26Sozialversicherungspflicht und Mit-Arbeit im Verein
Sozialversicherungspflicht und Mit-Arbeit im Verein
Weder die Kurzfristigkeit einer Tätigkeit noch die Mitgliedschaft in einem Verein, für den die Tätigkeit erfolgt, stehen der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit entgegen.
Gegen die Annahme eines Gefälligkeitsdienstes spricht eine Bezahlung/ein „Dankeschön“ von € 100,–.
Wird jemand unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern nicht atypische Umstände dargelegt werden.
Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich, dass die belangte Behörde mit diesem im Instanzenzug festgestellt hat, dass die erst- bis viertmitbeteiligten Parteien hinsichtlich ihrer Tätigkeit für die beschwerdeführende Partei am 9.5.2009 der Pflichtversicherung nach § 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG sowie nach § 1 Abs 1 lit a AlVG unterlegen seien.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Erst- bis Viertmitbeteiligten am 9.5.2009 im Rahmen einer Kontrolle durch die Kontrolle illegaler Beschäftigter (KIAB) als „Securities“ arbeitend angetroffen worden seien. Nach dem Berufungsvorbringen des beschwerdeführenden Vereins hätten sie bei der Personensicherung „geholfen“ und dafür jeweils € 100,– erhalten. Von der Obfrau des beschwerdeführenden Vereins sei ein Kassa-Ausgang vorgelegt worden, der die Bezahlung dieses Betrages an die vier Personen belege.
Dieser Sachverhalt ergebe sich eindeutig aus den Akten, insb den vom Finanzamt dokumentierten augenscheinlichen Wahrnehmungen der Kontrollbeamten und dem Berufungsvorbringen. Es sei nicht erkennbar, inwieweit allfällige (in der Berufung geltend gemachte) „durchaus mögliche“ sprachliche Probleme der Obfrau des beschwerdeführenden Vereins bzw der beschäftigten Personen konkrete andere Sachverhaltsfeststellungen bedingen würden.
Werde jemand – wie die Erst- bis Viertmitbeteiligten – bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, dann sei die Behörde nach der Rsp des VwGH berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt würden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstünden. In der Berufung seien keine konkreten atypischen Umstände geltend gemacht worden, die einer Beurteilung der unbestritten ausgeübten verfahrensgegenständlichen, erfolgsunabhängig entlohnten Hilfstätigkeit als Dienstverhältnis entgegenstehen würden. Die Bezeichnung der unbestritten erfolgten Entlohnung als „Dankeschön“ bzw „Entschädigung“ könne in diesem Zusammenhang nicht als atypischer Umstand gewertet werden. Selbst ohne vereinbarte oder erfolgte Bezahlung ergäbe sich ein Entgeltanspruch im Zweifel aus § 1152 ABGB. Auch das Motiv der Beschäftigung bzw deren Kurzfristigkeit begründeten keine atypischen Umstände in Bezug auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer tatsächlich ausgeübten Tätigkeit. Es sei auch nicht erforderlich, dass den Erst- bis Viertmitbeteiligten die Arbeitszeit auf längere Sicht ihrer freien Verfügung entzogen worden sei; ein im konkreten Fall für einen bestimmten Tag festgestelltes Dienstverhältnis müsse die Kriterien des Dienstverhältnisses an diesem konkreten Tag erfüllen.
Auf Grund der getroffenen Feststellungen sei daher davon auszugehen, dass bezüglich der verfahrensgegenständlichen Tätigkeit am 9.5.2009 die im § 4 Abs 2 ASVG normierten Tatbestandsvoraussetzungen der entgeltlichen Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorlägen bzw die maßgebliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten worden sei. Die Erst- bis Viertmitbeteiligten seien somit auf Grund dieser Tätigkeit der Versicherungspflicht nach den §§ 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG sowie § 1 Abs 1 lit a AlVG unterlegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von 311Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der VwGH in einem gem § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde rügt, dass die rechtliche Schlussfolgerung der belangten Behörde, wonach die im § 4 Abs 2 ASVG normierten Tatbestandsvoraussetzungen der entgeltlichen Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorlägen bzw die maßgebliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten worden sei, im festgestellten Sachverhalt keine Deckung finde. Zu den Merkmalen der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit fehlten jegliche Feststellungen. Die Erst- bis Viertmitbeteiligten seien als Mitglieder des beschwerdeführenden Vereins und im Übrigen nur für kurze Dauer im Rahmen einer Hilfstätigkeit – bei einer einmaligen Veranstaltung – als Ordner herangezogen worden. Für diese Hilfstätigkeit sei weder ein Entgelt vereinbart worden, noch sei es erwartet worden. Bei den € 100,– handle es sich lediglich um ein „Dankeschön der Beschwerdeführerin“. Die Unterstützung durch die Erst- bis Viertmitbeteiligten sei freiwillig gewesen und hätte durch diese jederzeit beendet werden können. Sie seien auch nicht weisungs- bzw kontrollunterworfen gewesen. Es seien weder Betriebsmittel zur Verfügung gestellt worden, noch sei eine Eingliederung in den Betrieb erfolgt. Die Tätigkeit des Ordnerdienstes sei nur erfolgt, solange es der unerwartet hohe Besucherandrang aus Sicht der Beteiligten erforderlich gemacht habe. Schon in der Berufung vom 11.10.2012 sei ausdrücklich auf den Umstand hingewiesen worden, dass es sich bei den Erst- bis Viertmitbeteiligten um Vereinsmitglieder handle und die aushilfsweise Übernahme der Ordnertätigkeit lediglich durch die Vereinsmitgliedschaft und nicht durch einen „entgeltlichen Anreiz“ motiviert gewesen sei.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, dh arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl etwa das hg Erk vom 19.12.2012, 2012/08/0165, mwN). Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte.
Dies ist im Beschwerdefall nicht erfolgt.
Weder die Kurzfristigkeit der Tätigkeit noch die behauptete Mitgliedschaft im Verein, für den die Tätigkeit erfolgt, stehen der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit entgegen (vgl zur Tätigkeit eines Vereinsmitglieds als Kellnerin das hg Erk vom 12.9.2012, 2012/08/0150). Gegen die Annahme eines bloßen Gefälligkeitsdienstes spricht im Beschwerdefall schon die unstrittig erfolgte Bezahlung von jeweils € 100,– für die Ordnerdienste, mag dies vom beschwerdeführenden Verein bzw dessen Obfrau auch lediglich als „Dankeschön“ bezeichnet worden sein.
Die belangte Behörde durfte daher vom Vorliegen von Dienstverhältnissen iSd § 4 Abs 1 iVm Abs 2 ASVG ausgehen.
[...] Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gem § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Der Verein gerät immer wieder und immer stärker ins Visier rechtlicher Umgehungsstrategien und Umgehungsgeschäfte. Dies beginnt bei Konflikten mit gewerberechtlichen Vorgaben, geht über sicherheitsrechtliche und veranstaltungsrechtliche Aspekte bis zu arbeits-, sozial- und steuerrechtlichen Scheinkonstruktionen (vgl hiezu etwa VwGH86/08/0155ARD 4300/11/91; VwGH91/08/0120ARD 4482/21/93; VwGH97/08/0391ARD 5320/25/2002; VwGH2007/08/0296SVSlg 55.316; VwGH 24.11.2010, 2010/08/0227). Im vorliegenden Fall steht – nicht zum ersten Mal – die Abgrenzung von Vereinsmitarbeit zu fremdbestimmter abhängiger Arbeit zur Diskussion.
Die ideellen Zwecksetzungen des Vereins werden von der altruistischen Mitarbeit der Vereinsmitglieder getragen. Dieses klassische Konzept des Vereins wurde spätestens mit den großen Vereinen im Sozialbereich über Bord geworfen (vgl nur die Mitglieder des Vereins Sozialwirtschaft Österreich in Löschnigg/Resch, BAGS-KV 2013 [2013] 70). Aber bereits das ArbVG 1974 trägt dem Großverein mit der Kollektivvertragsfähigkeit nach § 4 Abs 3 ArbVG Rechnung und nennt als Kriterium für die maßgebende wirtschaftliche Bedeutung nicht nur die Zahl der Vereinsmitglieder, sondern auch die Zahl der AN.
Vereinsmitgliedschaft und AN-Eigenschaft schließen einander nicht aus (allg siehe Löschnigg in
Das österreichische Vereinsrecht ist hinsichtlich der Vereinsstruktur sehr offen ausgestaltet und überlässt der Satzung einen enormen Gestaltungsspielraum. Insb bei Kleinstvereinen kann die satzungsmäßige Struktur mit dem Abschluss von Arbeitsverträgen in Widerspruch stehen. Schon ein Zusammenschluss von zwei Personen erfüllt die personellen Voraussetzungen nach § 1 Abs 1 VerG. Gleichzeitig verlangt § 5 Abs 3 VerG, dass das Leitungsorgan aus mindestens zwei Personen zu bestehen hat. Sieht man von den Rechnungsprüfern ab, deckt sich unter Umständen die Mitgliederversammlung mit dem Leitungsorgan. Ein Aufsichtsorgan ist nach § 5 Abs 4 VerG nicht verpflichtend, sodass die Willensbildung eine einheitliche, de facto ohne „Gewaltentrennung“, ist. Weisungsrechte kann der Verein gegenüber den Mitgliedern des Leitungsorgans nicht ausüben. Eine persönliche Abhängigkeit entsteht bei einer derartigen Vereinskonstruktion nicht, sodass die Mitglieder des Leitungsorgans kein Arbeitsvertragsverhältnis mit dem Verein eingehen.
Je ausgeprägter und umfassender die Kompetenzen des Leitungsorgans in Hinblick auf die vereinsinterne Verteilung und Ausgestaltung der Tätigkeiten sind, umso stärker wird sich die vereinsorientierte und dem ideellen Zweck verpflichtete Eigenbestimmtheit von Vereinsmitarbeit der Fremdbestimmtheit eines Arbeitsverhältnisses nähern. Die innere Organisation des Vereins bildet ein nach außen sichtbares Indiz für die Distanz zwischen dem ideellen Vereinszweck und dem erwerbsorientierten Ziel im Arbeitsverhältnis. Dieser organisationsorientierte Ansatz spiegelt sich auf individueller Ebene im Ausmaß der Mitgliedschaftsrechte des Vereinsmitglieds wider. Letzter Aspekt hat auch zur Unterscheidung zwischen Vereinen, bei denen die Entscheidungsvollmachten bei wenigen Vereinsmitgliedern konzentriert sind („Führerverein“), und solchen, die eine gleichmäßige Verteilung der Mitgliedschaftsrechte anstreben („basisdemokratischer Verein“), geführt (vgl Holzer, Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen der Mitarbeit von Vereinsmitgliedern im Rahmen wirtschaftlicher Vereinstätigkeit, in
Der VwGH hat sowohl in der vorliegenden E als auch in weiteren Fällen ausgesprochen, dass die Kurzfristigkeit der Tätigkeit der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit nicht entgegensteht. Diese Aussage hat prinzipiellen Charakter, bezieht sich also nicht nur auf die Abgrenzung zur vereinsbezogenen Mitarbeit, und deckt sich auch mit arbeitsrechtlichen Überlegungen zur nämlichen Problematik.
Nicht unbeachtlich ist mE aber auch die Integration der Vereinsmitglieder in das Vereinsgeschehen, die ua durch die Dauer und Art der Vereinsmitgliedschaft zum Ausdruck kommt. Symptomatisch ist etwa der Sachverhalt, der der E des VwGH 12.9.2012, 2012/08/0150, zu Grunde lag: Die Mitgliedschaft wurde bereits durch den Konsum von Getränken erworben, ein Mitgliedsbeitrag wurde nicht bzw „über die Getränkepreise“ eingehoben, die Mitgliedschaft beschränkte sich auf die Dauer des Aufenthalts im Lokal („für die Dauer eines Getränks“). Aus einer derart „offenen“ Vereinsstruktur kann zwar keine unmittelbare Aussage über im Verein tätige Personen (im konkreten Fall eine Kellnerin aus Tschechien) getroffen werden, mittelbar ist daraus eine Nähe zum wirtschaftlichen Handeln und zum Einsatz von Arbeitskräften zu erschließen.
Die Dauer/Kurzfristigkeit der Vereinsmitgliedschaft könnte aber auch mit der Tätigkeit für den Verein kombiniert werden: Die Zugehörigkeit zum Verein beginnt zB mit Aufnahme der Tätigkeit und erlischt mit Ende derselben. Die Tätigkeit wird damit zu einer Voraussetzung für die Vereinsmitgliedschaft. Auch eine derartige Verquickung lässt keinen unmittelbaren Schluss auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Dienstverhältnisses zu. Wird aber die Tätigkeit an sich derart in den Vordergrund gerückt, bildet sie ohne zeitliche Ausnahmen eine conditio sine qua non für die Mitgliedschaft zum Verein. Dies impliziert ein vorrangiges Interesse an der Arbeitsleistung, losgelöst vom Vereinszweck.
Integration in das Vereinsgeschehen bedeutet vor allem auch, dass zu hinterfragen ist, welche Mitgliedschaftsrechte den Personen, die Arbeit verrichten, zukommen. Wird etwa zwischen „ordentlichen“ und „arbeitenden außerordentlichen“ Mitgliedern unterschieden, besteht die Möglichkeit, in allen Mitgliederversammlungen gleichberechtigt mitzuentscheiden etc?
Im Ergebnis können sich jedenfalls aus Dauer und Art der Mitgliedschaft im Verein in Relation zur Dauer und Art der Tätigkeit Rückschlüsse auf die Zwecksetzung der Tätigkeit – Ausfluss der Vereinsmitgliedschaft oder Erwerbsabsicht – ergeben.
Die vorliegende E hatte das Rechtsverhältnis von „Securitys“ zu beurteilen und damit Tätigkeiten, die in der Zwischenzeit ein hohes Maß an Professionalität erfordern. Je nach Veranstaltung sind nicht nur die körperliche Präsenz und physische Durchsetzbarkeit, sondern psychologisches Einfühlungsvermögen, 313streitvermeidendes und streitschlichtendes Verhalten, Entscheidungskraft, Ersthilfe bei Verletzungen etc erforderlich. Mit dem antiquierten Bild eines Ordnerdienstes bei kleinen Wohlfahrtsveranstaltungen und Pensionistentreffen hat das aktuelle Berufsbild von Securitys nichts mehr gemein. Diese Professionalität wird üblicherweise von „normalen“ Vereinsmitgliedern nicht erreicht, sondern wird im Regelfall als zugekaufte Dienstleistung anzusehen sein. Auch insofern ist der „Lebenserfahrung des VwGH“ Recht zu geben.