Arbeitslosenversicherungsgesetz

§ 10:
Grenze zumutbarer Arbeitsvertragsgestaltung BVwG 8.5.2014, W121 2003172-1

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hält zunächst fest, dass alle sechs Zumutbarkeitstatbestandsmerkmale444 des § 9 AlVG gleichwertig sind. Ist nur eines der sechs nicht erfüllt, ist die erforderliche Zumutbarkeit nicht gegeben und bleibt der Nichtantritt der Beschäftigung (die Nichtteilnahme an der Maßnahme) ohne Sanktion. Weiters wird ausgeführt, dass eine zumutbare Beschäftigung – über die in § 9 Abs 2 AlVG ausdrücklich genannten Zumutbarkeitskriterien hinaus – voraussetzt, dass der DG für die Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses vom Arbeitslosen nicht die Annahme vertraglicher Bedingungen verlangt, die in wesentlichen Punkten, wie zB der Arbeitszeitgestaltung oder Entlohnung, zwingenden Rechtsnormen widersprechen. Wird – wie im konkreten Fall – die Arbeitslose beim Vorstellungsgespräch über wesentliche Vertragspunkte, wie die Arbeitszeit, im Unklaren gelassen und werden insb die mit der angebotenen Beschäftigung verbundenen Arbeitsorte nicht näher konkretisiert, ist es ihr – auch unter Berücksichtigung der im Reinigungsgewerbe üblichen Teildienste und der damit verbundenen Verdoppelung der Wegzeit – unmöglich, die aus der Arbeitsverpflichtung resultierende Wegzeit iSd § 9 Abs 2 AlVG zu überprüfen. Eine zumutbare Beschäftigung liegt nur dann vor, wenn sie hinsichtlich der wesentlichen Vertragspunkte ausreichend bestimmt ist und zumindest die für die Beurteilung der Zumutbarkeit maßgeblichen Informationen bekannt sind. Der Beschwerde wurde stattgegeben und die Sanktion gem § 10 AlVG aufgehoben.

Erstes konkretisierendes Erk zum Mindestinhalt von angebotenen Arbeitsverträgen iZm §§ 9 und 10 AlVG.
§ 18 Abs 1:
Bezugsdauer nach Kinderbetreuungsgeld – Anlassfall nach VfGH-ErkenntnisBVwG 19.5.2014, W228 2002461-1

Der VfGH zog mit Geschäftszahl G 74-75/2013 die Wortfolge „in den letzten fünf Jahren“ in § 18 Abs 1 und 3 AlVG in Prüfung und hob diese mit Erk vom 11.12.2013 als verfassungswidrig auf, wobei er verfügte, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31.12.2014 in Kraft tritt. Der Arbeitslosen, der bei Antragstellung nach zwei Karenzen mit Kinderbetreuungsgeldbezug trotz mehr als dreijähriger Beschäftigungszeit vor der Geburt ihrer Kinder nur 20 Wochen Arbeitslosengeld zuerkannt worden war und deren Anlassfall mit zur Gesetzesprüfung führte, wurde nun vom BVwG bereits jetzt als „Ergreiferprämie“ 30 Wochen Arbeitslosengeld zuerkannt.

§ 25 Abs 2:
Betretung bei Tätigkeit iSd § 12 Abs 3 lit d VwGH 24.4.2014, 2013/08/0289

Auch wenn die Arbeitslose bestreitet, in einem Dienstverhältnis gestanden zu sein und angibt, die unentgeltlich und ohne Auftrag erfolgten Reinigungstätigkeiten (Putzen einer am Messestand des Ehemannes ausgestellten Glasschiebetür) lediglich im Rahmen ihrer ehelichen Beistandspflicht gem § 90 ABGB spontan erbracht zu haben, folgt laut VwGH daraus, dass sie jedenfalls iSd § 12 Abs 3 lit d AlVG – ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen – im Betrieb des Ehegatten tätig gewesen ist. Im Fall der Betretung bei dieser Tätigkeit kommt es iSd § 25 Abs 2 AlVG nicht darauf an, welches Ausmaß diese hatte, ob sie aus Sicht der Arbeitslosen unerheblich war bzw welches Entgelt gebührt hätte. Die Revision wurde abgewiesen.

§ 26 Abs 3:
Nichtvorliegen einer Beschäftigung bei Pflichtversicherung aus Ausbildungsverhältnissen VwGH 24.4.2014, 2013/08/0049

Das Erk stellt klar, dass Ausbildungsverhältnisse mit einer Pflichtversicherung gem § 4 Abs 1 Z 4 ASVG, die somit kein Dienstverhältnis mit einer Pflichtversicherung gem § 4 Abs 2 Z 1 ASVG sind, nicht unter den Beschäftigungsbegriff des § 26 Abs 3 AlVG fallen; wobei bei diesen Ausbildungsverhältnissen auch Einkünfte, die über der Geringfügigkeitsgrenze liegen, einem Weiterbildungsgeldbezug nicht entgegenstehen. Der Bescheid, der über Widerruf und Rückforderung von Weiterbildungsgeld einer Psychologin verfügte, die im Rahmen einer Bildungskarenz ihre Ausbildung zur Klinischen Psychologin absolvierte und dabei € 400,– monatliches Taschengeld erhielt, wurde aufgehoben.

§ 46 Abs 6:
Leistungseinstellung bei (möglicher) Beschäftigungsaufnahme VwGH 24.2.2014, 2013/08/0204

Widerspricht ein Arbeitsloser der in der AMS-EDV dokumentieren Angabe, er habe telefonisch eine Beschäftigungsaufnahme ab einem konkreten Datum bekannt gegeben, dahingehend, dass er nur einen voraussichtlichen Arbeitsbeginn erwähnt habe, muss die Behörde diese widersprüchlichen Ermittlungsergebnisse in der Bescheidbegründung beweiswürdigend bewerten und darlegen, was sie veranlasst hat, dem einen Beweismittel mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen. Verweist der Bescheid über die Leistungseinstellung ab dem Tag der angenommenen Beschäftigungsausnahme lediglich darauf, dass Aktenwidrigkeit nicht vorläge und die Aufzeichnungen des AMS schlüssig und nachvollziehbar seien, verletzt er die Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit.