Mit Schreiben vom 17.3.2011 beantragte die beschwerdeführende Partei, eine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende kollektivvertragsfähige Berufsvereinigung der AG iSd § 4 Abs 2 des ArbVG (Bescheid der belangten Behörde vom 28.7.2010), der mitbeteiligten Partei, ebenfalls eine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende kollektivvertragsfähige Berufsvereinigung der AG iSd § 4 Abs 2 ArbVG (Bescheid der belangten Behörde vom 27.1.1998), diese Kollektivvertragsfähigkeit gem § 5 Abs 3 ArbVG abzuerkennen. Sie begründete ihren Antrag damit, dass die mitbeteiligte Partei die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 ArbVG nicht erfülle. Diese sei keine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Berufsvereinigung, weil deren Statuten nur ihre Landesverbände und deren Untergliederungen als Mitglieder zuließen. Es handle sich dabei um einen geschlossenen Verein, der durch die gem § 18 Abs 1 ArbVG ermöglichte Satzungserklärung eines von ihm abgeschlossenen KollV die Marktgegebenheiten im Bereich der Rettungsdienste zu Lasten seiner Mitbewerber diktieren könne, ohne dass diese die Möglichkeit hätten, der mitbeteiligten Partei beizutreten und somit auf den Inhalt und Abschluss des KollV Einfluss zu nehmen. Die mangelnde freiwillige Mitgliedschaft und damit das Fehlen einer der Voraussetzungen für die Kollektivvertragsfähigkeit müssten nicht nur dann zur Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit führen, wenn ein solcher Umstand nachträglich eintrete, sondern auch dann, wenn er bereits zum Zeitpunkt der Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit vorgelegen sei.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag gem § 5 Abs 3 iVm § 4 Abs 2 ArbVG abgewiesen. [...]

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.

Der VwGH hat erwogen:

1. Zur Vorgeschichte wird auf das hg Erk vom 22.12.2009, 2009/08/0064, verwiesen. Mit diesem hat der VwGH den Bescheid der belangten Behörde vom 9.2.2009, mit dem ein Antrag der mitbeteiligten Partei auf Erklärung ihres KollV zur Satzung abgewiesen worden war, [...] aufgehoben. [...]

3. Zunächst ist zu klären, ob gem § 5 Abs 3 ArbVG die Kollektivvertragsfähigkeit auf entsprechenden Antrag einer Berufsvereinigung auch dann aberkannt werden kann, wenn deren Voraussetzungen schon zum Zeitpunkt deren in Rechtskraft erwachsenen Zuerkennung nicht vorgelegen sind.

Gem § 5 Abs 1 ArbVG ist die Kollektivvertragsfähigkeit iSd § 4 Abs 2 und 3 ArbVG (an freie Berufsvereinigungen bzw Vereine) auf Antrag nach Anhörung der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen durch das Bundeseinigungsamt (BEA) zuzuerkennen. Bei der Zuerkennung handelt es sich um einen rechtsgestaltenden Bescheid, mit dem der antragstellenden freien Berufsvereinigung eine qualifizierte Rechtsund Geschäftsfähigkeit und eine besondere Art von Rechtssetzungsbefugnis (vgl §§ 2 und 29 ArbVG) verliehen wird (vgl Strasser in

Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz [2002] § 5 Rz 4). Ab der Rechtskraft dieses Bescheides hat jede andere Behörde bei der Entscheidung von Streitigkeiten oder bei der Beurteilung von Vorfragen von der durch diesen Bescheid geschaffenen Rechtslage auszugehen. Der Bescheid auf Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit ist rechtskräftig mit der Verkündung bzw, wenn eine solche nicht erfolgt, mit seiner Zustellung. Gegen eine dem Antrag auf Zuerkennung stattgebende oder diesen abweisende Entscheidung des BEA kann unter den Voraussetzungen des Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG Beschwerde an den VwGH erhoben werden (vgl Strasser, aaO § 5 Rz 7 bis 9).

Gem § 5 Abs 3 ArbVG ist die Kollektivvertragsfähigkeit durch das BEA von Amts wegen oder auf Antrag einer kollektivvertragsfähigen 314Berufsvereinigung oder einer gesetzlichen Interessenvertretung abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 oder 3 ArbVG nicht mehr gegeben sind. Im Aberkennungsverfahren ist zu prüfen, ob im Falle einer freien Berufsvereinigung alle Voraussetzungen des § 4 Abs 2 ArbVG noch gegeben sind. Im Aberkennungsverfahren haben insb die antragstellende freie Berufsvereinigung und die freie Berufsvereinigung, um deren Kollektivvertragsfähigkeit es geht, Parteistellung. Die Entscheidung des BEA, mag sie auf Antragsabweisung oder auf Aberkennung lauten, kann unter den Voraussetzungen des Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG durch Beschwerde an den VwGH bekämpft werden.

Die materielle Rechtskraft eines gültigen Bescheides entfaltet sich ua in dessen Unabänderlichkeit bzw Unwiderrufbarkeit (vgl etwa Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht Rz 458 ff; Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht 234). Diese Rechtskraftwirkung wird aber durch § 5 Abs 3 ArbVG teilweise durchbrochen: Der Gesetzgeber hat im Verfahren betreffend die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit (§ 5 Abs 1 ArbVG) der antragstellenden Berufsvereinigung, nicht aber anderen freiwilligen Berufsvereinigungen Parteistellung zuerkannt. Im Verfahren betreffend die Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit (§ 5 Abs 3 ArbVG) wird jedoch gerade diesen, am Zuerkennungsverfahren nicht beteiligten kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen – denen unter Umständen, wie das Beispiel der beschwerdeführenden Partei zeigt, Kollektivvertragsfähigkeit damals noch gar nicht zukam – Parteistellung eingeräumt. Könnte nun eine solche Berufsvereinigung nicht schon das ursprüngliche Fehlen von Voraussetzungen iSd § 4 Abs 2 oder 3 ArbVG geltend machen, so würde dies dem in § 5 Abs 3 ArbVG zum Ausdruck kommenden Anliegen des Gesetzgebers, den kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen ein gegenseitiges Kontrollrecht betreffend das Vorliegen der Voraussetzungen iSd § 4 Abs 2 ArbVG einzuräumen, zuwiderlaufen. [...]

4.1. Bei der sohin vorzunehmenden Beurteilung, ob bei der mitbeteiligten Partei die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit insb iSd § 4 Abs 2 Z 2 und 3 ArbVG vorliegen, ist iSd Z 2 nach formalen Kriterien zu prüfen, ob die Vereinigung statutarisch die Zielsetzung hat, in einem größeren fachlichen und räumlichen Wirkungsbereich tätig zu werden, und iSd Z 3 nach tatsächlichen Kriterien zu prüfen, ob sie sich auch gemäß diesen Zielsetzungen mit Erfolg betätigt, was an der Zahl der Mitglieder und am Umfang der bisherigen tatsächlichen Tätigkeit (deren Spiegelbild auch die Anzahl der beschäftigten DN sein kann) abzulesen ist. Der erste Fall der Z 2 (größerer fachlicher Wirkungsbereich) und der erste Fall der Z 3 (maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung vermöge der Zahl der Mitglieder) hängen insoweit miteinander zusammen, als beiden Elementen eine Bezugsgröße gemeinsam ist, an der das Element „größere“ bzw „maßgebliche“ zu messen ist. Sowohl die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen eines größeren fachlichen und räumlichen Wirkungsbereiches iSd § 4 Abs 2 Z 2 ArbVG als auch die der „maßgebenden wirtschaftlichen Bedeutung“ iSd § 4 Abs 2 Z 3 ArbVG setzen daher voraus, dass der fachliche Wirkungsbereich einer Berufsvereinigung durch unterscheidungskräftige Kriterien hinreichend definiert ist (vgl das hg Erk vom 24.11.2010, 2010/08/0148, mwN).

Nach § 4 Abs 2 der Satzungen der mitbeteiligten Partei (2009) sind ordentliche Mitglieder der mitbeteiligten Partei die mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Landesverbände. Nach § 4 Abs 4 iVm § 3 Abs 2 Z 2.11 der Satzungen obliegt der mitbeteiligten Partei als Berufsvereinigung auf AG-Seite die Regelung der Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder auf Kollektivvertragsebene; hinsichtlich dieses Punktes sollen noch § 4 Abs 4 der Satzungen die mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Untergliederungen von Mitgliedern selbst Mitglieder der mitbeteiligten Partei sein; sie werden dabei durch ihren Landesverband vertreten.

Die belangte Behörde hat nicht festgestellt, dass sich die mitbeteiligte Partei die Aufgabe stellen würde, Arbeitsbedingungen innerhalb eines konkret definierten fachlichen Wirkungsbereiches zu regeln. Die tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung der Berufsvereinigung iSd § 4 Abs 2 Z 3 ArbVG würde aber infolge der geschilderten starren, auf die Einbindung in die eigene Organisation abstellenden Mitgliedschaftsregelungen von diesem fachlichen Wirkungsbereich ohnehin nicht maßgeblich geprägt werden.

4.2. Dies führt zu der Frage, ob die mitbeteiligten Partei – auch in Anbetracht der in § 4 Abs 3 ArbVG speziell geregelten Kollektivvertragsfähigkeit für Vereine – als „Berufsvereinigung“ iSd Einleitungssatzes des § 4 Abs 2 ArbVG betrachtet werden kann.

Der in § 4 Abs 2 ArbVG verwendete Begriff „Berufsvereinigung“ verlangt sowohl auf AG- wie auf AN-Seite Überbetrieblichkeit. Sogenannte Werkvereine, das sind Vereinigungen von AN eines Betriebes oder Unternehmens, sind damit ausgeschlossen. Das muss wegen der Voraussetzungen des § 4 Abs 2 Z 2 und 3 auch für Vereinigungen von AN eines Konzerns gelten, die man streng genommen als überbetrieblich bezeichnen könnte (vgl Strasser in

Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz [2002] § 4 Rz 17).

Die Bestimmungen des § 4 Abs 2 Z 2 und 3 ArbVG, die ua auf eine Absage an einen lohnpolitisch völlig freien Markt mit „Firmenkollektivverträgen“ hinaus laufen, müssen im Zusammenhang mit § 4 Abs 3 und § 7 ArbVG (äußerst eingeschränkte Zulassung von Kollektivverträgen, die sich lediglich auf ein Unternehmen oder auf einen einzelnen Betrieb beziehen) gesehen werden. Der Gesetzgeber des ArbVG will auf diese Weise eine Lohnpolitik der AN- und AG-Verbände gewährleisten, die auf gesamtwirtschaftlich erwünschte oder ausdrücklich vorgegebene Zielsetzungen Rücksicht nimmt (Strasser, aaO § 4 Rz 18l). § 4 Abs 3 ArbVG durchbricht den für Österreich im allgemein geltenden Grundsatz, dass echte „Firmenkollektivverträge“ nicht zulässig sind (vgl Strasser, aaO § 4 Rz 25, der ua die mitbeteiligte Partei als einen jener Vereine nennt, die gute Aussichten haben, die Kollektivvertragsfähigkeit bei entsprechender Antragstellung nach § 4 Abs 3 ArbVG zuerkannt zu erhalten). Die restriktive Haltung des Gesetzgebers zu Kollektivverträgen, denen ein eingeschränkter Interessenausgleich auf bloß 315einzelbetrieblicher Ebene zu Grunde liegt, kommt auch darin zum Ausdruck, dass Kollektivverträge, die von einem kollektivvertragsfähigen Verein (§ 4 Abs 3 ArbVG) abgeschlossen wurden, nicht zur Satzung erklärt werden können (§ 18 Abs 6 ArbVG).

Die mitbeteiligte Partei bildet keine Berufsvereinigung der AG in dem Sinn, dass sie allgemein die Interessen von AG in dem von ihr bezeichneten fachlichen und räumlichen Wirkungsbereich vertreten würde, sondern sie fokussiert sich – ganz in der Art eines grundsätzlich unzulässigen „Firmen-KollV“ – bei der „Regelung der Arbeitsbedingungen (ihrer) Mitglieder auf Kollektivvertragsebene“ (§ 3 Abs 2 Z 2.11. der Statuten) im Wesentlichen auf die Gegebenheiten des eigenen Unternehmens bzw des eigenen „Konzerns“ (vgl §§ 1 und 2 Rotkreuzgesetz, BGBl I 33/2008). Einer Anerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit iSd § 4 Abs 2 ArbVG steht sohin nicht der bloße Umstand entgegen, dass die mitbeteiligte Partei nach ihren Vereinsstatuten nur einem bestimmten Kreis von Mitgliedern offen steht, der sich an den von der mitbeteiligten Partei zu verfolgenden Interessen orientiert und der letztlich durch die Vereinsfreiheit geschützt ist, sondern vielmehr der Umstand, dass die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit iSd § 4 Abs 2 ArbVG an die mitbeteiligte Partei in Ermangelung des Vorliegens einer überbetrieblichen Berufsvereinigung, die sich die Aufgabe stellen würde, Arbeitsbedingungen innerhalb eines konkret definierten fachlichen Wirkungsbereiches zu regeln, nicht möglich ist.

Da bei der mitbeteiligten Partei nicht sämtliche Voraussetzungen der Kollektivvertragsfähigkeit iSd § 4 Abs 2 ArbVG vorliegen, hat die belangte Behörde den Antrag der an den Zuerkennungsbescheid nicht gebundenen beschwerdeführenden Partei auf Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit zu Unrecht abgewiesen.

5. Der angefochtene Bescheid war daher gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. [...]

Anmerkung

Der vorliegenden E geht eine Vorgeschichte voraus. In Österreich gibt es mehrere Anbieter von Rettungsund Krankentransportdiensten. Der wichtigste ist freilich das Österreichische Rote Kreuz. Diesem wurde vom BEA im Jahr 1998 die Kollektivvertragsfähigkeit gem § 4 Abs 2 ArbVG zuerkannt. Daraufhin kam es auch zum Abschluss eines KollV. Dieser gilt für alle Betriebe – mit Ausnahme des St. Anna Spitals –, deren Eigentümer oder Mehrheitsgesellschafter die mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Untergliederungen des Roten Kreuzes sind und diesem als Berufsvereinigung auf AG-Seite angehören (vgl § 2 KollV Rotes Kreuz). Kollektivvertragsangehörig sind demnach nur die Untergliederungen des Österreichischen Roten Kreuzes. Aus den Statuten desselben ergibt sich, dass damit im Wesentlichen die einzelnen Landesverbände gemeint sind (vgl § 4 der Satzung idF bis zum 26.9.2009). Das galt bis zur Änderung der Statuten mit Beschluss der Hauptversammlung vom 23.10.2013. Dh, dass bis zu diesem Zeitpunkt der KollV ausschließlich auf die Landesverbände des Roten Kreuzes und ihren Untergliederungen zur Anwendung kam. Andere Anbieter von Rettungs- und Krankentransportdiensten konnten hingegen nach den Statuten nicht Mitglied werden und waren demnach auch nicht vom KollV erfasst. Da für diese auch kein anderer KollV galt, hat das Österreichische Rote Kreuz zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen im Jahr 2008 gem § 18 ArbVG einen Antrag auf Erklärung des KollV des Österreichischen Roten Kreuzes zur Satzung gestellt. Dem Antrag wurde zunächst nicht stattgegeben. Die Begründung dafür war, dass der KollV nicht satzbar sei, da er einem Vereins-KollV gleichzuhalten wäre und somit die Ausnahme des § 18 Abs 6 ArbVG zur Anwendung komme. Der Gesetzgeber wolle mit dieser Bestimmung verhindern, dass durch eine Satzungserklärung Dritte einem KollV unterworfen werden, ohne dass diese die potentielle Möglichkeit hätten, durch einen Beitritt auf den Inhalt des KollV Einfluss zu nehmen. Das treffe auch auf den KollV des Österreichischen Roten Kreuzes zu, da lediglich Landesverbände bzw ihre Untergliederungen Mitglied der kollektivvertragsschließenden Partei sein könnten (vgl VwGH2009/08/0064RdW 2010, 290 [Resch]). Diese Argumentation wurde jedoch vom VwGH verworfen, da der KollV des Österreichischen Roten Kreuzes kein Vereins-KollV sei. Dies deshalb, weil der KollV nicht die Arbeitsbedingungen zu diesem selbst, sondern zu den einzelnen Landesverbänden bzw Untergliederungen und somit letztlich zu anderen AG regele. Das unterscheide ihn von einem echten Vereins-KollV. Folglich könne die Ausnahmebestimmung des § 18 Abs 6 ArbVG nicht zur Anwendung gebracht werden (vgl VwGH2009/08/0064RdW 2010, 290 [Resch] ).

Der KollV des Österreichischen Roten Kreuzes wurde daraufhin zur Satzung erklärt. Das hat zur Folge, dass er nunmehr für alle Anbieter von Rettungsund Krankentransportdiensten gilt. Freilich ohne, dass diese die Möglichkeit haben, auf den Inhalt desselben Einfluss zu nehmen. Das war der Stein des Anstoßes für das vorliegende Verfahren. Da die Erklärung des KollV zur Satzung nicht verhindert werden konnte, setzte man an der Wurzel an und beantragte die Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit des Österreichischen Roten Kreuzes.

1.
Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit

Diesem Aberkennungsantrag gab der VwGH zu Recht statt. Tatsächlich ist es unerheblich, ob die Voraussetzungen für die Kollektivvertragsfähigkeit erst nach der Zuerkennung weggefallen sind oder bereits davor nie bestanden haben (idS bereits Resch, RdW 2010, 292; zust Friedrich, ASoK 2013, 457; aA Tomandl, ZAS 2014, 85). Zwar ist in § 5 Abs 3 ArbVG die Rede davon, dass die Kollektivvertragsfähigkeit abzuerkennen ist, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 oder 3 „nicht mehr gegeben sind“. Das legt nahe, dass in erster Linie nachträglich eintretende Umstände einen Antrag auf Aberkennung rechtfertigen. Es würde aber dem Zweck des § 5 Abs 3 ArbVG klar widersprechen, würde man den Wortlaut ausschließlich auf diesen Fall beschränken.

Sowohl das Zu- als auch das Aberkennungsverfahren haben nämlich den Zweck, Rechtssicherheit 316bezüglich der Frage zu schaffen, ob eine freiwillige Berufsvereinigung berechtigt ist, normativ wirkende Kollektivverträge abzuschließen. Das unterscheidet die österreichische Rechtslage von der Deutschen, wo es ein vergleichbares förmliches Verfahren nicht gibt. Die Frage der Tariffähigkeit einer Abschlusspartei kann daher in Deutschland nur im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens releviert werden (§ 2a Abs 1 Z 4 iVm § 97 ArbGG). In diesem Verfahren wird die Tariffähigkeit durch das zuständige Gericht nicht begründet oder beendet, sondern lediglich festgestellt (BAG 10 AZR 665/05 NZA 2007, 448). Auslöser dafür ist zumeist ein Streit über die Rechtswirksamkeit eines bereits abgeschlossenen Tarifvertrags. Dh, dass auch ein ursprünglicher und nicht nur ein nachträglicher Mangel geltend gemacht werden kann. Die gerichtliche Feststellung der mangelnden Tariffähigkeit einer Abschlusspartei wirft in diesem Fall regelmäßig diffizile Fragen der Rückabwicklung auf (vgl Apelt/Hartmannshenn, RdA 2013, 271 ff). Denn ein von einer nicht tariffähigen Vereinigung abgeschlossener Tarifvertrag ist von Anfang an nichtig (BAG 10 AZR 665/05 NZA 2007, 448). Zumindest diese Rückabwicklungsfragen fallen nach dem österreichischen System der Zu- und Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit mittels Bescheid weg.

Dennoch macht der Vergleich mit Deutschland deutlich, dass die Frage der Kollektivvertragsfähigkeit unmittelbare Auswirkungen auf die Geltung eines KollV hat. Sie ist nämlich Wirksamkeitsvoraussetzung; sowohl zum Zeitpunkt des Abschlusses eines KollV als auch während seiner gesamten Laufzeit. Nichts anderes gilt für das österreichische Recht (vgl § 17 Abs 3 ArbVG bzw Strasser in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 17 Rz 6). Erst die Kollektivvertragsfähigkeit rechtfertigt es, dass freiwillige Berufsvereinigungen normativ wirkende Verträge, auch für Außenseiter, abschließen. Deshalb kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Voraussetzungen der Kollektivvertragsfähigkeit bereits ex ante nie bestanden haben oder erst im Nachhinein weggefallen sind. Daran ändert auch die Zuerkennung mittels Bescheid nichts. Oder anders ausgedrückt, die formelle Zuerkennung saniert nicht die fehlende Kollektivvertragsfähigkeit einer Abschlusspartei. Deren einzige rechtliche Auswirkung ist, dass bis zum Zeitpunkt der förmlichen Aberkennung von der Rechtswirksamkeit eines bereits abgeschlossenen KollV auszugehen ist. Die Nichtigkeit des KollV auf Grund des Wegfalls der Kollektivvertragsfähigkeit wirkt damit nur ex nunc, nicht ex tunc; unabhängig davon, ob der Mangel bereits ursprünglich bestanden hat oder erst nachträglich eingetreten ist. Das ergibt sich aus § 17 Abs 3 ArbVG, der den wenig präzisen Begriff des „Erlöschens“ des KollV verwendet (Strasser in
Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 17 Rz 1).

Daraus ergibt sich freilich, dass die Aberkennungsmöglichkeit bei ursprünglich fehlender Kollektivvertragsfähigkeit gem § 5 Abs 3 ArbVG – entgegen dem VwGH – weniger der wirksamen Ausübung des gegenseitigen Kontrollrechts der freiwilligen Berufsvereinigungen bzw gesetzlichen Interessenvertretungen geschuldet ist (so auch Tomandl, ZAS 2014, 85 f), sondern vielmehr der Normwirkung des KollV.

2.
Notwendigkeit der Überbetrieblichkeit

Inhaltlich hat der VwGH die Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit des Roten Kreuzes damit begründet, dass es ihm an der Überbetrieblichkeit fehle. Dem ist zwar im Ergebnis beizupflichten. Die Begründung überrascht dennoch. Weniger, weil die Notwendigkeit der Überbetrieblichkeit dem Wortlaut des § 4 Abs 2 ArbVG nicht zu entnehmen ist. Der VwGH leitet sie zu Recht aus dem Begriff der „Berufsvereinigung“ ab (so auch grundsätzlich Schrammel in

Kietaibl/Schörghofer/Schrammel
[Hrsg], Rechtswissenschaft und Rechtskunde [2014] 156). Dieser Begriff findet sich erstmals im Gesetz über den achtstündigen Arbeitstag aus dem Jahr 1919 (StGBl 1919/581) zur Bezeichnung der Abschlussparteien „kollektiver Arbeitsverträge“. Gem § 5 Abs 2 dieses Gesetzes galten als „kollektive Arbeitsverträge“ Vereinbarungen, die zwischen „Berufsvereinigungen der Arbeiter oder Angestellten oder mehreren Arbeitgebern oder Berufsvereinigungen der letzten abgeschlossen wurden“. Insb aus der Aufzählung der Abschlussparteien auf AG-Seite ergibt sich, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt mit dem Begriff der „Berufsvereinigung“ ein überbetrieblicher Zusammenschluss gemeint war. Dieser Begriff wurde in weiterer Folge auch vom EAG 1919 übernommen (vgl Dechant, Der Kollektivvertrag [1923] 85). In dessen unmittelbarer Tradition stehen das KollVG und das ArbVG, die ebenfalls dieselbe Bezeichnung verwenden. Folglich besteht kein Zweifel, dass auch der Begriff der „Berufsvereinigung“ nach § 4 Abs 2 ArbVG Überbetrieblichkeit voraussetzt (Strasser in
Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 4 Rz 17; aA Tomandl, ZAS 2014, 86 f).

Das Österreichische Rote Kreuz ist allerdings eine Dachorganisation, die sich aus einzelnen Landesverbänden bzw deren Untergliederungen zusammensetzt, die jeweils gegenüber ihren Mitarbeitern als eigene AG fungieren. Dh, dass das Österreichische Rote Kreuz de facto eine überbetriebliche Organisation aufweist. Dennoch hat ihm der VwGH die Eigenschaft als überbetriebliche Berufsvereinigung mit dem Argument abgesprochen, dass sein Wirkungsbereich letztlich auf die eigenen Mitglieder und folglich auf die eigene Organisation beschränkt sei. Der KollV käme einem unzulässigen „Firmen-KollV“ gleich. Damit bringt der VwGH freilich zum Ausdruck, dass die Kollektivvertragsfähigkeit des Österreichischen Roten Kreuzes weniger an seiner fehlenden Überbetrieblichkeit bzw Eigenschaft als Berufsvereinigung scheitert. Die Beschränkung des Mitgliederkreises auf den eigenen Verband führt auch nicht dazu, dass es dem Österreichischen Roten Kreuz an der notwendigen Freiwilligkeit des Zusammenschlusses gem § 4 Abs 2 ArbVG fehlt. Das Kriterium der Freiwilligkeit bringt nämlich lediglich zum Ausdruck, dass es sich nicht um eine per Gesetz eingerichtete Institution handeln darf, die auf einer Pflichtmitgliedschaft basiert (idS bereits VwGH95/02/0145

[krit G. Klein]
). Es dient somit als Abgrenzungskriterium zu den gesetzlichen Interessenvertretungen. Das ergibt sich aus dem historischen Zusammenhang, da das Kriterium der Freiwilligkeit erstmals mit dem KollVG 1947 (BGBl I 1947/76) eingeführt wurde, das auch den gesetzlichen 317Interessenvertretungen zum ersten Mal die Kollektivvertragsfähigkeit verlieh. Folglich ist das Österreichische Rote Kreuz, trotz seines beschränkten Mitgliederkreises, zweifelsfrei eine freiwillige Berufsvereinigung, da es sich organisatorisch um einen Verein nach dem Vereinsgesetz handelt (vgl § 1 der Statuten). Im Rahmen seiner Vereinsautonomie kann es also auch den Kreis seiner Mitglieder selbständig festlegen, ohne den Status als freiwillige Berufsvereinigung zu verlieren (aA Resch, RdW 2010, 291 ff). Das kann sich jedoch insofern auf die Kollektivvertragsfähigkeit auswirken, als eine Beschränkung des Mitgliederkreises dazu führen kann, dass die betroffene Berufsvereinigung gem § 4 Abs 2 Z 2 ArbVG in seiner „auf Vertretung der Arbeitgeberinteressen gerichteten Zielsetzung“ nicht mehr „in einem größeren fachlichen Wirkungsbereich“ tätig wird. Genau aus diesem Grund war im vorliegenden Verfahren auch dem Österreichischen Roten Kreuz die Kollektivvertragsfähigkeit abzuerkennen.

Ein solcher „größerer fachlicher Wirkungsbereich“ ist nämlich – wie der VwGH zu Recht ausführt – jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich dieser lediglich auf die eigene Organisation beschränkt. Das ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang, insb aus den Sonderbestimmungen zur Kollektivvertragsfähigkeit von Vereinen (§ 4 Abs 3) und Körperschaften öffentlichen Rechts (§ 7 ArbVG). Diese bringen zweifelsfrei zum Ausdruck, dass der „Firmen-KollV“ als Ausnahme konzipiert ist. Dort, wo anderes gilt, gibt es regelmäßig eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, wie zB beim ORF (§ 48 Abs 5 ORF-G), der Post und Telekom (§ 19 Abs 3 Poststruktur-G) oder den Universitäten (§ 108 Abs 3 UG 2002). Daraus lassen sich demnach gerade keine Rückschlüsse für den vorliegenden Fall ziehen (aA Schrammel in

Kietaibl/Schörghofer/Schrammel
[Hrsg], Rechtswissenschaft und Rechtskunde 166).

Für eine solche Lesart spricht auch eine historische Interpretation des § 4 Abs 2 Z 2 ArbVG. Denn Kriterien zur Erlangung der Kollektivvertragsfähigkeit wurden erstmals durch das KollVG 1947 eingeführt. Diese waren nahezu identisch mit jenen, die sich nunmehr in § 4 Abs 2 ArbVG finden. Der Zweck dieser Regelung bestand laut den Materialien darin, den Kreis der Abschlussparteien von Kollektivverträgen zu beschränken, um zu verhindern, dass „unbedeutende Splittergruppen die gerade in der Übergangszeit notwendige Einhaltung einer planvollen Lohn- und Arbeitspolitik zum Schaden der Gesamtwirtschaft stören und dadurch den Wideraufbau gefährden“ (ErläutRV 285 BlgNR 5. GP 11). MaW, die Kriterien zur Erlangung der Kollektivvertragsfähigkeit sollten gewährleisten, dass Kollektivverträge mit möglichst großflächigem Anwendungsbereich abgeschlossen werden, um so volkswirtschaftlich gefährliche Lohnspreizungen zu vermeiden. Dieses Ziel liegt auch heute noch den Kriterien des § 4 Abs 2 ArbVG zu Grunde. Dem wird ein KollV, der sich ausschließlich auf die eigene Organisation beschränkt, zweifelsfrei nicht gerecht. Folglich ist dem VwGH vollinhaltlich beizupflichten, wenn er dem Österreichischen Roten Kreuz die Kollektivvertragsfähigkeit abspricht, weil es auf Grund seiner Statuten lediglich in der Lage ist, Kollektivverträge für die eigene Organisation und nicht darüber hinaus abzuschließen. Diese Beschränkung des Mitgliederkreises führt dazu, dass das Österreichische Rote Kreuz nicht die Voraussetzung eines „größeren fachlichen Wirkungsbereiches“ gem § 4 Abs 2 Z 2 ArbVG erfüllt (aA Tomandl, ZAS 2014, 871 f).

3.
Ausblick

Inzwischen hat das Österreichische Rote Kreuz seine Statuten geändert (mit Beschluss der Hauptversammlung vom 23.10.2013). Nunmehr steht gem § 4 Abs 5 die Mitgliedschaft als „AG“ österreichweit allen AG offen, die überwiegend im Bereich des Rettungs- und Sanitätsdienstes, des Blutspendedienstes, der Katastrophenhilfe sowie der Gesundheits- und Sozialen Dienste tätig sind und mindestens zehn vollversicherte AN beschäftigen. Dh, dass das Österreichische Rote Kreuz den Kreis seiner Mitglieder auch auf AG außerhalb der eigenen Organisation erweitert hat. Demnach ist wohl davon auszugehen, dass es gegenwärtig über einen größeren fachlichen und räumlichen Wirkungsbereich iSd § 4 Abs 2 Z 2 ArbVG verfügt. Der Wirkungsbereich erstreckt sich nämlich auf das gesamte Bundesgebiet und ist nicht nur auf den Rettungs- und Sanitätsdienst bzw auf die eigenen Landesverbände und deren Untergliederungen beschränkt. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn man der – nicht unproblematischen – Auffassung folgt, dass es im Rahmen des § 4 Abs 2 Z 2 ArbVG lediglich auf den statuarischen und nicht auf den tatsächlichen Wirkungsbereich ankommt (vgl bloß VwGH2007/05/0001DRdA 2010, 401 [Weiß]).318