Die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit im Sozialversicherungsrecht (ASVG, AlVG)

KatharinaPabel (Linz)
Zum 1.1.2014 ist die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 in Kraft getreten, die den Rechtsschutz im Verwaltungsrecht grundlegend neu ordnet. Die Verwaltungsgerichte erster Instanz werden zu den zentralen Rechtsschutzeinrichtungen. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Änderungen, die die Reform im Sozialversicherungsrecht mit sich bringt.

Übersicht

  1. Grundzüge der Neuorganisation des Rechtsschutzes im Verwaltungsrecht

  2. Die Abschaffung des administrativen Instanzenzugs und von Sonderbehörden im Sozialversicherungsrecht

  3. Die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Verwaltungsgerichten des Bundes und der Länder im Sozialversicherungsrecht

    1. Verfassungsrechtliche Grundlagen

    2. Die Festlegungen des ASVG

  4. Die Beteiligung von Laienrichtern im verwaltungsgerichtlichen Verfahren

    1. Allgemeines

    2. Die Beteiligung von Laienrichtern in Angelegenheiten des ASVG

    3. Die Beteiligung von Laienrichtern in Angelegenheiten des AlVG

    4. Die Bedeutung der Einbindung von Laienrichtern

    5. Die Entscheidungsfindung im Senat

  5. Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten

    1. Überblick über den Ablauf des Verfahrens

    2. Die Beschwerdeberechtigung386

    3. Beschwerdefrist und Formerfordernisse

    4. Aufschiebende Wirkung

    5. Das Beschwerdevorverfahren

    6. Aspekte der Gerichtsförmigkeit des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten

    7. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts

    8. Besonderheiten im Verfahren in Zusammenhang mit dem Erstattungskodex

  6. Die Revision an den VwGH

    1. Die Revisionsberechtigung

    2. Beschränkung der Revision auf Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung

  7. Ausblick

1.
Grundzüge der Neuorganisation des Rechtsschutzes im Verwaltungsrecht

Mit dem Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle* zum 1.1.2014 ist der Rechtsschutz im Verwaltungsrecht grundlegend neu organisiert worden. Dadurch ergeben sich auch in jenen Rechtsschutzverfahren in Verfahren nach dem ASVG und dem AlVG, die öffentlich-rechtlichen Regeln folgen, wesentliche Neuerungen. Zu den Neuerungen zählen die grundsätzliche Abschaffung des administrativen Instanzenzugs und die Eröffnung des Rechtsschutzes gegen behördliche Entscheidungen unmittelbar zu den neu geschaffenen Verwaltungsgerichten erster Instanz.* Wer von einer behördlichen Entscheidung (etwa einem Bescheid oder einer Maßnahme) betroffen ist, hat die Möglichkeit, dagegen Beschwerde beim zuständigen Verwaltungsgericht einzulegen (Art 130 B-VG). Eine Berufung an die Oberbehörde kommt nur noch im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden – und dann auch nicht mehr überall – in Betracht.*

Die Neuorganisation des Rechtsschutzes ist verbunden mit der Abschaffung einer Fülle von Sonderbehörden des Bundes und der Länder, die in der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle ausdrücklich aufgezählt sind.* Dabei handelt es sich um jene weisungsfrei gestellten Behörden mit richterlichem Einschlag, die mit der Gewährleistung von Rechtsschutz beauftragt waren und zumeist eingeführt wurden, um die Anforderungen des Art 6 EMRK an ein Tribunal zu erfüllen. Zu diesen abgeschafften Behörden zählen allen voran die Unabhängigen Verwaltungssenate (UVS) und der Unabhängige Finanzsenat (UFS), die in die Landesverwaltungsgerichte bzw das Bundesfinanzgericht aufgegangen sind.* Weitere Beispiele sind etwa der Unabhängige Umweltsenat (UUS) oder der Bundeskommunikationssenat. Im Bereich des Sozialversicherungsrechts sind ebenfalls einige Behörden abgeschafft worden, und zwar die Landesberufungskommissionen, die Bundesschiedskommission und die Unabhängige Heilmittelkommission, worauf später noch näher eingegangen wird (siehe unten 2.)

Die Neuorganisation des Rechtsschutzes führt außerdem zu einer Änderung der Funktion, die dem VwGH zukommt.* Er ist im neuen Rechtsschutzsystem im Wesentlichen Revisionsgericht.* Als solches ist seine Zuständigkeit auf Revisionen beschränkt, in denen es auf die Entscheidung über Rechtsfragen grundsätzlicher, dh über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung ankommt (Art 133 Abs 4 B-VG). Der Zugang zum VwGH wird im Vergleich zur bisherigen Rechtslage erheblich eingeschränkt. Jenseits der Einzelheiten des Zugangs zu den Verwaltungsgerichten und dem Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, worauf im Folgenden näher eingegangen werden wird (siehe unten 5.), führt die Reform des Rechtsschutzes im Verwaltungsrecht zu einer Vereinfachung der Rechtszüge und zu einer Straffung der Behördenstrukturen.* Der Rechtsschutzsuchende ist regelmäßig auf kürzerem Weg bei einer gerichtlichen Instanz. Auf die Einrichtung einer Vielzahl von Sonderbehörden kann verzichtet werden. Nichtsdestotrotz führt die Reform des Rechtsschutzes im Verwaltungsrecht zu einer Fülle von neuen Fragen, und es stellen sich Probleme, die im Laufe der Zeit durch die Rsp der Verwaltungsgerichte und vor allem des VwGH geklärt werden oder auch im Einzelfall nur durch „Nachbesserungen“ des Gesetzgebers sinnvoll gelöst werden können.387

2.
Die Abschaffung des administrativen Instanzenzuges und von Sonderbehörden im Sozialversicherungsrecht

Mit der Einführung der Verwaltungsgerichte erster Instanz ist zugleich grundsätzlich der administrative Instanzenzug abgeschafft. Die regelmäßige Beschränkung auf eine Administrativinstanz ist dem Text der Verfassung nicht unmittelbar zu entnehmen, sie ergibt sich aber aus den Erläuterungen.* Mittelbar ergibt sich der Entfall des administrativen Instanzenzuges dadurch, dass er für den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden ausdrücklich vorgesehen ist (Art 118 Abs 4 B-VG), dort aber wiederum aufgrund einer entsprechenden Ermächtigung ausgeschlossen werden kann (Art 115 Abs 2 B-VG).* Für den Bereich des Sozialversicherungsrechts bedeutet das, dass nach §§ 409, 410 ASVG* in Verwaltungssachen die Versicherungsträger nach wie vor in erster Instanz entscheiden. Die bisherigen Instanzenzüge an den Landeshauptmann bzw an den Bundesminister sind mit dem Inkrafttreten der Reform entfallen.* Die Entscheidungen der Versicherungsträger sind direkt mittels einer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht zu bekämpfen.

Über Ansprüche auf Leistungen nach dem AlVG* entscheidet wie bisher die jeweilige regionale Geschäftsstelle als Behörde. Gegen ihre Bescheide ist ebenfalls eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Die bisherige Berufungsinstanz, der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten des Arbeitsmarktservice (AMS), entfällt.*

Mit der Reform des Rechtsschutzverfahrens wurden im ASVG zugleich auch Änderungen des Administrativverfahrens vorgenommen. Bisher war durch eine taxative Aufzählung festgelegt, welche Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) in Verfahren nach dem ASVG Anwendung finden (§ 357 ASVG aF). In Umkehrung dieser Systematik besteht für Verfahren in Verwaltungssachen nunmehr die Pflicht zur Anwendung des gesamten AVG (Art I Abs 2 Z 1 Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen [EGVG] idF RV 2009). Für Verfahren in Leistungssachen sieht § 360b ASVG nunmehr ebenfalls im Grundsatz eine umfassende Anwendung der Bestimmungen des AVG vor und zählt jene Bestimmungen des AVG auf, die keine Anwendung finden sollen. Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Umstellung das Ziel abzusichern, dass die Versicherungsträger in den von ihnen geführten Verfahren jene Standards anwenden, die von den überprüfenden Verwaltungsgerichten zugrunde gelegt werden.* Ausweislich der Erläuterungen sieht der Gesetzgeber insb bei der Berücksichtigung der Parteienrechte und bei der Durchführung des Ermittlungsverfahrens Bedarf, die Versicherungsträger, die ja schon bislang die Grundsätze des Verwaltungsverfahrens angewandt haben, nunmehr konkret auf die Einhaltung der Vorgaben des AVG zu verpflichten.* Es kann allerdings in Frage gestellt werden, ob die umfassende Anwendung der Vorschriften des AVG etwa auf Verfahren, in denen es um eine Verrechnung von Beiträgen oder Beitragszuschlägen geht, sinnvoll ist, oder ob nicht etwa die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO) besser passen würden.* Diese Frage wird hier, da sich die Themenstellung auf das gerichtliche Verfahren bezieht, nur angedeutet.

Im Bereich des ASVG wurden die Landesberufungskommissionen, die Bundesschiedskommission und die Unabhängige Heilmittelkommission abgeschafft,* die ihre Funktion als Berufungsbehörden mit der Abschaffung des administrativen Instanzenzuges verloren haben. Die Bundesschiedskommission hat aber neben der Funktion als Berufungsbehörde auch Entscheidungen in erster Instanz getroffen, insb im Hinblick auf den Gesamtvertrag.*388

Zur Entscheidung über die Festsetzung des Inhalts eines aufgekündigten Gesamtvertrags auf Antrag der Ärztekammer oder des Hauptverbandes (§ 348 Abs 1 ASVG) wurde die Bundesschiedskommission als weisungsfreie Behörde erster Instanz erneut errichtet.* Eine solche Wiedererrichtung ist verfassungsrechtlich zulässig, wobei die allgemeinen Anforderungen an die Errichtung weisungsfreier Behörden des Art 20 Abs 2 B-VG selbstverständlich eingehalten werden müssen.* Die Zusammensetzung der neu etablierten Bundesschiedskommission hat sich gegenüber der „alten“ Kommission geändert. Statt der Besetzung mit einem Richter des OGH und sechs Beisitzern besteht die Bundesschiedskommission jetzt nur mehr aus einem aktiven Richter des OGH und vier Beisitzern (§ 346 Abs 2 ASVG).*

3.
Die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Verwaltungsgerichten des Bundes und der Länder im Sozialversicherungsrecht
3.1.
Verfassungsrechtliche Grundlagen

Die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte des Bundes und der Länder findet in Art 131 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine differenzierte Regelung, die allerdings nur eine Zuständigkeitsabgrenzung im Grundsatz trifft. Darüber hinaus sind verfassungsgesetzlich eine Reihe von Ermächtigungen an den einfachen Gesetzgeber des Bundes bzw der Länder vorgesehen, die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes oder der Länder in Abweichung von der Grundsatzregel des B-VG zu begründen. Entsprechende Bundesgesetze bedürfen der Zustimmung aller Länder (Art 131 Abs 4 B-VG), entsprechende Landesgesetze bedürfen der Zustimmung der Bundesregierung (Art 131 Abs 5 B-VG). Das verfassungsrechtliche Grundmodell der Verteilung der Zuständigkeiten auf die Verwaltungsgerichte des Bundes und der Länder ist das Modell einer Generalklausel (zugunsten der Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte) mit taxativen Maßnahmen zugunsten der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes. Der Verfassungsgesetzgeber geht also vom Gedanken einer subsidiären Allzuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte aus.* Für das Bundesfinanzgericht sieht das B-VG die Zuständigkeit für Beschwerden* in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Finanzen (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie in Angelegenheiten des Finanzstrafrechts vor.*

Das Bundesverwaltungsgericht ist nach dem B-VG zuständig für Beschwerden* in Rechtssachen in den Angelegenheiten* der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Voraussetzung für eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist es, dass die Angelegenheiten nicht nur in unmittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden können, sondern auch tatsächlich unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.* Zu den durch das B-VG begründeten Zuständigkeiten des Bundesverwaltungsgerichts gehören die Angelegenheiten, die durch die regionalen Geschäftsstellen nach dem AlVG entschieden werden. Sie fallen als Angelegenheiten, die in unmittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden, in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts. Die entsprechende Bestimmung im AlVG (§ 56 Abs 2 AlVG) ist deklaratorisch.389

3.2.
Die Festlegungen des ASVG

Wendet man die verfassungsgesetzlichen Regelungen auf Verfahren nach dem ASVG an, so ist festzuhalten, dass die SV Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung ist (Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG). Die Verwaltungssachen nach dem ASVG werden von den Sozialversicherungsträgern vollzogen. Es handelt sich insofern um Angelegenheiten des Bundes, die nicht in unmittelbarer Bundesverwaltung, sondern durch Selbstverwaltungsträger vollzogen werden. Zuständig für die Gewährleistung von Rechtsschutz gegen die Entscheidungen der Sozialversicherungsträger wären daher nach Anwendung der oben dargestellten verfassungsgesetzlichen Regelungen über die Zuständigkeitsverteilung der Verwaltungsgerichte erster Instanz die Landesverwaltungsgerichte. Im Interesse einer einheitlichen Rsp im Sozialversicherungsrecht hat der Bundesgesetzgeber unter Inanspruchnahme der verfassungsgesetzlich eingeräumten Möglichkeiten, eine abweichende Zuständigkeit zu begründen, im Bereich des ASVG Zuständigkeiten des Bundesverwaltungsgerichts festgelegt; die Länder haben hiergegen kein Veto eingelegt (vgl Art 131 Abs 4 Z 2 lit b, Art 42a B-VG).*

Im Einzelnen bestehen folgende Zuständigkeitszuweisungen an das Bundesverwaltungsgericht:

  • Nach § 414 ASVG ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig für Beschwerden gegen Bescheide der Versicherungsträgerund des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und des Bundesministers für Gesundheit in Verwaltungssachen. Eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts besteht ferner für Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerden) der genannten Behörden. Für Verwaltungssachen iSv § 355 ASVG* besteht folglich ein einheitlicher Rechtszug an das Bundesverwaltungsgericht. In Verfahren in Leistungssachen (§ 354 ASVG)* sind Bescheide der Versicherungsträger nach wie vor bei den Arbeits- und Sozialgerichten zu bekämpfen (§ 65 Abs 1 ASGG). Deren sukzessive Zuständigkeit bleibt von der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle unberührt.*

  • Nach § 347a ASVG ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig für Beschwerden gegen Bescheideund Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerden) der Paritätischen Schiedskommission, der Landesschiedskommissionsowie der Bundesschiedskommission. Bei der gesetzlichen Verankerung dieser Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts beabsichtigte der Gesetzgeber die Entwicklung einer einheitlichen und fachlich fundierten bundesweiten Rsp, wobei die geringen Fallzahlen in diesem Bereich besonders hervorgehoben wurden.*

  • Ferner ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig für Beschwerden gegen Bescheideder Aufsichtsbehördenund gegen die Verletzung der Entscheidungspflicht durch diese (§ 452a ASVG).

  • Schließlich ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig für Beschwerden in Zusammenhangmit der Versagung der Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodexoder wegen der Streichung einer Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex (§ 351h ASVG).

Diese Zuständigkeitsbegründungen nach dem ASVG zugunsten des Bundesverwaltungsgerichts bedeuten nicht, dass ASVG-Sachen stets in Wien verhandelt werden. Das Bundesverwaltungsgericht verfügt über Außenstellen in Graz, Innsbruck und Linz, die entsprechend der Geschäftsverteilung auch für sozialversicherungsrechtliche Angelegenheiten zuständig sind. Eine zumindest ortsnähere Entscheidung ist dadurch im Einzelfall gewährleistet.

Mit der Zuständigkeitsbegründung zugunsten des Bundesverwaltungsgerichts, die der Materiengesetzgeber im ASVG verankert hat, ist nicht ausgeschlossen, dass auch das jeweilige Landesverwaltungsgericht im Kontext des ASVG Zuständigkeiten besitzt. Insofern ist insb auf den Rechtsschutz gegen Verwaltungsstrafen hinzuweisen, die auf der Grundlage des ASVG verhängt werden. Gegen entsprechende Bescheide steht die Beschwerde an das jeweilige Landesverwaltungsgericht zu (§ 111 ASVG).

Differenziert ist auch die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte bei der Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (sogenannte GPLA).* Bei dieser Prüfung erfolgt die Kontrolle der lohnabhängigen Abgaben, insb der Sozialversicherungsbeiträge, der Lohnsteuer und der Kommunalsteuer, im Zuge eines einzigen Prüfvorgangs beim DG. Dieses Verfahren, das eine administrative Erleichterung beim DG und eine Effektivitätssteigerung bei der Verwaltung mit sich bringt, hat sich seit über zehn Jahren durchaus bewährt. Genauso wenig, wie die GPLA eine Vereinheitlichung der Verfahrensarten und eine Konzentration der Behördenzuständigkeiten mit sich brachte, führt auch die Verwaltungsgerichts-Novelle zu einer Vereinheitlichung des Rechtsschutzes. Verfahren über Sozialversicherungsbeiträge sind beim Bundesverwaltungsgericht zu führen, Verfahren wegen der Lohnsteuer beim Bundesfinanzgericht und Verfahren wegen der Kommunalsteuer beim jeweiligen Landesverwaltungsgericht. Genau wie nach Beendigung der GPLA wieder die jeweiligen Verfahrensregelungen390 gelten, wie beispielsweise das ASVG und AVG für den Sozialversicherungsbereich und die BAO für den Lohnsteuerteil und für die Kommunalsteuer, wird auch der Rechtsschutz durch die unterschiedlichen Verwaltungsgerichte geleistet.

4.
Die Beteiligung von Laienrichtern im verwaltungsgerichtlichen Verfahren
4.1.
Allgemeines

Die Verwaltungsgerichte entscheiden grundsätzlich durch Einzelrichter (Art 135 Abs 1 B-VG). Es kann aber gesetzlich vorgesehen werden, dass die Verwaltungsgerichte durch Senate entscheiden, dh durch Spruchkörper, die mit mehr als einem Mitglied besetzt sind. Für diesen Fall hat der zuständige Organisationsgesetzgeber (für das Bundesverwaltungsgericht also der Bundesgesetzgeber) im Gesetz über die Organisation des Verwaltungsgerichts festzulegen, welche Größe die Senate haben. Verfassungsgesetzlich ist ferner vorgesehen, dass der Materiengesetzgeber des Bundes oder der Länder in bestimmten Angelegenheiten die Beteiligung von Laienrichtern vorsehen kann, wobei er dann auch die Zahl der Laienrichter festzulegen hat.*

4.2.
Die Beteiligung von Laienrichtern in Angelegenheiten des ASVG

Für die Angelegenheiten, die nach den oben genannten Bestimmungen des ASVG in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts fallen, hat der Gesetzgeber in weitem Umfang die Beteiligung von Laienrichtern vorgesehen. Damit bleibt auch nach der Einführung der Verwaltungsgerichte das Konzept der Einbindung von fachkundigen Laien in ASVG-Materien erhalten. Das Gesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichts (BVwGG)* sieht vor, dass ein Senat aus einem Mitglied des Bundesverwaltungsgerichts als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern besteht (dreiköpfiger Senat). Laienrichter sind als Beisitzer hinzuzuziehen. Sehen die maßgeblichen Materiengesetze mehr als zwei Beisitzer vor, so ist der Senat entsprechend zu vergrößern (§ 7 Abs 1, 2 BVwGG). Fachkundige Laienrichter werden vom Bundeskanzler bestellt, wobei unterschiedliche Vorschlagsrechte in den Materiengesetzen vorgesehen werden können. Die Bestelldauer beträgt sechs Jahre (§ 12 Abs 3 BVwGG).

Dementsprechend ergibt sich für die verschiedenen sozialversicherungsrechtlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht folgende Besetzung der Spruchkörper:

  • Für Beschwerden in Verwaltungssachen(§ 414 ASVG) nimmt der Gesetzgeber zunächst eine Differenzierung nach verschiedenen Verfahrensgegenständen vor. Für bestimmte Verfahrensgegenstände, wie etwa solche über die Versicherungspflicht, kommt eine Senatszuständigkeit in Betracht. Für andere Verfahrensgegenstände, wie etwa über die Vorschreibung eines Beitragszuschlags, ist die Einzelrichterzuständigkeit vorgesehen (vgl im Einzelnen § 414 Abs 2 iVm § 410 Abs 1 ASVG). Man kann verallgemeinernd sagen, dass die Fälle von erheblichem Gewicht in die Senatszuständigkeit fallen können. Es ist festzuhalten, dass – wenn eine Senatszuständigkeit in Betracht kommt – diese von einer Partei beantragt werden muss. Dieser Antrag auf Entscheidung durch einen Senat ist mit der Beschwerde oder mit dem Vorlageantrag oder – im Falle der nicht beschwerdeführenden Partei – vier Wochen ab Zustellung der Beschwerde einzubringen (§ 414 Abs 2 ASVG). Der Senat besteht in Verwaltungssachen aus drei Mitgliedern. Neben dem Berufsrichter als Vorsitzendem sind zwei Laienrichter vorgesehen, davon einer aus dem Kreis der DG und einer aus dem Kreis der DN. Der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer kommt insofern jeweils ein Vorschlagsrecht zu. Gesetzlich wird verlangt, dass die Laienrichter über besondere Kenntnisse auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts verfügen (§ 414 Abs 3 ASVG).

  • In Angelegenheiten der Schiedsverfahren(§ 347a ASVG) ist gesetzlich die Entscheidung durch einen fünfköpfigen schiedsverfahrensrechtlichen Senat vorgesehen. Dieser besteht aus einem Berufsrichter als Vorsitzendem und vier Laienrichtern. Von diesen werden zwei auf Vorschlag der Ärztekammer und zwei auf Vorschlag des Hauptverbandes bestellt. Verlangt wird, dass diese Laienrichter besondere Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich der vertragspartnerlichen Regelungen haben (§ 347b Abs 2 ASVG). Trotz der Konzentration der Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht spiegelt sich in der Bildung der Senate wiederum die Relevanz der Länderebene wider. Es sind nämlich für die Verfahren, in denen in erster Instanz die Paritätische Schiedskommission oder die Landesschiedskommission entschieden hat, neun Senate zu bilden (für jedes Land einer).

  • In Verfahren in Zusammenhang mit dem Erstattungskodexist gesetzlich ein Senat mit fünf Mitgliedern vorgesehen (vgl § 351i ASVG).* Neben dem Berufsrichter als Vorsitzendem sind vier Laienrichter vorgesehen, von denen zwei Fachärzte für Pharmakologie und Toxikologie oder Fachärzte mit dem Additivfach klinische Pharmakologie und zwei Gesundheitsökonomen sein müssen. Die391 Bestellung erfolgt durch den Bundeskanzler auf Vorschlag des Bundesministers für Gesundheit. Dieser holt Vorschläge der Bundesarbeitskammer und der Wirtschaftskammer ein, und zwar jeweils zwei Vorschläge für die zwei Fachrichtungen.

  • Der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass bei Verfahren in Aufsichtsangelegenheiten(§ 452a ASVG) das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter entscheidet.

4.3.
Die Beteiligung von Laienrichtern in Angelegenheiten des AlVG

Nach dem AlVG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstelle über Ansprüche auf Leistungen das Bundesverwaltungsgericht. Auch hier ist eine Senatszuständigkeit gesetzlich vorgesehen (§ 56 Abs 2 AlVG). Dieser Senat besteht aus einem Berufsrichter als Vorsitzendem und zwei fachkundigen Laienrichtern. Diese sind aus dem Kreis der AG und der AN auf Vorschlag der Wirtschaftskammer bzw der Arbeiterkammer zu bestellen. Gefordert wird, dass die Laienrichter über besondere Kenntnisse betreffend den Arbeitsmarkt und die AlV verfügen.

4.4.
Die Bedeutung der Einbindung von Laienrichtern

Die Einbindung von Laienrichtern in die Senate beim Bundesverwaltungsgericht dient dem Zweck, das bei den bisherigen Kollegialbehörden bewährte System der Einbindung von fachkundigen Laien fortzuführen. Dadurch wird gewährleistet, dass in die gerichtlichen Entscheidungen der besondere Sachverstand aus der Praxis einfließt.* Darüber hinaus fördert die Einbindung von Laienrichtern, die von den betreffenden Interessenvertretern benannt werden, die gegenseitige Akzeptanz der Entscheidung.* Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass das System der verschiedenen Sonderbehörden durch die Bildung verschiedener Senate unter Laienbeteiligung beim Bundesverwaltungsgericht in gewisser Weise wieder auflebt. Unübersichtliche Strukturen und schwierige organisatorische Fragen könnten hier neu entstehen.

4.5.
Die Entscheidungsfindung im Senat

Die Beschlussfähigkeit eines Senates setzt die Anwesenheit aller Mitglieder voraus (§ 8 Abs 1 BVwGG). Verhinderte Mitglieder sind durch die entsprechenden Ersatzmitglieder in der in der Geschäftsverteilung vorgesehenen Reihenfolge zu vertreten. Dementsprechend muss für jeden Laienrichter mindestens ein Ersatzrichter unter denselben Voraussetzungen bestellt werden. Dieser vertritt den fachkundigen Laienrichter im Fall von dessen Verhinderung (§ 12 Abs 4 BVwGG). Die Abstimmung im Senat erfolgt in einer durch den Vorsitzenden, dh durch den Berufsrichter, bestimmten Reihenfolge. Es entscheidet die Mehrheit der Stimmen, wobei eine Enthaltung unzulässig ist (§ 8 Abs 4, 5 BVwGG).

Das BVwGG regelt wie mit der Befangenheitsanzeige eines Richters umzugehen ist, wobei die entsprechenden Bestimmungen sowohl Berufsrichter als auch Laienrichter betreffen. Die Rechtssache ist dem jeweiligen Ersatzmitglied zuzuweisen (§ 17 Abs 2 BVwGG). Nicht geregelt ist allerdings die Frage, wann Befangenheit vorliegt. Auch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) enthält keine Bestimmungen über die Befangenheit, ordnet jedoch ganz generell eine subsidiäre Anwendung der Bestimmungen des AVG an (§ 17 VwGVG). In sinngemäßer Anwendung von § 7 AVG wird man Befangenheit insb in jenen Fällen annehmen müssen, in denen der Berufsrichter oder der Laienrichter in einem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren mitgewirkt hat (Verwaltungsverfahren, Beschwerdevorverfahren).

5.
Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten
5.1.
Überblick über den Ablauf des Verfahrens

Rechtsschutz gegen einen Bescheid einer Behörde ist im Wege einer Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht zu begehren. So ist – um ein Beispiel aus dem Sozialversicherungsrecht zu nehmen – gegen den Bescheid des Sozialversicherungsträgers, mit dem eine Beitragsgebühr festgelegt wird, eine Beschwerde* an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben.

5.2.
Die Beschwerdeberechtigung

Beschwerdeberechtigt ist nach Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Beschwerdeberechtigt sind damit die Parteien des Verfahrens.*

5.3.
Beschwerdefrist und Formerfordernisse

Die Beschwerde ist binnen einer Frist von vier Wochen ab Zustellung des Bescheides (§ 7 Abs 4 VwGVG) einzubringen, wobei Einbringungsstelle nicht das Verwaltungsgericht, sondern die belangte Behörde ist – im genannten Beispiel daher der Sozialversicherungsträger (§ 12 VwGVG). Vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz besteht kein Anwaltszwang (§ 17 VwGVG, § 10 AVG). Das VwGVG enthält für die Beschwerde Anforderungen hinsichtlich Inhalt und Form (§ 9 VwGVG), die über das, was bislang für die Erhebung einer Berufung notwendig war, hinausgehen.* Die392 schriftliche* Beschwerde muss zunächst den angefochtenen Bescheid und die belangte Behörde bezeichnen. Ferner muss sie die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, und das Beschwerdebegehren enthalten. Diese Anforderungen verlangen vom Beschwerdeführer, dass er vorbringt, woraus sich die Rechtswidrigkeit des Bescheids ergibt und was das Ziel seiner Beschwerde ist.* Die Angabe der Beschwerdegründe ist deswegen von besonderer Bedeutung, weil sie zu einer Beschränkung des gesamten Verfahrens auf den vom Beschwerdeführer vorgetragenen Inhalt der Beschwerde, insb auf die dort vorgebrachten Gründe der Rechtswidrigkeit des Bescheides, führt (§ 27 VwGVG).* Wie streng die Bindung des Verwaltungsgerichts an die in der Beschwerde angeführten Gründe ist und welche Anforderungen an die Darlegung des Beschwerdeführers zu stellen sind, wird durch die Rsp der Verwaltungsgerichte und letztlich durch den VwGH zu klären sein.

Zwei Gesichtspunkte sind dabei zu berücksichtigen: Erstens darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beschwerdeführer eben regelmäßig nicht anwaltlich vertreten ist und folglich eine nicht vertretene Person in der Lage sein muss, das Verfahren zu führen.* Die Anforderungen an die notwendige Darlegung in der Beschwerde dürfen daher nicht überzogen werden.* Andererseits ergibt sich zweitens aus dem Wortlaut des VwGVG die Beschränkung auf die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe explizit. Über diesen Normtext wird man auch bei einer rechtsschutzfreundlichen Auslegung nicht hinwegkommen.*

Die Einbringung einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht nach dem ASVG ist gebührenbefreit (§ 14 Tarifpost [TP] 6 Abs 5 Z 1 Gebührengesetz [GebG]). Die schon bestehende Gebührenbefreiung findet auch auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren Anwendung (§ 110 Abs 1 Z 2 ASVG).*

5.4.
Aufschiebende Wirkung

Rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerden gegen Bescheide haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung (§ 13 VwGVG). Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen der sofortige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Diese Bestimmung kann uU dann zu Schwierigkeiten führen, wenn – wie es in Verfahren über Verwaltungssachen nach dem ASVG der Fall sein kann – im Bescheid über eine Geldforderung abgesprochen wird, etwa über einen Beitragszuschlag. Hier besteht die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer mit einer für ihn kostenfreien Beschwerde, die ja aufschiebende Wirkung hat, nichts anderes als einen Zahlungsaufschub erreichen will.* Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines sofortigen Vollzugs werden aber regelmäßig nicht vorliegen. Nicht ohne Grund sieht daher die BAO vor, dass Beschwerden an das Bundesfinanzgericht gegen abgabenrechtliche Bescheide grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung haben (§ 254 BAO).* Es wäre de lege lata zu überlegen, ob für jene Fälle, in denen es um die bescheidmäßige Festsetzung von Zahlungsverpflichtungen geht, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde regelmäßig entfällt. Im Falle von Beschwerden gegen Bescheide über Ansprüche auf Leistung nach dem AlVG hat der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung getroffen. Solche Beschwerden haben keine aufschiebende Wirkung (§ 56 Abs 3 AlVG). Diese kann allenfalls im späteren Verlauf des Verfahrens im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung (siehe dazu unten 5.5) auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen zuerkannt werden. Die Materialien führen dazu aus, dass es in vielen Fällen, in denen es zu Übergenüssen und Rückforderungen kommt, äußerst schwierig und aufwendig ist, auch nur einen Bruchteil der zu Unrecht gewährten Entgelte wieder hereinzubringen.* Müsste die aufschiebende Wirkung entsprechender Bescheide im Einzelfall ausgeschlossen werden, wäre dies ein beträchtlicher Aufwand. Es ist zu überlegen, ob diese Argumente nicht auch im ASVG relevant sind.

5.5.
Das Beschwerdevorverfahren

Bevor sich das Verwaltungsgericht mit einer Beschwerde befasst, hat nach den Bestimmungen des VwGVG zunächst noch einmal die belangte Behörde die Möglichkeit, die von ihr getroffene Entscheidung zu überprüfen (vgl §§ 14, 15 VwGVG). Dieses sogenannte Beschwerdevorverfahren trägt dem Gedanken Rechnung, dass es den Grundsätzen der Verfahrensökonomie entspricht, wenn die Behörde, die sich bereits mit einer Sache befasst hat, allfällige Fehler selbst korrigiert.* Das Vorverfahren dient der Selbstkontrolle der393 Verwaltung und führt im Abhilfefall zu einem schnellen und kostengünstigen Rechtsschutz für den Betroffenen.* Gleichzeitig kann damit eine Entlastung der Verwaltungsgerichte verbunden sein.*

Konkret hat die belangte Behörde, bei der ja die Beschwerde eingebracht wird, die Möglichkeit, binnen zwei Monaten den angefochtenen Bescheid aufzuheben, ihn abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (§ 14 VwGVG). Dabei ist es ihr unbenommen, vor Erlassung der Beschwerdevorentscheidung ergänzende Ermittlungen vorzunehmen.* Auch eine Bestätigung der ursprünglich getroffenen Entscheidung mit einer Ergänzung der Begründung durch die Behörde ist möglich.*

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung hat die Partei binnen einer Frist von zwei Wochen die Möglichkeit zu beantragen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (sogenannter Vorlageantrag, § 15 Abs 1 VwGVG). Die Behörde kann aber auch von einer Beschwerdevorentscheidung absehen und die Akten dem Verwaltungsgericht unmittelbar zuleiten (§ 14 Abs 2 VwGVG).

Es wird in erster Linie von der Praxis der Administrativinstanzen, also im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren nach dem ASVG von den Versicherungsträgern und im AlVG von den regionalen Geschäftsstellen, abhängen, ob das Beschwerdevorfahren im Hinblick auf die Effektivität des Rechtsschutzes erfolgreich ist. Es scheint so, dass in vielen Fällen die belangte Behörde durch die Wahrnehmung der verschiedenen Handlungsoptionen, die das Vorverfahren bietet, Verfahren tatsächlich zügig zu einem Abschluss führen kann. Letztlich führt die stringente Durchführung des Vorverfahrens nicht nur zu einer Entlastung des Bundesverwaltungsgerichts, sondern auch der Sozialversicherungsträger bzw der regionalen Geschäftsstellen.

5.6.
Aspekte der Gerichtsförmigkeit des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten

Das Rechtsschutzverfahren vor den Verwaltungsgerichten ist ein gerichtliches Verfahren. Die Gerichtsförmigkeit des Verfahrens lässt sich an einer Reihe von Bestimmungen aufzeigen, die – gerade in Abweichung von den Bestimmungen des AVG – kennzeichnend für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sind.* Im Verhältnis zwischen Verwaltungsgericht und Behörde zeigt sich die gerichtliche Ausprägung des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten besonders deutlich an der Parteistellung der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht (§ 18 VwGvG). Für die Administrativinstanz bedeutet das einen bemerkenswerten Rollenwechsel: Anders als vor der Berufungsbehörde ist die Administrativinstanz vor dem Verwaltungsgericht dazu aufgefordert, als Partei am Verfahren teilzunehmen und den bekämpften Bescheid gewissermaßen zu verteidigen. Das bedeutet, dass im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren nach dem ASVG der Sozialversicherungsträger, nach dem AlVG die regionale Geschäftsstelle als Partei auch nach Abschluss des Vorverfahrens weiterhin in engem Austausch mit dem Bundesverwaltungsgericht bleibt. Insb wird die Partei zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen. Auch hier besteht kein Anwaltszwang, so dass typischerweise die Vertretung durch einen Bediensteten des Sozialversicherungsträgers bzw der regionalen Geschäftsstelle wahrgenommen wird. Insofern kommen wirklich neue Aufgaben auf die Administrativinstanzen zu, die auch in der internen Organisation zu Veränderungen führen können.

Die mündliche Verhandlung bildet ein zentrales Element des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.* Gem § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Ein solcher Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist bereits mit Erhebung der Beschwerde oder spätestens im Rahmen des Vorlageantrags zu stellen (§ 24 Abs 3 VwGVG). Auch die belangte Behörde hat als Partei die Möglichkeit, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Regelmäßig wird eine öffentliche, mündliche Verhandlung stattfinden. Auch das entspricht der Gerichtsförmigkeit des Verfahrens: Ein Gericht verhandelt öffentlich. Im Einzelnen kann nach den entsprechenden Bestimmungen des VwGVG von einer Verhandlung abgesehen werden bzw können die Parteien auf eine mündliche Verhandlung verzichten. Dabei sind stets die aus Art 6 EMRK und Art 47 GRC folgenden grundrechtlichen Anforderungen, die regelmäßig die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verlangen, zu berücksichtigen.*

Gerade in Sozialversicherungssachen ist die Rsp des EGMR hinsichtlich der Frage, ob im Einzelfall eine mündliche Verhandlung entfallen kann, relativ großzügig. In sozialversicherungsrechtlichen Verfahren, die ausschließlich rechtliche oder in hohem Maße technische Fragen aufwerfen, können die zuständigen Gerichte unter Gesichtspunkten der Verfahrensökonomie und der Effektivität des Verfahrens von der mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahme der Parteien angemessen entschieden werden kann.* Dieser Gedanke der Verfahrensökonomie wird sich in sozial394versicherungsrechtlichen Fällen wohl auch in der Praxis des Bundesverwaltungsgerichts durchsetzen.

5.7.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts

Das Verwaltungsgericht entscheidet durch Erk oder durch Beschluss. Ein Erk ergeht dann, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Im Übrigen entscheidet das Verwaltungsgericht durch Beschluss (§ 28 Abs 1 VwGVG).

Die Stellung des Verwaltungsgerichts als gerichtliche Rechtsschutzinstanz ist maßgeblich durch die Regelungen der Kognitionsbefugnis gekennzeichnet. Die entsprechenden Bestimmungen sind schon auf der verfassungsrechtlichen Ebene recht detailliert (Art 130 Abs 4 B-VG) und werden durch die Regelungen des VwGVG noch weiter ausgeführt (§ 28 VwGVG). Die Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte ist dabei durchaus differenziert geregelt, die einzelnen Verästelungen sollen hier nicht nachgezeichnet werden.* Gesamthaft betrachtet kann festgehalten werden, dass die Verwaltungsgerichte im Regelfall in der Sache selbst entscheiden und die Kassation nur in bestimmten Konstellationen überhaupt in Betracht kommt.* Damit wird dem Bedürfnis des Beschwerdeführers Rechnung getragen, möglichst rasch zu einer abschließenden Erledigung seiner Sache zu kommen (Gebot des effektiven Rechtsschutzes).*

Eine Kassation des Verwaltungsgerichts kommt insb dann in Betracht, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat (vgl § 28 Abs 3 VwGVG). Allerdings ist diese Bestimmung zusammenzulesen mit der Regelung, dass das Verwaltungsgericht in der Sache selbst entscheidet, wenn die Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Eine Zurückweisung wegen mangelhafter Ermittlung des Sachverhalts kommt also nur in Betracht, wenn es in erheblichem Umfang oder an zentralen Punkten an Ermittlungen fehlt und diese mit einem gewissen Aufwand an Zeit nachgeholt werden müssen. Im Hinblick darauf, dass nunmehr bereits das Verfahren vor den Sozialversicherungsträgern nach den Vorschriften des AVG geführt wird und diese im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung die Möglichkeit haben, allenfalls fehlende Ermittlungen nachzuholen (allerdings binnen einer Frist von zwei Monaten), wird eine solche Zurückverweisung wohl nicht oft vorkommen.

Das Verwaltungsgericht entscheidet bereits im Rahmen seines Erkenntnisses über die Zulässigkeit der Revision (vgl § 25a Abs 1 VwGG). Maßstab sind dabei die bereits auf Verfassungsebene festgelegten materiellen Kriterien für die Zulässigkeit der Revision (siehe dazu näher unten 6.). Hält das Verwaltungsgericht die Revision für unzulässig, steht den Parteien die Möglichkeit der außerordentlichen Revision offen (vgl § 28 Abs 3 VwGG).

5.8.
Besonderheiten im Verfahren in Zusammenhang mit dem Erstattungskodex

Im Zusammenhang mit dem Erstattungskodex hat der Materiengesetzgeber des ASVG von der verfassungsgesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, Sonderverfahrensrecht für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zu schaffen (Art 136 Abs 2 B-VG).* Diese Möglichkeit besteht für den Materiengesetzgeber unter der Voraussetzung, dass dies zur Regelung des betreffenden Gegenstands erforderlich ist.

Im Hinblick auf die verfassungsrechtlich vorgesehenen Voraussetzungen für die Schaffung von Sonderverfahrensrecht stellt sich die Frage, ob die genannten Abweichungen vom VwGVG tatsächlich „erforderlich“ iSv Art 136 Abs 2 B-VG sind.

Für die Auslegung des Kriteriums der Erforderlichkeit kann die Judikatur zu Art 11 Abs 2 B-VG, der für die Regelung des Art 136 Abs 2 B-VG Vorbild war, herangezogen werden.* IS dieser Judikatur sind abweichende Bestimmungen dann erforderlich, worauf bereits die Erläuterungen hinweisen, wenn sie für die Regelung der Materie unerlässliche Bestimmungen darstellen bzw im Regelungszusammenhang mit den materiellen Vorschriften unerlässlich sind.* Bei der Prüfung, ob eine abweichende Regelung unerlässlich ist, stellt der VfGH darauf ab, ob die abweichende Bestimmung zur Regelung des Gegenstandes zweckmäßig oder sachlich geboten ist, wobei das Augenmerk darauf liegt, welche Zielsetzung der Gesetzgeber mit der abweichenden Regelung verfolgt und ob ohne die abweichende Regelung dieses Ziel nicht verfolgt werden könnte.* Die Grenze der Unerlässlichkeit395 einer abweichenden Regelung findet sich immer dort, wo diese nicht mehr sachlich gerechtfertigt ist, wobei sich eine sachliche Rechtfertigung (fast) immer dann begründen lässt, sobald vom Gesetzgeber rechtmäßige Ziele verfolgt werden und die Abweichung zur Verfolgung dieses Zieles beiträgt.

Eine erste Abweichung betrifft das Beschwerdevorverfahren. Bei der Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex sind die Vorgaben für die Verfahrensdauer aus der Transparenz-RL zu berücksichtigen,* die eine Entscheidung binnen 90 bzw (wird auch über den Preis entschieden) binnen 180 Tagen verlangen.* Durch die Durchführung des Beschwerdevorverfahrens würde sich das Verfahren so verlängern, dass die Verfahrensdauer den unionsrechtlichen Vorgaben nicht genügen würde.* Der Gesetzgeber hat daher das Beschwerdevorverfahren für diese Verfahrensarten ausgeschlossen (§ 351h Abs 3 ASVG).* Zur Einhaltung der Verfahrensdauer sind für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht eine Aufhebungsentscheidung trifft (dh den Bescheid kassiert), für die neuerliche Entscheidung des Hauptverbandes enge Fristen vorgesehen. Gem § 351h Abs 5 ASVG hat der Hauptverband binnen einer Frist von 120 Tagen nach Zustellung der Aufhebungsentscheidung neu zu entscheiden, widrigenfalls der Antrag als angenommen gilt oder die Arzneispezialität wieder in den Erstattungskodex aufzunehmen ist oder die Einschränkung der Verschreibbarkeit aufzuheben ist. Hat der Hauptverband jedoch neuerlich über einen Antrag nach § 351c Abs 2 und 4 ASVG zu entscheiden, beginnt mit der Zustellung der Aufhebungsentscheidung an den Hauptverband die Frist nach § 351c Abs 1 ASVG neu zu laufen.

Einzubringen ist die Beschwerde beim Hauptverband als Behörde erster Instanz, und zwar – wie schon der Antrag auf Aufnahme in den Erstattungskodex – über das Internetportal www.sozialversicherung.at. Der Hauptverband hat die Beschwerde samt den Verfahrensakten unverzüglich dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen. Er ist in dem Verfahren Partei und hat das Recht, binnen 30 Tagen ab Einlangen der Beschwerde eine Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht abzugeben.

Eine weitere Abweichung betrifft das Neuerungsverbot. In der Beschwerde oder in der Stellungnahme können sich das Unternehmen bzw der Hauptverband nur auf Tatsachen und Beweise beziehen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Hauptverbandes von den Beteiligten bereits eingebracht waren (§ 351h Abs 4 ASVG). Nach den Bestimmungen des VwGVG hat der Beschwerdeführer hingegen die Möglichkeit, neue Tatsachen oder Beweise vorzubringen (vgl § 10 VwGVG).

Schließlich trifft § 351h Abs 3 ASVG über die aufschiebende WirkungRegelungen, die vom VwGVG im Einzelnen abweichen, jedoch den bisherigen Bestimmungen des Verfahrens in Zusammenhang mit dem Erstattungskodex entsprechen. So haben Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Beschwerden wegen einer Streichung einer Arzneispezialität nach § 351c Abs 10 Z 1 ASVG aus dem grünen Bereich des Erstattungskodex haben aufschiebende Wirkung im Ausmaß von 90 Tagen ab Einbringung der Beschwerde. Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität auf Grund mangelnder Erstattungsfähigkeit (§ 351c Abs 2 und 4 ASVG) haben keine aufschiebende Wirkung.

Die Materialien begründen die Erforderlichkeit der einzelnen abweichenden Regelungen zunächst ganz allgemein mit der Notwendigkeit der zügigen Verfahrensabwicklung im Hinblick auf die unionsrechtlich vorgegebenen Fristen und mit dem öffentlichen gesundheitspolitischen Interesse einer ausreichenden Versorgung der Versicherten mit Arzneien.* Diese Überlegungen können im Hinblick auf den Entfall des Beschwerdevorverfahrens die Erforderlichkeit von Sonderverfahrensrecht begründen. Die Durchführung eines Beschwerdevorverfahrens entsprechend den §§ 14, 15 VwGVG kann tatsächlich zu einer Verlängerung des Verfahrens führen, da der belangten Behörde ein Zeitraum von zwei Monaten zur abermaligen Entscheidung eingeräumt wird. Auch das Neuerungsverbot kann iSd Art 136 Abs 2 B-VG noch als erforderlich angesehen werden, wenn man davon ausgeht, dass das bisherige Vorbringen neuer Tatsachen im Rechtsschutzverfahren wegen der Notwendigkeit der Gewährung von Gehör und allenfalls notwendigen zusätzlichen Ermittlungen eine Verlängerung des Verfahrens bedeutet.

Eine Begründung der Erforderlichkeit der gegenüber dem VwGVG abweichenden Regelungen betreffend die aufschiebende Wirkung der Beschwerde lässt sich den Materialien nicht entnehmen.* Insofern scheint es zumindest zweifelhaft, ob das unionsrechtliche Gebot einer zügigen Verfahrensführung die Sonderregelungen über die aufschiebende Wirkung erforderlich iSv unerlässlich macht. Letztlich führt die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zu einer Verfahrensverlängerung. Auch das gesundheitspolitische Interesse einer ausreichenden Versorgung der Versicherten mit Arzneien kann insofern nicht ins Treffen geführt werden, da es ja gerade um die Streichung von Arzneispezialitäten aus dem Erstattungskodex geht. Hinzu kommt, dass schon gegenüber der insofern übereinstimmenden bisherigen Einschränkung der aufschiebenden Wirkung Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit mit dem in der Transparenz-RL verankerten Gebot effektiven Rechtsschutzes erhoben wurde.* Im Ergebnis erscheint es daher jedenfalls zweifelhaft, ob die Abweichung von den Bestimmungen des VwGVG hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung tatsächlich erforderlich iSv Art 136 Abs 2 B-VG ist.396

6.
Die Revision an den VwGH
6.1.
Die Revisionsberechtigung

Berechtigt zur Revision sind jedenfalls die Parteien des Verfahrens.* In einem sozialversicherungsrechtlichen Verfahren sind dies der Beschwerdeführer und der Sozialversicherungsträger als belangte Behörde. Für die Einbringung einer Revision besteht Anwaltszwang (§ 24 Abs 2 VwGVG).

Zusätzlich sieht § 415 ASVG für das Verfahren in sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungssachen vor, dass der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gegen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts über die Versicherungspflicht oder über die Berechtigung zur Weiter- oder Selbstversicherung Revision erheben kann. In Angelegenheiten der KV oder UV steht das Revisionsrecht dem Bundesminister für Gesundheit zu.* Diese gesetzlich verankerte Amtsrevision tritt an die Stelle der bisherigen Möglichkeit der Amtsbeschwerde in diesen Angelegenheiten.* Auch insofern finden allerdings die materiellen Beschränkungen auf Grundsatzfragen Anwendung (Art 133 Abs 4 B-VG).

Eine solche Möglichkeit der Amtsrevision ist für das Schiedsverfahrensrecht zugunsten der Österreichischen Ärztekammer und zugunsten des Hauptverbands vorgesehen (§ 348 Abs 4 ASVG).

6.2.
Beschränkung der Revision auf Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung

Die Möglichkeit, gegen ein Erk oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichts Revision zu erheben, ist allerdings bereits auf verfassungsgesetzlicher Ebene beschränkt. Eine Revision ist nach Art 133 Abs 4 B-VG nur zulässig, wenn die Entscheidung über die Revision von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.* Ausgeschlossen ist die Revision dann, wenn das bekämpfte Erk eine Geldstrafe von höchstens € 400,– zum Gegenstand hat und die relevante Strafdrohung maximal € 750,– Geldstrafe und keine Freiheitsstrafe vorsieht (vgl § 25a VwGG).

Maßgeblich für die Frage, in welchem Umfang der Zugang zum VwGH im Wege der Revision eröffnet ist, wird sein, wie die Voraussetzung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in Zukunft ausgelegt werden wird. Auch wenn die Entscheidung über die Zulässigkeit der Revision im ersten Zugriff bei den Verwaltungsgerichten liegt, trifft die endgültige Entscheidung über die Revisionszulässigkeit der VwGH.* Der Verfassungsgesetzgeber zählt demonstrativ („insbesondere“) drei Fälle auf, in denen über eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist:

  • Das erstinstanzliche Urteil weicht von der Rsp des VwGH ab,

  • eine Rsp des VwGH fehlt bislang oder

  • die zu lösende Rechtsfrage wird in der bisherigen Rsp des VwGH nicht einheitlich beantwortet.*

Vor allem bei der erstgenannten Konstellation (dem Abweichen von der bisherigen Rsp des VwGH) besteht ein erheblicher Auslegungsspielraum bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision, die je nach Auslegung zu einem eher weiten oder eher engen Zugang zum VwGH führen wird.* Die Rsp des OGH zur Revisionszulässigkeit nach § 502 ZPO kann hier wegen des zumindest ähnlichen Wortlautes der maßgeblichen Bestimmungen Anhaltspunkte geben.* Auch die Materialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle weisen in diese Richtung.*

Angesichts einer der wichtigen Ziele der Reform, der Entlastung des VwGH, ist davon auszugehen, dass der VwGH eine Auslegung entwickeln wird, die den Zugang zum VwGH vor allem ermöglicht, wenn es um die Wahrung der Rechtseinheit und -übersichtlichkeit geht. Die Sicherung der Einzelfallgerechtigkeit, dh die Überprüfung von möglicherweise vorliegenden Fehlurteilen, wird wohl eher die Ausnahme bleiben und jedenfalls auf schwerwiegende Fehlentscheidungen beschränkt bleiben.*

7.
Ausblick

Der weiteren Umsetzung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 kann mit Neugier und Gelassenheit entgegengeblickt werden. Dass eine Jahrhundertreform – so wurde sie bereits betitelt – an Kinderkrankheiten heftiger und weniger heftiger Art leidet, ist geradezu selbstverständlich. Insgesamt birgt die Reform aber die Chance auf die Gewährleistung von effektiverem und bürgerfreundlicherem Rechtsschutz, der mit den Anforderungen des Europarechts (GRC und EMRK) im Einklang steht.397