FriesDie Haftungsbeschränkung der §§ 104 ff. SGB VII in den Fällen der unechten Unfallversicherung

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2013, 376 Seiten, € 89,90

BernhardAlbert (Linz)

Die vorliegende deutsche Dissertation befasst sich mit einem Teilaspekt der Haftungsbeschränkung in der gesetzlichen UV. Dieses Thema ist insofern von großem wissenschaftlichen als auch praktischem Interesse, zumal die Haftungsprivilegierung von bestimmten Personen nach Arbeitsunfällen einen Sonderbereich der zivilrechtlichen Haftungsregeln darstellt. Ist den Rechtsanwendern beim Vorliegen eines klassischen Arbeitsunfalles diese Sonderregelung oft bewusst, muss dies für den Bereich der unechten UV relativiert werden. Der Gesetzgeber hat sowohl in Deutschland als auch in Österreich Sachverhalte unter den Schutz der gesetzlichen UV gestellt, die mit der Ausübung der versicherten Tätigkeit in nur mehr einem entfernten oder in gar keinem Zusammenhang mehr stehen. In diesem Bereich der unechten UV besteht nun die Gefahr, dass den Rechtsanwendern gar nicht bewusst ist, dass es sich im vorliegenden Fall um einen unter Versicherungsschutz stehenden Arbeitsunfall handelt und dass somit die haftungsmäßige Privilegierung gewisser Beteiligter gegeben sein kann. Die Autorin hat richtig erkannt, dass die Beantwortung der gestellten Forschungsfrage voraussetzt, dass man sich mit den Tatbeständen der unechten UV iSd SGB VII auseinandersetzt. Der erste Teil des Buches besteht daher aus der umfassenden und intensiven Auseinandersetzung mit den bestimmten Tatbeständen der unechten UV. Allein schon dieser Bereich stellt aufgrund der ausführlichen Einarbeitung der entsprechenden Judikatur eine wertvolle systematische Aufarbeitung der entsprechenden Versicherungstatbestände dar. Die Ausführungen von Svenja Fries beschränkten sich hier nicht nur auf ein bloßes Aufzählen der Tatbestände, sondern unter Aufarbeitung der entsprechenden Judikatur wird auch bei jedem Tatbestand auf den Umfang des Versicherungsschutzes eingegangen. Aus diesem Grund stellt bereits der erste Teil des Buches für den Praktiker oder den wissenschaftlich Interessierten eine systematisch aufgearbeitete Fundgrube dar.

Im zweiten Teil wird zuerst auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung eingegangen. Hier wird iS einer systemkonformen Vorgangsweise versucht, die Rsp des Bundesverfassungsgerichtes zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung in der echten UV auch auf die Tatbestände der unechten UV umzulegen. Es findet sich daher in diesem Teil nicht nur die Rsp des Bundesverfassungsgerichtes zu dieser Frage, sondern die Autorin legt überzeugend dar, warum diese Grundaussagen der Rsp auch auf den Bereich der unechten UV anzuwenden sind.

Der weitere Teil des Kapitels zwei beschäftigt sich dann mit Spezifika des deutschen SGB VII. Die Begründung für die Haftungsprivilegierung bestimmter Personen nach Arbeitsunfällen ist in Deutschland wie in Österreich in der Finanzierung der gesetzlichen UV und im Prinzip der Erhaltung des Betriebsfriedens zu sehen. Das konkrete Thema ist nach den Bestimmungen des SGB VII aber insofern heterogener zu diskutieren, da hier ein wesentlich erweiterter Personenkreis in den Genuss dieser Privilegierung kommt (Unternehmer und andere im Betrieb beschäftigte Personen). Nach § 333 ASVG können Geschädigte nach Arbeitsunfällen gegen den DG und die Aufseher im Betrieb Schadenersatzansprüche nur dann durchsetzen, wenn diese den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht haben. Gleichgestellte DN sind von der Haftungsprivilegierung des ASVG bei Ansprüchen von Kollegen nicht umfasst. Lediglich die beteiligten Sozialversicherungsträger müssen für einen Regressanspruch sowohl gegen den DG (und Aufseher im Betrieb) als auch gegen einen gleichgestellten Kollegen immer mindestens das Vorliegen grober Fahrlässigkeit nachweisen.

Für den Bereich der unechten UV muss daher in einem ersten Schritt untersucht werden, wer als Unternehmer iSd § 104 Abs 1 Satz 1 SGB VII zu werten ist. Die entsprechenden wissenschaftlich fundierten Überlegungen der Autorin überzeugen hier absolut. Es wäre auch nicht uninteressant, derartige Überlegungen für das österreichische Recht anzustellen, da auch die Anwendbarkeit des § 333 Abs 1 ASVG auf „Auch“-Arbeitsunfälle iSd § 175 Abs 2 und 3 ASVG sowie vielmehr auch auf die den Arbeitsunfällen gleichgestellten Unfällen iSd § 176 ASVG interessante Ergebnisse liefern könnte. Für eine derartige Betrachtung würde die vorliegende Arbeit eine nicht unwesentliche Grundlage bilden können.

Die weiteren Ausführungen hinsichtlich der Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen sind dogmatisch interessant, hier fehlt aber der Bezug zur österreichischen Rechtsordnung, da nach den Bestimmungen des ASVG die Haftungsprivilegierung bei Direktansprüchen des Geschädigten nur gegenüber dem DG oder den Aufsehern im Betrieb besteht. Insofern ist der Grundsatz des Betriebsfriedens in Österreich nicht so umfassend wie in Deutschland verinnerlicht und es überwiegt zur dogmatischen Begründung der Haftungsprivilegierung offensichtlich das Argument der Finanzierung der gesetzlichen UV.

Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass einerseits die systematische Aufarbeitung der Versicherungstatbestände der unechten UV durchaus aufgrund der Ähn474lichkeit mancher Tatbestände mit den „Auch“-Arbeitsunfällen oder den, den Arbeitsunfällen gleichgestellten Unfällen nach den Bestimmungen des ASVG auch für das österreichische Recht Relevanz besitzt. Hier kann durchaus von der akribischen Literaturrecherche und der Behandlung auch kontroversieller Meinungen in der Lehre und Rsp im vorliegenden Werk profitiert werden. Der Teil der Haftungsbeschränkung der Unternehmer sollte durchaus als Anlass genommen werden, sich mit der Haftungsprivilegierung der DG iSd § 333 ASVG für bestimmte Versicherungstatbestände auseinanderzusetzen. Für eine derartige Auseinandersetzung würde die vorliegende Arbeit eine wesentliche Grundlage bilden.

Der praktische Wert dieser Dissertation geht daher über den nach dem Titel zu vermutenden Umfang hinaus.