Zum Gedenken an Rudolf Machacek

RUDOLFMÜLLER (WIEN/SALZBURG)

In Fünfjahresabständen war Rudolf Machacek im Heft Nr 6 von „Das Recht der Arbeit“ Gegenstand von Laudationes aus Anlass von seinen runden und halbrunden Geburtstagen jeweils am 27.12. (vgl

zum 60., zuletzt DRdA 2007, 525zum 80. Geburtstag). Der traurige Zufall will es, dass wir uns im Heft Nr 6 des Jahres 2014 von ihm verabschieden müssen, nachdem uns die Nachricht erreicht hat, dass Prof. Hofrat Dr. Rudolf Machacek, langjähriges Mitglied des wissenschaftlichen Beirates von DRdA, am 6.10.2014 im 87. Lebensjahr verstorben ist.

Geboren am 27.12.1927 verbrachte er seine frühe Kindheit in einer Zeit schwerer gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen. Er erlebte die Bürgerkriegstage des Jahres 1934 als Volksschüler und seine Gymnasialzeit war von der Katastrophe des 2. Weltkrieges nicht nur überschattet, sondern auch unterbrochen: er wurde mit 16 Jahren Luftwaffenhelfer, wurde auch zum Reichsarbeitsdienst und schließlich zur deutschen Wehrmacht eingezogen. Nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft folgten Reifeprüfung 1946, Promotion zum Doktor der Rechte 1950 und 1957 die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte in Wien. Er übte den Beruf des Rechtsanwaltes bis 1993 aus.

1971 wurde Rudolf MachacekMitglied des Verfassungsgerichtshofes, dem er durch 26 Jahre angehört hat. Nach seinem altersbedingten Ausscheiden aus dem VfGH im September 1997 wurde er zum (ersten) Rechtsschutzbeauftragten für besondere Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität im BM für Justiz ernannt. Er hat diese Funktion bis 2003 (danach als stv Rechtsschutzbeauftragter) ausgeübt und dieses damals völlig neu geschaffene Amt eines präventiven Grundrechtsschutzes richtungsweisend geprägt. Auf seine Initiative hin fand im Jahr 2003 der vom BM für Inneres organisierte erste Rechtsschutztag statt, der seither zur regelmäßigen Einrichtung geworden ist.

Diese dürren Eckdaten einer schon für sich einzigartigen beruflichen Laufbahn würden Rudolf Machacek aber bei Weitem nicht gerecht, ließe man sein politisches und zivilgesellschaftliches Engagement unerwähnt. Seit den Sechzigerjahren war er in Arbeitsgruppen der Sozialdemokratischen Partei mit Rechtsreformen im Kreis um Christian Broda maßgeblich beteiligt, ua auch Mitverfasser des Justizprogramms der SPÖ, welches später eine Grundlage für zahlreiche Rechtsreformen bildete, wie für die Schaffung der Volksanwaltschaft, des Datenschutzgesetzes, der großen Verfahrenshilfereform 1974 und der damit verbundenen Reform der anwaltlichen Berufsausbildung und – nicht zuletzt – einer Erweiterung der Kompetenzen des VfGH um die Individualbeschwerde. Auch das Projekt der Sozialgerichtsbarkeit hat er durch Jahrzehnte bis zur letztendlichen Verwirklichung am 1.1.1987 publizistisch begleitet.* Er gehörte der Kommission zur Kodifikation des Arbeitsrechtes und anderen Reformkommissionen, wie zB jener zur Reform des Strafverfahrensrechtes an. Er war einige Jahre hindurch bis 1984 Vorsitzender des Vorstandes des Vereins für Bewährungshilfe und soziale Arbeit (heute: NEUSTART), war aber auch Mitbegründer von Amnesty International Österreich und der Opferhilfeorganisation „Weißer Ring“. Nach der Wende 1990 war es Rudolf Machacek, der in den jungen Demokratien des ehemaligen „Ostblocks“ unterwegs war und bei der Einrichtung von Verfassungsgerichten mit Rat und Tat sowohl beratend als auch als Vortragender zur Verfügung stand.

Von seinen zahlreichen anderen Engagements seien nur drei besonders hervorgehoben: Auf seine Initiative hin wurde als österreichische Sektion der Internationalen Juristenkommission (IJK) die Österreichische Juristenkommission (ÖJK) gegründet, deren Generalsekretär er von 1963 bis 1991 war, um dann ihr Vizepräsident und schließlich von 1996 bis 2000 ihr Präsident zu werden. Seine organisatorischen Leistungen und seine Referate bei den Tagungen der ÖJK sind legendär.* Im Juni 2000 wurde er lebhaft akklamiert zum Ehrenpräsidenten der ÖJK auf Lebenszeit ernannt. Am 23.4.2013 konnte er noch zu aller Freude an der festlichen Veranstaltung zur 50. Wiederkehr der Gründung der ÖJK im Gebäude des VfGH teilnehmen. Die IJK würdigte das Wirken von Rudolf Machacek durch seine Wahl zu ihrem Mitglied, wobei er von 1981 bis 1988 auch dem Exekutivkomitee der IJK angehörte und seit 1989 ihr Ehrenmitglied war.

Rudolf Machacek war aber auch Mitbegründer und von 1989 bis 1997 durch (die maximal möglichen) zwei Funktionsperioden Mitglied des von der parlamentarischen Versammlung des Europarates eingesetzten Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT). Nach dem Zeugnis des Generalsekretärs des Europarates spielte er aufgrund seiner profunden Kenntnisse, aber auch als guter „Teamplayer“ in den ersten schwierigen Jahren dieses Gremiums eine Schlüsselrolle.*Rudolf Machacek hat in dieser Funktion Maßstäbe gesetzt; er war viele Tage und Wochen mit der Untersuchung der Haftbedingungen in so manchen berüchtigten Gefängnissen beschäftigt.*

Und schließlich war Rudolf Machacek 1965 Mitbegründer und langjähriges Vorstandsmitglied der „Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht“617 als nationale Vereinigung der „Internationalen Gesellschaft für das Recht der Arbeit und der sozialen Sicherheit“ in Genf.

Die Republik Österreich und die Bundeshauptstadt Wien haben Rudolf Machacek für sein Lebenswerk mit höchsten Orden und Auszeichnungen, ua mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse, gewürdigt. Er war ein höchst lebendiger „Watchdog der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte“, wie man stellvertretend für die Organisationen, für die er tätig war, sagen kann, und er hat sein Wissen auf dem Gebiet der Grund- und Menschenrechte in zahlreichen Vorlesungen an der Kepler-Universität Linz an Studenten weitergegeben, wofür ihm 1994 von dieser Universität die Lehrbefugnis als Honorarprofessor verliehen wurde. Sein literarisches Oevre umfasst nicht weniger als 160 Aufsätze und Rezensionen von 1952 bis 2007, zu denen in den letzten Jahren noch so mancher Beitrag hinzukam.* Zum 80. Geburtstag wurde ihm gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Franz Matscher eine umfangreiche Festschrift gewidmet, eine seltene Ehre für außeruniversitäre Wissenschafter. Unter seinen zahlreichen literarischen Leistungen wären das von ihm gemeinsam mit Willbald Pahr und Gerhard Stadler herausgegebene Handbuch „Grund- und Menschenrechte in Österreich“ und der von ihm begründete Leitfaden „Verfahren vor dem VfGH und vor dem VwGH“ hervorzuheben. Zahlreiche seiner rechtsdogmatischen und rechtspolitischen Beiträge erschienen in dieser Zeitschrift.*

Das Wirken und das Lebenswerk Rudolf Machaceks ist – wie allein diese aus Raumgründen bloß oberflächliche Darstellung zeigt – in seiner Vielfalt, aber auch in der Bedeutung der zahlreichen Initialzündungen, die von ihm ausgegangen sind, nicht wirklich ganz zu fassen. Zentrales Thema seines Wirkens im In- und Ausland war die von ihm durchaus global eingeforderte Durchsetzung der Grund- und Freiheitsrechte, die stete Arbeit für die Menschen und für ein Leben in Frieden und Freiheit, frei von Folter und erniedrigender Behandlung. Man hat ihn immer auf Seiten der Schwachen unserer Gesellschaft gefunden. Und – wie es Cerny/Strasser/Floretta aus Anlass seines 70. Geburtstages in

, so treffend formulierten:

„Mit unheimlichem Gespür findet er Aufgaben, denen sich andere versagen oder entziehen, macht sich ohne Rücksicht auf die eigene Person und unter Hintansetzung berechtigter materieller Interessen an ihre Bewältigung und schafft mit erstaunlichem Geschick Einrichtungen und Organisationen, in denen dann andere die Stafette aufnehmen und weitertragen können, damit er sich neuen Aufgaben zuwenden kann.“

Es ist ein verantwortungsvolles Vermächtnis, die Fackel der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit, aber auch der intensiven Beschäftigung mit den rechtlichen und den sozialen Problemen des Arbeitslebens in seinem Sinne weiterzutragen, denn so wie er war, wird niemand mehr sein. Mit Rudolf Machacek hat uns ein großer Jurist und ein großer Österreicher nach einem wahrhaft erfüllten Leben verlassen. Wir sind stolz darauf, diese in jeder Hinsicht einzigartige Persönlichkeit über 40 Jahre lang als Autor und bis zuletzt als Mitglied des wissenschaftlichen Beirates in unseren Reihen bei DRdA gewusst zu haben. Wir werden Rudolf Machacek stets ein ehrendes Angedenken bewahren. Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt seinen Familienangehörigen.