Replik zu Klein, Anm zu OGH 29.5.2013, 9 ObA 11/13b, DRdA 2014/7 (Krankheit unterbricht nicht Zeitausgleich)

Franz M.Adamovic (Wien)

Die Kritik von Klein an der E des OGH9 ObA 11/13b in DRdA 2014/7, 53, lädt den OGH ein, sein Judikat noch einmal zu überdenken.

Die zusätzlichen Argumente von Klein sind sicher gewichtig und verdienen so wie seine Kritik zu OGH 14.9.1988, 9 ObA 213/88(AZG3 § 10 Erl 3) Beachtung. Aus nachfolgenden Erwägungen möchte ich Ihnen aber nicht folgen.

Klein unterscheidet zwei Arten von Zeitausgleich: den für geleistete Überstunden und den für unregelmäßig verteilte Normalarbeitsstunden (zB für Freitag-Frühschluss, Einarbeiten von Fenstertagen). Für diesen ist Krankheit eine Art von Glücksspiel, ob die Krankheit in die Zeitspanne der Mehrarbeit oder Minderarbeit fällt; es entsteht daher bei Krankheit kein Anspruch auf Abgeltung von Mehrstunden. Es gilt daher der Grundsatz „Krankheit unterbricht nicht den ‚unechten‘ Zeitausgleich“. Bei jenem, dh dem Zeitausgleich für geleistete Überstunden, für die primär ein Ausgleich durch den Überstundenzuschlag gem § 10 Abs 1 Z 1 AZG von mindestens 50 % vorgesehen ist, unterbricht Krankheit den an Stelle der Überstundenvergütung vereinbarten „echten“ Zeitausgleich. Wird der AN während dieses Zeitraums krank und kann daher den Zeitausgleich nicht real verbrauchen, so tritt an Stelle des Zeitausgleiches das ursprünglich geschuldete Überstundengeld.

Diese Unterscheidung kann nicht überzeugen.

Wird statt des ursprünglich vorgesehenen Überstundenentgeltes gem § 10 Abs 1 Z 1 AZG ein Zeitausgleich gem Z 2 dieser Gesetzesstelle vereinbart, so liegt ein Novationsvertrag vor. Durch die Novation wird die alte Verbindlichkeit unter gleichzeitiger Begründung einer neuen aufgehoben. Dadurch wird der alte Rechtsgrund – die Überstundenleistung – aufgehoben und durch den neuen Rechtsgrund – die Novation – ersetzt. Änderung des Rechtsgrundes bedeutet, dass dieselbe Leistung aus einem anderen Titel geschuldet wird (Koziol/Welser, Grundriss bürgerliches Recht II13 [2007] 110 f; Neumayr in KBB3 § 1376 ABGB Rz 1; Ertl in

Rummel
, ABGB-Kommentar3 § 1376 Rz 1). Wenn der Rechtsgrund der Forderung verwechselt wird (§ 1376 ABGB), ist es unzulässig, auf den ursprünglichen Rechtsgrund – die Leistung von Überstunden – zurückzugreifen; in der Weise, dass bei Krankheit im Zeitraum des Zeitausgleichs dieser nicht erfüllt wird. Der AN wird bzw bleibt mangels Erfüllung Gläubiger eines weiteren Anspruches auf Zeitausgleich oder – wenn das Arbeitsverhältnis inzwischen beendet ist – auf Überstundenentgelt.

Wird hingegen für die Überstundenleistung schon primär ein Zeitausgleich (§ 10 Abs 1 Z 2 AZG) vereinbart und dessen Verbrauch durch Krankheit des AN verhindert, so wurde vereinbart, von zwei gleichwertigen Möglichkeiten der Überstundenvergütung (arg „oder“ in § 10 Abs 1 AZG) die des Zeitausgleiches zu wählen. Von der einvernehmlich getroffenen Wahl kann nicht mehr abgegangen werden, wenn bei dem gewählten Zeitausgleich dessen Verbrauch durch Krankheit verhindert wird (§ 906 ABGB).457

Die selbe Rechtsfolge beim Zeitausgleich infolge starrer Arbeitszeiteinteilung und des Zeitausgleichs, der seinen Rechtsgrund in der flexiblen Vereinbarung von Zeitausgleich nach erbrachter Überstundenleistung hat, hat zur Folge, dass der AN, der durch Krankheit am Verbrauch von Zeitausgleich gehindert wird, keinen Anspruch auf die alternative Rechtsfolge – Überstundenvergütung durch Zuschlag (§ 10 Abs 1 Z 1 AZG) – hat.

Um das Ergebnis „Krankheit unterbricht Zeitausgleich“ zu erreichen, müsste zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden, dass für den Fall der Unmöglichkeit des Zeitausgleichs infolge Krankheit die andere Alternative – der Geldanspruch gem § 10 Abs 1 Z 1 AZG – geschuldet werde. Dies würde zum Ergebnis führen, dass der Zeitausgleich bei aufrechtem Arbeitsverhältnis ein zweites Mal (oder ein drittes Mal) zu erfüllen wäre.

Es soll nicht verkannt werden, dass die Rechtsfolge „Krankheit unterbricht nicht Zeitausgleich“ aus Sicht des AN als ungerechte Verteilung des Dienstverhinderungsrisikos empfunden werden kann; es ist dies im Ergebnis nicht anders, als wenn der AN in der eingearbeiteten Periode oder an einem verlängerten Wochenende erkrankt und so eine Mehrleistung an Arbeitszeit erbracht hat, ohne die Früchte hiervon zu ernten. In dem Fall hat der AN „Pech gehabt“, dass er zur falschen Zeit erkrankt ist. Klein spricht selbst von den aleatorischen Elementen („Pech gehabt“) des Zeitausgleiches (aaO 57).

Auch während des Urlaubs besteht keine Arbeitspflicht; wird der AN in dieser Zeit krank, so unterbricht diese Krankheit den Urlaub. Gäbe es die allgemeine Regel, wonach Krankheit den Zeitausgleich unterbreche, so hätte es dieser Sonderregelung in § 5 UrlG – abgesehen von den Modalitäten des erforderlichen Nachweises des Unterbrechungsgrundes – nicht bedurft. Aus § 5 Abs 1 UrlG kann also eher ein – vorsichtiger – Umkehrschluss gezogen werden: Außerhalb des Urlaubes unterbricht Krankheit nicht den Zeitausgleich (hier: Urlaubsverbrauch). Wird der AN während einer Periode des Zeitausgleiches krank, so hat er „Pech gehabt“. Wenn hingegen die Zahlung eines Überstundenentgelts vereinbart wurde und dann unvorhergesehen eine Währungsverschlechterung eintritt, kann der AN auch nicht einwenden, ihm wäre jetzt die Freizeitgewährung lieber, er möchte Zeitausgleich. In einem solchen Fall wird deutlich, dass der AN von der einmal getroffenen Wahl nicht abgehen kann, wenn sich die Wahl nachträglich als für ihn nicht vorteilhaft erweisen sollte.

Die Unterscheidung eines flexiblen Zeitausgleiches – für individuell geleistete Überstunden – und eines starren Zeitausgleiches – für Abweichungen von einer regelmäßigen Arbeitszeit – erweist sich also nicht als stichhaltig. Sie trägt nicht die von Klein postulierte Rechtsfolge.

Es ist im Übrigen nicht Aufgabe des Gerichtes ein als unbefriedigend empfundenes Ergebnis zu korrigieren; vielmehr müsste der Gesetzgeber tätig werden und anordnen, dass nur ein real verbrauchter Zeitausgleich geleistete Überstunden abgelte.

„Hundertprozentige Gerechtigkeit“ ist im Arbeitsrecht manchmal nicht erzielbar. Wenn ein Dienstverhinderungsgrund eintritt – im Anlassfall der 75. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung am 10.10.1995 –, hat dies zur Folge, dass nur jene AN in den Genuss zusätzlicher Freizeit kommen, die an diesem Tag zur Dienstleistung eingeteilt waren, während jene, bei denen dies nicht der Fall war, leer ausgehen (OGH 27.3.1997, 9 ObA 80/97s). Auch hier kann eingewendet werden, es sei ungerecht, nur einen Teil der AN zu begünstigen; anderenfalls hätte – unabhängig von der konkreten Dienstleistung – allen AN, losgelöst von einer konkreten Arbeitspflicht, eine Dienstfreistellung gewährt werden müssen.

Daher besteht für den OGH kein zureichender Grund, von seinem Judikat abzugehen.