37

Entlassung eines Betriebsratsmitglieds wegen eines beleidigenden Facebook-Postings

HANNESSCHNELLER (WIEN)
  • Eine Äußerung wird nicht dadurch ihrer beleidigenden Wirkung entkleidet, dass derjenige, der sie tätigt, davon ausgeht, sie würde von Angehörigen einer bestimmten politischen Gruppierung als lustig oder witzig empfunden werden. Für die Qualifikation einer Äußerung als erhebliche Ehrverletzung ist nicht erforderlich, dass diese öffentlich erfolgt und gerichtlich strafbar ist; sie muss auch nicht unmittelbar gegenüber dem Beleidigten getätigt werden. Vielmehr genügt, dass das Verhalten objektiv geeignet ist, Autorität und Ansehen des Betroffenen im Betrieb herabzusetzen und dadurch dessen Ehrgefühl zu verletzen, und der Betroffene der Äußerung das entsprechende Gewicht beigemessen hat.

  • Die Zustimmung zur Entlassung eines Betriebsratsmitglieds ist nach dem Wortlaut des § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG (selbst bei Vorliegen einer erheblichen Ehrverletzung) nur zu erteilen, sofern durch dieses Verhalten eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitglied und Betriebsinhaber (BI) nicht mehr zu erwarten ist. Gemeint ist damit die Zusammenarbeit in betriebsverfassungsrechtlicher – und nicht in individualarbeitsrechtlicher – Hinsicht. Eine sinnvolle Zusammenarbeit setzt insofern voraus, dass beide Teile ungeachtet der Ehrverletzung weiterhin in der Lage sind, den von ihnen im gemeinsamen Zusammenwirken zu erfüllenden gesetzlichen Aufgaben gerecht zu werden. Dies ist objektiv, wenn auch unter Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei nicht nur die Sicht des BI, sondern auch jene des BR als Belegschaftsvertretungsorgan von Bedeutung ist.

Der Bekl ist Angestellter der Kl kraft Vertrags und Mitglied des BR. [...] Der Bekl ist bei der Müllabfuhr beschäftigt. Im Jahr 2008 kandidierte er gegen die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter und ist nunmehr der „schwarzen“ Seite zuzuordnen. Bei der Kl werden Firmenjubiläen besonders gefeiert. Derartige Firmenfeiern werden von den Mitarbeitern sehr geschätzt. Anlässlich der Firmenfeier am 5.10.2012 wurde der Mitarbeiter H* H* für seine 10-jährige Betriebszugehörigkeit geehrt. Wie üblich wurde ein Gruppenfoto aufgenommen, welches in der Mitte den Geehrten zeigt, um ihn herum den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden J* B*, den Geschäftsführer der Kl DI A* L*, den Bereichsleiter Ing. T* L*, die Betriebsrätin K* St*, den Vorstandsdirektor der L* AG und Geschäftsführer der Kl DI E* H* und den Betriebsratsvorsitzenden E* K*. Mit Ausnahme des H* H* sind sämtliche auf dem Foto abgebildeten Personen einer sozialdemokratischen Gesinnung zuzuordnen.

H* H* (der oben erwähnte Betriebsjubilar und Facebook-“Freund“ des bekl Betriebsratsmitglieds; Anm) stellte sein Gruppenfoto von der Firmenfeier auf seine Facebook-Seite. Er hatte zu diesem Zeitpunkt im Facebook 371 Freunde, der Bekl hatte 94 Freunde; beide hatten jeweils fünf (jedoch andere) Mitarbeiter der L* AG – das ist die Holding-Gesellschaft der Kl, von der deren Personalangelegenheiten zentral ausgeübt werden – als (gemeinsame; Anm) Facebook-Freunde. Der Bekl und H* H* waren einige Zeit zuvor in der gleichen Betriebsratsfraktion tätig gewesen und kennen einander daher etwas näher; H* H* gehört allerdings nicht zum näheren Freundeskreis des Bekl.

Als Facebook-Freund des H* H* erhielt der Bekl eine Verständigung vom neuen Foto und hinterließ am 14.10.2012 um 7:04 Uhr folgenden Eintrag: „du bist a harta hund, wie haltst des nur aus zwischen die ganzen roten Socken?“ Daraufhin antwortete der H* H* wie folgt: „Ich ersuche sachlich und höflich zu bleiben.“ Der Bekl schrieb daraufhin zurück: „Ist doch sachlich und höflich, ... wenns ned höflich war würd I schreiben wie hoits des aus zwischen den rodn o*arsch“.

Der Bekl wusste, dass dieser Eintrag vom Freundeskreis im Facebook des H* H* gelesen werden konnte. Auf den ersten Eintrag des Bekl antwortete A* W*, Betriebsrätin bei der Kl und Mitglied der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter, mit „Gefällt mir“. Nach den beiden Einträgen des Bekl auf der Facebook-Seite des Zeugen H* folgten weitere Eintragungen anderer 360Personen, die den Eintrag des Bekl lesen konnten. H* H* löschte die Einträge auf seiner Facebook-Seite nicht. Der zweite Eintrag des Bekl war etwa 12 Stunden lesbar, dann löschte der Bekl diesen wieder. Den ersten Eintrag löschte er kurz vor dem Gerichtsverfahren.

Beide Geschäftsführer der Kl, also sowohl DI E* H* als auch DI A* L* fühlten sich durch diese Eintragungen persönlich sehr betroffen und wollten sich nicht gefallen lassen, so bezeichnet zu werden. Für den Geschäftsführer DI A* L* war der Begriff „rote Socke“ eine abwertende Aussage. Sich als „O*arsch“ bezeichnen zu lassen, wertete er für sich als eine Aussage aus der „letzten Schublade“. Während seiner gesamten Zeit im Unternehmen seit 1993 war es ihm noch nie passiert, so bezeichnet zu werden. Es ist ein Sprachgebrauch, den weder er verwendet, noch ein Sprachgebrauch, der im Unternehmen – jedenfalls nicht im Verhältnis von Mitarbeitern zu ihren Vorgesetzten – üblich ist.

Am 25.10.2012 wurde die Klage eingebracht. Mit Schreiben vom 29.10.2012 wurde der Bekl darauf hingewiesen, er habe mit seinen Einträgen auf Facebook „eine Grenze überschritten, die für uns eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar macht“, und mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert. Der Bekl entschuldigte sich in weiterer Folge bei keinem der auf dem Gruppenbild aufscheinenden Personen wegen seiner Eintragungen. Für den Geschäftsführer DI A* L* hätte auch eine Entschuldigung des Bekl nichts daran geändert, dass er sich durch die Eintragungen des Bekl in seiner Ehre verletzt fühlt. Weder gegen A* W* noch gegen H* H* ist die Kl wegen des Kommentars zu dem Eintrag des Bekl bzw wegen des Nichtlöschens des Eintrages vorgegangen.

In rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes ist das Erstgericht zum Ergebnis gekommen, der Bekl habe eine erhebliche Ehrverletzung iSd § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG begangen. Der Kl sei die Weiterbeschäftigung unzumutbar. Die Klage sei rechtzeitig eingebracht worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Bekl aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung samt unvollständiger Sachverhaltsfeststellung aus diesem Grund mit dem Antrag, es iS einer Klagsabweisung abzuändern.

Die gem § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu behandelnde Berufung ist nicht begründet.

In der Rechtsrüge wendet sich der Berufungswerber vor allem gegen die Qualifikation der festgestellten Einträge des Bekl als Grund für die Zustimmung zur Entlassung gem § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG und behauptet in insgesamt vier Punkten Unvollständigkeiten des festgestellten Sachverhalts. Das Erstgericht hat den – dafür ausreichenden – festgestellten Sachverhalt zutreffend rechtlich beurteilt [...]. Ergänzend dazu ist den Ausführungen in der Berufung entgegenzuhalten:

Aus der Abfolge der Facebook-Einträge des Bekl ergibt sich, dass der zweite Eintrag als authentische Interpretation der Bezeichnung „rote Socken“ zu verstehen ist, dass also der „sachliche und höfliche“ Begriff „rote Socken“ iS von „rode o*arsch“ zu verstehen war. Zumal der Begriff „o*arsch“ in einem insgesamt umgangssprachlich-lautschriftlich geschriebenen Satz verwendet wurde, kann nicht davon die Rede sein, der Bekl habe das Wort nicht ausgeschrieben (gemeint: und damit abgeschwächt); er hat viel eher durch die Verlängerung des Wortes mittels dreier * zusätzlich die Interpretation als Steigerungsform – etwa iS von „Ober“ – ermöglicht. Daher war gerade der zweite Eintrag unmittelbar beleidigend gegenüber den Abgebildeten mit Ausnahme des H* H***, sodass die zu Pkt B.4 (ua) zusätzlich begehrte diesbezügliche Feststellung ausscheidet.

Auch vom Berufungswerber wird nicht (ausdrücklich) bestritten, dass die Bezeichnung als „Arschloch“ an sich grob beleidigend ist (vgl dazu etwa OGH 7 Ob 193/65, 9 ObA 285/97w). Daran würde auch die Feststellung nichts ändern, der Bekl sei davon ausgegangen, der Kreis der Freunde des Zeugen H* aus dem „blauen Bereich“ werde seine Äußerung als „eher lustig oder witzig“ empfinden (Pkt B.4). Eine Äußerung wird nicht dadurch ihrer beleidigenden Wirkung entkleidet, dass derjenige, der sie tätigt, davon ausgeht, sie würde von Angehörigen einer bestimmten politischen Gruppierung als lustig oder witzig empfunden werden.

Generell ist für die Qualifikation einer Äußerung als erhebliche Ehrverletzung nicht erforderlich, dass diese öffentlich erfolgt und gerichtlich strafbar ist (vgl nur OGH RIS-Justiz RS0029876); sie muss auch nicht unmittelbar gegenüber dem Beleidigten getätigt werden (vgl etwa OGH9 ObA 51/09d). Vielmehr genügt, dass das Verhalten objektiv geeignet ist, Autorität und Ansehen des Betroffenen im Betrieb herabzusetzen und dadurch dessen Ehrgefühl zu verletzen, und der Betroffene der Äußerung das entsprechende Gewicht beigemessen hat (vgl OGH9 ObA 45/99x; in diesem Sinne schon VwGH ArbSlg 6893, 7771, 8320; zur insofern vergleichbaren Bestimmung des § 27 Z 6 AngG OGH RIS-Justiz RS0029827, RS0029845).

Soweit der Berufungswerber davon ausgeht, die abgebildeten Personen seien nicht erheblich in ihrer Ehre verletzt worden, weicht er vom Sachverhalt ab, nach dem sich der Geschäftsführer DI A* L* „durch die Eintragungen des Bekl an seiner Ehre verletzt“ gefühlt hat. Darüber hinaus können die Feststellungen, die Geschäftsführer der Kl hätten „sich durch die Eintragungen persönlich sehr betroffen“ gefühlt und wollten sich „nicht gefallen lassen, so bezeichnet zu werden“, nur so verstanden werden, dass die Geschäftsführer der Kl die objektiv beleidigenden Einträge des Bekl als erheblich beleidigend empfunden haben.

Mit dem Hinweis auf eine „selektive Wahrnehmung“ der Kl, die keine Maßnahmen gegen den Zeugen H* H* und die Mitarbeiterin A* W* gesetzt habe, bekämpft der Berufungswerber im Ergebnis die Beweiswürdigung des Erstgerichts, jedoch ohne die Beweisrüge gesetzmäßig auszuführen (OGH RIS-Justiz RS0041835). In diesem Zusammenhang ist allerdings anzumerken, dass A* W* selbst Mitglied der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter ist und H* H* zwar den Eintrag des Bekl nicht gelöscht, diesen jedoch rügend („Ich ersuche sachlich und höflich zu bleiben“ sowie zusätzlich „A*: Von derartig unprofessionellen öffentlichen Äußerungen distanzier ich mich. Parteifarbe hin oder her“; vgl Blg./1) kommentiert hat, sodass deren Verhalten mit jenem des Bekl nicht vergleichbar und aus der unterschiedlichen Reaktion der Kl für den Bekl schon deshalb nichts gewonnen ist. Im Übrigen unterliegen Gestaltungsrechte wie Kündigungen und Entlassungen 361nicht dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (OGH RIS-Justiz RS0111109).

Vom Erstgericht wurde festgestellt, dass der Bekl der „schwarzen“ Seite zuzuordnen ist und sämtliche auf dem Foto abgebildeten Personen mit Ausnahme des Geehrten einer sozialdemokratischen Gesinnung zuzuordnen sind. Daraus ergibt sich implizit, dass H* H* nicht dieser politischen Einstellung zugehört; welcher Fraktion er angehört, ist für die rechtliche Beurteilung ebenso irrelevant wie der Umstand, dass der Bekl bei der Betriebsratswahl 2008 mit einer unabhängigen Namensliste angetreten ist und dadurch mit einer „Tradition“ gebrochen hat.

Auf den zwischen ihm und einem bestimmten Arbeitskollegen herrschenden Umgangston kann sich der Bekl nicht mit Erfolg berufen, weil dieser Sprachgebrauch nach den Feststellungen im Unternehmen nicht üblich ist. Zudem sind die ihm angelasteten Äußerungen so erheblich, dass sie auch durch den Umgangston zwischen ihm und einem (einzigen) Arbeitskollegen nicht zu rechtfertigen wären. Auch die weitere zu Pkt B.4 begehrte Feststellung ist damit in rechtlicher Hinsicht irrelevant; im Übrigen verstößt sie gegen das Neuerungsverbot.

Der Berufungswerber weist an sich zu Recht darauf hin, dass die Zustimmung zur Entlassung eines Betriebsratsmitglieds nach dem Wortlaut des § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG (selbst bei Vorliegen einer erheblichen Ehrverletzung) nur zu erteilen ist, sofern durch dieses Verhalten eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitglied und BI nicht mehr zu erwarten ist. Gemeint ist damit die Zusammenarbeit in betriebsverfassungsrechtlicher – und nicht in individualarbeitsrechtlicher – Hinsicht. Eine sinnvolle Zusammenarbeit setzt insofern voraus, dass beide Teile ungeachtet der Ehrverletzung weiterhin in der Lage sind, den von ihnen im gemeinsamen Zusammenwirken zu erfüllenden gesetzlichen Aufgaben gerecht zu werden; dies ist objektiv, wenn auch unter Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei nicht nur die Sicht des BI, sondern auch jene des BR als Belegschaftsvertretungsorgan von Bedeutung ist (vgl Kuderna, Entlassungsrecht2 160 f).

Nach den Materialien zum ArbVG sollte durch die Einführung eines „Zerrüttungsprinzips“ bei diesem Entlassungstatbestand „der besonderen Situation in kleineren Betrieben und der dort in der Regel engeren persönlichen Kontakte zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat Rechnung getragen“ werden (840 BlgNR 13. GP 90 f). Es ist diesen jedoch nicht zu entnehmen, dass damit eine (weitgehende) Einschränkung des zuvor in § 18 Abs 3 lit f BRG 1947 geregelten Tatbestands für die Zustimmung zur Entlassung verbunden sein sollte. Weil die Vertretung des BR nach außen – und damit gerade auch dem BI gegenüber – gem § 71 ArbVG ausschließlich dem Vorsitzenden, seinem Stellvertreter bzw einem Sondervertreter obliegt, würde die vom Berufungswerber gewünschte Interpretation dazu führen, dass beleidigende Äußerungen nur bei den zur Vertretung des BR nach außen berufenen Betriebsratsmitgliedern zur Zustimmung zur Entlassung führen könnten. Damit würde der Anwendungsbereich des § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG weitestgehend eingeschränkt und Betriebsratsmitgliedern, die im Rahmen ihrer Interessenvertretungsaufgabe aufgrund von Größe, Struktur und Organisation des BR bzw des Betriebs kaum oder überhaupt nicht in unmittelbaren persönlichen Kontakt mit dem Betriebsinhaber kommen, gleichsam ein Freibrief für Beleidigungen jeglicher Intensität ausgestellt.

Ob eine sinnvolle Zusammenarbeit (noch) zu erwarten ist, muss daher von der – jederzeit veränderlichen – Aufgabenteilung im konkreten BR abstrahierend beurteilt werden. Dabei ist die in § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG enthaltene Einschränkung („sofern ...“) im selben Sinne zu verstehen wie § 122 Abs 2 ArbVG – beide verankern gleichermaßen das Zerrüttungsprinzip und waren in § 18 Abs 3 BRG 1947, der Vorgängerbestimmung des § 122 ArbVG, nicht enthalten (zu deren Verhältnis vgl VwGH ZAS 1979/19) – und bildet damit eine Ausnahme vom Grundsatz, dass bei erheblichen Ehrverletzungen gegen den BI die Zustimmung zur Entlassung zu erteilen ist (vgl allgemein OGH9 ObA 267/98z).

Auch wenn der Ort, an dem der Bekl seine Arbeit antritt, nicht am Sitz der Kl liegen und der Bekl einem der beiden Geschäftsführer nur namentlich bekannt sein sollte [...], wäre aufgrund der objektiv und auch subjektiv beleidigenden Wirkung der Einträge des Bekl davon auszugehen, dass eine sinnvolle betriebsverfassungsrechtliche Zusammenarbeit nicht mehr zu erwarten ist. Besondere Gründe, die ausnahmsweise die Weiterbeschäftigung zumutbar erscheinen lassen, liegen nicht vor.

Weil bislang – soweit ersichtlich – höchstgerichtliche Rsp zur Frage fehlt, in welchem Sinne die Einschränkung „sofern durch dieses Verhalten eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitglied und Betriebsinhaber nicht mehr zu erwarten ist“ in § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG gerade bei Betriebsratsmitgliedern in großen Betriebsratskollegien großer Betriebe zu verstehen ist, kommt dieser iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Bedeutung zu. Die ordentliche Revision war daher zuzulassen (wurde aber nicht erhoben; Anm).

Anmerkung

Wieder einmal hat eine (unbedachte?) Äußerung in einem sozialen Netzwerk eine Entlassung nach sich gezogen. Es handelt sich dabei natur- und technikgemäß um ein relativ neues Phänomen, das betreffend AN, die keinem besonderen Entlassungsschutz unterlagen, in den letzten Jahren mehrmals zu beobachten war. Nun ist, soweit überblickbar, erstmals ein Betriebsratsmitglied davon betroffen. Eine problematische Verstrickung wird im vorliegenden Fall auf den ersten Blick erkennbar: Ein gewählter „betriebspolitischer“ Mandatar ist – im Gegensatz zu allgemeinpolitischen MandatsträgerInnen – gleichzeitig disziplinar- und weisungsunterworfener AN, also Arbeitsvertragspartner des BI, in dessen Organisation er sein betriebspolitisches Amt ausübt.

Auseinandersetzungen, Aufstachelungen und Übertreibungen im staatspolitischen (allgemein-politischen) Wettbewerb werden im Regelfall höchstens mit einem Ordnungsruf quittiert, wenn sich ein Mandatar im Ton vergreift; außerdem müssen sich in diesem Bereich die AkteurInnen nach dem Medienrecht sowie im Zusammenhang mit Ruf- und Kreditschädigungen 362im Vergleich zu NichtpolitikerInnen deutlich mehr gefallen lassen. Demgegenüber können sich im Kontext der Betriebsverfassung die Konsequenzen eines überschießenden und unangemessenen betriebspolitischen Verhaltens unmittelbar auf die zweite Funktion und „Rolle“ des Akteurs auswirken, auf jene als AN. Der „betriebspolitische“ Gegner, der BI also (hier: seine bevollmächtigten Vertreter, deren parteipolitische Zuordnung öffentlich bekannt war), darf dabei „dünnhäutig“ wie ein Nichtpolitiker sein.

Interessant an der rechtskräftigen E des OLG Linz sind mehrere Aspekte, die Folgenden sollen kurz betrachtet und hinterfragt werden:

  • Entspricht ein zT unkenntlich gemachter und im Konjunktiv verfasster Kommentar („Posting“ oder „Post“) der gegenständlichen Art dem, was die ständige höchstgerichtliche Judikatur unter erheblicher Ehrverletzung durch „besonders bestandgeschützte“ Betriebsratsmitglieder versteht?

  • Sind die Kommunikationsform, der Kontext der Äußerung und die nur zum Teil beeinflussbaren Funktionalitäten des Mediums ausreichend berücksichtigt worden; dh sind unangebrachte, unbedachte oder flapsige Äußerungen, die an einem „virtuellen Stammtisch“ zirka zwölf Stunden lang „gepostet“ waren, ebenso ernst zu nehmen wie Beleidigungen in der „analogen“ Welt in Form eines Schriftstücks, eines Telefonats oder gar im direkten persönlichen Kontakt?

  • Wurde das „Zerrüttungsprinzip“, das ja vom OLG in der Revisionszulassung bezüglich eines Aspekts selbst hinterfragt wird, ausreichend beachtet?

In mehreren gerichtlichen, auch höchstgerichtlichen Entscheidungen der letzten Jahre wurde betont, dass Social Media wie Twitter oder Facebook – so wie das Internet ganz allgemein – lediglich Kommunikationsmittel bzw Kommunikationsmedien seien; Übertragungsmittel ähnlich einem Brief, einem Flugblatt, einer Zeitung oder eines Telefons und deren technischer Weiterentwicklungen. Auf die Inhalte der Kommunikation habe „das Medium“ und seine Verwendung keinen Einfluss, weder abschwächend noch verstärkend (näher zB Tichy, Shitstorm, ecolex 2013, 396; Kern/Schweiger, Die Bedeutung der Nutzung von Social Media im Entlassungsrecht, ZAS 2013, 302). Diese Judikaturlinie möchte ich nicht grundsätzlich in Frage stellen, ein wenig relativiert sollte sie mE aber dennoch werden. Denn die fast prophetischen Worte des 1980 verstorbenen kanadischen Kommunikationstheoretikers Marshall McLuhan, „the medium is the message“, bewahrheiten sich gerade im spezifischen Aufschaukelungspotenzial mancher sozialer Medien innerhalb des globalen Dorfs „Internet“.

1.
Beleidigung im Konjunktiv mit teil-ausgeschriebenem Wort?

Im ersten Leitsatz (ganz oben 1.) sind die wesentlichen Sentenzen der Rsp zu erheblichen Ehrverletzungen wiedergegeben. Sie bewegen sich, abstrakt betrachtet, im Rahmen der stRsp und hL, und zwar sowohl zu generellen Entlassungstatbeständen wie auch zum besonderen Entlassungsschutz von Betriebsratsmitgliedern (näher Grillberger in

Löschnigg
[Hrsg], AngG9 § 27 Rz 161 ff; Pfeil in
Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 27 AngG Rz 163 ff; Trost in
Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 122 Rz 67 ff).

Ein in der Literatur nicht aufzufindendes Novum dürfte die – im Internet vermehrt zu beobachtende – Verschleierung des Schimpfworts durch drei Platzhalter (Sternchen bzw Asterisken; typographisch: „Ellipsen“, um ein anstößiges oder tabuisiertes Wort nicht ausschreiben zu müssen) sein. Damit hat der Bekl die Verbalinjurie wohl „bis zur Kenntlichkeit entstellt“, was ihm daher wenig nützte. Auch die Formulierung des Bekl in der Möglichkeitsform (hier: wenn er nicht höflich wäre, würde er [...] schreiben) ist im Schrifttum noch kaum erörtert worden; höchstgerichtliche Rsp ist dazu nicht bekannt. Die Verwendung des Konjunktivs kann eine Beleidigung mE zwar niemals gänzlich verharmlosen, aber uU doch abschwächen. Das OLG legt dem bekl Betriebsratsmitglied die Unvollständigkeit und den Konjunktiv jedenfalls so nachteilig als möglich aus, ua iS einer Steigerungsmöglichkeit bzw -unterstellung: Das teil-unkenntlich gemachte Wort könne auch als Ober-o*sch verstanden werden. Die Beurteilung des OLG, dass es sich bei diesem Wort um eine „authentische Interpretation“ von „rote Socken“ handle, wirkt bemüht verschärfend. Dass der Bekl versucht haben könnte, das inkriminierte und zweifellos ehrverletzende Wort auch nur ein wenig abzuschwächen oder als (unangebrachten) Scherz zu formulieren, wird nicht festgestellt. Auch einen möglichen Lapsus, zu wenige Buchstaben geschwärzt zu haben (wäre er mit „o***ch“ noch an der Entlassungsgrenze vorbeigeschrammt?), zieht das OLG nicht in Betracht, im Gegenteil. Diese Rigidität ist mE überzogen und trübt den Blick auf die noch zu prüfenden Schranken des § 122 ArbVG. Dessen zwei Entlassungs-Hürden (unten 3.) wird durch die maximale Unterstellung einer möglichst gravierenden Beleidigungsabsicht somit negativ präjudiziert.

Unbefriedigend bleibt ganz allgemein die extreme Einzelfallbezogenheit bei einschlägigen Entlassungsverfahren, wenn man vergleichsweise eine rezente E des OLG Wien vom 17.12.2013 (8 Ra 103/13w ARD 6388/17/2014) betrachtet: Die Beschimpfung des Kommanditisten der AG-Gesellschaft als „Obertrottel“ (zugegeben, durch eine zu Unrecht der Kundenabwerbung beschuldigte AN) verwirkliche nicht den Ehrverletzungstatbestand des § 27 Z 6 AngG.

1.1.
Vergleich mit einem Kommentar in der „analogen Welt“

Nochmals sollen die Worte des entlassenen Betriebsratsmitglieds auf die Waagschale gelegt und mit derartigem Verhalten in direkter Offline-Kommunikation verglichen werden. Und zwar in ihrem Zusammenhang, im Kontext eines sich um ein hergezeigtes Foto entspinnenden „Threads“, also „digitalen Gesprächs“. Darauf, dass die NutzerInnen von Social Media bei Postings oder Likes Spontanäußerungen beabsichtigen und dabei vergessen, dass es sich um permanente Äußerungen mit viraler Internet-Verbreitungsgefahr handelt, weisen etwa Kern/Schweiger (Die Bedeutung der Nutzung von Social Media im Entlassungsrecht, ZAS 2013, 303) hin.363

Die Worte „rote Socken“ waren noch nicht entlassungsbegründend. Im österreichischen und bundesdeutschen Sprachgebrauch ist das eine (selbst)ironische, eventuell auch leicht verhöhnende Bezeichnung für SozialdemokratInnen, KommunistInnen oder ganz allgemein „Linke“ (vgl zB den deutschen Politiker Gregor Gysi, der mit dieser Selbstbezeichnung einige Wahlerfolge verzeichnete). Relevant war letztlich der von potenziell 371 Facebook-FreundInnen des H* H* lesbare, auf dessen Ermahnung folgende Zweitkommentar „(mein Kommentar) ist doch sachlich und höflich ... wenn er nicht höflich wäre, würde ich schreiben [...]“. Verglichen mit der analogen Welt entspricht das mE der sinngemäß gleichen Aussage „wenn ich kein höflicher Mensch wäre, würde ich die neben dir stehenden Vorgesetzten als rote O. bezeichnen“ – und zwar ohne dabei das letzte Wort des Götzzitats voll auszusprechen.

2.
Zum Kontext des Kommentars

Außer Betracht blieb in der Urteilsbegründung auch, dass der Bekl nach ca zwölf Stunden – am Abend desselben Tages – sein Posting wieder gelöscht hatte. Auch die langjährige Dienstzeit und offenkundige Einmaligkeit des Vorfalls wurden nicht weiter rechtlich gewürdigt (vgl aber zB Pfeil in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 27 AngG Rz 167 und vor allem Trost in
Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 122 Rz 77). Wie Pfeil (in
Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 27 AngG Rz 166) richtigerweise betont – und anhand der Judikatur belegt –, kommt der Frage zur Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung schon bei AN, die keinen besonderen Bestandschutz haben, gerade beim Ehrverletzungstatbestand besondere Bedeutung zu. Es sind hier vor allem die Stellung des AN im Betrieb, sein Bildungsgrad, die Art des Betriebs, der dort herrschende Umgangston, das bisherige Verhalten des AN und die Begleitumstände der Äußerung („die Gelegenheit, bei der die Äußerung gefallen ist“) zu berücksichtigen. War das relativ rasche Löschen des Postings nicht so etwas wie „tätige Reue“?

Jedenfalls hätten sich mE die beiden Gerichtsinstanzen – ebenso wie diverse Gerichte bei Entlassungsverfahren in jüngerer Zeit, die kreditschädigende oder beleidigende Facebook-Postings von nicht besonders bestandgeschützten AN zum Gegenstand hatten – in diesem Zusammenhang eingehender mit den Mechanismen und Abläufen diverser Kommunikationsformen in Facebook und ähnlich funktionierenden sozialen Netzwerken beschäftigen sollen. Es bestehen in diesen Foren Unterschiede zur Realkommunikation, die uU arbeitsrechtlich relevant sein können.

2.1.
Zur Eigendynamik und Eskalationsneigung mehrseitiger kommunikativer Vorgänge im Internet

Threads (Diskussionsstränge bzw -fäden) in diesen Netzwerken funktionieren nach wiederkehrenden Mustern, die seit geraumer Zeit kommunikationstheoretisch und sozialpsychologisch intensiv diskutiert werden. Zwei Kommunikationsmuster sind hier besonders relevant: Durch provokante Gegenfragen oder Kritiken kann es zu Aufschaukelungen kommen und die Facebook-Funktion „Teilen“ (oder ein Screenshot, eine Kopie in ein E-Mail etc) ermöglicht es, ohne Absicht und Zustimmung des Kommentierenden, sein Posting beliebig weit zu streuen. Das alles in schriftlicher Form, die selbst nach Löschung wiederherstellbar bleibt: In digitalisierter Form bewahrheitet sich die Binsenweisheit „ein Schriftl ist ein Giftl“ umso mehr.

Im konkreten Fall hatte das bekl Betriebsratsmitglied das Foto eines vermeintlichen „Freundes“ kommentiert, dann dessen Ermahnung zu höflichem und sachlichem Ton wohl nicht verstanden (nicht wissend, dass dieser „Freund“ oder ein Dritter das Posting weiterleiten würde) und sich zu einer Steigerung von zweifelhaft humoristischem Charakter hinreißen lassen. In der Realkommunikation würde das ganze eher an eine Stammtisch-Kommunikation gemahnen (fünf Facebook-Freunde aus dem Konzern waren potenziell beteiligt, keiner jedoch aus dem Unternehmen, vom Fotografierten und vom Bekl abgesehen), wobei ein Gesprächsteilnehmer sich, was einigen unbekannt ist, nicht mehr im parteipolitisch geschlossenen Kreis bewegt. Die eine „real“, also offline gemachte Äußerung möglicherweise relativierende Mimik, Gestik oder der Tonfall fehlen ohnehin.

Wie die Social Media-Expertin Danah Boyd (Harvard University) jüngst anmerkte, sei Facebook ein anomales soziales Netzwerk, da es im Gegensatz zu den meisten anderen Netzwerken, die üblicherweise einen geschlossenen, engen Bekanntenkreis umfassten, viel breiter frequentiert werde. Man treffe dort sämtliche Bekannte, von den Großeltern über ehemalige SchulkollegInnen bis hin zu Vorgesetzten. Diese „multiplen Kontexte“ würden zu einem Gefühl der Verlegenheit führen (derstandard.at vom 17.3.2014: „Facebook im echten Leben ohne Alkohol nicht erträglich“, http://derstandard.at/1395056795011/Forscherin-Facebook-im-echten-Leben-ohne-Alkohol-nicht-ertraeglichhttp://derstandard.at/1395056795011/Forscherin-Facebook-im-echten-Leben-ohne-Alkohol-nicht-ertraeglich) und dieses wiederum zu unbedachten Spontanäußerungen. Dass das „Belohnungshormon“ Dopamin verstärkt ausgeschüttet wird, wenn Zustimmungen („Likes“) auf ein Facebook-Posting folgen (hier zB beachtlich: das „Like“ einer sozialdemokratischen Betriebsratskollegin des Bekl), sei hier nur am Rande erwähnt (näher zB: Studie der University of Southern California, http://www-scf.usc.edu/~uscience/dopamine_social_networking.htmlhttp://www-scf.usc.edu/~uscience/dopamine_social_networking.html).

Diverse Gerichte haben mit Kommunikationsformen der Social Media ihre Probleme, wie etwa ein rezentes Urteil des OLG Innsbruck zeigt: Eine Verurteilung wegen Verhetzung unterblieb, weil der Angeklagte seinem in Facebook geposteten fremdenfeindlichen Witz das Emoticon „zwinkerndes Smiley“ hinzugesetzt hatte. In der Urteilsbegründung wurde zur Bedeutung dieses Emoticons Wikipedia zitiert, demnach es bedeute „es ist ja nicht so ernst gemeint“ (http://derstandard.at/1369363164906/Tuerkenwitzauf-Facebook-Freispruch-dank-Zwinker-Smileyhttp://derstandard.at/1369363164906/Tuerkenwitzauf-Facebook-Freispruch-dank-Zwinker-Smiley). Auch das deutsche Judikatur-Portal „juris.de“ zeigt eine breite Palette an erst- und zweitinstanzlichen Entscheidungen zu Facebook-Aktivitäten, wo sehr ähnliche Schimpfwörter das eine Mal zu einer (außerordentlichen) Kündigung berechtigten, das andere Mal wieder nicht. 364

3.
Zum doppelten Zerrüttungsprinzip: Wie sind die Zumutbarkeitsschranken zu prüfen?

Wie Trost (in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 122 Rz 59) richtig anmerkt, ist schon bei der Prüfung des Tatbestands der Z 5 des § 122 Abs 1 ArbVG das zweite Tatbestandselement „sofern durch dieses Verhalten eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitglied und Betriebsinhaber nicht mehr zu erwarten ist“ zu berücksichtigen, und zwar unabhängig von der in weiterer Folge zu prüfenden Entlassungsschranke des § 122 Abs 2 ArbVGwenn nach den besonderen Umständen des Falles dem Betriebsinhaber die Weiterbeschäftigung des Betriebsratsmitglieds zumutbar ist“. Zwei Schranken bestehen also, eine ist dem Ehrverletzungs- (und Tätlichkeits-)Begriff immanent und die weitere ist als umgekehrte Schwelle zum allgemeinen Grundsatz bei vorzeitigen Beendigungen von Dauerschuldverhältnissen formuliert: Nur wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses, selbst für die relativ kurze Zeit der Kündigungsfrist, nicht (mehr) zumutbar ist, soll die „Fristlose“ Berechtigung haben. Indem der Gesetzgeber diese Schranke in Abs 2 aber positiv formulierte, hat er sie auch verstärkt: Der BI (hier wie bei allen juristischen Personen: seine betroffenen VertreterInnen) ist anzuhören – zumindest muss das Gericht ein objektiviertes Bild von einem normativen Maß-Betriebsinhaber in dieser Hinsicht erlangt haben –, dass eine Weiterbeschäftigung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Z 5-Tatbestandsverwirklichung unzumutbar ist. Mittels der Zusatzschranke des § 122 Abs 2 ArbVG wird die zuvor eingenommene Beurteilungsperspektive („nicht mehr zu erwarten“) iS einer zusätzlichen Gegenprüfung quasi um 180 Grad gedreht (keine gerichtliche Zustimmung, „sofern Zusammenarbeit zumutbar“).

Wie ist diese doppelte Schranke nun vorrangig zu prüfen, objektiv oder (auch) subjektiv, kollektiv- oder (auch) individualarbeitsrechtlich? Oder sind bei der Schranke des Z 5-Tatbestands andere Parameter zu berücksichtigen als bei jener des Abs 2?

3.1.
Vom individuellen zum kollektiven Zerrüttungszustand?

Die erhebliche Ehrverletzung muss per se schon objektiv über die Schranke der Z 5 hinausgehen, um den Tatbestand zu verwirklichen. Dabei sind, nach dem Wortlaut der Rechtsnorm, der Betriebsinhaber(-vertreter) und das Betriebsratsmitglied zu beachten. Eine kollektive Komponente ist dem Tatbestand nicht zu entnehmen. Die Wirkungen der Worte sind bezüglich der AkteurInnen, nämlich des Beleidigers und des Beleidigten, rein individualarbeitsrechtlich iS einer gravierenden und objektiv die Zusammenarbeitsmöglichkeit zerrüttenden Störung des Dauerschuldverhältnisses zu beurteilen.

Auch die „Fortbestandsprognose“ des Gerichts nach Abs 2, hinsichtlich einer gedeihlichen Zusammenarbeitsmöglichkeit nämlich, ist dem Wortlaut nach individualistisch geprägt. Die aus der historischen Entwicklung vom BRG (welches das Zerrüttungsprinzip noch nicht enthielt) zum ArbVG vom Gericht abgeleitete Besonderheit, dass in einer größeren Betriebsratskörperschaft dem ehrverletzenden Betriebsratsmitglied möglicherweise eine höhere Toleranzschwelle seitens der BetriebsinhabervertreterInnen zuzubilligen sei, ist durch den Wortlaut nicht gedeckt und wäre auch absurd: Einem fernab der Zentrale, ohne direkten Kontakt mit Vorgesetzten beschäftigten Mitglied könnte der BR die Rolle des ständigen (ehrverletzenden) Provokateurs übertragen, wenn das Zerrüttungsprinzip ausschließlich zwischen BI und Kollektivorgan wirkte.

Zusätzlich werden im Tatbestand des Abs 2 die Beachtlichkeit der besonderen Umstände des Falles betont. Die Einzelfallbeurteilung hat dann insb das bisherige Verhalten des Betriebsratsmitglieds zu berücksichtigen, weshalb die langjährige anstandslose Beschäftigung zB dazu führte, dass trotz einer „analog“ angedrohten Ohrfeige gegenüber dem Vorgesetzten im Zuge einer Handgreiflichkeit (am Mantel fassen), der Zustimmungsklage zur Entlassung nicht stattgegeben wurde (OGH 19.4.1989, 9 ObA 68/89; Trost in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 122 Rz 77; Schneller in
Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller
, ArbVG4 § 122 Erl 8).

4.
Ergebnis

Zu straf- oder disziplinarrechtlich relevanten Verhaltensweisen in Social Media besteht bis dato keine Judikatur, die auf deren spezifische Kommunikationsformen und -abläufe eingeht. Als „bloße Kommunikationsmittel“ werden soziale Netzwerke, wie etwa Facebook, von den Gerichten nicht anders behandelt als andere Übertragungsmedien, wie das Telefon, oder wie Gespräche und Diskussionen unter gleichzeitig real anwesenden Personen. Die fehlende Tonlage und Mimik (vgl aber das „Smiley“-Urteil des OLG Innsbruck, oben 2.1.) und vor allem die Aufschaukelungs- und Eskalationsgefahr, die den typischen Thread-Abläufen innewohnt, wird mE von der Rsp zu wenig berücksichtigt. Social Media und ähnliche Netzwerke funktionieren, wie ihre Bezeichnungen schon sagen, wie „analoge“ Gespräche und Diskussionen und gleichzeitig wie Massenmedien in dem Sinn, dass sie – auch – von Übertreibungen, Kampagnen und Skandalisierungen leben. Sorgfältig abgewogene Worte oder penible Recherchen wären wohl keine Erfolgsfaktoren für diese Kommunikationsplattformen. Beweisbar und „langlebig“ bleiben ihre Inhalte jedoch wie klassische Schriftformate. Diese Tatsache soll AN, die sich als „User“ betätigen, nicht von ihrer Verantwortung freisprechen; es soll damit nur ein häufig bestehender, spezifischer Kontext aufgezeigt sein.

Was die Ehrverletzung in concreto betrifft, so würde das inkriminierte Wort den Tatbestand zweifellos erfüllen. Allerdings wurde es vom Betriebsratsmitglied im Konjunktiv formuliert und auch bloß angedeutet, also nicht „ausgesprochen“ (ausgeschrieben). Ob das gem § 122 ArbVG „zweifach“ zu prüfende Zerrüttungsprinzip ausreichend beachtet wurde, ist zu bezweifeln. Die einschlägige Rsp des OGH legt die Erforderlichkeit einer sorgfältigeren Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens nahe, als dies im gegenständlichen OLG-Urteil der Fall war. 365