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Zumutbarkeit einer Beschäftigung auf dem „zweiten Arbeitsmarkt“

WALTERJ.PFEIL (SALZBURG)
§§ 9 Abs 1, 2, 3 und 7, 10, 24 und 38 AlVG
VwGH29.1.20142013/08/0265Landesgeschäftsstelle des AMS Wien18.10.20132013-0566-9-002419
  1. Auch ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes ist als zumutbare Beschäftigung anzusehen.

  2. Eine Begründungspflicht, um eine Beschäftigung auf dem „zweiten Arbeitsmarkt“ (in einem Sozialökonomischen Betrieb) zuweisen zu können, sieht das AlVG nicht vor. Es kommt auch nicht darauf an, ob eine solche Beschäftigung im Hinblick auf eine tatsächliche Wiedereingliederung in den (ersten) Arbeitsmarkt erfolgversprechend erscheint oder ob die Arbeitslose etwas „dazulernt“.

  3. Weder die Annahme einer (die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden) Teilzeitbeschäftigung noch die Befristung des Beschäftigungsverhältnisses kann – jedenfalls ohne Hinzutreten weiterer Umstände – die Unzumutbarkeit einer Beschäftigung bewirken.

Die Beschwerdeführerin (Bf) bezog seit 1995 mit Unterbrechungen Notstandshilfe und hat von 27.5. bis 18.7.2013 bei einem Sozialökonomischen Betrieb iSd § 9 Abs 7 AlVG an einer Maßnahme teilgenommen. Dort hat sie angegeben, als Schweißerin arbeiten zu wollen, ihr ist jedoch am 18.7.2013 eine Beschäftigung als Transitarbeitskraft zugewiesen worden. Sie hat dieses Dienstverhältnis abgelehnt und dazu ua angegeben, dass sie bereits „über einen Lebenslauf“ verfüge und den Dienstvertrag nicht unterschreiben wolle, weil es sich um eine befristete Teilzeitarbeit handle, die keine berufliche Fortbildung beinhalte. Die Beschreibung des Dienstverhältnisses gleiche eher einem „Beschäftigungsprogramm“ und widerspreche qualitativen, langfristigen und nachhaltigen Berufsaussichten.

Die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) hat darin eine Weigerung bzw Vereitelung der Annahme einer zumutbaren Beschäftigung gesehen und deshalb ausgesprochen, dass die Bf mindestens für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen den Anspruch verliert.563

Gegen diesen Bescheid richtete sich die Beschwerde, die der VwGH aber als unbegründet abgewiesen und darüber – nach Anführung der maßgebenden Bestimmungen – erwogen hat:

1. [...]

Gem § 24 Abs 1 erster Halbsatz AlVG ist dann, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, dieses einzustellen. Die genannten Bestimmungen sind gem § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden. Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der AlV in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, dh bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl zB das hrsg Erk vom 19.9.2007, 2006/08/0157, mwN).

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des AMS vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern.

Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen – abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen – somit auf zwei Wegen verschuldet [...] werden:

Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen DG von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichtemacht.

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung iSd § 10 Abs 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl das hrsg Erk vom 25.10.2006, 2005/08/0049, uva).

Wenn ein Arbeitsloser eine zumutbare Beschäftigung iSd § 9 AlVG nicht annimmt bzw die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, so führt dies gem § 10 AlVG zum temporären Verlust des Arbeitslosengeldes bzw der Notstandshilfe. Voraussetzung für die Einstellung der Notstandshilfe mangels Arbeitswilligkeit gem § 24 Abs 1 iVm § 38 AlVG ist jedoch im hier gegebenen Zusammenhang die generelle Ablehnung der Annahme einer zumutbaren, die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung (vgl das hrsg Erk vom 26.5.2000, 2000/02/0013).

2.1. Die Bf bringt vor, sie habe den Dienstvertrag abgelehnt, weil es sich um Teilzeitarbeit als „Überlassungskraft“ ohne berufliche Spezifikation gehandelt habe. Die Beschreibung des Dienstverhältnisses komme „eher einem ‚Beschäftigungsprogramm‘ – selbständige Arbeitsplatzsuche mit eventuellen (unbezahlten) Praktika in Firmen – als einem Dienstverhältnis“gleich. Die zugewiesene Tätigkeit erfülle nicht den Tatbestand der „Beschäftigung“. Es handle sich nicht um eine Arbeitsmöglichkeit „einer am Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden, zumutbaren, versicherungspflichtigen Beschäftigung“. Angesichts der von der Bf im Schreiben vom 10.7.2013 dargelegten Gesichtspunkte sei „ernsthaft zu bezweifeln, ob bei dem mir angebotenen Arbeitsplatz das Erfordernis einer ‚Beschäftigung‘ iSd § 10 Abs 1 Z 1 AlVG tatsächlich erfüllt ist“. Sie würde bei dieser Betätigung nichts dazulernen, was sie nicht ohnehin bereits könne. Anstatt ihr in ihrem erlernten und jahrelang ausgeübten Beruf entsprechende Fortbildungskurse anzubieten, würde sie einem „Beschäftigungsprogramm“ unterworfen, welches nicht geeignet sei, ihre Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt zu fördern.

2.2. Die Bf bestreitet nicht, dass sie seit dem 4.9.1995 mit Unterbrechungen Notstandshilfe bezieht, dass es sich bei der Einrichtung [...] um einen iSd § 9 Abs 1 AlVG vom AMS beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister handelt und dass ihr von diesem am 18.7.2013 eine Beschäftigung als Transitarbeitskraft zugewiesen wurde. Der Gesetzgeber hat durch die mit BGBl I 104/2007(mit Wirkung vom 1.1.2008) angefügte Zumutbarkeitsregelung im § 9 Abs 7 AlVG ausdrücklich auch „ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienenden Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP)“als (zumutbare) Beschäftigung angesehen. Ein Verhalten iSv § 10 Abs 1 AlVG im Hinblick auf einen Sozialökonomischen Betrieb kann daher zum Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe führen.

Eine Begründungspflicht, um eine Beschäftigung auf dem „zweiten Arbeitsmarkt“ (in einem Sozialökonomischen Betrieb) zuweisen zu können, sieht das Gesetz nicht vor. Als Notstandshilfebezieherin war die Bf verpflichtet, jede zumutbare Beschäftigung – auch eine solche iSd § 9 Abs 7 AlVG – anzunehmen, um möglichst rasch wieder aus dem Leistungsbezug auszuscheiden. Darauf, ob eine solche Beschäftigung im Hinblick auf eine tatsächliche Wiedereingliederung in564 den (ersten) Arbeitsmarkt erfolgversprechend erscheint oder ob die Bf etwas „dazulernt“, kommt es nicht an (vgl das hrsg Erk vom 8.10.2013, 2012/08/0197).

Ein Recht des Arbeitslosen zur sanktionslosen Ablehnung einer zumutbaren Beschäftigung wegen ihres zeitlichen Ausmaßes ist dem Gesetz ebenso wenig entnehmbar, wie eine Differenzierung danach, ob der Arbeitslose in der Vergangenheit Ganztags- oder Teilzeitbeschäftigungen ausgeübt hat. Ein Arbeitsloser muss daher (auch) zur Annahme einer (die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden und Arbeitslosigkeit daher ausschließenden) Teilzeitbeschäftigung bereit sein, um das Erfordernis der Arbeitswilligkeit zu erfüllen (vgl das hrsg Erk vom 16.2.1999, 96/08/0012). Auch eine Befristung des Beschäftigungsverhältnisses kann jedenfalls ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine Unzumutbarkeit der Beschäftigung iSd § 9 AlVG bewirken (vgl die hrsg Erkenntnisse vom 19.10.2011, 2010/08/0206, und vom 12.9.2012, 2009/08/0247).

3. Schließlich ist der Beschwerde, die diesbezüglich lediglich nochmals auf das angebliche Vorliegen der Unzumutbarkeit verweist, keine Anhaltspunkte für das Vorliegen der geltend gemachten berücksichtigungswürdigen Umstände iSd § 10 Abs 3 AlVG erkennen.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gem § 35 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Anmerkung
1.
Ausgangspunkt: Beschäftigungen am zweiten Arbeitsmarkt sind grundsätzlich zumutbar

Beim vorliegenden Erk handelt es sich wohl um eine der letzten Entscheidungen, in der es zu einer unmittelbaren Überprüfung eines Berufungsbescheides einer AMS-Landesgeschäftsstelle durch den VwGH kommt. Für später erlassene Bescheide sieht § 3 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGBk-ÜG, BGBl I 2013/33) bereits eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts vor, wie sie im Dauerrecht des § 56 AlVG geregelt ist. Im gegebenen Zusammenhang sollen freilich weder verfahrensrechtliche Fragen im Vordergrund stehen noch die Aussagen des VwGH zu den beiden Haupttatbeständen des § 10 Abs 1 AlVG (Weigerung bzw Vereitelung). Wesentlich mehr Interesse verdienen nämlich die Ausführungen zur Zumutbarkeit von Beschäftigungen auf dem sogenannten „Zweiten Arbeitsmarkt“, insb in Sozialökonomischen Betrieben (SÖB) und Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten (GBP).

Dass diese dem allgemeinen Zumutbarkeitsregime des AlVG zu unterstellen sind, hat der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl I 2007/104klar zum Ausdruck gebracht. Der damals im (nach § 38 auch für die Notstandshilfe maßgebenden) § 9 angefügte Abs 7 war aber mehr als eine Klarstellung (wie die ErläutRV 298 BlgNR 23. GP 9 vermitteln möchten), hatte der VwGH doch die Zumutbarkeit bzw die Sanktionierbarkeit einer Weigerung/Vereitelung einer solchen Beschäftigung vorher regelmäßig verneint (vgl nur VwGH2003/08/0262ÖJZ 2005/266A, bzw Pfeil, AlVG [Loseblatt, zuletzt 15. ErgLfg, 2014] §§ 9-11 Erl 3.7.). Diese ablehnende Position konnte daher nicht mehr aufrechterhalten werden (vgl Leitsatz 1).

Die Gründe für diese ursprünglichen Bedenken sind allerdings nicht völlig ausgeräumt. Der VwGH bemängelte vor allem die Vermischung von Elementen einer (regulären) Beschäftigung und einer (bloßen) Wiedereingliederungsmaßnahme (vgl die Nachweise bei Schrattbauer, Transitbeschäftigung, Wiedereingliederungsmaßnahme, Arbeitserprobung, in

Aschauer/Kohlbacher
[Hrsg], Jahrbuch Sozialversicherungsrecht 2013, insb 132 f). Dem soll nach § 9 Abs 7 AlVG offenbar vor allem dadurch gegengesteuert werden, dass eigene Qualitätsstandards für SÖB und GBP definiert werden (vgl die derzeit maßgebenden BundesrichtlinienBGS/AMF/0722/9965/2013 bzw BGS/AMF/0722/9964/2013, jeweils abrufbar unter http://www.ams.at/21701; dazu unten 3.). Weiters wird verlangt, dass die „arbeitsrechtlichen Vorschriften“ eingehalten werden sowie dass die allgemeinen Zumutbarkeitskriterien insb des § 9 Abs 2 AlVG vorliegen (arg „unbeschadet der erforderlichen Beurteilung der Zumutbarkeit im Einzelfall“). Auf diese Voraussetzungen soll in der Folge zuerst eingegangen werden.

2.
Allgemeine Anforderungen (auch) an eine solche Beschäftigung

Dass Arbeitsrecht einzuhalten ist, erscheint zunächst als Selbstverständlichkeit, nimmt doch das AlVG selbst an mehreren (und markanten) Stellen auf diesen Umstand Bezug: So wird in § 7 Abs 3 Z 1 die (objektive) Verfügbarkeit(in § 23 Abs 2 Z 1 als „Arbeitsbereitschaft“ umschrieben) nur im Hinblick auf die „auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden versicherungspflichtigen“Beschäftigungen verlangt. Diese müssen zudem zumutbarsein, was nach § 9 Abs 1 zuallererst ein „Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs 2 ASVG“ vo raus setzt. Diese Kriterien treffen auf Beschäftigungen am zweiten Arbeitsmarkt nicht per se zu: Bezieht man § 7 Abs 3 Z 1 AlVG nur auf den „regulären Arbeitsmarkt“ (wie Krapf/Keul, AlVG-Praxiskommentar [zuletzt 10. Lfg, 2014] § 9 Rz 211), bedarf es in der Tat einer Sonderbestimmung wie § 9 Abs 7, um eine Erweiterung zu bewirken. Vor allem aber ist die Qualifikation derartiger Beschäftigungen, insb in Form von „Transitarbeitsplätzen“ (die eine Vorstufe zu regulärer Beschäftigung darstellen und einen Übergang dorthin ermöglichen sollen, vgl nur Krapf/Keul, AlVG-Praxiskommentar, ebenda), umstritten und vom OGH wiederholt – wenngleich vorschnell und zu Unrecht – abgelehnt worden (dazu zuletzt Schrattbauer/Pfeil, Rechtsfragen der gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassung, DRdA 2014, insb 4 ff).

Der ausdrückliche Bezug auf ein „Arbeitsverhältnis“ und die „arbeitsrechtlichen Vorschriften“ in § 9 Abs 7 AlVG ist daher durchaus nicht überflüssig. In Zusammenschau mit den oben angeführten allgemeinen Bestimmungen ist daraus aber auch zu folgern, dass eine mit der Sanktion des § 10 Abs 1 AlVG bewehrte Zuweisung zu einer Beschäftigung in einem Sozialöko565nomischen Betrieb oder Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt nur in Betracht kommt, wenn diese die geforderten Voraussetzungen auch wirklich erfüllt (vgl noch einmal Schrattbauer/Pfeil, DRdA 2014, insb 13).

Dies war im vorliegenden Fall offenbar nicht strittig. Die Einwände der Bf richteten sich vielmehr zunächst gegen die zweifache zeitliche Begrenzung der angebotenen Beschäftigung. Im Einklang mit seiner bisherigen Judikatur hat der VwGH aber ausgesprochen, dass weder einer befristete Beschäftigung noch eine solche in Teilzeit für sich genommen unzumutbar sind (Leitsatz 3).

Im Hinblick auf Befristungenhat das Höchstgericht diese Position zwar durch die Formulierung „jedenfalls ohne Hinzutreten weiterer Umstände“ relativiert. Worin solche Umstände liegen könnten, erhellt auch der Verweis auf die Vorjudikatur nicht: Im VwGH-Erk 19.10.2011, 2010/08/0206 wird die Frage der Zumutbarkeit nicht näher erörtert, und auch in VwGH 12.9.2012, 2009/08/0247wird lediglich – und ohne nähere Begründung – betont, dass bei Befristungen nicht zu prüfen sei, ob sie branchenüblich sind. Damit wird der Einwand des dortigen Bf verworfen, dass bei der Prüfung der Zumutbarkeit auch das eingangs erwähnte Verfügbarkeitskriterium (arg § 7 Abs 3 Z 1 AlVG: „üblicherweise angebotenen ... Beschäftigung“) zu beachten sei. Obwohl der VwGH in anderen Fällen durchaus Verknüpfungen zwischen Verfügbarkeit und Zumutbarkeit hergestellt hat (besonders markant zum Spannungsverhältnis zu Kinderbetreuungspflichten 2002/08/0275 DRdA 2004, 35 [Pfeil]), ist der Auffassung, die Vermittlung auf bloß befristete Beschäftigung sei grundsätzlich zulässig, doch zu folgen. Dies muss auch im Hinblick auf befristete Beschäftigungen gelten, die möglicherweise nur zur Abdeckung kurzfristiger Arbeitsspitzen aus dem „Reservoir der Arbeitslosenversicherung“ dienen, während die „Finanzierung der ,Stehzeiten‘ auf die Versichertengemeinschaft abgewälzt wird“(vgl die wohl nur rechtspolitisch zu verstehende und insofern berechtigte Kritik bei Krapf/Keul, AlVG-Praxiskommentar § 9 Rz 212).

Der Seitenblick zur objektiven Verfügbarkeit ist auch für die Beurteilung der Zumutbarkeit von bloßen Teilzeitbeschäftigungenhilfreich. Wenn nach § 7 Abs 7 AlVG eine Bereitschaft im Ausmaß von grundsätzlich 20 (bei Kinderbetreuungspflichten ausnahmsweise 16) Wochenstunden erforderlich ist, kann nicht umgekehrt das Angebot einer Beschäftigung nur in diesem Umfang a priori unzumutbar sein. Das gilt umso mehr für Arbeitslose, die nur mehr Notstandshilfe beziehen, weil der die Zumutbarkeit von Teilzeitbeschäftigungen allenfalls einschränkende Entgeltschutz nach § 9 Abs 3 AlVG hier gerade nicht mehr gilt.

Dem VwGH ist somit auch beizupflichten, dass die diesbezügliche Untergrenze (arg § 7 Abs 3 Z 1 AlVG: „versicherungspflichtigen Beschäftigung“ bzw § 9 Abs 1: „Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs 2 ASVG“) nur von der Geringfügigkeitsgrenzebestimmt wird. Auch das ist rechtspolitisch problematisch und sozialpolitisch überaus kontraproduktiv, wenn Arbeitslose unter dem Druck des Anspruchsverlusts nach § 10 AlVG auf Beschäftigungen vermittelt werden (sollen), die kein Einkommen gewährleisten, das zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ausreicht bzw über jenem Betrag liegt, der durch Leistungen aus dem AlVG und anderer Systeme (insb die Bedarfsorientierte Mindestsicherung) lukriert werden könnte. Dieser Widerspruch könnte vielleicht aufgelöst werden, wenn das AlVG Mindesteinkommensgarantien enthielte, die über den Ergänzungsbetrag nach § 21 Abs 4 oder den „Familienrichtsatz“ nach § 36 Abs 3 lit B sublit a AlVG hinausgehen. Aber wie die Judikatur des OGH zur Invaliditätspension zeigt, die unter Berufung auf die „Lohnhälfte“ in § 255 Abs 3 ASVG auch die Verweisung auf Teilzeitbeschäftigungen mit Einkünften unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz zulässt (kritisch dazu Pfeil, Deckung von Grundbedürfnissen in Österreich, in

Tomandl/Schrammel
[Hrsg], Sicherung von Grundbedürfnissen [2007] insb 101 ff), ist selbst die Wirkung von im betreffenden System integrierten Mindestsicherungselementen begrenzt.

3.
Besondere Zumutbarkeitsanforderungen für Beschäftigungen in einem Sozialökonomischen Betrieb/Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt

Umso mehr sollte daher das Augenmerk auf die spezifischen Voraussetzungen gerichtet werden, die in § 9 Abs 7 AlVG normiert sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man in der – insoweit notwendigerweise befristeten – Beschäftigung in einem Sozialökonomischen Betrieb/Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt mehr sieht als eine Maßnahme, um (idR Langzeit-)Arbeitslose aus der Arbeitslosenstatistik zu verschieben. Gerade für Personen, die besonderer Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bedürfen, sollte daher ein etwas strengerer Maßstab angelegt werden.

Das hat der VwGH vor der Novelle BGBl I 2007/104noch getan, indem er insb eine besondere Begründung dafür verlangt hat, warum die Zuweisung zu einer Eingliederungsmaßnahme zumutbar sein soll (vgl nur die Nachweise bei Schrattbauer in Jahrbuch Sozialversicherungsrecht 2013, 131 f). Eine solche Begründungspflichtist angesichts der durch § 9 Abs 7 AlVG vorgenommenen ausdrücklichen „Gleichstellung“ von Beschäftigungen im Zweiten Arbeitsmarkt – anders als bei Maßnahmen nach Abs 8 dieser Bestimmung (ausführlich dazu Krapf/Keul, AlVG-Praxiskommentar § 9 Rz 220) – nicht mehr erforderlich (so bereits VwGH 8.10.2013, 2012/08/0197). Der erste Teil in Leitsatz 2kann daher höchstens rechtspolitisch problematisiert werden.

Mit dem zweiten Teil, der ebenfalls bereits im Erk 2012/08/0197 enthaltenen Feststellung, dass es nicht darauf ankomme, ob eine solche Beschäftigung im Hinblick auf eine tatsächliche Wiedereingliederung in den (ersten) Arbeitsmarkt erfolgversprechend erscheint oder ob die Bf etwas „dazulernt“, schießt der VwGH aber möglicherweise über das Ziel hinaus. Das Höchstgericht blendet dabei vor allem aus, dass es sich nach § 9 Abs 7 Satz 1 AlVG um ein „der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis“ handeln muss. Diese Wendung kann nun nicht bloß darauf bezogen werden, „möglichst rasch wieder aus dem Leistungsbezug auszuscheiden“ (so aber in Pkt 2.2. des vorliegenden Erk bzw Pkt 2. im566 Vor-Erk 2012/08/0197), würde das doch für jede versicherungspflichtige Beschäftigung gelten und die spezielle Regelung in § 9 Abs 7 AlVG überflüssig machen. Diese bezieht ihren Sinn vor allem aus der besonderen Zielgruppedieser Art von Arbeitsverhältnissen (auch dazu näher Schrattbauer in Jahrbuch Sozialversicherungsrecht 2013, insb 138 f), bei der es eben nicht genügt, die betreffenden Personen einfach irgendwie (wieder) in Beschäftigung zu bringen, sondern ihnen auch eine möglichst nachhaltige Perspektiveeröffnet werden sollte.

Daher reicht es bei Beschäftigungen in einem Sozialökonomischen Betrieb/Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt gerade nicht, nur die allgemeinen Zumutbarkeitskriterien (und die arbeitsrechtlichen Standards) zu prüfen. Vielmehr ist auch zu fragen, ob das konkrete Arbeitsverhältnis(und nicht der Sozialökonomische Betrieb oder das Gemeinnützige Beschäftigungsprojekt, arg § 9 Abs 1: „soweit dieses“!) den in den Richtliniendes Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandardsentspricht. Diese sind zwar zunächst „nur“ an die AMS-MitarbeiterInnen gerichtet und sollen eine einheitliche Vorgangsweise für die Gewährung von Förderungen an Sozialökonomische Betriebe gewährleisten (vgl nur Pkt 3.1 bzw 5 der Bundes-RL für die Förderung Sozialökonomischer Betriebe), durch den Verweis in § 9 Abs 7 AlVG werden sie jedoch zu einem „speziellen Zumutbarkeitskriterium“erhoben.

Das mag im konkreten Fall vielleicht nichts an der Zumutbarkeit und damit an der Berechtigung des Anspruchsverlustes der Bf ändern. Ob diese im Rahmen der angebotenen Beschäftigung etwas „dazugelernt“ hätte, kann daher in der Tat dahingestellt bleiben. Die apodiktische Aussage des Höchstgerichts, dass es auch nicht darauf ankomme, „ob eine solche Beschäftigung im Hinblick auf eine tatsächliche Wiedereingliederung in den (ersten) Arbeitsmarkt erfolgversprechend erscheint“, verkennt dagegen Wortlaut und Zweck der Bestimmung des § 9 Abs 7 AlVG. Die darauf gestützten Richtlinien machen denn auch (unter der Überschrift „Arbeitsmarktpolitische Leistungen“, vgl Pkt 6.2. der Bundes-RL für die Förderung Sozialökonomischer Betriebe samt den dazugehörigen Erläuterungen in Pkt 13.3.) deutlich, dass es nicht um die Beschäftigung gleichsam als Selbstzweck geht, sondern darum, „die Vermittlungsfähigkeit der auf Transitarbeitsplätzen beschäftigten Personen ... entscheidend zu verbessern“, daher müssen die „Maßnahmen ... im weiteren Sinne jedenfalls dem Erwerb oder der Vertiefung beruflicher Qualifikationen dienen“.

Dass diese Kriterien bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer Beschäftigung im Einzelfall und eines damit verbundenen Anspruchsverlustes nach § 10 Abs 1 AlVG ausgeblendet bleiben sollen, erscheint verfehlt. Da davon auch Rechte und Pflichten der Versicherten betroffen sind, handelt es sich bei den Richtlinien insoweit um eine (Rechts-)Verordnung, die vom VwGH (bzw in Hinkunft vor allem vom Bundesverwaltungsgericht) zu berücksichtigen ist. Bei Bedenken hinsichtlich einer ausreichenden gesetzlichen Determinierung (Art 18 B-VG) dieser Richtlinien (solche äußern bereits zu deren früherer Fassung Krapf/Keul, AlVG-Praxiskommentar § 9 Rz 211) müsste eine Überprüfung durch den VfGH angestrengt werden. Gegen einen solchen Schritt mögen dogmatische wie rechtspolitische Überlegungen sprechen. Eine behutsame Anwendung der Sanktionierung der Nichtannahme oder Vereitelung einer Beschäftigung nach § 9 Abs 7 AlVG (wie schon in meinem Kommentar, §§ 9-11 Erl 3.7. am Ende, postuliert) iS einer Berücksichtigung des besonderen Zwecksderartiger Arbeitsverhältnisse wäre aber allemal möglich, wenn nicht sogar geboten.