von der EheFrauenquoten in Gewerkschaften

Duncker & Humboldt Verlag, Berlin 2013, 147 Seiten, € 79,90

MICHAELAFISCHER (SALZBURG)

Bei dem Werk handelt es sich um eine an der Ludwig- Maximilians-Universität München approbierte Dissertation. Frauenquoten sind generell ein Thema, das sehr kontrovers diskutiert wird. Sie dienen der Frauenförderung und streben eine Gleichstellung zwischen Mann und Frau in verschiedensten Bereichen an. Die Diskussion fällt oft unsachlich und polemisch aus, man denke nur an den Begriff „Quotenfrau“, der mit fast jeder Quotendiskussion einhergeht. Medial präsent sind momentan gesetzliche Frauenquoten in Aufsichtsräten. Kritisch betrachtet wird hierbei vor allem der damit zusammenhängende Eingriff in die Privatautonomie. Das Thema der vorliegenden Monographie „Frauenquoten in Gewerkschaften“ wird in der Öffentlichkeit nicht so breit diskutiert. Dies mag daran liegen, dass es hier keine gesetzlichen Quotenvorgaben gibt, sondern diese freiwilliger Natur sind, als sie sich von den Gewerkschaften selbst satzungsmäßig auferlegt werden.

Die vorliegende Arbeit umfasst drei große Kapitel, in denen Moritz Lennart von der Ehe die Zulässigkeit von Frauenquoten aus verschiedenen Blickwinkeln überprüft. Diese sind einerseits die Koalitionsfreiheit, andererseits das Vereinsrecht und schließlich die Tariffähigkeit.

Anfänglich führt von der Ehe einige Beispiele für Frauenquoten in Satzungen deutscher Gewerkschaften (IG-Bau, EVG, IG-Metall, ver.di) an, die sowohl rein freiwilliger Natur sein können, indem Frauen mitberücksichtigt werden sollen (relativ unverbindliche Quoten) oder auch zwingend ausgestaltet, indem verpflichtend sichergestellt wird, dass Frauen entsprechend der Anzahl weiblicher Mitglieder anteilsmäßig berücksichtigt werden (relativ verbindliche Quoten). Denkbar ist weiters eine starre Mindestquote oder eine paritätische Besetzung der Gremien. Auch die Statuten des ÖGB enthalten eine relativ verbindliche Frauenquote, die vorsieht, dass der Frauenanteil in den Gremien aliquot mindestens der weiblichen Mitgliederzahl entspricht. Grund für die Einführung der Frauenquoten war laut von der Ehe, dass eine statistische Unterrepräsentation weiblicher Mitglieder durch sie kompensiert werden sollte. Statistisch mitberücksichtigt werden müsse in diesem Zusammenhang aber, neben dem Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung, die Erwerbsquote von Frauen, die niedriger ist als die der Männer und die Aus-, Weiterbildungs- und Beschäftigungssituation der Frauen. Interessant ist von der Ehes Berechnung, dass Frauen, zieht man ihren Anteil an der Gesamtbevölkerung heran, in sechs der acht Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) unterrepräsentiert sind und auch bei der Besetzung von Spitzenämtern nach seinem Befund wohl weniger Einfluss als Männer haben.

Im Kapitel „Frauenquoten und Koalitionsfreiheit“ untersucht von der Ehe die satzungsmäßigen Quotenregelungen der Gewerkschaften im Hinblick auf die in Art 9 Abs 3 Satz 1 GG normierte Koalitionsfreiheit. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Koalitionsfreiheit den Mitgliedern der Koalition die privatautonome Organisation ihres Verbandes ermöglicht und somit eine Frauenquote grundsätzlich erlaubt ist, so sie auf der freien Entscheidung der Mitglieder beruht.

Im nächsten Kapitel widmet sich von der Ehe Frauenquoten im Hinblick auf das BGB-Vereinsrecht. Er kommt zu dem Zwischenergebnis, dass dadurch, dass es sich bei dem Beitritt zu und dem Verbleiben in einem Verein um eine individuelle und privatautonome Entscheidung handelt, Ungleichbehandlungen in Vereinssatzungen insofern legitimiert sind. Bei Gewerkschaften handelt es sich um Vereine mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen und sozialen Bereich. Sie sind die einzige Möglichkeit der Gewerkschaftsmitglieder, ihre positive Koalitionsfreiheit zu betätigen und weitere Leistungen, wie etwa die Tarifbindung, zu erhalten. Diese sind also insofern auf die Mitgliedschaft angewiesen. Daher sind Satzungen der Gewerkschaften einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB unterzogen. Eine Frauenquote wäre demnach am Grundsatz von Treu und Glauben zu messen und in weiterer Folge aufgrund des vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes rechtfertigungsbedürftig. In weiterer Folge begibt sich von der Ehe auf die Suche nach Rechtfertigungsgründen. Er untersucht hier detailliert das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und prüft, ob eine Rechtfertigung nach § 5 AGG gegeben sein könnte, indem nachgewiesen wird, dass die Frauenquote dazu dient, einen bestehenden Nachteil der Frauen zu beseitigen. Ein interessanter Aspekt, der hier beleuchtet wird, ist der der Aussagekraft des Statistikbeweises im Zusammenhang mit der Beweisbarkeit eines bestehenden Nachteils von Frauen. Leicht fällt etwa ein horizontaler Vergleich, der feststellt, ob Männer und Frauen in gleichen Positionen gleich entlohnt werden. Bei vertikalen Vergleichen fällt dies schwerer. Sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert, kann dies für eine diskriminierende Auswahlentscheidung sprechen oder aber auch am Leistungsprinzip liegen. Eine zahlenmäßige Unterrepräsentation von Frauen in Gewerkschaftsgremien spricht eher für eine Benachteiligung, weil hier prinzipiell jedes Mitglied wählbar und für jede Funktion formal gleich geeignet ist, aber auch hier kann das Leistungsprinzip zu einer Überrepräsentierung von Männern führen. Von der Ehe führt weiters ins Treffen, dass die strukturelle Benachteiligung von Frauen in der Gesellschaft ohne größeren Begründungsaufwand als gegeben hingenommen wird und eine echte Analyse konkreter Nachteile nicht erfolgt. Dadurch würden aber nur die Symptome des Nachteils, nicht aber die Ursachen, behandelt.

Anschließend führt von der Ehe eine detaillierte Verhältnismäßigkeitsprüfung durch und kommt zu dem Ergebnis, dass relativ verbindliche Frauenquoten als gelindestes Mittel erforderlich und auch angemessen und somit nach Maßgabe des AGG in weitem Umfang zulässig sind. Er befasst sich hier auch mit dem Argument, dass eine Frauenquote nicht notwendig sei, weil Männer die Interessen beider Geschlechter wahrnehmen könnten. Dies sei aber, genauso wie das Gegenteil, nicht feststellbar. Es komme darauf an, zum Ausgleich eines Nachteils, den Beteiligten selbst die Entscheidung über ihre Partizipation zuzugestehen.621

Im letzten Kapitel untersucht von der Ehe, ob Frauenquoten mit den Anforderungen an die Tariffähigkeit vereinbar sind. Bei der Organisation der Gewerkschaften kommt es vor allem darauf an, dass das Handeln des Kollektivs auf den Willen des Einzelnen zurückzuführen ist. Weil das einzelne Mitglied auf seine Mitgliedschaft angewiesen ist, ist eine Gleichbehandlung der Mitglieder und ein Höchstmaß an Einflussnahme auf die innergewerkschaftliche Willensbildung notwendig. Eine Quotenregelung ist dann problematisch, wenn sie sich auf die Tarifwillensbildung des Verbandes auswirkt und keine gleiche Teilhabe der Mitglieder stattfindet. Von der Ehe schlägt daher vor, eine Trennung von Verbandstätigkeit und Tarifnormsetzung vorzunehmen.

Es gibt vieles, das für und gegen Frauenquoten spricht. Als Argument gegen eine Frauenquote führt von der Ehe an, dass eine Quote, die als Kompensation eines Nachteils eingeführt wurde, als ungerechtfertigter Vorteil angesehen werden kann, der der Akzeptanz von Frauen schade. Er stellt auch die Frage, ob sich Frauen nicht aus eigener Kraft von den bestehenden Nachteilen befreien können.

Das vorliegende Werk überzeugt durch seine sachliche und objektive Untersuchung von Frauenquoten in Gewerkschaften, frei von jeder Polemik. Es ist somit eine interessante Lektüre – sowohl für BefürworterInnen als auch GegnerInnen der Frauenquote. Das Buch ist klar und verständlich geschrieben. Es liefert eine genaue Übersicht der Rechtsgebiete, die mit Frauenquoten im Zusammenhang stehen und eine detaillierte und nachvollziehbare Untersuchung der Zulässigkeit.