FadlerDer Zukunft verpflichtet – Im Gedenken an den Visionär Alfred Dallinger
Verlag des ÖGB, Wien 2014, 156 Seiten, € 29,90 (mit Erinnerungs-DVD Alfred Dallinger)
FadlerDer Zukunft verpflichtet – Im Gedenken an den Visionär Alfred Dallinger
Dieses Buch der Reihe „Zeitgeschichte“ des ÖGB-Verlags ist dem Gedenken an den so tragisch verunglückten Arbeits- und Sozialminister Alfred Dallinger aus Anlass seines 25. Todestages am 23.2.2014 gewidmet. Astrid Fadler gestaltete das Erinnerungsbuch einfühlsam und akzentuiert. Sie lässt den visionären Politiker, der weit über den nächsten Wahltermin hinaus gedacht hat, an vielen Stellen selbst zu Wort kommen, was der charismatischen Persönlichkeit dieses Ausnahmepolitikers am besten gerecht wird und seinen noch heute aktuellen Ideen und Forderungen unveränderte Authentizität verleiht.
Alfred Dallinger ging es um einen gerechten, solidarischen Sozialausgleich und entsprechende Umverteilung, um Bildungschancen für alle, um Vollbeschäftigung. Maßnahmen und Forderungen Dallingers in allen Bereichen der Sozialpolitik unterstrichen diese Politik. Er war davon überzeugt, dass die Bewältigung der Zukunft nicht mit den Methoden der Vergangenheit möglich sei, sondern neue Methoden und den Mut zu Visionen erfordere. Arbeit im weitesten Sinn, Bildung, die dazu befähigt, und den Ausbau der Mitbestimmung mit eingeschlossen, stand für ihn im Vordergrund. Er ging davon aus, dass Rationalisierung und der rasante technische Fortschritt die Arbeitsplätze verknappen und zu steigender Arbeitslosigkeit sowie zu Problemen bei der Finanzierung der Pensionssysteme führen würden. Diesen Entwicklungen entgegenzusteuern, den Menschen Arbeit und Arbeitsfähigkeit zu geben und zu erhalten, sowie ihnen eine entsprechende Altersversorgung sicherzustellen, waren seine vorrangigen politischen Ziele.
Die Idee der Wertschöpfungsabgabe – einer von seinen politischen Gegnern als „Maschinensteuer“ verunglimpften neu angedachten Form der Finanzierung der Sozialsysteme – hat heute, mehr als zwanzig Jahre nach seinem Wirken, mE nichts an Brisanz, aber auch nichts an Aktualität verloren. Auch wenn sich unsere Arbeitswelt zu einer Dienstleistungsgesellschaft wandelt, ist der Weg der bisherigen Finanzierung der Sozialsysteme zweifellos überholt. Wenn alles aus Steueraufkommen und anhand der Einkünfte der AN (Lohnsumme) abgedeckt wird, aber Steuerleistungen und vollzeitbeschäftigte AN immer weniger werden, muss die Finanzierung des Sozialstaats neu überdacht werden, um Sozialabbau vermeiden zu können.
Zur Sicherung der Vollbeschäftigung verfolgte Dallinger eines seiner weiteren erklärten Ziele, nämlich die Arbeitszeitverkürzung, gleichfalls in der Öffentlichkeit heftig und kontrovers diskutiert. In der Arbeitsmarktpolitik wurden unter Dallinger innovative Strategien entwickelt, beispielsweise die Förderung von Selbsthilfeprojekten Arbeitsloser über die legendäre Aktion 8000 bis hin zur Arbeitsstiftung. Alfred Dallinger blieb vor allem wegen den unter seiner Leitung beschrittenen neuen Wegen in der Beschäftigungspolitik (Stichwort: Experimentelle Arbeitsmarktpolitik) in Erinnerung, was ihm aber nicht gerecht zu werden vermag. Er war ein entschiedener Verfechter von Gleichbehandlung und Antidiskriminierung und nahm sich ebenso der Entschädigung der politisch oder wegen ihrer ethnischen Abstammung Verfolgten an wie der kontinuierlichen Verbesserung der sozialen Lage von Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Auch sein Wirken auf internationaler Ebene fand stets Anerkennung und Resonanz, sei es bei den Tagungen der ILO in Genf, sei es im Rahmen der OECD.
Das alles wird in dem Erinnerungsbuch von Fadler gewürdigt sowie plastisch und feinfühlig dargestellt. Der Weg Alfred Dallingers vom engagierten und konsequenten Gewerkschafter zu dem seine Ziele ebenso engagiert und konsequent verfolgenden Arbeits- und Sozialminister wird nachgezeichnet und die Erinnerung an seine politischen Ziele und Überzeugungen wachgerufen.
Die zT sehr gehässigen Reaktionen auf die politischen Ideen und Forderungen von Alfred Dallinger kommen in den im Buch wiedergegebenen Karikaturen aus Printmedien, aber auch in dem darin abgebildeten Flugblatt zum Ausdruck, auf dem um ein Foto von Alfred Dallinger die „Warnung“ gedruckt war: „Hier spricht die Wirtschaft – dieser Mann ist der größte Arbeitsplatzvernichter Österreichs!“
Die interessant und flüssig geschriebenen Kapitel dieses lesenswertes Buches befassen sich vor allem mit den visionären politischen Ideen von Alfred Dallinger, spannen regelmäßig 367aber auch den Bogen zur Gegenwart (Stichwort: Und heute?) und präsentieren eine Reihe wichtiger Zahlen und Fakten. Die eindrucksvolle Persönlichkeit des Menschen Alfred Dallinger und sein Wirken als Vorbild, Chef und Kollege werden beschrieben, ebenso seine Toleranz und Selbstdisziplin als Privatmann. Als GesprächspartnerInnen der Autorin erinnern sich seine KollegInnen aus Gewerkschaft und seine MitarbeiterInnen aus dem Arbeits- und Sozialministerium an ihre persönlichen Kontakte und Erfahrungen mit Alfred Dallinger.
Für eine heitere, aber dennoch politisch sehr pointierte Note sorgen die an mehreren Stellen des Buches auszugsweise abgedruckten Verse aus „Sieben Streiche“ (frei nach Wilhelm Busch) von Dallingers MitarbeiterInnen zu dessen 58. Geburtstag.
Sehr berührend die Fotografien aus Familienbesitz, die Fotos mit seinen wichtigsten politischen WeggefährtInnen sowie die Zusammenstellung der Nachrufe nach dem tragischen Flugzeugabsturz, dem Alfred Dallinger und alle Insassen der Maschine zum Opfer fielen. Auch die dem Buch beigefügte DVD mit Ausschnitten aus Interviews und ORF-Beiträgen lässt die Erinnerung an Alfred Dallinger wieder neu zum Leben erwachen.
Das Buch „Der Zukunft verpflichtet – im Gedenken an den Visionär Alfred Dallinger“ von Astrid Fadler macht die Faszination, die von Alfred Dallinger ausging, deutlich und unterstreicht seine außerordentliche Bedeutung für die politische Landschaft in Österreich in sehr anschaulicher Weise.
Die ältere Generation wird diese Erinnerungen hoch schätzen. Für junge Menschen, die den Politiker Alfred Dallinger und seine Zeit nicht miterlebten, sollte dieses Buch über die Aufbruchsstimmung in der Sozialdemokratie, die damals umgesetzten wichtigen Reformen sowie die Wertvorstellungen und Visionen Alfred Dallingers zur Pflichtlektüre werden.