Duplik zu Adamovic, Replik zu Klein, Anm zu OGH 29.5.2013, 9 ObA 11/13b, DRdA 2014/7 (Krankheit unterbricht nicht Zeitausgleich)
Duplik zu Adamovic, Replik zu Klein, Anm zu OGH 29.5.2013, 9 ObA 11/13b, DRdA 2014/7 (Krankheit unterbricht nicht Zeitausgleich)
Nach der Lektüre des Korrespondenzbeitrags von Adamovic sehe ich keinen Grund, meine in der Glosse zu OGH9 ObA 11/13bdargelegte Rechtsauffassung zu revidieren. Adamovic bringt drei Argumente:
Er stellt fest, dass, wenn die Arbeitsvertragsparteien gem § 10 Abs 1 Z 2 AZG Zeitausgleich zur Abgeltung von Überstundenarbeit vereinbart haben, der AN nicht einseitig von der einvernehmlich getroffenen Wahl abgehen und nach dem durch einen Krankenstand verhinderten Zeitausgleich an dessen Stelle die finanzielle Überstundenvergütung gem § 10 Abs 1 Z 1 AZG fordern könne. Dem ist voll zuzustimmen, ich habe aber auch nichts anderes behauptet. Ich habe vielmehr gesagt, dass, wenn ein Zeitausgleichsanspruch infolge eines Krankenstandes nicht im ursprünglich vorgesehenen Zeitraum erfüllt werden kann, ebendieser Anspruch auf Zeitausgleich unverändert aufrecht bleibt (und später zu erfüllen ist).
Adamovic bestreitet, dass zwischen Zeitausgleich für geleistete Überstundenarbeit und einer Freizeitphase, die durch eine fixe Einteilung der Normalarbeitszeit entsteht (etwa der regelmäßig freie Freitagnachmittag bei der Verteilung einer 40-stündigen Wochenarbeitszeit nach dem Muster 9-9-9-9-4), ein entscheidungswesentlicher Unterschied besteht. Ich bleibe dabei, dass es hier um völlig verschiedene Dinge geht. Wird zB in letzterem Fall ein AN für den Freitagnachmittag arbeitsunfähig, berührt das die wechselseitigen Leistungsansprüche zwischen AN und AG in keiner Weise – für diesen Zeitraum besteht weder Arbeitszeit- noch Entgeltpflicht. Leistet ein AN hingegen Überstundenarbeit, deren Abgeltung in Zeitausgleich vereinbart wird, entsteht ein neuer – über die Erbringung und Abgeltung der Normalarbeitszeit hinausgehender – zwingender Anspruch gem § 10 Abs 1 Z 2 AZG. Ob dieser Anspruch, wenn der für seine Erfüllung vereinbarte Zeitraum mit dem Zeitraum einer entgeltfortzahlungspflichtigen Dienstverhinderung zusammenfiel, dennoch als erfüllt gilt oder nicht, ist eben juristisch präzise zu klären. Für diese Klärung reicht die Antwort „Das ist eh dasselbe wie der458 Krankenstand am Freitagnachmittag oder am Kärntner Landesfeiertag“ sicherlich nicht aus.
Ähnlich ist auf das dritte Argument Adamovics zu reagieren: Weil es für das zeitliche Zusammentreffen von Urlaub und Erkrankung die Sonderregelung des § 5 UrlG gebe und der Gesetzgeber für das Zusammentreffen von Zeitausgleich und Erkrankung nichts geregelt habe, könne man laut Adamovic den „vorsichtigen“ Umkehrschluss ziehen, dass ein zeitgleicher Krankenstand den Vollzug des Zeitausgleichskonsums nicht berühren solle. Urlaub ist eine grundsätzlich mehrwöchig angelegte, kraft gesetzlicher Anordnung unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis zustehende entgeltpflichtige Arbeitsfreistellung, deren Konkurrenzverhältnis zu einer weiteren entgeltpflichtigen Arbeitsfreistellung, dem Krankenstand, vom Gesetzgeber sinnvollerweise ausdrücklich normiert wurde. Überstundenarbeit ist hingegen ein zum normalen Arbeitsverhältnis hinzutretendes Extra, das den zwingenden Entgeltreflex gem § 10 Abs 1 AZG auslöst. Wie mit dem in – meist nur Stunden oder wenige Tage dauernde – bezahlte Freizeit umgewandelten Entgeltanspruch umzugehen ist, wenn Krankheit seine Erfüllung behindert, ist daher eine Frage, die nicht ähnlich genug ist, um sie in Analogie oder im Umkehrschluss zur Urlaubsregelung zu lösen. Das hat übrigens auch der OGH im gegenständlichen Erk so gesehen, der die Analogie kurz erwogen hat.
Abschließend noch einmal ganz knapp die Hauptargumente dafür, dass während eines Zeitraums, in dem eine entgeltfortzahlungspflichtige Dienstverhinderung besteht, ein zufällig für diesen Zeitraum vereinbarter Zeitausgleich nicht verbraucht wird (ausführlich nachzulesen in DRdA 2014, 53 ff).
Die bloße Vereinbarung des Zeitraums für die Erfüllung des AN-Anspruchs auf Zeitausgleich darf nicht mit der Erfüllung selbst verwechselt und gleichgesetzt werden. Erfüllt ist der zwingende Anspruch nur in dem Ausmaß, in dem die bezahlte Freistellung tatsächlich genossen wurde. Wenn nun aber die tatsächliche Erfüllung iSd Verschaffung bezahlter Freizeit durch den dazwischentretenden Krankenstand (der aufgrund der Entgeltfortzahlungsregeln in der Verantwortungssphäre des AG liegt) unmöglich geworden ist, stellt sich die Frage nach der Gefahrtragung für die Unmöglichkeit. Da bis zur (vollständigen) Erfüllung die Gefahr beim Schuldner, hier also dem AG, liegt (§ 1048 ABGB), gilt der Anspruch nur insoweit als erfüllt, als Zeitausgleich noch vor dem Eintritt des Krankenstandes oder nach dessen Ende konsumiert wurde.
Für aufgrund entgeltfortzahlungspflichtiger Dienstverhinderungen nicht geleistete Überstunden besteht nach der Judikatur kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung (OGH 14.9.1988, 9 ObA 213/88). Würde man die Entgeltfortzahlung nun auch für solche Dienstverhinderungen verweigern, die gleichzeitig mit dem Zeitausgleich auftreten, mit dem diese Überstunden abzugelten sind, wäre Überstundenarbeit, für die Zeitausgleich vereinbart ist, von vornherein systematisch und ausnahmslos dem Schutz der Entgeltfortzahlung entzogen. Da Überstundenarbeit aber in vieler Hinsicht unter dem besonderen Schutz des Gesetzgebers – und jedenfalls unstrittig unter dem Schutz des Entgeltfortzahlungsrechts nach dem Ausfallprinzip – steht, kann dies dem Gesetzgeber sicher nicht unterstellt werden.