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Anaphylaktischer Schock nach Wespenstich: Arbeitsunfall iSd § 175 ASVG?

SUSANNEAUER-MAYER (SALZBURG)
  1. Für die Qualifikation eines Unfalls als Arbeitsunfall ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zum Unfallereignis geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat.

  2. Ein Insektenstich während der Arbeit kann einen Arbeitsunfall darstellen, wenn durch die Einwirkung eine Gesundheitsbeschädigung hervorgerufen wird, wobei der Annahme eines Arbeitsunfalls nicht entgegensteht, dass ein solcher Stich grundsätzlich jederzeit und an jedem Ort eintreten kann.

  3. Eine krankhafte Veranlagung ist im Vergleich zum Unfall nur dann alleinige oder überragende Ursache, wenn sie so leicht ansprechbar war, dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis die Schädigung zur selben Zeit ausgelöst hätte. Ein Wespenstich ist kein solches alltägliches Ereignis.

Der Vater der Kl arbeitete im Malereibetrieb der Firma G in W als Gerüster. Der Betrieb ist von Wiesen und Obstkulturen umgeben. Auf dem Betriebsgelände befindet sich ein überdachter Lagerbereich, der im hinteren Bereich geschlossen und nach vorne offen ist.

Am 26.5.2011 war der Vater der Kl im Bereich des offenen Lagers eingeteilt, bei einem Gerüst diverse Sachen herzurichten bzw ein Gerüst zusammenzustellen. Bei dieser Tätigkeit wurde er von einer Wespe gestochen. Er lief in die Werkstätte, brach dort aufgrund eines anaphylaktischen Schocks zusammen und verstarb. Dass er gegen Wespengift allergisch ist, hatte er nicht gewusst.

Es steht nicht fest, dass sich im Bereich des offenen Lagers zum Zeitpunkt des Vorfalls ein oder mehrere Wespennester befunden haben. Das Jahr 2011 war ein besonders intensives Wespenjahr.

Mit Bescheid vom 20.10.2011 lehnte die Bekl die Gewährung von Leistungen nach dem Vater der Kl ab.

Das Erstgericht wies das auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen (Waisenrente, Bestattungs567kosten) gerichtete Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, bei einem Wespenstich handle es sich um keinen Unfall [...]. Der Tod des Vaters sei auf eine rein innere Ursache, nämlich seine Allergie auf Wespengift zurückzuführen [...]. Ein besonders gefahrenerhöhendes Moment sei durch die berufliche Tätigkeit nicht eingetreten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl Folge. Es sprach mit Teilurteil aus, dass das auf Gewährung einer Waisenrente gerichtete Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht besteht [...]. Im Übrigen hob es das Urteil des Erstgerichts auf. Der Tod des Vaters der Kl sei Folge eines Arbeitsunfalls [...]. Rekurs und Revision seien zulässig, weil oberstgerichtliche Rsp zur Frage fehle, ob ein durch einen Wespenstich verursachter anaphylaktischer Schock den Unfallbegriff des § 175 ASVG erfüllen könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Bekl gegen das Urteil und ihr Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss sind [...] zulässig; sie sind aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, selbst wenn ein Wespenstich als Unfallereignis gelte, müsse in einem zweiten Schritt die medizinische Kausalität geprüft werden [...]. Von den Fällen, in denen ein schicksalhaftes inneres Leiden bestehe, das sich schneller oder langsamer verschlimmere, seien jene Fälle zu unterscheiden, in denen eine gleichbleibende innere Anlage gegeben sei. Hier komme es nicht auf das Fortschreiten der inneren Anlage an, sondern auf die Risikodichte eines auslösenden Ereignisses – entweder aus der beruflichen Welt oder aus dem privaten Bereich. Das Risiko, dem der Versicherte erlegen sei, komme medizinisch gesehen immer aus seiner persönlichen Veranlagung, auf Wespenstiche mit einem anaphylaktischen Schock zu reagieren. Diese Veranlagung verschlechtere sich nicht weiter so, dass auch ohne Wespenstich innerhalb eines Jahres mit Gesundheitsfolgen zu rechnen wäre. Das Leiden könne durch jeglichen Wespenstich – sei es während der Arbeit, sei es in der Freizeit – durch Erleiden eines anaphylaktischen Schocks zu Tage treten. Richtigerweise sei hier nicht zu fragen, ob ein solcher Wespenstich innerhalb eines Jahres eingetreten wäre oder nicht, sondern ob bei der bestehenden Veranlagung [...] ein mehr oder weniger starker beruflicher Risikokomplex bestehe. Nur wenn ein Versicherter aus beruflichen Gründen einer erhöhten Gefährdung eines Wespenstichs ausgesetzt sei, könne diese besondere Beziehung zum Erfolg, wie sie bei der medizinischen Kausalität zu fordern sei, bejaht werden [...].

Hierzu wurde erwogen:

Gem § 175 Abs 1 ASVG sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Entgegen der Ansicht der Bekl ist ein Arbeitsunfall des verstorbenen Vaters der Kl zu bejahen.

Der erkennende Senat hat in der E 10 ObS 71/04w, SSV-NF 18/81, nebenher ausgesprochen, dass ein Insektenstich während der Arbeit einen Arbeitsunfall darstellen kann, wenn durch die Einwirkung eine Gesundheitsbeschädigung hervorgerufen wird. Unter Berufung auf diese E führt Rudolf Müller in SV-System [richtig wohl: SV-Komm] § 175 ASVG Rz 41 aus, dass bei einem durch die versicherte Beschäftigung erforderlichen Aufenthalt im Freien auch an Ortsrisken durch Schlangenoder Insektenbisse während der Arbeit als Unfallgeschehen zu denken sei, sofern diese zu einer Erkrankung führen (zB anaphylaktischer Schock als Folge eines beim Arbeiten im Freien erlittenen Wespenstichs).

Unfälle iSd § 175 Abs 1 ASVG sind zeitlich begrenzte Ereignisse – eine Einwirkung von außen, ein abweichendes Verhalten, eine außergewöhnliche Belastung –, die zu einer Körperschädigung führen (stRsp RIS-Justiz RS0084348). Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Wespenstich diesen Unfallbegriff erfüllt und der Versicherte einen Unfall erlitt (vgl zum deutschen Recht zB Köhler, Unfallversicherungsschutz bei Insektenstichen, VSSR 2012, 183; Lauterbach/Schwerdtfeger, UV-SGB VII, § 8 Rz 92 mwN; Kreikebohm/Speelbrink/Watermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 8 SGB VII Rz 3 mwN; SGB VII-Komm/Krasney, § 8 Rz 15). Für diesen ist es nicht konstitutiv, dass eine Betriebsgefahr (vgl RIS-Justiz RS0084130) oder ein besonderes, ungewöhnliches Geschehen vorliegt, denn auch ein zur gewöhnlichen beruflichen Tätigkeit gehörendes Ereignis kann ein Unfall sein, sofern es nur zeitlich begrenzt ist (10 ObS 131/90, SSV-NF 4/85 = SZ 63/98; RIS-Justiz RS0084089).

Für die Qualifikation eines Unfalls als Arbeitsunfall ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten Ereignis (Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (vgl 10 ObS 134/08s, SSV-NF 22/79; 10 ObS 16/11t; 10 ObS 123/12d).

Der Annahme eines Arbeitsunfalls steht nicht entgegen, dass ein Stich durch ein Insekt grundsätzlich jederzeit und an jedem Ort eintreten kann und keinen spezifischen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit hat (Gefahr des „täglichen Lebens“ wie zB Stolpern [vgl 10 ObS 19/98m], Ausrutschen; siehe Lauterbach/Schwerdtfeger, UV-SGB VII, § 8 Rz 92 mwN; Kreikebohm/Speelbrink/Watermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 8 SGB VII Rz 3 mwN; Brandenburg, SGb 1991, 188; Köhler, Unfallversicherungsschutz bei Insektenstichen, VSSR 2012, 183, 195; Schulin, HS-V, § 30 Rz 32; Selb, ZAS 1974, 62). Dass das Erstgericht eine durch betriebsbedingte Umstände herbeigeführte Erhöhung des Risikos des Erleidens eines Wespenstichs nicht feststellen konnte, führte entgegen der Ansicht der Bekl allein nicht zur Verneinung eines Versicherungsfalls. Schließlich kann sich ein nach § 175 Abs 2 Z 1 ASVG versicherter Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeitsstätte in gleicher Weise auch auf der Fahrt des Versicherten in den Urlaub ereignen, und niemand würde deshalb den Versicherungsschutz verneinen [...].

Die Tätigkeit des Versicherten zur Zeit des Wespenstichs erfolgte im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, sodass er im Unfallzeitpunkt grundsätzlich unter Versicherungsschutz stand. Der betriebsbeding568te Anlass des Aufenthalts des Versicherten im Bereich des offenen Lagerbereichs ist nach Lage des Falls als rechtlich wesentliche Ursache anzusehen. Es wurde nämlich weder festgestellt noch behauptet, dass das Risiko eines Insektenstichs durch betriebsfremde Umstände erhöht worden war (vgl Brandenburg, SGb 1991, 188, 190), sodass dem unversicherten Lebensbereich zuzurechnende Mitursachen, die mit der Ursache aus der versicherten Tätigkeit konkurrieren und nach wertender Abwägung einer Bejahung des Versicherungsschutzes entgegenstehen könnten, nicht feststehen.

Der Unfall war auch wesentliche Ursache (vgl zB 10 ObS 45/04x, SSV-NF 18/48 mwN) des Todes des Versicherten und nicht bloße Gelegenheitsursache. Die für die primäre Gesundheitsstörung (anaphylaktischen Schock) und schließlich den Tod des Versicherten mitursächliche Allergie steht der Bejahung des Versicherungsschutzes nicht entgegen. Eine krankhafte Veranlagung ist nämlich im Vergleich zum Unfall alleinige oder überragende Ursache nur dann, wenn sie so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zur selben Zeit die Erscheinungen (Schädigung) ausgelöst hätte (stRsp RIS-Justiz RS0084318; RS0084345). Um die Allergie des Versicherten gegen Wespengift akut anzusprechen, hätte es der Induktion des Allergens durch den Stich einer Wespe bedurft. Wie ein Hundebiss (10 ObS 50/94, SSV-NF 8/26) ist im erörterten Zusammenhang aber auch ein Wespenstich kein alltägliches Ereignis. [...]

Anmerkung

Insektenstiche sind nicht nur unangenehm, sondern können für AllergikerInnen sehr gefährlich, ja sogar lebensbedrohlich sein. Ereignet sich ein solcher Insektenstich bei der Arbeit, knüpfen sich daran neben medizinischen auch rechtliche Fragestellungen. Dies vor allem dann, wenn das Schlimmste eintritt und der/ die Gestochene infolgedessen verstirbt. Liegt in einem solchen Fall ein der gesetzlichen UV zuzurechnender Arbeitsunfall vor und ist daher eine (uU dauerhafte) Leistungspflicht der UV gegenüber den Hinterbliebenen gegeben? Mit eben dieser Frage hatte sich der OGH in der vorliegenden E auseinanderzusetzen, nachdem der Vater der Kl im Zuge seiner (unselbständigen) Tätigkeit als Gerüster von einer Wespe gestochen worden und aufgrund eines anaphylaktischen Schockes noch an der Arbeitsstelle verstorben war.

1.
Wespenstich als Unfall

Die Lösung des Falles hing zunächst von der Qualifikation des Wespenstichs als „Unfall“ ab. Während diese von der Bekl in Zweifel gezogen und auch vom Erstgericht verneint worden war, kamen sowohl das Berufungsgericht als auch der OGH zutreffend zum Ergebnis, dass auch ein Insektenstich den Unfallbegriff erfüllt. Der ASVG-Gesetzgeber hat letzteren zwar nicht definiert, die stRsp geht jedoch im Einklang mit der hL davon aus, dass unter einem „Unfall“ für den Bereich der UV ein zeitlich begrenztes Ereignis – eine Einwirkung von außen, ein abweichendes Verhalten, oder eine außergewöhnliche Belastung – zu verstehen ist, das zu einer Körperschädigung geführt hat (vgl bereits OGH10 ObS 123/88SSV-NF 2/112; zuletzt etwa OGH10 ObS 123/12dDRdA 2014/6, 48 [Kohlbacher]; exemplarisch auch Tomandl in

Tomandl
, System 2.3.2.2.A.; R. Müller in
Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm [92. Lfg, März 2014] Vor §§ 174-177 Rz 8 mwN). Das schadensstiftende Ereignis muss dabei nicht unbedingt ein mechanischer, sondern kann auch ein chemo-physikalischer Vorgang sein (OGH10 ObS 71/04wDRdA 2005/32, 412 [R. Müller]mwN – Hepatitis C-Infektion durch Plasmaspende).

Diese Voraussetzungen werden durch Insektenstiche unzweifelhaft erfüllt (so auch Schrattbauer, ÖJZ EvBl 2014, 677 in ihrer Anm zur gegenständlichen E), handelt es sich doch um eine (sehr) kurzfristige Einwirkung von außen, die – sei es „nur“ in Form einer Schwellung oder wie im vorliegenden Fall in Gestalt schlimmerer Auswirkungen wie einem anaphylaktischen Schock – zu einer mehr oder weniger schweren Gesundheitsschädigung des/der Gestochenen führt (vgl auch R. Müller in

Mosler/Müller/Pfeil
, SV-Komm Vor §§ 174-177 Rz 10, § 175 Rz 41; sowie die im Urteil zitierten Beiträge aus der deutschen Literatur). Zumal die unmittelbaren Folgen des Insektenstichs uU gar nicht behandlungsbedürftig sind oder auch nur kurzfristig bestehen können (womit gem § 191 Abs 1 ASVG der Krankenversicherungsträger primär leistungspflichtig ist), ist damit zwar – auch bei Bejahung der Zurechnung zur UV (dazu sogleich unten 2.) – nicht gesagt, dass diese auch tatsächlich leistungspflichtig wird. In concreto stand jedoch die Verpflichtung zur Gewährung einer Waisenrente für den Fall der Bejahung eines unfallversicherungsgeschützten Arbeitsunfalls offenbar außer Streit.

2.
Zurechnung zur Unfallversicherung
2.1.
Grundsätzliches

In weiterer Folge stellte sich damit die Frage, ob der festgestellte Unfall auch der UV zuzurechnen, also als geschützter Arbeitsunfall zu qualifizieren ist. Die Möglichkeit des Vorliegens eines solchen hatte der OGH in einer früheren E obiter in Bezug auf Insektenstiche bejaht (OGH10 ObS 71/04wDRdA 2005/32, 412 [R. Müller]; idS auch R. Müller in

Mosler/Müller/Pfeil
, SV-Komm § 175 Rz 41), mangels Relevanz für den seinerzeitigen Sachverhalt aber nicht näher begründet. Im gegenständlichen Fall führte das Höchstgericht nunmehr unter Verweis auf weitere Judikate jüngeren Datums aus, dass für die Qualifikation eines Unfalls als Arbeitsunfall idR erforderlich sei, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei (innerer oder sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten Ereignis (Unfallereignis) geführt habe (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht habe (vgl etwa auch OGH10 ObS 82/13ainfas 2013 S 55).569

Dies ist im Hinblick auf das Ergebnis der Prüfung durchaus überzeugend. Da jedoch die Beurteilung des „inneren Zusammenhanges“ auch von juristischen Wertungen abhängt und daher (neben der juristischen Zurechnung der Gesundheitsbeeinträchtigung zum Unfallereignis) häufig die entscheidende aber am schwersten zu beantwortende ist (vgl auch R. Müller in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm Vor §§ 174-177 Rz 12, 14), scheint die Prüfung der Zurechnung der Verrichtung zur versicherten Tätigkeit gleich im ersten Schritt nicht als besonders günstig. In Anlehnung an frühere Aussagen des OGH (10 ObS 224/98hSZ 71/107) ist mE vielmehr eine Beurteilung in der Form systematisch zu bevorzugen, dass nach der Frage des Vorliegens eines Unfalls mit Personenschaden (oben 1.) im zweiten Schritt zunächst (nur) anhand der Äquivalenztheorie die schlichte „natürliche Kausalität“ und erst im Anschluss daran geprüft wird, ob es Umstände gibt, die dennoch gegen eine Zurechnung des Schadens zur UV sprechen, die also die „juristische Kausalität“ ausschließen (vgl auch zB OGH10 ObS 195/01aSVSlg 48.380).

2.2.
Kausalität

Im Zuge der Kausalitätsprüfung ist folglich zu fragen, ob zumindest eine Ursache des Unfalls auf die versicherte Erwerbstätigkeit (bzw einen gleichgestellten Bereich) zurückzuführen ist (= Unfallkausalität) und ob der Unfall wiederum kausal für die eingetretene Gesundheitsbeeinträchtigung war (= medizinische Kausalität). Ersteres ist in Konstellationen, in denen sich der Unfall bei Erbringung der Arbeitsleistung ereignet idR der Fall, führt eine Prüfung nach Maßgabe der conditio sine qua non doch zum Ergebnis, dass sich der Unfall ohne die unfallversicherungsgeschützte Tätigkeit zumindest nicht zu dieser Zeit und an diesem Ort ereignet hätte. IdS war im konkreten Fall die Ausübung der Erwerbstätigkeit durch den Verstorbenen kausal für den Unfall, zumal der Wespenstich während der Arbeiten am Gerüst erfolgte. Der tätigkeitsbedingte Aufenthalt im Freien war daher sogar ganz entscheidende Ursache des Unfalls. Überzeugend führt der OGH in diesem Zusammenhang auch (anhand des sehr plakativen Beispiels des Wegunfalls) aus, dass der Umstand, dass ein Insektenstich auch an anderen Orten eintreten kann und keinen spezifischen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufweist, der Annahme eines Arbeitsunfalls nicht entgegensteht. Denn Voraussetzung für die Bejahung der Kausalität eines Unfalls ist nicht, dass das Unfallgeschehen unter anderen, keinen Konnex mit der Erwerbstätigkeit aufweisenden, Umständen nicht auftreten hätte können, sondern nur, dass der Unfall in der konkreten Situation sonst nicht eingetreten wäre. Dem OGH folgend ist daher auch eine betriebsbedingte Erhöhung des Unfallrisikos nicht erforderlich (idS auch Schrattbauer, ÖJZ EvBl 2014, 677 f). Eine solche spielt vielmehr nur auf Ebene der Zurechnungsprüfung ieS (unten 2.3.) dann eine Rolle, wenn für den Unfall auch der eigenwirtschaftlichen Sphäre zuzurechnende Umstände ursächlich waren. (Im Übrigen sei unabhängig davon festgehalten, dass auch die Bejahung einer betriebsbedingten Risikoerhöhung unter Berücksichtigung der Sachverhaltsangaben alles andere als ausgeschlossen gewesen wäre, war der Arbeitsort doch „von Wiesen und Obstkulturen umgeben“, was wohl jedenfalls in Bezug auf Personen, die im Stadtbereich wohnen, doch zur Erhöhung der Gefahr eines Wespenstichs führt.)

Der Wespenstich war sodann auch iSd Äquivalenztheorie kausal für den anaphylaktischen Schock und in weiterer Folge den Tod des Versicherten, womit auch die medizinische Kausalität gegeben ist. Dass der Tod ohne die bestehende Allergie nicht eingetreten wäre, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, war dieser doch ungeachtet dessen unstrittig Folge des während der Arbeit erlittenen Wespenstichs. Auch die (Un)Üblichkeit des eingetreten Gesundheitsschadens (bzw konkret des Todes) spielt hier keine Rolle, da eindeutig feststand, dass die Schädigung durch den Arbeitsunfall, also den Wespenstich, verursacht wurde. In diesem Lichte ist auch die in jüngeren Entscheidungen vom OGH (10 ObS 82/13ainfas 2013 S 55; OGH10 ObS 123/12dDRdA 2014/6, 48 [Kohlbacher]) getroffene Klarstellung, wonach sich Versicherte oder deren Angehörige insb bei Anlageschäden dann nicht auf einen Anscheinsbeweis stützen können, wenn der eingetretene Gesundheitsschaden nicht typische Folge des Unfalls war, für den vorliegenden Fall nicht von Relevanz.

2.3.
Liegen Umstände vor, die eine Zurechnung zur UV dennoch ausschließen?

Im letzten Schritt bleibt somit noch zu prüfen, ob nach Maßgabe der in stRsp angewandten Formel von der wesentlichen Bedingung (zB bereits OGH10 ObS 414/90SSV-NF 5/22; OGH10 ObS 207/91SSV-NF 5/131) Umstände vorliegen, die ungeachtet dessen, dass sich der Unfall grundsätzlich im „geschützten Lebensbereich“ der UV ereignet hat, gegen eine juristische Zurechnung zur UV sprechen. In Betracht kommen hier zum einen Sachverhaltsmomente, die (schon) die Zurechnung des Unfalls zum „geschützten Lebensbereich“ ausschließen. Hier geht es also um die Frage, ob letztlich der unversicherten („eigenwirtschaftlichen“) Sphäre entstammende Ursachen wesentlich für den Eintritt des Unfalls waren. Nachdem im konkreten Fall keinerlei Indizien dafür vorlagen, dass betriebsfremde Umstände zum Eintritt des Wespenstichs beigetragen hatten, brauchte sich der OGH mit dieser Frage nicht näher auseinanderzusetzen.

Zum anderen kann eine Zurechnung zur UV dann ausscheiden, wenn zwar der Unfall der geschützten Sphäre zuzuordnen ist, jedoch der daraus resultierende Schaden nicht wesentlich durch diesen bedingt wurde, der Unfall also bloße Gelegenheitsursache für den Eintritt der Körperschädigung war. Dies ist bei sogenannten „Anlageschäden“ nach stRsp (nur) dann der Fall, wenn die krankhafte Anlage so leicht ansprechbar war, dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis die Körperschädigung zur annähernd gleichen Zeit in annähernd demselben Ausmaß ausgelöst hätte (vgl bereits OGH9 ObS 32/87SZ 61/20; zuletzt etwa OGH10 ObS 82/13ainfas 2013 S 55 mwN). Hier geht der OGH davon aus, dass jedenfalls570 bei Vorverlegung des Schadenseintritts um mehr als ein Jahr der Unfall und nicht die bestehende Anlage die wesentliche Bedingung war (zB OGH10 ObS 325/97k

[R. Müller]
), wobei dieser Einjahresfrist aber keine absolute Bedeutung zukommt, sondern die Wesentlichkeit des Unfallgeschehens im Einzelfall zu beurteilen ist (zuletzt OGH10 ObS 164/09dSSV-NF 23/79). Als „alltäglich“ gelten nach der Judikatur nur Belastungen, die altersentsprechend üblicherweise mit gewisser Regelmäßigkeit auftreten. Der OGH nennt hier normales oder beschleunigtes Gehen, Treppensteigen, Bücken, leichtes bis mittelschweres Heben oder ähnliche Kraftanstrengungen (zB OGH10 ObS 174/02iSVSlg 48.393). Die neuere Rsp (vgl insb OGH10 ObS 50/94SSV-NF 8/26) geht dagegen davon aus, dass Hundebisse, Verkehrsunfälle oder Stürze nicht als alltägliche Ereignisse zu qualifizieren sind (anders noch OGH10 ObS 102/89SSV-NF 3/95 – Hundebiss; OGH10 ObS 355/90SSV-NF 4/113 – Sturz aufs Knie). Wenngleich die Beurteilung der „Alltäglichkeit“ des Ereignisses bzw der Wahrscheinlichkeit dessen Eintritts mit Blick auf die konkrete Situation des/der Verunfallten zu prüfen ist, ist dies überzeugend, kann doch mit einem Eintritt derartiger Ereignisse kaum jemals zum annähernd gleichen Zeitpunkt gerechnet werden.

In diesem Lichte ist es völlig konsequent, wenn der OGH zum Ergebnis kommt, dass die bestehende Allergie als krankhafte Anlage der Bejahung des Unfallversicherungsschutzes nicht entgegensteht.

3.
Fazit

Zusammenfassend ist der vorliegenden E in Ergebnis und Begründung zuzustimmen. Das Ergebnis mag zwar auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Unter Berücksichtigung der in stRsp und hL vertretenen Grundsätze konnte der OGH aber letztlich zu gar keiner anderen Beurteilung gelangen. Es kann zwar nicht in Abrede gestellt werden, dass ein anaphylaktischer Schock mit Todesfolge keineswegs die üblicherweise zu erwartende Reaktion auf einen Wespenstich darstellt. Dies vermag die Leistungspflicht der UV jedoch nicht in Frage zu stellen. Denn entgegen der im Schadenersatzrecht zur Anwendung gebrachten Adäquanztheorie geht es im Bereich der Zurechnungsprüfung zur UV gerade nicht um die Ausscheidung atypischer Kausalverläufe (so auch R. Müller in

Mosler/Müller/Pfeil
, SV-Komm Vor §§ 174-177 Rz 37 f), sondern sollen nur solche Unfallfolgen nicht die Leistungspflicht der UV nach sich ziehen, deren Konnex zum geschützten Lebensbereich ein rein zufälliger ist. Eben dies war aber im hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht der Fall, zumal der Unfall wesentlich durch die betriebliche Tätigkeit des Versicherten bedingt war und der anaphylaktische Schock ohne den Arbeitsunfall mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu diesem oder einem naheliegenden Zeitpunkt eingetreten wäre. Der Tod war daher Folge eines gem § 175 Abs 1 ASVG geschützten Arbeitsunfalles.