Betriebsübergang – Fragen des Rechtsmissbrauches
Betriebsübergang – Fragen des Rechtsmissbrauches
Ziel meines Beitrags soll es sein, zu den Thesen von Prof. Dr. Kietaibl Stellung zu nehmen. Diese lassen sich aus meiner Sicht in zwei Ergebnissen zusammenfassen:
Ein zum Zweck der Kollektivvertragsverschlechterung durchgeführter Betriebsübergang ist niemals missbräuchlich, weil Organisationsänderungen und ein damit bewirkter Kollektivvertragswechsel auch nach § 9 ArbVG oder beim Verbandswechsel in die Gestaltungshoheit des AG fallen und die Rechtsfolge des Kollektivvertragswechsels in § 4 AVRAG mitbedacht ist.
Der Übergeber-KollV gilt als Geschäftsgrundlage arbeitsvertraglich weiter, wenn die Änderungen den Rahmen übersteigen, der sonst für im Ermessen des AG liegende Gestaltungen angenommenen wird.
Die Richtigkeit dieser These lässt sich nur bei einer rechtsdogmatischen Zusammenschau von allgemeinem Zivilrecht und Arbeitsrecht beurteilen.*
Der Begriff des Rechtsmissbrauchs hat im Zivilrecht seine Grundlage im Rahmen des Schadenersatzrechts in § 1295 Abs 2 ABGB:402
„Auch wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zufügt, ist dafür verantwortlich, jedoch falls dies in Ausübung eines Rechtes geschah nur dann, wenn die Ausübung des Rechtes offenbar den Zweck hatte, den anderen zu schädigen.“
In den Konsequenzen wurde diese Regelung des Schadenersatzrechts über die Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 879 ABGB – diese erfasst auch einseitige Rechtgeschäfte* – zu einer allgemeinen Einrede gegen rechtsmissbräuchliche Rechtsgestaltungen erweitert.*
Die neuere Rsp nimmt dabei Rechtsmissbrauch nicht nur dann an, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet,* sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen – und wohl nach dem Zweck der das Recht einräumenden Norm* oder des Vertrags geschützten – Interessen und den beeinträchtigten Interessen des Anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht.* Diese Hürde ist hoch und sehr einzelfallbezogen. So wird selbst bei einem Verbesserungsaufwand von bloß 5 % des offenen Werklohnes ein Rechtsmissbrauch bei Ausübung des Zurückbehaltungsrechts verneint,* dies aber anders gesehen, wenn das zu verbessernde Werk schon gebraucht wird und der Mangel einfach zu sanieren ist.*
Es geht aber nicht nur um das „krasse Missverhältnis“, sondern auch um eindeutig im Vordergrund stehende „unlautere“ Motive,* also grundsätzlich nicht als Inhalte des Rechtsgeschäftes zu berücksichtigende Umstände. Die „Unlauterkeit“ wird teilweise aus der Zielrichtung der Rechtsordnung in anderen Bereichen – Räumungsklage des Vaters gegen Tochter, um Betreuung der Mutter zu verhindern* – oder auch im jeweiligen Rechtsgebiet – etwa eine unterlassene Beförderung wegen des Wahlverhaltens des Bewerbers bei der Betriebsratswahl* – abgeleitet. Typisch sind auch Gestaltungen zu Lasten Dritter.*
Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalles zu klärende Rechtsfrage.*
Für unsere Fragestellung ist aus all dem festzuhalten, dass es zentral um im Gesetz nicht bedachte und abgewogene Konstellationen im Einzelfall geht und über den Inhalt des Rechtsgeschäftes hinaus auch die Motive erfasst und berücksichtigt werden. Umgekehrt bedeutet dies auch, je umfassender die gesetzlichen Regelungen mögliche Sachverhaltskonstellationen erfassen, desto weniger bieten diese einen Ansatz für die Annahme des Vorliegens eines Rechtsmissbrauchs (Subsidiarität*).
Der OGH hat die europarechtlichen und österreichischen Rahmenbedingungen für den Kollektivvertragswechsel beim Betriebsübergang jüngst in seiner OGH-E vom 18.12.2014, 9 ObA 109/14s, wie folgt zusammengefasst:
Das österreichische Kollektivvertragssystem zielt grundsätzlich darauf ab, für die jeweiligen Branchen angemessene Mindestentgelte festzulegen.*
Im Falle eines Kollektivvertragswechsels kraft Betriebsübergangs kommt es zu einer vollständigen Ablösung des Veräußerer-KollV durch den Erwerber-KollV.*
§ 4 Abs 2 Satz 1 AVRAG über den weiteren Anspruch des AN auf das für die regelmäßige Arbeitsleistung in der Normalarbeitszeit gebührende kollektivvertragliche Entgelt nach dem früheren Veräußerer-KollV bedeutet nicht die Anwendbarkeit des früheren KollV, sondern nur die statische Festlegung einer Untergrenze durch eine eigene gesetzliche Anordnung.
Der EuGH hat einerseits betont, dass die Regelungen der RL* grundsätzlich darauf abzielen zu verhindern, dass sich die Lage der AN allein aufgrund des Übergangs verschlechtert.* Andererseits soll ein Ziel aber auch darin bestehen, den Erwerber in die Lage zu versetzen, die für die Fortsetzung seiner Tätigkeit erforderlichen Anpassungen vorzunehmen.*
Die Regelungen des AVRAG passen sich in die vom EuGH vorgegebenen Zielrichtungen ein.403 Einerseits wird der frühere Mindeststandard durch die spezifische gesetzliche Festlegung der Untergrenze des Entgelts nach § 4 Abs 2 erster Satz AVRAG gesichert. Andererseits ist die Eingliederung in den neuen Erwerber-KollV und die sich in diesem jeweils widerspiegelnde wirtschaftliche Situation dieser Branche unter Berücksichtigung aller Dienstzeiten und das der neuen Branche angemessene Entgelt für AN mit diesen Erfahrungen gesichert.*
Betrachtet man nun die dargestellten Vorgaben für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs, so ist dieser bei allgemeiner Betrachtung ausgeschlossen, soweit das Gesetz die Verschlechterungen umfassend berücksichtigt und bewertet. Dies ist im Rahmen des AVRAG mit dem Sicherheitsnetz des § 4 Abs 2 Satz 1 AVRAG, dem Widerspruchsrecht nach § 3 Abs 4 AVRAG sowie der Kündigungsmöglichkeit nach § 3 Abs 5 AVRAG bei „wesentlicher Verschlechterung“ aber der Fall. Ganz iSd Gedankens der Subsidiarität der Prüfung des Vorliegens eines Rechtsmissbrauchs gegenüber bestehenden konkreten gesetzlichen Bestimmungen zur Erfassung der Interessenlage hat der OGH ja bei der Frage einer allfälligen Schutzlücke bei aufgekündigten Kollektivverträgen und deren in der Umsetzung der Betriebsübergangs-RL im Gesetz nicht konkret geregelten Folgen der Nachwirkung von Kollektivverträgen* vorweg die möglichst umfassende Absicherung zugrunde gelegt* und wurde vom EuGH dabei auch bestätigt.*
Es bestehen hier gesetzliche Regelungen,* die genau die Gefahr eines durch den Betriebsübergang bewirkten Kollektivvertragswechsels und einer Entgeltverschlechterung durch einen neuen, ja ebenfalls von der Gewerkschaft für diese Branche als angemessen erachteten KollV* bewerten und teilweise abfangen.* Ausgehend von einem solchen Schutz ist ein Rechtmissbrauch aus dem Gedanken des „krassen Missverhältnisses“ wohl schwer denkbar.
Dies gilt im Regelfall* auch bei innerhalb des Konzerns vorgenommenen Umstrukturierungen. Der EuGH hat die Anwendbarkeit auch in solchen Fällen ausdrücklich bejaht.*Kietaibl hat berechtigt auf die Möglichkeiten der Umstrukturierung von Mischbetrieben verwiesen, die nach § 9 ArbVG ebenfalls zur Anwendung eines anderen KollV führen können. Dazu kommt noch, dass bei diesen betriebsinternen Strukturveränderungen nicht die Schutzmechanismen der §§ 3 und 4 AVRAG greifen.* In einem System der kollektivvertraglichen Entgeltbestimmung, das für die Branchen angemessene Mindestentgelte festlegt,* kann das Anliegen des AG, dies durch Umstrukturierungen für gesamte Betriebe oder fachlich selbständige Betriebsabteilungen iSd § 9 Abs 2 ArbVG* zu verwirklichen, kaum als rechtsmissbräuchlich qualifiziert werden.
Nach der Rsp zu Fragen des Rechtsmissbrauchs geht es immer um konkrete, vom Gesetz gerade nicht bedachte Sonderkonstellationen, die sich aus der Einbettung in ein konkretes Rechtsgeschäft (eine konkrete Übergangssituation) oder aus außerhalb des Geschäftszweckes liegenden „unlauteren Motiven“ ergeben (siehe oben).
Dem Betriebsübergang als Übergang der faktischen Leitungsmacht können ganz verschiedene Konstellationen („Rechtsgeschäfte“) zugrunde liegen, für die jeweils unterschiedliche Rahmenbedingungen gelten. Denkbar sind etwa
Gesamtrechtsnachfolgen, wie Spaltungen oder Fusionen;
Verkaufs-, Übertragungs- oder Einbringungsverträge sowie
faktisch bewirkte Betriebsübergänge etwa durch Pächter- oder Auftragnehmerwechsel, die von einem entsprechenden freiwilligen Übergang von AN begleitet sind.
Dabei können sich etwa auch gesellschaftsrechtliche Fragestellungen ergeben.*
Die Fülle der sich aus den jeweiligen Rechtsgeschäften ergebenden Konstellationen und der dabei allenfalls maßgeblichen „unlauteren“ Motive ist nicht überblickbar und kann auch nicht abgehandelt werden.404
Im Bereich der „faktischen“ Übertragungen wäre es etwa bedenklich, wenn der AG Betriebsräten, deren freiwilliger Übertritt im konkreten Fall (vgl unten 4.1.) für die Erfüllung des Tatbestandes des Betriebsübergangs maßgeblich ist, dafür einzelvertraglich einen höheren Lohn verspricht, um für die übrigen Arbeitskräfte die Anwendung eines schlechteren KollV zu bewirken. Das könnte ein Anwendungsfall für das in der Rsp* angenommene erweiterte Widerspruchsrecht sein.
Als rechtsmissbräuchlich wäre es wohl auch anzusehen, wenn der AG die AN von der Geltendmachung offener Lohnforderungen dadurch abhalten will, dass er ihnen für diesen Fall die Übertragung in einen anderen KollV androht und damit gegen die Wertungen des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG verstößt. Als Rechtsfolgen wäre jedenfalls die Unzulässigkeit der Erhebung eines Verfallseinwandes anzunehmen.*
Die These 1 trifft bei allein an den Regelungen über den Betriebsübergang ausgerichteter Betrachtung typischer Betriebsübergänge zu. Rechtsmissbrauch kann aber nur anhand konkreter „Rechtsgeschäfte“ und konkreter Motive geprüft und daher nicht für alle Fälle ausgeschlossen werden.
Allgemein wird zwischen individuellen (Motiven) und typischen Geschäftsvoraussetzungen unterschieden. Individuellen Geschäftsvoraussetzungen – Motiven – wird durch § 901 Satz 2 ABGB weitgehend eine rechtliche Relevanz versagt. Insoweit wurde hinsichtlich der allgemein typischerweise vorausgesetzten Geschäftsgrundlagen eine Gesetzeslücke angenommen und im Rahmen einer Rechtsanalogie aus den in den Regelungen der §§ 936 ABGB,* 1052 Satz 2 ABGB* und 1170a Abs 2 ABGB* zum Ausdruck kommenden Gedanken die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage („clausula rebus sic stantibus“) entwickelt.
Nach übereinstimmender Lehre und Rsp hat das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage als Auflösungs- oder Anpassungsgrund subsidiären Charakter und ist nur als letztes Mittel heranzuziehen.* Vorweg entscheidend ist, ob sich die Rechtsfolgen der Verwirklichung des Änderungsrisikos nicht ohnehin aus der vertraglichen Vereinbarung oder den gesetzlichen Gefahrtragungsregeln* oder Anpassungsklauseln* ergeben.*
Weitere Voraussetzungen sind, dass
der Wegfall typischer Voraussetzungen für die davon betroffene Partei nicht vorhersehbar war,
die Zweckverfehlung nicht auf Tatsachen in der eigenen Sphäre beruht* und
eine massive Störung des Äquivalenzverhältnisses* bewirkt wird.
Betrachtet man nun die Frage des Kollektivvertragswechsels bei einem Betriebsübergang, so ist schon die Voraussetzung der massiven Störung des Äquivalenzverhältnisses zweifelhaft, weil der neue KollV ja ebenfalls auf einer von der Gewerkschaft akzeptierten und als angemessen erachteten Entgeltfindung für diese Art der Arbeit beruht.
Auch die Voraussetzung der mangelnden Vorhersehbarkeit könnte im Hinblick auf die gesetzlichen Regelungen als strittig erachtet werden. Am deutlichsten spricht aber aus zivilrechtlicher Sicht der Gedanke der Subsidiarität gegen die Möglichkeit für diese Situationen dieses Rechtsinstitut heranzuziehen. Hält doch § 3 Abs 5 AVRAG ausdrücklich fest, dass es durch den Kollektivvertragswechsel zu Verschlechterungen kommen kann und räumt für diesen Fall AN ein besonderes begünstigtes Kündigungsrecht ein.
Arbeitsrechtlich spricht mittelbar gegen die Annahme der arbeitsvertraglichen Weitergeltung des Veräußerer-KollV als Geschäftsgrundlage die stRsp, wonach kollektive Rechtsquellen nicht Inhalt des Arbeitsvertrages sind, sondern auf das Arbeitsverhältnis „normativ“ einwirken und ohne Zustimmung des einzelnen AG* oder AN geändert werden können.* Selbst der Verweis im Arbeits-405vertrag auf einen ohnehin anzuwendenden KollV macht diesen allein noch nicht zum Bestandteil des Arbeitsvertrags.*
Im Übrigen wurde die Zulässigkeit einzelvertraglicher Gestaltungen unter dem Aspekt des § 879 ABGB auch wegen des Bestehens kollektiver Korrekturmechanismen – auf die ich noch eingehen werde – bejaht.* Aus praktischer Sicht wären die Voraussetzungen für die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage beim Kollektivvertragswechsel sehr unbestimmt und für einzelne AN schwer einschätzbar.
Das Rechtinstitut des Wegfalles der Geschäftsgrundlage ist auch bei einem zum Zweck des Kollektivvertragswechsels herbeigeführten Betriebsübergang nicht geeignet, eine Fortwirkung des Veräußerer-KollV als Bestandteil des Arbeitsvertrags zu bewirken.
Für die Beurteilung, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, spielen die Fragen, inwieweit die Rechtsfolgen auch vom Willen der Betroffenen getragen sind und welche anderen Schutzmechanismen greifen, eine nicht unwesentliche Rolle.
AN sind nicht veräußerbarer Bestandteil der Gesamtsache „Betrieb“. § 1409 ABGB über die Folgen der Übertragung einer Gesamtsache regelt nur einen Schuldbeitritt* und ändert nichts am aufrechten Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Veräußerer. Auch § 38 UGB, der einen mangels Widerspruchs durch den Vertragspartner wirksamen Übergang von unternehmensbezogenen Rechtsverhältnissen vorsieht, nimmt höchstpersönliche Rechtsverhältnisse, und damit auch das Arbeitsverhältnis, aus.* Die in diesem Zusammenhang vertretene Annahme, dass sich doch aus § 3 Abs 1 AVRAG der Übergang ergäbe,* verwechselt Tatbestand und Rechtsfolge. Der Betriebsübergang iSd § 3 Abs 1 AVRAG löst die Rechtsfolge des Übergangs aller Arbeitsverhältnisse aus. § 3 Abs 1 AVRAG enthält als solcher aber keine einseitigen Gestaltungsbefugnisse des AG hinsichtlich einzelner Arbeitsverhältnisse. Dass der Anspruch auf Arbeitsleistung nicht zediert werden kann ergibt sich nicht nur aus § 1393 ABGB,* sondern auch aus den Wertungen des AÜG.
Entscheidend ist, ob der AG die für die Annahme eines Betriebsübergangs wesentlichen Betriebselemente überführen, den Tatbestand des Betriebsübergangs iSd § 3 Abs 1 AVRAG erfüllen und damit den Übergang aller Arbeitsverhältnisse bewirken kann. Ohne freiwilligen Übergang von AN kann der AG das nur dann erreichen, wenn die sachlichen Betriebsmittel und Kundenbeziehungen für die Betriebsidentität so wesentlich sind, dass der Betriebsinhaber im Rahmen seiner ihm darüber zukommenden Verfügungsbefugnis schon den Tatbestand des Betriebsübergangs erfüllen kann. Sonst ist dem AG dessen Erfüllung nur möglich, wenn sich die erforderliche Anzahl der AN freiwillig bereit erklärt, zum potentiellen neuen Betriebsinhaber zu wechseln.* Es hängt also regelmäßig von der Branche und der in dieser bestehenden Gewichtung der Bedeutung von Arbeitsverhältnissen, sachlichen Betriebsmitteln, Kundenbeziehungen etc ab. Stellen aber die Arbeitsverhältnisse den zentralen Inhalt des Betriebes dar, so können die AN, wenn sie sich einig sind, einen Betriebsübergang und damit auch die Rechtsfolge des Übergangs ihrer Arbeitverhältnisse verhindern.*
Bei vom AG zum Zweck des Kollektivvertragswechsels herbeigeführten Betriebsübergängen handelt es sich um die Wahrnehmung von wirtschaftlichen Gestaltungsbefugnissen iSd 4. Abschnittes des II. Teils des ArbVG. Für diese enthält ua § 109 ArbVG Mitwirkungsrechte, die durch die Informationsverpflichtungen nach § 108 Abs 2a ArbVG wohl nicht verdrängt werden.
Bei den oben angesprochenen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 9 ArbVG in Mischbetrieben wird in der Literatur in Fällen, in denen eine Änderung einen schlechteren KollV zur Anwendung bringt, die Voraussetzung für den Abschluss eines erzwingbaren* Sozialplanes nach § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG wegen Vorliegens einer Betriebsänderung iSd § 109 ArbVG bejaht.* Mit solchen Sozialplänen sollen – wenn im Betrieb zumindest 20 AN beschäftigt sind – wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche* Teile der Arbeitnehmerschaft verhindert, beseitigt oder gemildert werden.*
Häufig wird mit Betriebsübergängen auch ein Zusammenschluss mit einem Betrieb iSd § 109 Abs 1 Z 3 ArbVG oder eine Änderung des Betriebszweckes oder der Betriebsorganisation iSd Z 4 des 406§ 109 Abs 1 ArbVG und nicht bloß ein grundsätzlich nicht sozialplanpflichtiger Eigentümerwechsel nach Z 7 verbunden sein. Im System der Branchen-Kollektivverträge ist davon auszugehen, dass einem Wechsel des KollV regelmäßig zugrunde liegt, dass ein anderes Gewerbe die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat und insoweit auch eine Änderung des Betriebszweckes iSd § 109 Abs 1 Z 4 ArbVG* vorliegt.
Erachtet man, insb bei atypischen Kollektivverträgen, die Schutzmechanismen der §§ 3 und 4 AVRAG als nicht ausreichend, so könnte insoweit eine weitere Abfederung zum Tragen kommen. Jedenfalls könnte damit in geordneter Form* auch dem zuletzt* hervorgehobenen Vertrauensschutzargument mehr Raum eingeräumt werden.
These 1 trifft bei allein an den Regelungen über den Betriebsübergang ausgerichteter Betrachtung typischer Betriebsübergänge zu. Rechtsmissbrauch kann aber nur anhand konkreter „Rechtsgeschäfte“ und konkreter Motive geprüft und daher nicht für alle Fälle ausgeschlossen werden.
Das Rechtinstitut des Wegfalles der Geschäftsgrundlage – These 2 – ist auch bei einem zum Zweck des Kollektivvertragswechsels herbeigeführten Betriebsübergang nicht geeignet, eine Fortwirkung des Veräußerer-KollV als Bestandteil des Arbeitsvertrags zu bewirken.
Ohne freiwilligen Übergang von AN kann der AG den Betriebsübergang nur dann erreichen, wenn die sachlichen Betriebsmittel und Kundenbeziehungen für die Betriebsidentität so wesentlich sind, dass deren Übertragung alleine den Tatbestand eines „Betriebsübergangs“ bilden, der dann als Rechtsfolge zum Übergang der Arbeitsverhältnisse führt.
Bei Kollektivvertragswechseln, denen Betriebszusammenschlüsse oder Änderungen des Betriebszwecks zugrunde liegen, können Sozialpläne eine weitere Abfederung von für die AN nachteiligen Rechtsfolgen des Kollektivvertragswechsels bewirken.407