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Anfechtung einer Übertragungsvereinbarung nach § 47 Abs 3 BMSVG

MICHAELAFISCHER (SALZBURG)

Eine Übertragungsvereinbarung nach § 47 Abs 3 BMSVG kann wegen List angefochten werden, wenn über eine bereits im Vertragsabschlusszeitpunkt vorliegende Kündigungsabsicht getäuscht wird.

I. Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht mit der Begründung zugelassen, dass eine Rsp zur Frage fehle, ob die Übertragung von Abfertigungsanwartschaften in eine betriebliche Pensionskasse wegen Irrtum oder Arglist anfechtbar ist, wenn eine Vertragspartei die andere über die bestehende Absicht täuscht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen.

Die Bekl hat in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hingewiesen, dass die Revision diese Frage gar nicht weiter releviere und eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt werde und daher die Zurückweisung der Revision mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage beantragt werde.

II. Der OGH [...] hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass es darauf ankommt, ob von der Revision tatsächlich eine erhebliche Rechtsfrage releviert wird (RIS-Justiz RS0102059 mwN). Dies ist hier nicht der Fall.

Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

III.1. Zum besseren Verständnis werden Auszüge aus den wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen vorangestellt.

Der vorweg bei einer Vorgängergesellschaft der Bekl selbst als Geschäftsführer beschäftigte und auch beteiligte Kl sprach bereits im Zuge der Verschmelzung und im Dezember 2011 den Geschäftsführer der Bekl hinsichtlich des Systems der Abfertigung „neu“ an und dass man einmal darüber reden müsse. Konkret begehrte der Kl am 10.1.2012 vom Geschäftsführer den Wechsel in das Abfertigungssystem neu und wollte eine Leistung der Bekl von 25.000 €. Der Geschäftsführer erklärte sich bereit, 20.000 € in die Mitarbeitervorsorgekasse einzuzahlen, womit sich der Kl zufrieden gab. Der Geschäftsführer sagte zum Kl: „Davonrennen darfst du mir aber nicht gleich“ worauf der Kl erwiderte: „Nein das ist eh klar“. Die Übertragungsvereinbarung wurde noch am selben Tag unterfertigt. Der Kl hatte zu diesem Zeitpunkt bereits vor, das Dienstverhältnis zur Bekl durch Kündigung aufzulösen, während der Geschäftsführer der Bekl davon ausging, dass das Dienstverhältnis noch längere Zeit fortgesetzt werde. Der Kl wusste, dass sich der Geschäftsführer aufgrund seiner vorausgegangenen Zusicherung in einem Irrtum über den längerfristigen Fortbestand des Dienstverhältnisses befand und deshalb dem Vertragsabschluss zustimmte. Nachdem der Geschäftsführer ab dem 14.1.2012 eine Woche auf Urlaub gewesen war, kündigte der Kl gleich am ersten Arbeitstag des Geschäftsführers danach das Dienstverhältnis auf. Irgendwelche Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen, die dafür maßgeblich gewesen wären, waren nicht feststellbar. Jedoch wurde klar festgestellt, dass der Geschäftsführer dann, wenn er gewusst hätte, dass der Kl das Dienstverhältnis bereits wenige Tage nach Abschluss der Übertragungsvereinbarung aufkündigt, diese Vereinbarung nicht geschlossen hätte.

III.2. Der Kl begehrt nun im Wesentlichen die Zahlung entsprechend der Übertragungsvereinbarung bzw die Feststellung der dahingehenden Verpflichtung.

III.3. Die Bekl beantragte die Abweisung und wendete zusammengefasst ein, dass die Vereinbarung auf Initiative des Kl geschlossen worden sei und dieser zugrunde gelegen sei, dass der Kl wider besseren Wissens zugesichert habe, noch längere Zeit nicht kündigen zu wollen, obwohl er bereits die Kündigung beabsichtigt habe. Die Vereinbarung werde wegen arglistiger Täuschung gem § 870 ABGB angefochten, weil der Kl die Bekl arglistig in Irrtum geführt habe.

III.4. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es erachtete als erwiesen, dass der Kl bereits bei Abschluss der Übertragungsvereinbarung vorhatte, das Dienstverhältnis durch Kündigung aufzulösen und die Bekl darüber arglistig in die Irre geführt habe. Ohne diesen Irrtum hätte die Bekl die Vereinbarung nicht abgeschlossen. Der Kl habe auch vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt. Mit der erfolgreichen Anfechtung des Rechtsgeschäfts falle die Rechtsgrundlage für die Zahlung des Übertragungsbetrags an die Mitarbeitervorsorgekasse weg.

III.5. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Kl nicht Folge. Es komme entgegen der Ansicht des Kl nicht darauf an, ob eine allfällige Vereinbarung, nach der das Selbstkündigungsrecht des AN zum Verlust des Übertragungsbeitrags führt, wegen Erschwerung des Kündigungsrechts unzulässig wäre, sondern auf das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen nach § 870 ABGB. Es gehe also nicht um die Kündigung an sich, sondern vielmehr um die Täuschung des Geschäftsführers darüber, dass der Kl bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung die Kündigung des Arbeitsverhältnisses beabsichtigt habe. Die Anfechtung einer Übertragungsvereinbarung ua wegen List sei allgemein anerkannt. Grundsätzlich sei auch ein Verzicht des AN auf sein Kündigungsrecht zulässig. Eine solche Vereinbarung hätte auch eine entsprechende Beschränkung der Bekl bewirkt. Der Kl habe mit seinen Ausführungen die Bekl getäuscht und die Voraussetzungen für die Anfechtung wegen Arglist erfüllt. Ein allgemeiner Anspruch auf Übertragung bestehe nicht.

IV.1. Die Revision stellt die allgemeine Möglichkeit der Anfechtung einer solchen Vereinbarung wegen List nicht in Frage (vgl dazu etwa Mayr/Resch, Abfertigung neu, BMSVG2 § 47 Rz 35; Gruber, Abfertigung neu 85 f; Eypeltauer, Abfertigung neu: Zwei ausgewählte Rechtsfragen, RdW 2003, 26).

IV.2. Konkret macht der Kl nur geltend, dass seine Äußerungen zur mangelnden Kündigungsabsicht erst 334nach der Vereinbarung gefallen seien. Dabei übergeht der Kl allerdings, dass die Vereinbarung nach § 47 BMSVG der Schriftform bedarf und seine Äußerungen eindeutig vor der schriftlichen Unterfertigung gefallen sind (vgl zum Schriftformerfordernis Mayr/Resch, aaO Rz 2 f).

IV.3. Die weiters relevierte Frage zur Auslegung der Äußerungen des Kl und seines Verhaltens beziehen sich allein auf den Einzelfall und vermögen keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO darzustellen (RIS-Justiz RS0044088 uva).

IV.4. Soweit sich der Kl auf einen Charakter des Übertragungsgeschäfts als „Glücksgeschäft“ bezieht, so setzt er sich offensichtlich mit dem Inhalt des Rechtsgeschäfts auseinander, aber nicht mit der Frage inwieweit dessen Abschluss wegen eines vom Kl listig herbeigeführten Willensmangels der Bekl anfechtbar ist.

IV.5. Es geht hier auch nicht darum, ob es zulässig gewesen wäre, eine Vereinbarung zu einem Kündigungsverzicht zu treffen, sondern allein um die Darstellung der konkreten Absichten des Kl. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach stRsp zwar die Anfechtungsmöglichkeit nach § 871 ABGB wegen Irrtums das Vorliegen eines Geschäftsirrtums voraussetzt und damit auch die Frage, inwieweit ein allfälliger Kündigungsverzicht zulässiger Geschäftsinhalt ist, rechtlich relevant sein könnte, nicht aber bei der Anfechtung wegen Arglist nach § 870 ABGB. Diese ist bereits dann zulässig, wenn der Vertragspartner arglistig über Umstände getäuscht wurde, die für seine Willensbildung maßgeblich waren, mögen diese auch nur Beweggründe oder Eigenschaften umfassen, die nicht Vertragsinhalt sind (vgl etwa Bollenberger in KBB3 § 871 Rz 9; Rummel in

Rummel
, ABGB3 § 870 Rz 3; Apathy/Riedler in
Schwimann
, ABGB3 § 870 Rz 5 uva; RIS-Justiz RS0014920). Ausgehend davon stellt sich aber auch die vom Kl aufgeworfene Frage der Zulässigkeit einer Vereinbarung über einen Kündigungsverzicht nicht. Vielmehr geht es nur darum, dass der Kl die Bekl über seine konkreten Absichten im Zeitpunkt der von ihm initiierten Vertragsunterfertigung getäuscht hat. Auch wenn also wesentliche Argumente dafür sprechen, dass es unzulässig wäre, dass der AN einseitig auf sein Kündigungsrecht verzichtet (vgl dazu etwa § 20 Abs 4 AngG), so steht dies doch einer Information des AG über allfällige bestehende konkrete Kündigungsabsichten im Zeitpunkt der Übertragungsvereinbarung nicht entgegen. Genau von dieser sind aber die Vorinstanzen in vertretbarer Weise ausgegangen, ebenso wie davon, dass diese Information unzutreffend war und bewusst den AG über die wahre Absicht des Kl täuschte.

IV.6. Wenn der Kl letztlich darauf Bezug nimmt, dass ihm bei einem Übertritt in das Abfertigungssystem „neu“ diese auch bei einer gerechtfertigten Entlassung erhalten geblieben wäre, so entfernt er sich von dem konkreten Prozessgegenstand, da es ja darum geht, ob die Vereinbarung über die Übertragung an einem vom Kl listig herbeigeführten Willensmangel der Bekl leidet. Wenn dies die Vorinstanzen ausgehend von den konkreten Sachverhaltsannahmen bejaht haben, so liegt darin jedenfalls keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung.

V. Insgesamt war daher die Revision des Kl mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. [...]

Anmerkung
1.
Anfechtung einer Übertragungsvereinbarung nach § 47 Abs 3 BMSVG wegen List gem § 870 ABGB
1.1.
Zum entschiedenen Fall

Die allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen von List sind gem § 870 ABGB 1. das Vorliegen eines Irrtums (wobei ein Motivirrtum ausreicht), 2. die Kausalität des Irrtums für den Abschluss der Vereinbarung (hätte der/die Irrende ohne den Irrtum die Vereinbarung in der konkreten Gestalt geschlossen?) und 3. die vorsätzliche Täuschung durch den/die VertragspartnerIn. Diese Voraussetzungen müssen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegeben sein (vgl weiterführend Pletzer in

Kletečka/Schauer
[Hrsg], ABGB-ON 1.01 § 870 Rz 1 ff).

Im vorliegenden Fall irrte der AG über die Absicht des AN (in nächster Zeit) nicht zu kündigen (siehe 1.). Der AG hätte ohne den Irrtum die Vereinbarung nicht (in der konkreten Gestalt) geschlossen (siehe 2.). Der Kl hat seinen AG bewusst über die Tatsache getäuscht, dass er bereits im (maßgeblichen) Zeitpunkt der Vereinbarung vorhatte, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung zu beenden (siehe 3.). Im Ergebnis ist der E des OGH daher zuzustimmen.

Wie wäre der Fall aber zu beurteilen gewesen, wenn die Parteien nicht über mögliche Kündigungsabsichten gesprochen hätten? Die folgenden Überlegungen beziehen sich sowohl auf die Perspektive des/der AG als auch des/der AN, weil natürlich auch Konstellationen denkbar sind, in denen ein/e AG einen Wechsel ins System neu inklusive einer Übertragung (nur eines Teils) der Altabfertigungsanwartschaft initiiert und dann eine Kündigung ausspricht.

1.2.
Sonstige Fallkonstellationen

Vor allem dann, wenn ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Abschluss der Vereinbarung und der Kündigung des Arbeitsverhältnisses besteht, wird man davon ausgehen können (sofern keine anderen Umstände hinzukommen), dass die Kündigungsabsicht bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses bestanden hat (Eypeltauer, Abfertigung Neu: Zwei ausgewählte Rechtsfragen, RdW 2003, 26 [28]). In diesem Fall hätte aber den/die VertragspartnerIn eine Aufklärungspflicht über die Absicht, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beenden zu wollen, getroffen. Eine derartige Aufklärungspflicht ergibt sich aus den Grundsätzen des redlichen Verkehrs (Pletzer in

Kletečka/Schauer
, ABGB-ON 1.01 § 870 Rz 11). Eypeltauer leitet die Aufklärungspflicht aus der Fürsorge- bzw Treuepflicht ab (RdW 2003, 28; ihm hinsichtlich der Fürsorgepflicht folgend Mayr in
Mayr/Resch
, BMSVG Abfertigung neu2 [2009] § 47 Rz 35).

Anders ist aber der Fall zu beurteilen, in dem der/die VertragspartnerIn im für die Beurteilung 335maßgeblichen Abschlusszeitpunkt (Pletzer in

Kletečka/Schauer
, ABGB-ON 1.01 § 870 Rz 3) noch keine konkrete Kündigungsabsicht hatte. Kommt die Initiative zum Abschluss einer Übertragungsvereinbarung vom/von der AN, kann man zwar davon ausgehen, dass er/sie allgemein an eine Eigenkündigung gedacht hat (vgl auch Eypeltauer, RdW 2003, 29), hatte er/sie aber keine konkrete Vorstellung, ob oder wann das Arbeitsverhältnis beendet werden soll bzw wollte er/sie sich nur für den Fall absichern, die Abfertigung alt nicht zu einem späteren Zeitpunkt zu verlieren, so kann man hier den Tatbestand der arglistigen Täuschung iSd § 870 ABGB nicht als erfüllt ansehen. Es mangelt schon am Erfordernis einer Fehlvorstellung des/der Anfechtungsberechtigten im Abschlusszeitpunkt. Zudem liegt keine vorsätzliche Irreführung seitens des/der AN vor. Der/die AG hat in diesem Fall kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass der/die AN nie vorhat, zu kündigen. Er/sie wird das Kündigungsrisiko durch den/die AN ohnehin in seine/ihre Erwägungen, ob er/sie überhaupt eine Übertragungsvereinbarung abschließt und in welcher Höhe die Altabfertigungsanwartschaft übertragen wird, miteinbeziehen (vgl Grillberger, Der Übergang zur Abfertigung neu, DRdA 2003, 211 [218]; K. Mayr in
Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 [2011] § 47 BMSVG Rz 19).

2.
Anfechtung einer Übertragungsvereinbarung nach § 47 Abs 3 BMSVG wegen einfachen Irrtums gem § 871 ABGB

Liegt kein listiges Vorgehen eines/einer Vertragspartners/in vor, kommt allenfalls eine Anfechtung einer Übertragungsvereinbarung wegen einfachen Irrtums gem § 871 ABGB in Betracht. Dies aber nur dann, wenn ein beachtlicher Geschäftsirrtum und nicht nur ein bloßer Motivirrtum über den Beweggrund vorliegt (Pletzer in

Kletečka/Schauer
, ABGB-ON 1.01 § 871 Rz 15 ff). Bei näherer Betrachtung sind hier aber kaum Fallkonstellationen denkbar:

Hat der/die AN (oder der/die AG) im Zeitpunkt des Abschlusses der Übertragungsvereinbarung bereits eine konkrete Kündigungsabsicht, dann ist eine Anfechtung wegen List gem § 870 ABGB möglich (siehe oben 3.2).

Geht der/die AN (oder der/die AG) von einem längeren Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses aus und hat der/die VertragspartnerIn tatsächlich im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung keine konkrete Kündigungsabsicht, so mangelt es auch hier (wie in dem unter 1.2. angesprochenen Fall) bereits an der Tatbestandsvoraussetzung des Irrtums, dh an der Fehlvorstellung des/der Anspruchsberechtigten im Vertragsabschlusszeitpunkt.

3.
Kündigungsverzicht – Beschränkung der Kündigungsfreiheit

Der/die AG wird im Falle einer Übertragung einer Altabfertigungsanwartschaft ins System neu Interesse daran haben, dass sein/e AN nicht sofort das Arbeitsverhältnis beendet. Im Folgenden werden weitere Möglichkeiten des/der AG zur Absicherung im Hinblick auf eine AN-Kündigung erörtert.

3.1.
Kündigungsverzicht durch den/die AN alleine

Ein wichtiger Grundsatz für die Wirksamkeit eines vom/von der AN abgegebenen Kündigungsverzichts ist, dass der/die AN bei der Möglichkeit der Kündigung nicht schlechter gestellt werden darf als der/die AG (Reissner in

Neumayr/Reissner
, ZellKomm2 § 20 AngG Rz 63; RIS-Justiz RS0114302). Wie der OGH in der vorliegenden E richtig ausführt, ist ein einseitiger Kündigungsverzicht auf Seiten des/der AN daher unzulässig.

3.2.
Beidseitiger Kündigungsverzicht

Wie sind nun aber Fälle zu beurteilen, in denen der/die AG gleichermaßen auf sein/ihr Kündigungsrecht verzichtet? Hier sind mehrere Konstellationen, etwa in Form einer Verlängerung der Kündigungsfrist (vgl 3.2.1.) oder eines gänzlichen Ausschlusses des Kündigungsrechts (vgl 3.2.2.) denkbar.

3.2.1.
Kündigungsfrist

Gem § 20 Abs 4 AngG kann die einmonatige Frist für die AN-Kündigung durch Vereinbarung auf bis zu sechs Monate verlängert werden, wenn die Frist für den/die AG nicht kürzer ist und ihm/ihr dadurch nicht mehr Kündigungstermine offen stehen (vgl dazu RIS-Justiz RS0114302; Resch, Grenzen privatautonomer Dispositionen über das Auflösungsrecht des Arbeitnehmers, ZAS 1991, 4 [7 f] mwN). § 1159c ABGB ordnet ein zweiseitig zwingendes Fristengleichheitsgebot an, dh auch zu Gunsten des/der AN kann dem Wortlaut zufolge keine längere Frist für die AG-Kündigung vereinbart werden. Dies wird in der Literatur als rechtspolitisch verfehlt erachtet und eine Auslegung dahingehend als vertretbar angesehen, dass kürzere Fristen zu Gunsten des/der AN vereinbart werden können (Resch, ZAS 1991, 9 mit weiteren Überlegungen).

3.2.2.
Ausschluss des Kündigungsrechts

Das Kündigungsrecht des ABGB ist gem § 1164 ABGB einseitig zwingend ausgestaltet. Dh, einzelvertraglich kann nur eine im Vergleich zum Gesetz für den/die AN günstigere Regelung getroffen werden (Pfeil in

Schwimann
[Hrsg], ABGB Praxiskommentar3 [2006] § 1164 Rz 4 f; vgl auch OGH9 ObA 299/89wbl 1990, 112). Auch im AngG wird man davon ausgehen können, dass das Kündigungsrecht des/der AN einseitig zwingend ist, wäre es doch unlogisch zwar die Kündigungsfristen und -termine einseitig zwingend auszugestalten, nicht aber das Kündigungsrecht selbst (vgl Tichy, Anmerkung zu OGH4 Ob 57/72ZAS 1975, 218 [219]). Die vertraglichen Dispositionsmöglichkeiten über das Kündigungsrecht des/der AN sind daher begrenzt. Im Hinblick auf § 1158 Abs 3 ABGB bzw § 21 AngG wird die dort geregelte Fünfjahresfrist (mit sechsmonatiger Kündigungsfrist) eine absolute Grenze darstellen (Resch, ZAS 1991, 13 mwN; vgl auch OGH9 ObA 299/89wbl 1990, 112).

3.3.
Erschwerung des Kündigungsrechts

Wird mit dem/der AN zwar kein Kündigungsverzicht ausverhandelt, die Übertragungsvereinbarung 336aber mit einer auflösenden Bedingung im Falle der Selbstkündigung durch den/die AN (innerhalb einer bestimmten Frist, die wohl höchstens fünf Jahre bei sechsmonatiger Kündigungsfrist betragen darf vgl oben 3.2.2.) versehen, liegt darin möglicherweise auch eine unerlaubte Einschränkung der Kündigungsfreiheit. Hier wäre die Kündigung des/der AN mit einem finanziellen Opfer verbunden, das seine/ihre Kündigungsfreiheit in wirtschaftlicher Hinsicht beschränkt (vgl Pfeil in

Schwimann
, ABGB Praxiskommentar3 § 1159–1159c Rz 32). Runggaldier (Grenzen der Kollektivvertragsautonomie bei der Regelung des Entgelts [1995] 114 f) nimmt aber an, dass Betriebsbindungsklauseln (die Sonderleistungen von einem aufrechten Arbeitsverhältnis zu einem Stichtag abhängig machen) nicht per se die Kündigung des/der AN in unzulässiger Weise erschweren, zumal er/sie, sofern er/sie vor dem Stichtag ausscheidet, so gestellt wird, wie er/sie bei Fehlen der Klausel stünde. Im eingangs erwähnten Fall ist mE den Wertungen Runggaldiers zu folgen und von der Zulässigkeit einer derartigen auflösenden Bedingung auszugehen. Dafür spricht auch, dass nach dem System alt ein/e AN die Abfertigungsanwartschaft bei Selbstkündigung verloren hat, also finanzielle Opfer mit einer Kündigung verbunden waren. Im Ergebnis ändert sich mE jedoch nichts, egal welcher Auffassung man folgt:

Bejaht man die Zulässigkeit der auflösenden Bedingung, führt eine Selbstkündigung des/der AN dazu, dass die Übertragungsvereinbarung wegfällt (wobei hier eine Rückwirkung des Bedingungseintritts als vereinbart angesehen werden kann vgl Kietaibl in

Kletečka/Schauer
, ABGB-ON 1.01 § 897 Rz 46 ff) und es zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung kommt (zu den sich daraus ergebenden Problemen weiterführend Grillberger, DRdA 2003, 218).

Geht man hingegen davon aus, dass es sich um eine unerlaubte Bedingung handelt, führt dies wohl auch nicht zur Restgültigkeit, sondern zur Gesamtnichtigkeit der Übertragungsvereinbarung (vgl dazu weiterführend Kietaibl in

Kletečka/Schauer
, ABGB-ON 1.01 § 898 Rz 1 ff; vgl auch OGH4 Ob 139/85SZ 59/201). Die Übertragung der Altabfertigungsanwartschaft in das System neu dient auch (und vor allem) den Interessen des/der AN. Die Streichung der Bedingung und die Restgültigkeit der Übertragungsvereinbarung würde in der vorliegenden Konstellation den/die AN ungerechtfertigt begünstigen und den hier wohl auch berücksichtigungswürdigen Interessen des/der AG zuwiderlaufen (vgl zu diesen Wertungen Apathy, Zur Folge unzulässiger Ablösevereinbarungen, in FS Eichler [1977] 15 [20 f]).

3.4.
Günstigkeitsvergleich

In jedem Fall ist zu überprüfen, ob die einzelvertragliche Regelung für den/die AN im Vergleich zum Gesetz günstiger ist. Hier sind mittels Gruppenvergleich rechtlich und sachlich zusammenhängende Normen einer objektiven Ex-ante-Betrachtung zu unterziehen, wobei laut OGH auch der sozialpolitische Zweck der Regelung zu beachten ist (vgl § 3 Abs 2 ArbVG; Drs in

Neumayr/Reissner
, ZellKomm2 § 40 AngG Rz 2 ff; Pfeil in
Schwimann
, ABGB Praxiskommentar3 § 1164 Rz 5, jeweils mwN). Sachliche Nähe haben hier wohl nur Regelungen über die Auflösung von Arbeitsverhältnissen (vgl auch Resch, ZAS 1991, 11). Verzichtet also der/die AG gleichermaßen auf sein/ihr Kündigungsrecht, wird die geforderte sachliche Nähe gegeben sein. Fraglich ist aber, ob eine derartige Vereinbarung einem Günstigkeitsvergleich standhält, zumal der/die AN hier nicht immer günstiger, sondern allenfalls gleich günstig gestellt ist (vgl dazu auch Resch, ZAS 1991, 12). Ob dies ausreicht, ist umstritten (Drs in
Neumayr/Reissner
, ZellKomm2 § 40 AngG Rz 2 mwN).

Verzichtet der/die AG aber nicht auf sein/ihr Kündigungsrecht, sondern erklärt sich, wie im vorliegenden Fall, nur zu einer Übertragung (eines Teiles) der Altabfertigungsanwartschaft ins System neu bereit, stellt sich die Frage, ob hier überhaupt eine Vergleichbarkeit gegeben ist, zumal die Erschwerung der Kündigungsmöglichkeit des/der AN nicht durch eine völlig andersartige Regelung kompensiert werden darf (vgl zum Fall einer zusätzlichen „Weihnachtsgabe“ OGH9 ObA 178/88

; RIS-Justiz RS00510729).

4.
Resümee

Der vorliegenden E des OGH ist zuzustimmen. Je länger jedoch der Zeitraum zwischen Abschluss der Übertragungsvereinbarung und Kündigung des/der AN oder des/der AG ist, umso schwieriger wird der Nachweis und die Beurteilung einer konkreten Täuschungsabsicht.

Ein Kündigungsverzicht zu Lasten des/der AN ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich, genauso wie die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung für den Fall einer Selbstkündigung durch den/die AN, sofern ihm/ihr dadurch ein finanzieller Nachteil droht. 337