Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des nichtärztlichen, extramuralen Vertragspartnerrechts auf dem Prüfstand
Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des nichtärztlichen, extramuralen Vertragspartnerrechts auf dem Prüfstand
Zunächst ist von einer Situation aus dem alltäglichen Leben auszugehen. Ein Versicherter V hat Wadenkrämpfe und Venenleiden. Der Kassenarzt stellt V deshalb ein Kassenrezept für Daflon aus, ein rezeptpflichtiges Arzneimittel, das V nun bei einem Apotheker in einer öffentlichen Apotheke kaufen möchte. Fraglich ist zunächst, welche Rechtsbeziehung zwischen Apotheker und V entsteht und welche normativen Vorgaben für diese Beziehung zu berücksichtigen sind.
Wie durch die Inanspruchnahme vertragsärztlicher Behandlung wird auch in dieser Konstellation ein Vertrag zwischen Apotheker und V abgeschlossen, der idR ein Kaufvertrag ist.* Daflon ist auch ein zulässiges Arzneimittel laut Warenverzeichnis des Österreichischen Apotheker-Verlags und es ist im grünen Bereich des Erstattungskodex gelistet.* Nach § 2 Abs 1 Apotheker-Gesamtvertrag* ist Daflon in diesem Fall verpflichtend auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers abzugeben, da V ein zulässiges Kassenrezept vorlegt. Der Apotheker-Gesamtvertrag wurde zwischen dem Hauptverband für die Krankenversicherungsträger und der Österreichischen Apothekerkammer für die ApothekerInnen abgeschlossen (vgl § 348a Abs 1 ASVG). Die einzelnen Krankenversicherungsträger müssen dem Gesamtvertrag zustimmen. Der einzelne Apotheker und die einzelne Apothekerin sind am Gesamtvertragsabschluss nicht beteiligt. Gem § 348a Abs 1 iVm Abs 2 ASVG gilt der Apotheker-Gesamtvertrag für alle ApothekerInnen, die Mitglied der Österreichischen Apothekerkammer sind und die eine 454Apotheke als KonzessionärIn, als PächterIn oder als sonstige/r ApothekenleiterIn leiten.* § 348a bindet daher grundsätzlich* alle selbständigen ApothekerInnen an den Gesamtvertrag ohne Abschluss eines Einzelvertrages mit einem Krankenversicherungsträger und ohne gesonderte Zustimmungserklärung. § 348a bewirkt daher auch im vorliegenden Beispiel, dass der Apotheker das Daflon an V zu den Bedingungen des Apotheker-Gesamtvertrags abgeben muss. V muss nur die Rezeptgebühr von 5,55 € an den Apotheker bezahlen, die der Apotheker an den Krankenversicherungsträger weiterleiten muss. Der Apotheker erhält vom Versicherungsträger einen Preis, der sich aus Erstattungskodex und Österreichischer Arzneitaxe 1962 ergibt und für den Sondernachlässe und besondere Kassenpreisaufschläge vorgesehen sind.*
In der Lehre wurde diese Konstruktion kontrovers diskutiert. Die einen meinten, die automatische Bindung sei zulässig,* da eine solche Wirkung bereits beim KollV anerkannt sei.* Andere äußerten verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung in § 348a Abs 1,* wohl weil dadurch automatisch alle Verbandsangehörigen ohne deren Zutun an den Gesamtvertrag gebunden sind. Es erscheint daher angezeigt, diese verfassungsrechtlichen Bedenken näher zu untersuchen. Zu prüfen ist daher, ob § 348 Abs 1 mit Art 6 StGG, dem Grundrecht auf Erwerbsfreiheit, vereinbar ist.
Die Bindung an den Gesamtvertrag ohne Einzelvertragsabschluss ist von anderen rechtlichen Vorgaben für ApothekerInnen zu unterscheiden, die die Erwerbsfreiheit berühren. ZB sieht das Berufsrecht eine behördliche Bewilligung mit Bedarfsprüfung bei Neuerrichtung und Betrieb einer öffentlichen Apotheke vor. Dieses Bedarfsprüfungssystem ist nach VfGH mit dem Grundrecht auf Erwerbsfreiheit vereinbar, weil ein Existenzschutz der bestehenden Apotheken die Einhaltung der Betriebspflicht ermöglicht und damit eine klaglose Heilmittelversorgung sichergestellt wird.* Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Bedarfsprüfung wird daher nicht weiter in Frage gestellt. Das Gesamtvertragsrecht hat sich auch historisch betrachtet getrennt vom Entstehen des Berufsrechts entwickelt.* Sollte eine Grundrechtsverletzung vorliegen, so wäre die gesetzliche Regelung in § 348a Abs 1 verfassungswidrig.
Die Berufsausübung als selbständige/r ApothekerIn ist im Apothekengesetz reglementiert und auf Erwerb gerichtet und daher zunächst von der Erwerbsfreiheit erfasst. Die Erwerbsfreiheit in Art 6 StGG steht unter Gesetzesvorbehalt. Eine Einschränkung der Erwerbsfreiheit ist daher durch Gesetz möglich, wie hier durch § 348a Abs 1 ASVG. Denkbar ist aber auch eine Bestimmung eines Gesamtvertrags, der die LeistungserbringerInnen ohne Zustimmungserklärung an den Gesamtvertrag bindet. Diese Bestimmung ist dann mE Bestandteil des normativen Inhalts des Gesamtvertrags und bedarf einer ausdrücklichen und hinreichend bestimmten Ermächtigungsnorm, die selbst am Maßstab der Grundrechte zu prüfen ist.* Ein rein zivilrechtlicher Vertrag, der eine Bindungswirkung ohne Zustimmungserklärung oder Vollmachtserteilung vorsieht, ist unzulässig, da ein zivilrechtlicher Vertrag zu Lasten Dritter nach hL unzulässig ist.* Nach Judikatur und Lehre erfasst der Schutzbereich der Erwerbsfreiheit allein rechtliche Beschränkungen.* Dagegen fallen wirtschaftliche oder bloß faktische Beeinträchtigungen nicht in den Schutzbereich der Erwerbsfreiheit.
Der Gesamtvertrag verpflichtet die ApothekerInnen insb zur Heilmittelabgabe an Versicherte und zur Direktverrechnung mit den Versicherungsträgern.* Die ApothekerInnen werden darüber hinaus erst durch den Gesamtvertrag an fixe Preisaufschläge für Heilbehelfe, Hilfsmittel und sonstige Mittel gebunden.* Außerdem verpflichtet der Gesamtvertrag die öffentlichen Apotheken bis 2015 zur Abgabe eines jährlichen Finanzierungsbeitrags an die Krankenversicherungsträger iHv insgesamt sechs Mio €.* Der Gesamtvertrag ermöglicht es einer selbständigen Apothekerin zwar weiterhin, ihren Beruf nach dem Apothekengesetz auszuüben. Die bindenden Vorgaben des Gesamtvertrags wie zwingende Direktverrechnung, fixe Preisaufschläge für sonstige Mittel und eine jährliche Abgabezahlung an die KV sind mE keine bloß „faktischen Nebenwirkungen“, die nicht grundrechtsrelevant wären. Vielmehr 455beschränken diese Regelungen die Ausübung des ApothekerInnenberufs. Die Bestimmung in § 348a Abs 1 beabsichtigt die automatische Bindung an diese Ausübungsregeln des Gesamtvertrags. Die Norm bewirkt daher eine rechtliche Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit und ist rechtfertigungsbedürftig.
Die automatische Bindung aller selbständigen ApothekerInnen an den Gesamtvertrag soll erstens eine qualitativ hochwertige, allgemein zugängliche und regional ausgewogene Sachleistungsversorgung mit Heilmitteln sicherstellen. Das ergibt sich mE bereits aus dem Gesetz, insb aus den §§ 338 Abs 2 und 136 ASVG. Zweitens dient die Regelung dazu, die Kosten zu begrenzen, die sich für die KV aus der Sachleistungsgewährung ergeben.* Nach der Judikatur des VfGH liegen die klaglose Heilmittelversorgung der Bevölkerung sowie die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Krankenversicherungssystems im öffentlichen Interesse.*
Die verpflichtende Direktverrechnung, die Preisbindungen und der finanzielle Unterstützungsbeitrag sind mE jedenfalls taugliche Mittel dafür, die Ausgaben der sozialen KV zu begrenzen. Gleichzeitig wird durch die automatische Bindung eine bedarfsorientierte Angebotsplanung ermöglicht, weil die Regelung alle öffentlichen Apotheken erfasst und deren Neuerrichtung und Fortbetrieb an den Bedarf in der Bevölkerung gebunden sind. Es besteht daher nicht die Gefahr, dass das Heilmittelangebot unkontrolliert ausgeweitet wird und dadurch zu einer ansteigenden Ausgabenbelastung der gesetzlichen KV führt. Die Regelung erreicht somit eine ausgewogene Sachleistungsversorgung mit Heilmitteln. Die Bestimmung in § 348a Abs 1 ist daher zur Zielerreichung geeignet.
Bei der Prüfung, ob die Regelung erforderlich und adäquat ist, muss die spezielle berufsrechtliche Ausgestaltung des ApothekerInnenberufs berücksichtigt werden.* Eine freiberufliche Ärztin darf die Ordinationszeiten sowie den Ordinationsort nach dem Ärztegesetz 1998 frei bestimmen. Aufgrund des Konzessionssystems im Apothekengesetz ist es dem selbständigen Apotheker hingegen nicht möglich, den Berufssitz im Bundesgebiet frei zu wählen (vgl §§ 9 ff ApothekenG). Das Bedarfsprüfungssystem gewährt dem Apotheker dafür einen starken Existenz- und Gebietsschutz, der für eine freiberufliche Ärztin nicht besteht. Außerdem werden die Betriebszeiten sowie Bereitschaftsdienste einer öffentlichen Apotheke durch die Bezirksverwaltungsbehörde festgelegt (§ 8 ApothekenG). Der Gesetzgeber verpflichtet den selbständigen Apotheker im Gegensatz zur freiberuflichen Ärztin auch zur ununterbrochenen Aufrechterhaltung des Apothekenbetriebs (§ 13 ApothekenG). Eine Sperre der öffentlichen Apotheke wegen Urlaubs oder Krankheit ist daher nicht möglich. Darüber hinaus enthalten Gesetz und Verordnungen Preisspannen für Arzneimittel, an die der Apotheker gebunden ist. Demgegenüber darf eine freiberufliche Ärztin das Honorar ihrer Behandlungsleistung frei bestimmen. Schluss endlich ist eine Ärztin berufsrechtlich – außer in Fällen erster Hilfe – nicht zur Übernahme von Krankenbehandlungen verpflichtet. Im Gegensatz dazu enthalten die berufsrechtlichen Bestimmungen für ApothekerInnen eine berufsrechtliche Pflicht, Arzneimittel an die Bevölkerung abzugeben.* Dieses Netz an öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen für ApothekerInnen muss bei der Prüfung der Erforderlichkeit und Adäquanz berücksichtigt werden.
Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung ist zu untersuchen, ob eine gleichwertige Alternativregelung innerhalb des vom Gesetzgeber gewählten Versorgungssystems besteht, die mit einem weniger starken Grundrechtseingriff verbunden ist.* Eine Alternativregelung könnte ein Gesamtvertragsmodell mit Einzelverträgen und Stellenplan sein, wie es bei ärztlicher Versorgung vorgesehen ist. Allerdings ist mE zu bezweifeln, dass diese Regelung tatsächlich grundrechtsschonender wäre. Nach hL stellt der ärztliche Stellenplan einen Eingriff in die Erwerbsfreiheit der Erwerbsausübungsfreiheit der ÄrztInnen dar.* Ein Stellenplansystem würde einzelne ApothekerInnen unfreiwillig vom „Kassenmarkt“ ausgrenzen und zu erheblichen wirtschaftlichen Beeinträchtigungen führen. Die dadurch beabsichtigte Zugangsbeschränkung vom Markt der Sozialversicherten wäre mE wie der ärztliche Stellenplan ein schwerwiegender Eingriff in die Erwerbsfreiheit. Ein Stellenplansystem ist mE daher keine grundrechtsschonendere Alternativ-456regelung. Eine weitere Alternativregelung könnte ein Gesamtvertragsmodell mit individuellen Kassenverträgen sein, das keine begrenzten Kassenplanstellen enthält. Den ApothekerInnen würde es in diesem Fall frei stehen, einen Einzelvertrag abzuschließen. Die Krankenversicherungsträger wären zum Einzelvertragsabschluss verpflichtet. Die Gefahr einer unfreiwilligen Ausgrenzung vom „Kassenmarkt“ bestünde daher nicht.
Fraglich ist, ob diese Alternativregelung die zuvor genannten Ziele in gleich effektiver Weise erreichen könnte wie das bestehende Modell. Nach Ansicht des Gesetzgebers werden Arzneimittel im extramuralen Bereich primär durch öffentliche Apotheken abgegeben.* Eigene Einrichtungen der Versicherungsträger bestehen nicht. Zudem ist auch die KV primär auf die Arzneimittelabgabe durch öffentliche Apotheken angewiesen.* Durch das berufsrechtliche Bedarfsprüfungssystem ist darüber hinaus nur eine begrenzte Anzahl an öffentlichen Apotheken vorhanden. Das Bestehen von Wahlapotheken könnte mE daher negative Auswirkungen auf die Sachleistungsversorgung haben. Die Versicherten wären dann dem Risiko ausgesetzt, Arzneien in Wahlapotheken zunächst gänzlich selbst bezahlen zu müssen. Dies könnte unerwünschte soziale Folgen haben, weil Versicherte dadurch generell davon abgehalten werden könnten, Arzneimittel zu erwerben, auch wenn diese medizinisch notwendig sind. Insb wenn der/die in der Gemeinde einzig verfügbare ApothekerIn keine Direktverrechnung anbietet und längere Anfahrtswege zu „Vertragsapotheken“ zusätzlich von der Inanspruchnahme abhalten. Das Einzelvertragsmodell kann mE daher eine für die Versicherten leistbare und regional ausgewogene Sachleistungsvorsorge nicht in gleich effektiver Weise erreichen wie das bestehende Modell. Die KV müsste dann wohl zusätzliche (finanzielle) Anreize setzen, um Einzelvertragsabschlüsse für ApothekerInnen attraktiver zu machen, wodurch wiederum die Kosten für das Krankenversicherungssystem ansteigen würden. Außerdem wären WahlapothekerInnen nicht zur Abgabe eines jährlichen Finanzierungsbeitrages verpflichtet. Dieser müsste dann wohl insgesamt deutlich herabgesetzt werden, um die verbleibenden VertragsapothekerInnen finanziell nicht stärker zu belasten. Ein Einzelvertragsmodell kann die wirtschaftliche Leistbarkeit des Krankenversicherungssystems deshalb mE nicht in gleich effektiver Weise gewährleisten. Anders als bei freiberuflichen ÄrztInnen ist ein Einzelvertragsabschluss auch nicht notwendig, um die typischen Regelungsgegenstände wie Betriebszeiten, Betriebsort, Warenlager etc zu verhandeln, weil diese für ApothekerInnen bereits hoheitlich vorgegeben sind. Die automatische Bindung an den Gesamtvertrag ohne Einzelvertragsabschluss ist daher zur Zielerreichung erforderlich.
Das öffentliche Interesse und die verkürzte Grundrechtsposition müssen zuletzt in einer angemessenen Relation zueinander stehen. Dazu ist eine Adäquanzprüfung durchzuführen. Der allgemein zugänglichen, regional ausgewogenen und qualitativ hochwertigen Sachmittelversorgung sowie der finanziellen Stabilität des Krankenversicherungssystems steht das Interesse der einzelnen ApothekerInnen an einem möglichst hohen Umsatz und Gewinn ohne finanzielle Beteiligung an den Krankenkassenkosten gegenüber. Für die Adäquanz sprechen mE drei Gründe: Erstens bewirkt die automatische Einbeziehung in das Kassensystem, dass den einzelnen ApothekerInnen ein beträchtlicher Absatz gesichert ist. Laut Österreichischer Apothekerkammer beträgt der Kassenumsatz durchschnittlich sogar 70 % des Gesamtumsatzes einer öffentlichen Apotheke.* Darüber hinaus dürfen ApothekerInnen zusätzlich andere Produkte, beispielsweise Kosmetika oder Tee, an PrivatkundInnen verkaufen. Zweitens muss die spezielle berufsrechtliche Ausgestaltung berücksichtigt werden. Neben umfassenden öffentlichrechtlichen Verpflichtungen, wie Betriebspflicht und Kontrahierungszwang, wird durch das Bedarfsprüfungssystem auch ein hoher Existenz- und Gebietsschutz gewährt. Eine automatische Bindung an Ausübungsregeln erscheint insb wegen dieses starken Schutzes bestehender Apotheken angemessen. Drittens ist zu berücksichtigen, dass der öffentliche Gesundheitsschutz nach VfGH ein öffentliches Interesse von überragender Bedeutung darstellt.* Die mit der Regelung verfolgten Ziele einer allgemein zugänglichen, regional ausgewogenen und qualitativ hochwertigen Heilmittelversorgung sowie der Aufrechterhaltung des Krankenversicherungssystems wiegen mE schwerer als der damit verbundene Grundrechtseingriff. Insgesamt ist § 348a Abs 1 daher mit dem Grundrecht auf Erwerbsfreiheit vereinbar.
Zusammenfassend kann man aus dieser Erkenntnis Folgendes für das nichtärztliche, extramurale Vertragspartnerrecht ableiten:
Es bedarf einer ausdrücklichen Norm, um LeistungserbringerInnen automatisch ohne deren Zustimmung an Vertragsvorgaben zu binden. Ein Gesamtvertrag darf das grundsätzlich nur festlegen, wenn eine ausdrückliche Ermächtigungsnorm dazu besteht und die inhaltliche Ausgestaltung durch die Gesamtvertragsparteien nicht gegen § 879 ABGB verstößt. Ein Leistungsvertrag zwischen Krankenversicherungsträger und gesetzlicher Interessenvertretung darf die Bindung an den Leistungsver-457trag ohne Zustimmung oder Vollmachtserteilung nicht vorsehen. Der Leistungsvertrag ist ein rein zivilrechtlicher Vertrag und nach hA ist ein Vertrag zu Lasten Dritter unzulässig.
Eine Norm, die eine automatische Bindung an die Vorgaben des Gesamtvertrags vorsieht, greift idR in den Schutzbereich der Erwerbsausübungsfreiheit ein. Sie ist daher rechtfertigungsbedürftig.
Eine Bindung an den Gesamtvertrag ohne Einzelvertrag ist jedenfalls verhältnismäßig, wenn zwei Elemente erfüllt sind: Erstens, wenn die spezielle Ausgestaltung des freien Berufs für eine stärkere Verpflichtung spricht, etwa wenn bereits das Berufssystem viele Verpflichtungen wie einen Kontrahierungszwang festlegt und gleichzeitig ein starker Existenz- und Gebietsschutz vorgesehen ist. Zweitens, wenn die berufsrechtlichen Bestimmungen sowie das ASVG primär nur eine bestimmte Berufsgruppe zur Sachleistungsversorgung vorsehen und keine Alternativmöglichkeiten zur Wahl stehen.
Wie dargelegt, erfüllt das Apothekenwesen diese Kriterien. Das Gesamtvertragsmodell gem § 348a Abs 1 ASVG ist daher mit der Erwerbsfreiheit vereinbar. Abschließend ist auf eine ähnliche Bestimmung im ASVG hinzuweisen. Gem § 349 Abs 4 ASVG kann ein Gesamtvertragsmodell ohne Einzelvertragsabschluss auch für „andere Vertragspartner“, wie beispielsweise OptikerInnen oder Hebammen, im Gesamtvertrag vereinbart werden. Vorbehaltlich einer näheren Untersuchung im Rahmen meines Dissertationsvorhabens bestehen mE allerdings begründete Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit der Erwerbsfreiheit.