13. und 14. Gehalt), die Bedingung einer bestimmten Beendigungsart (bzw der Ausschluss einer verpönten Beendigungsart) als dem Telos des § 16 AngG widersprechend zu qualifizieren (vgl Tomandl, ZAS 1976/17, 149).

Zusammenfassend bedeutet das, dass hinter der Gewährung von Sonderzahlungen jeweils ein anderer Zweck stehen kann. Die Annahme, dass die Bedingung für den Anspruchserwerb diesen Zweck indiziert, ist mE jedoch nicht hinreichend für die Beurteilung der Zulässigkeit eben dieser Bedingung. Vielmehr ist in Anlehnung an Tomandl (ZAS 1976/17, 149)auf das vertragliche Synallagma zwischen Remuneration und Gegenleistung abzustellen, wobei im Einzelfall beurteilt werden muss, ob eine Prämie eine spezifische Tätigkeit (kurz- oder langfristig) honoriert oder die Zurverfügungstellung der Arbeitsleistung vergütet. Regelmäßigkeit und Häufigkeit der Remuneration indizieren das Vorliegen eines aliquot erworbenen Sonderzahlungsanspruchs (Grillberger, Zur Beschränkung der Kündigungsfreiheit des AN,

).

2.3.
Urlaubs- und Weihnachtsgeld

Obwohl idR die Fälligkeitstermine voneinander abweichen, stellen Urlaubs- und Weihnachtsgelder Teile des „echten“ laufenden Entgeltes dar (OGH8 ObA 11/08pinfas 2008 A 72, 167 [168]). Sie sind somit von „echten“ Bilanzgeldern zu unterscheiden (Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht35 150). In Anbetracht der Tatsache, dass die abweichende Fälligkeit des 13. und 14. Gehaltes auf eine steuerliche Begünstigung zurückzuführen ist (vgl Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG § 67 Tz 2), das Bilanzgeld hingegen tatsächlich für eine spezifische Tätigkeit (Bilanzerstellung) gewährt wird, erscheint diese Differenzierung sinnvoll.

Da die AN im Anlassfall ihren Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld laufend durch die Zurverfügungstellung ihrer Arbeitsleistung erarbeitet hat (vgl Marhold in

Marhold/Burgstaller/Preyer
, AngG § 16 Rz 3; Preiss in ZellKomm2 § 16 AngG Rz 3 mwN), ist im Anwendungsbereich des § 16 AngG ein rückwirkender Entzug dieser Entgeltbestandteile nicht einmal im Falle einer gerechtfertigten Entlassung zulässig (OGH9 ObA 77-78/94RdW 1994, 356 f). Deswegen blieb im vorliegenden Fall der AG die Rückzahlungsforderung hinsichtlich des schon ins Verdienen gebrachten Teils des bereits ausbezahlten Urlaubsgeldes versagt. Das über den aliquoten Teil des Urlaubsgeldes hinausgehende bereits ausbezahlte Urlaubsgeld konnte aber gem § 15 Z 2 zweiter Satz des KollV für AN der Privatkrankenanstalten mit dem Anspruch auf das aliquote Weihnachtsgeld aufgerechnet werden.

3.
Sonderzahlungsanspruch von Arbeitern

Für Arbeiter existiert keine dem § 16 AngG entsprechende gesetzliche Bestimmung. Daher werden kollektivvertragliche Regelungen, die den Wegfall des aliquoten Teils der Sonderzahlungen vorsehen, in stRsp als zulässig erachtet (zB OGH9 ObA 97/08tDRdA 2011/35, 365 [krit Naderhirn]). Eine solche den Wegfall des aliquoten Sonderzahlungsanspruchs regelnde Bestimmung befindet sich zB idgF des KollV Eisen- und Metallerzeugende und -verarbeitende Industrie, deren Zulässigkeit in einer früheren Fassung des KollV in der OGH-E 8 ObA 240/94 (RdW 1995, 69 f)bestätigt wurde. In der vorliegenden E distanziert sich der OGH zwar von dem obiter dictum in der E vom 15.9.1994 (8 ObA 240/94) bezüglich § 16 AngG, jedoch nicht vom Ergebnis im Hinblick auf die Zulässigkeit von kollektivvertraglichen Regelungen, die den Wegfall des aliquoten Teils der Sonderzahlungen für Arbeiter vorsehen. Daher bleibt die verfassungsrechtlich bedenkliche benachteiligende Ungleichbehandlung der Arbeiter im Vergleich zu den Angestellten in diesem Kontext weiterhin aufrecht (vgl zur Unsachlichkeit der Ungleichbehandlung beim Schutz der bereits erdienten Sonderzahlungsansprüche 359Drs, Arbeiter und Angestellte [1999] 213 ff). Aus Platzgründen kann hier allerdings auf die Rechtsstellung der Arbeiter in Bezug auf Sonderzahlungsansprüche nicht weiter eingegangen werden.

4.
Conclusio

Somit ist für Angestellte hinreichend geklärt, dass sogar eine vom AN verschuldete Entlassung nichts am Anspruch auf den aliquoten Teil einer periodischen Remuneration wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld ändert. Der vorliegenden E ist im Hinblick auf diese Art von periodischen Sonderzahlungen, die im Allgemeinen die Zurverfügungstellung der Arbeitsleistung honorieren, zuzustimmen. Anders verhält es sich mit Remunerationen, die mit einer spezifischen Tätigkeit zusammenhängen. Hierbei muss zwischen Prämien für kurzfristige Leistungen (zB Bilanzerstellung) und für langfristige Projektmitarbeit unterschieden werden. Während bei Ersteren mE das Argument der Honorierung einer bestimmten Betriebstreue (verstärkter Einsatz in einer für das Unternehmen bedeutenden Phase) legitim erscheint, sollte bei Letzteren einem Angestellten der anteilig von Tag zu Tag erarbeitete Sonderzahlungsanspruch iSd § 16 AngG abgegolten werden.