MulleWhistleblowing & Arbeitsrecht – Ein Leitfaden für ArbeitnehmerInnen und Belegschaftsorgane

Verlag des ÖGB, Wien 2013, 144 Seiten, € 29,90

JOHANNANADERHIRN (LINZ)

Das vorliegende Buch widmet sich dem hochaktuellen und seit geraumer Zeit viel diskutierten Thema Whistleblowing im Arbeitsrecht. Zutreffend weist Alexander Mulle zunächst darauf hin, dass die Rechtsstellung des Whistleblowers in der österreichischen Gesetzgebung noch nicht gefestigt ist, was zu einer zusätzlichen Erschwerung seiner Situation führt. In seinen Ausführungen zu den verschiedenen Begriffen rund um das Phänomen Whistleblowing (internes/externes Whistleblowing, persönliches/unpersönliches Whistleblowing, namentliches/ anonymes Whistleblowing) tritt der Autor dafür ein, als deutsche Übersetzung nicht „verpfeifen“ heranzuziehen, da dieses Wort aufgrund seines negativen Beigeschmacks den Motiven von Whistleblowern in der Regel nicht gerecht werde. Die Wörter „Hinweisgeber“ oder „Alarm schlagen“ seien sachgerechter.

Nach einer kurzen Schilderung eines Whistleblowing- Falles in der Europäischen Kommission widmet sich der Autor im Detail dem brisanten Thema des Whistleblowing durch den AN. Whistleblowing durch den AN steht immer im Spannungsverhältnis mit seiner Treuepflicht und hier speziell mit der Verschwiegenheitspflicht. Andererseits trifft natürlich den AG auch eine Fürsorgepflicht, welche vor allem dann bedeutsam werden kann, wenn ein AN als Folge seines Aufdeckens von Missständen Mobbing durch Arbeitskollegen ausgesetzt ist.

Ein sehr wichtiger Teil des Buches ist die Analyse ausgewählter Entscheidungen des OGH, die für die rechtliche Handhabung des Phänomens Whistleblowing hilfreich sein können. Dies erfolgt in der Weise, dass zunächst der Sachverhalt der Entscheidungen dargestellt wird, sodann die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen und des OGH. Danach wird die jeweilige Entscheidung anhand der vorhandenen Literatur näher diskutiert. So werden wichtige Fragen angesprochen, wie zB was es in der Praxis bedeutet, dass der Whistleblower möglichst schonend vorgehen muss und auch nicht leichtfertig handeln darf oder inwieweit die Motive des Whistleblowers eine Rolle spielen können, wobei diese Themen wegen ihrer Wichtigkeit vielleicht noch etwas ausführlicher behandelt hätten werden können. Auch die viel beachtete Entscheidung des EGMR zum Fall Heinisch wird dargestellt. Zum Abschluss des Kapitels fasst der Autor die Ergebnisse in übersichtlicher Weise zu Leitlinien für rechtmäßiges Whistleblowing durch den AN zusammen.

Im nächsten Kapitel behandelt Mulle kollektivarbeitsrechtliche Aspekte von Whistleblowing, so zB die Möglichkeiten einer kollektivvertraglichen oder betriebsvereinbarungsmäßigen Regelung von Whistleblowing. Breiten Raum nehmen Fragen im Zusammenhang mit Whistleblowing durch den BR ein. Dabei spielt die Verschwiegenheitspflicht von Betriebsräten eine große Rolle. Es wird ua auf die einschlägigen Befugnisse des BR eingegangen und in der Folge exemplarisch eine E des OGH betreffend die Entlassung eines Betriebsratsmitgliedes, das umfangreiche Lohn- und Gehaltsdaten einem anderen AN zeigte, analysiert.

In seiner abschließenden Beurteilung des derzeit bestehenden österreichischen Whistleblower-Schutzes kommt der Autor zum Ergebnis, dass einem Whistleblower, der deswegen gekündigt wird, bei Vorliegen der Voraussetzungen die Anfechtungsmöglichkeit nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG offen steht. Er erwähnt in diesem Zusammenhang auch zutreffend die Möglichkeit, dass eine Kündigung wegen Whistleblowing sittenwidrig sein kann. Interessant wäre allerdings noch eine Stellungnahme des Autors zur Frage gewesen, unter welchen Voraussetzungen die Kündigung eines Whistleblowers nun tatsächlich wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist, wenn nicht § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG greift. Der Autor zeigt auch im österreichischen Recht bereits bestehende Schutzvorschriften für Whistleblower auf, so zB § 53a BDG. Abschließend erfolgt eine Beurteilung der Notwendigkeit einer gesetzlichen Schutzregelung für Whistleblower in der Privatwirtschaft, wobei Mulle hier für die Schaffung einer eigenständigen Whistleblower-Schutzregelung eintritt, die sich an den bereits bestehenden Kriterien des OGH für Whistleblowing orientiert. Auch der Entwurf für eine Neuregelung des § 612a BGB könne hier Berücksichtigung finden. Eine Zusammenfassung rundet das Werk ab.

Abschließend lässt sich festhalten, dass das Buch einen guten Überblick über etliche im Zusammenhang mit Whistleblowing auftretende Fragen gibt und dadurch die Diskussionen um dieses Phänomen zu bereichern vermag.624