Mitarbeitergespräch und Personalakte: Arbeits- und Dienstrecht im Lichte des § 16 ABGB*

HANNESSCHNELLER (WIEN)
Seit den 1980er-Jahren etabliert sich, zumindest in größeren Unternehmen, das „MitarbeiterInnengespräch“* als Maßnahme der Personalentwicklung. Während im privatrechtlichen Arbeitsvertragsrecht keine gesetzlichen Vorgaben bestehen, sehen einige öffentlich-dienstrechtliche Landesgesetze, auf Bundesebene auch das BDG,* gleichlautend das VBG* und mittelbar* das UG, das MitarbeiterInnengespräch als Instrument zur Vereinbarung eines „wesentlichen Beitrags des Mitarbeiters zur Leistungserfüllung“ vor. Das gegenständliche „Instrument der Personalentwicklung“ kann ambivalent eingesetzt werden: als Förderungs-und Karriereplanungstool im Idealfall, als disziplinar- und beendigungsrechtlich relevantes „(Geheim-)Dossier über (Persönlichkeits-)Mängel“ hingegen im schlechtesten Fall. In der Praxis wird sich das strukturierte Gespräch häufig wohl zwischen diesen beiden Polen bewegen.Der vorliegende Beitrag soll einen Überblick über die dienst- und arbeitsrechtlich relevanten Rahmenbedingungen geben. Von Bedeutung ist dabei, das MitarbeiterInnengespräch im Konnex mit dessen Ergebnisspeicherung („materieller Personalakt“) vor dem Hintergrund eines Menschenwürdebegriffs* zu verstehen, wie er dem DSG, dem Antidiskriminierungsrecht und vor allem § 16 ABGB immanent ist.
  1. Definitionen und vereinzelte Regelungen

    1. MitarbeiterInnengespräch

    2. Personalakt(e) – formell oder materiell?

    3. Überschneidungen von Dienstrecht und Arbeitsrecht?

  2. Problemstellung und wesentliche Rechtsfragen

  3. Die einzelvertragliche bzw dienstrechtlichindividuelle Ebene

    1. Grenzen des „Fragerechts“ und der „Antwortpflicht“

    2. Einsichtsrecht in vollständigen Personalakt?

    3. Schwächen der individuellen Rechtsdurchsetzung

  4. Die kollektive Betriebs- und Dienststellenvertretungsebene

    1. Grundsätzliche Möglichkeiten der Mitwirkung von Personalvertretung und BR

    2. Die kongruenten Tatbestände der §§ 96a ArbVG und 9 PVG

    3. OGH 2008 zu Personalbeurteilungsbogen: kritische Würdigung

    4. Leitsätze zum zivil- und verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsbegriff

    5. Erkenntnisse aus OGH 2015: Keine Beurteilung um der Beurteilung willen

    6. Eigener Ansatz: systemische Betrachtung von MitarbeiterInnengespräch und Personalakte

  5. Ergebnisse und abschließende Bemerkung3

1.
Definitionen und vereinzelte Regelungen
1.1.
MitarbeiterInnengespräch

In der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie (ABO-Psychologie) sowie ihrem Teilbereich „Personalpsychologie“ findet sich als konzise Definition des MitarbeiterInnengesprächs beispielsweise „Ein institutionalisiertes Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter mit spezifischer Zielsetzung, das aufgrund eines formalen Anlasses fest terminiert wird, ein größeres Zeitbudget erfordert und von beiden Seiten ausreichend vorbereitet werden kann“, wobei eingeräumt wird, dass es eine Vielfalt verschiedenster Gesprächsanlässe gibt und zB Hossiep/Bittner/Berndt* nicht weniger als 60 verschiedene Begriffe zählen, die diverse Formen des MitarbeiterInnengesprächs beschreiben können.*Mentzel* unterscheidet zwischen Fördergespräch, Beurteilungsgespräch und Zielvereinbarungsgespräch und schlägt den Begriff „Jahresmitarbeitergespräch“ für jene systematische und regelmäßige Anwendung vor, in der diese drei Dialogformen und -ziele zu einem Gespräch zusammengefasst werden.

Eigenartigerweise findet sich in der einschlägigen englischsprachigen Literatur meist der Begriff „appraisal interview“, was am ehesten mit „Interview zur Bewertung/Feststellung/Begutachtung“ oder auch „zur Bestandsaufnahme“ übersetzt werden kann. Daraus könnte man schließen, dass der später eingeführte deutschsprachige Begriff gegenüber dem englischen (bewusst?) euphemistisch gewählt ist.

Weniger beschönigend als die deutschsprachige Betriebspsychologie drückt sich der Gesetzgeber im eingangs erwähnten § 45a BDG und in einigen ähnlich formulierten dienstrechtlichen Landesgesetzen aus, wonach das jährlich zwischen Fachaufsicht-Vorgesetztem und MitarbeiterIn zu führende MitarbeiterInnengespräch aus zwei Teilen besteht und folgende Inhalte umfasst:

  1. Arbeitsziele der Organisationseinheit; Erörterung der individuellen Aufgabenerfüllung („der wesentliche Beitrag des Mitarbeiters“) im Vorjahr und für das Folgejahr.

  2. Vereinbarte Maßnahmen, die zur Leistungserhaltung oder Leistungsverbesserung notwendig oder zweckmäßig sind; Auflistung allfälliger Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Mitarbeiter auf seinem Arbeitsplatz derzeit nicht einbringen kann.

Eine schriftliche Zusammenfassung (Gesprächsprotokoll) beider Teile ist von beiden GesprächspartnerInnen zu unterschreiben. Während die Zusammenfassung des 1. Teils ausschließlich bei den beiden betroffenen Personen verbleibt, ist jene des 2. Teils (Leistungserhaltungs- und verbesserungsmaßnahmen; Zusatzkenntnisse und -fähigkeiten) auch der personalführenden Stelle zuzuleiten und dem Personalakt beizufügen (§ 45a Abs 6 BDG). In den Gesetzgebungsmaterialien* wird dazu unter Bezugnahme auf das Regierungsübereinkommen für die 18. GP zur „Besoldungsreform 1994“* festgehalten: „Das Leistungsfeststellungsrecht soll auf Grundlage von Zielvereinbarungen und jährlichen Leistungsbeurteilungsgesprächen zu einem Laufbahnplanungs- und -förderungsinstrument werden“ und weiter: „Im Interesse der Offenheit der Gesprächsführung [soll] auch die Beiziehung von Personen des Vertrauens [...] deshalb nur in einem sehr abgegrenzten Maß“ möglich sein. Dem entsprechend ist in § 45a Abs 4 BDG angeordnet, dass nur bei Nicht-Übereinstimmen der GesprächspartnerInnen hinsichtlich des Gesprächsprotokolls (bei Verweigerung der Unterschrift durch zumindest einen Partner) auf Wunsch eines Gesprächspartners eine Person seines Vertrauens beigezogen werden kann: Gleichbehandlungsbeauftragter, Personalvertreter, Behindertenvertrauensperson oder – bei Dienststellen im Ausland – ein weiterer Dienststellenangehöriger. Anderes gilt nach manchen Dienstrechtsvorschriften der Länder, wonach auf Wunsch des AN stets eine Vertrauensperson dabei sein darf.

Typische Fragen (es werden offene Fragen, „W-Fragen“, empfohlen),* die der unmittelbare Vorgesetzte an den AN oder DN (MitarbeiterIn) im Zuge eines MitarbeiterInnengesprächs stellt, und deren Erörterungen er in der Folge auch schriftlich (wenn auch nicht unbedingt im förmlichen Personalakt) festhält, betreffen die subjektive Sichtweise auf das vergangene Arbeitsjahr und die Vorschau (Einschätzung) auf das kommende. Erörtert werden die persönliche Performance des Mitarbeiters und der Abteilung, seine Stärken und Schwächen im Hinblick auf Ziele der Organisationseinheit (Abteilung) und auf persönliche Ziele, mögliche Unterstützungen und Hilfestellungen für den AN (Schulungsbedarf, Personal- und Sachressourcen uä) und letztlich auch: Wie „wohl“ und unterstützt sich der Mitarbeiter auf seinem Arbeitsplatz und im Hinblick auf die Abteilungsziele sowie seine individuellen Leistungsziele „fühlt und außerdem, wie er das „Verhältnis“ zwischen dem Vorgesetzen und sich selbst persönlich beurteilt.“*,*

Nach Abschluss der einzelnen MitarbeiterInnengespräche ist mit sämtlichen MitarbeiterInnen der4 Organisationseinheit eine Teamarbeitsbesprechung durchzuführen,* was von den Gesetzesmaterialien (vgl FN 10) ganz iSd zugrunde liegenden „management by objectives“-Methode* wie folgt begründet wird: „Gerade weil der öffentliche Dienst in einem Zielkonflikt zwischen sich verknappenden Ressourcen und steigenden Leistungsanforderungen steht, soll zur Abstützung des Instrumentariums einer leistungsgerechten Besoldung das Mitarbeitergespräch und die Teamarbeitsbesprechung hinzutreten.

Ähnliche Überlegungen und Praxen bestehen im privatrechtlichen Arbeitsrecht, allerdings bei weitgehend fehlenden Normgrundlagen (von einigen Kollektivverträgen abgesehen; siehe 1.3.). Zusammenfassend kann man wohl jede Form von „Personalanalysen“ oder Zielvereinbarungsgesprächen, welche die genannten Typizitäten aufweist, unter den arbeitsrechtlich unbestimmten Sammelbegriff MitarbeiterInnengespräche fassen.

1.2.
Personalakt(e) – formell oder materiell?

Was die Begriffsbestimmung des Personalakts betrifft, so treffen weder das BDG noch ein arbeitsvertragsrechtliches Gesetz nähere, ausgestaltende Regelungen zu Umfang und Inhalt der Datensammlung „Personalakte“. Nur das kollektive Mitwirkungsrecht lässt einen gesetzgeberischen Gestaltungswillen erahnen, nämlich vor allem in § 10a PVG*,* welcher laut den Gesetzesmaterialien an die generelle verwaltungsverfahrensrechtliche Regelung zur Aktenführung (vor allem 3. Abschnitt des AVG: „Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten“), nämlich an § 17 AVG, „Akteneinsicht“, anknüpfen soll. Außerdem ist er materiell gleich wie § 89 Z 4 ArbVG angeordnet: Die Einsichtnahme durch den Personalvertreter (dort: des BR) bedarf der Zustimmung des DN.* § 10a PVG wurde 1971 eingeführt sowie 1987 im Zuge der Umstellung auf automationsunterstütze Personalverwaltung präzisiert und ist in drei Absätze gegliedert; er stimmt in weiten Teilen mit den ebenfalls 1987 in Kraft getretenen Personaldaten-Informations- und -Kontrollansprüchen gem § 91 Abs 2 ArbVG (der iVm § 89 Z 4 ArbVG ein bedingtes Einsichtsrecht des BR gewährt) überein. Differenziert wird zwischen Personalverzeichnis und Personalakt, wobei das zuständige Personalvertretungsorgan in ersteres immer Einsicht nehmen kann, bezüglich der da rüber hinausgehenden Daten in letzterem, der Sammelurkunde „Personalakt“, aber die Zustimmung des betroffenen Bediensteten benötigt (§ 10a Abs 3 PVG). Aus dem Wortlaut ergibt sich somit, dass der „Personalakt“ zumindest ein der kollektiven Mitwirkung (Kontrolle) unbedingt unterworfenes „Personalverzeichnis“ enthalten muss und darüber hinaus sonstige Daten „deren Kenntnis zur Erfüllung der PV-Aufgaben erforderlich sind“ (Abs 1) sowie „Aktenbestandteile“, deren Einsichtnahme berechtigte Interessen eines Bediensteten oder Dritter verletzen, Behördenaufgaben gefährden oder Verfahren beeinträchtigen könnten (Abs 2).

Im Gegensatz zum erwähnten* § 10 Abs 1 Vorarlberger LandesbedienstetenG gibt es im Bundesrecht keine nähere definitorische Festlegung des Personalakts; dieser wird vom Bundesdienstrechtsgesetzgeber – ebenso wie vom Gesetzgeber des AVG und des DVG (Dienstrechts-VerfahrensG 1984) – schlicht vorausgesetzt. Eine brauchbare Begriffsbestimmung traf das dt Bundesarbeitsgericht (BAG), zB mit E vom 19.7.2012:* Es handle sich beim Personalakt um eine „Sammlung von Urkunden und dokumentierten Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines AN betreffen und die in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen. Sie sollen ein möglichst vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über diese Verhältnisse geben“.

Wie Goricnik in Grünanger/Goricnik (siehe FN 17 und 20) zutreffend ausführt, werden diesem materiellen Personalaktenbegriff auch Beiakten bzw einzelpersonenbezogene Aufzeichnungen (Notizen) von Vorgesetzen zu unterstellen sein, selbst wenn sie vom AG nicht dem formellen „Personalakt“ beigefügt werden. Die Art der Personalaktenführung dürfe der AG grundsätzlich alleine entscheiden, dies liege in seinem Organisationsermessen. Aus der Fürsorgepflicht folgt aber die Verpflichtung, keine Unterlagen oder Daten über den AN zu sammeln, die dessen Einsichtnahme entzogen sind („Geheimakten“) und deren Richtigkeit der AN deshalb nicht überprüfen kann.

Laut Auer-Mayer* und Drs* (beide mit näheren Hinweisen zur Literatur) sowie Grünanger/Goricnik,*Mosler* und einigen anderen AutorInnen* sind folgende Inhalte typischerweise in einem schriftlichen oder mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien (ITK) automationsunterstützt angelegten „elektronischen“ Personalakt:5

Sammlungen von Urkunden, Aufzeichnungen oder sonstigen Unterlagen, die Angaben über den einzelnen AN enthalten und primär dienstliche Angelegenheiten betreffen (zB Angaben zur Person, Zeugnisse, Vordienstzeitennachweise, Arbeitsvertrag/Dienstzettelkopie, Dienstbeschreibungen, Personalfragebögen-Ergebnisse, Verwarnungen, MitarbeiterInnengesprächsprotokolle und Zielvereinbarungen, Aus- und Fortbildungen, Sozialversicherungsunterlagen, Lohnexekutionen und ähnlich für die Personalverrechnung Relevantes). Auch sonstige Informationen und Daten persönlicher Natur können enthalten sein; in den „Beiakten“ können sich personenbezogene Aufzeichnungen („Dossiers“ oder gar „Geheimdossiers“) von Vorgesetzten ebenso befinden wie Krankenstands- und Fehlzeitenstatistiken (und diesbezügliche Prognosen; Notizen über „Rückkehrgespräche“*), Ergebnisse von Gesprächsnotizen, Mailverkehr des AN allgemein (mit KundInnen und GeschäftspartnerInnen, aber auch privat oder „gemischt dienstlich-privat“), Screenshots von Aktivitäten in Social Media sowie eingesehenen („angesurften“) IP-Adressen; des Weiteren elektronisch generierte Protokolle über Aktivitäten an elektronischen Endgeräten und im Internet, Notizen zum außerdienstlichen Verhalten, Kundenbeurteilungen bzw -bewertungen.

Neuerdings werden aus all diesen Daten des „Personalakts im weiteren Sinn“ manchmal Datenverknüpfungen mit stark psychologischem Einschlag erstellt, die ein „prognostisches Profil“ des AN zB in Richtung „Retention Risk“ (Risiko, sich demotiviert iSv „innerer Kündigung“ zurückzuziehen) liefern sollen.*

Ein Zwischenergebnis zur fehlenden gesetzlichen Ausgestaltung kann lauten: Der undefinierte Rechtsbegriff „Personalakt“ scheint vom – ebenfalls nicht näher bestimmenden (sieht man von Umwegen über das AVG und DVG ab) – öffentlichen Dienstrecht in das kollektive Arbeitsrecht (§ 89 ArbVG) migriert zu sein, wie es wohl auch bei der „Disziplinarordnung“ (§ 96 Abs 1 Z 1 ArbVG) und den „Disziplinarmaßnahmen“ (§ 102 ArbVG) der Fall war.* Einigkeit sollte jedenfalls darüber bestehen, dass es sich bei der „Akte“ nicht um eine formelle Urkundensammlung handelt, sondern dass ein möglichst weiter, materieller Aktenbegriff anzulegen ist, um den Rechtsschutzinteressen und Beweisnotwendigkeiten der Arbeitsvertragsparteien oder Dienstverhältnisparteien gerecht zu werden: Ein(e) Personalakt(e) ist alles an schriftlichen (elektronischen) Unterlagen, was die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines AN bzw DN betrifft und in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Unter „materiell“ ist die vollständige und umfassende Sammlung sämtlicher Urkunden zu verstehen, die inhaltlich dem oben Angeführten entsprechen.

1.3.
Überschneidungen von Dienstrecht und Arbeitsrecht?

Im „privatwirtschaftlichen“ Arbeitsrecht bestehen zur Einführung und Ausgestaltung von MitarbeiterInnengesprächen und Personalakten noch geringere Vorgaben als im Dienstrecht.* Es kann jedoch in der Praxis beobachtet werden, * dass zumindest in Großunternehmen eine weitgehende Übereinstimmung mit der Vorgangsweise nach den skizzierten öffentlich-dienstrechtlichen Regelungen besteht: Die Fragen-Kategorien, deren Ziele sowie das Gesamtziel des MitarbeiterInnengesprächs, das zweipersonale Setting und häufig sogar die Unterteilung in zwei Gesprächsprotokoll-Teile, wovon einer der Human Resources-(HR-)Leitung zu übermitteln ist, haben sich in der Privatwirtschaft in ganz ähnlicher Form etabliert. Die Ablage bzw elektronische Speicherung der Gesprächsergebnisse wird in privaten Unternehmen jedoch meist auf sehr unterschiedliche Weise in einem – je nach Unternehmensgröße – mehr oder weniger systematisch geführten Personalakt vorgenommen, der in der Praxis nicht unbedingt als „Akte“ bezeichnet wird. Insb ist im Arbeitsrecht auf Gesetzesebene bis dato ungeregelt, ob das MitarbeiterInnengespräch aus zwei Teilen besteht und nur der zweite, „datenschutzrechtlich unsensible“, sachliche Teil (zur dienstrechtlichen Zweiteilung gem § 45a BDG, vgl oben 1.1.) zur Personalakte genommen werden darf.*

Rund ein Dutzend Kollektivverträge, die meisten davon gelten in ausgegliederten oder staatsnahen Unternehmen (Bundesrechenzentrum-KollV, Bundes-Buchhaltungsagentur-KollV, DO.A und DO.B für Sozialversicherungsträger, etc), treffen Regelungen zum MitarbeiterInnengespräch; zur Personalaktführung finden sich meines Wissens jedoch keine näheren, ausgestaltenden Kollektivvertragsregelungen. * Detailreich ist § 34c des Sparkassen-KollV, der das MitarbeiterInnengespräch und das „erweiterte MitarbeiterInnengespräch“ als wesentliche „Vorrückungskriterien“ für das Gehaltsschema festlegt. Bemerkenswert sind jene derzeit ca fünf Kollektivverträge, in denen eine BV – ohne Angabe ihrer Rechtsgrundlage – als Voraussetzung6 für das MitarbeiterInnengespräch vorschrieben ist. Im KollV für die AN der Universitäten wird sogar, „unbeschadet gesetzlicher Ermächtigung“ eine spezielle Rechtsgrundlage für eine MitarbeiterInnengesprächs-BV über „ergänzende Regelungen“ geschaffen und dann näher ausgeführt (§ 4 Z 1 und § 9 Abs 4 KollV-Universitäten; Betonung, dass im 1. Teil des MitarbeiterInnengesprächs eine bereits vereinbarte Ergebniserreichung Gegenstand ist; Kucsko-Stadlmayer und Schöberl sprechen übrigens von einer „Kaskade von Zielvereinbarungen“.*

Zu den Unterschieden, aber auch zu den Gemeinsamkeiten und Wechselwirkungen von Dienstrecht (ieS: BDG; im weiteren, privatrechtlichen Sinn: VBG) und Arbeitsrecht ist noch anzumerken: Weil das öffentliche Dienstrecht nur rudimentäre Bestimmungen mit spezifischen Regelungszielen (vor allem zur Hintanhaltung von Mobbing, sonstigen Belästigungen und bestimmten Diskriminierungen) hinsichtlich „Menschenwürde“ oder „Bedienstetenwürde“ enthält,* ist wohl davon auszugehen, dass bezüglich des nicht spezifisch geregelten Persönlichkeitsschutzes öffentlich-rechtlich Bediensteter § 16 ABGB unmittelbar (bei VB) oder analog (hinsichtlich Beamter; § 1 ABGB spricht gegen die direkte Geltung) zur Anwendung gelangt. Der in jüngerer Zeit eingefügte § 43a BDG,* „Achtungsvoller Umgang (Mobbingverbot)“, der im Beamtendienst- und Vertragsbedienstetenrecht Verhaltensweisen und Arbeitsbedingungen untersagt, welche die „menschliche Würde“ verletzen, spricht aufgrund seiner spezifischen Zielsetzung (lex specialis) mE nicht gegen eine analoge, zusätzliche Anwendbarkeit der Wertungskriterien des aus dem Zeitalter von Rationalismus und Humanismus stammenden § 16 ABGB. Denn wie der OGH unter Bezugnahme auf die einschlägige VwGH-Judikatur und unter Berufung auf Just* und Kucsko-Stadlmayer* entschieden hat, trifft den öffentlich-rechtlichen DG seinen ernannten Beamten gegenüber ebenso eine Fürsorgepflicht, wie sie im vertraglichen Arbeitsrecht besteht. Die jüngere Dienstrechtsgesetzgebung habe es zwar verabsäumt, die Fürsorgepflicht des DG mit voller Eindeutigkeit in den einschlägigen Gesetzen zu verankern, sie ergebe sich jedoch unmissverständlich aus dem PVG. Der DG müsse bereits von sich aus alles tun, wofür die Personalvertretung einzutreten hat.*

2.
Problemstellung und wesentliche Rechtsfragen

Gespräche zwischen Vorgesetzen und AN, egal ob eingehende Besprechungen oder kurze Anweisungen und Antworten, sind Betriebsalltag. Die laufende Kontrolle der Leistungserfüllung – auch im Zwiegespräch – gehört als Teil des Wesensmerkmals „Weisungsrecht“ (dh Konkretisierung der vertraglichen Arbeitspflicht durch einseitige Weisung) zu den zentralen Bestimmungselementen der „persönlichen Abhängigkeit“, über die das Arbeitsverhältnis ja vorrangig definiert wird.* Somit wäre die Frage berechtigt, welche rechtlichen Bedenken gegen ein regelmäßiges und strukturiertes Gespräch zwischen Vorgesetzten und MitarbeiterInnen denn bestehen können. Die Praxis zeigt jedoch, dass in außergerichtlichen, aber auch in gerichtlichen Auseinandersetzungen die Abläufe und die karriere- und damit entgeltrelevanten Ergebnisse von MitarbeiterInnengesprächen, manchmal auch die Verweigerung eines MitarbeiterInnengesprächs, immer wieder Gegenstand sind.*,*

Der Unterschied zur zufälligen bzw unsystematischen Einzelbeobachtung und -bewertung durch den Vorgesetzten liegt vor allem darin, dass Arbeitszielerfüllung, Schulungs- und Weiterbildungsbedarf, karriererelevante Kompetenzen und ähnliches flächendeckend und systematisch erfasst und sodann schematisiert verglichen werden können.*

Im Idealfall wirkt das MitarbeiterInnengespräch fördernd und unterstützend, im „worst case“ kann es subjektiv als Schikane, Kontrollanwendung oder Mobbing-(Bossing-)Handlung aufgefasst werden bzw tatsächlich darauf abzielen. Folgende Fragen, auf die hier großteils nur andeutungsweise eingegangen werden kann, erweisen sich in der Praxis als bedeutsam:7

  • Auf der Dienstrechts- und Arbeitsvertragsebene: In welchem Umfang kann ein AN (DN) zur „aktiven“ Teilnahme am MitarbeiterInnengespräch verpflichtet werden?* Welche Regelungsmöglichkeiten haben Arbeitsvertrag und KollV? Besteht Anspruch auf Beiziehung von PersonalvertreterInnen, Betriebsratsmitgliedern oder Vertrauenspersonen? Besteht Anspruch auf Einsicht in den umfassenden und vollständigen, „materiellen Personalakt“?

  • Auf der Grundlage des Gleichbehandlungsund Antidiskriminierungsrechts: Welche Fragen, Gesprächsinhalte und MitarbeiterInnengesprächs-Ergebnisverarbeitungen (im formellen Personalakt oder auf unsystematische Art) sind im Hinblick auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, das GlBG, § 879 ABGB und die in § 16 ABGB andeutungsweise geregelte Menschenwürde bedenklich oder verboten?

  • Auf der datenschutzrechtlichen Ebene: Welche Datenerhebungen und deren Informations- und Kommunikationstechnologie-Verarbeitungsformen sind unter welchen Voraussetzungen zulässig? Inwieweit ist die „Menschenwürde“ (implizit § 1 DSG ua) bei den Fragen und Erörterungen, bei der Gesprächsführung und bei der Speicherung und Aufbewahrung der MitarbeiterInnengesprächsergebnisse (im Personalakt oder auf unsystematische Weise) zu berücksichtigen?

  • Auf der kollektiven Betriebs- oder Dienststellenvertretungsebene: Welche Informations-, Beratungs- und Mitgestaltungsrechte stehen der Belegschaft iZm MitarbeiterInnengespräch und Personalakt zur Verfügung? Wann ist bei „typischen“ * MitarbeiterInnengesprächen eine BV (§§ 96 ff ArbVG) oder das Einvernehmen mit der Personalvertretung (§ 9 PVG) erforderlich, und was sollte diese BV bzw „Dienststellenvereinbarung“ enthalten?*

Im Rahmen des vorliegenden Beitrags soll vor allem auf den letzten Punkt näher eingegangen werden, nämlich auf einschlägige Befugnisse der Dienststellen- und Betriebsbelegschaft im Lichte des DSG und des Begriffs der Menschenwürde. Die Wertungsprinzipien des öffentlich-dienstrechtlichen Gesetzgebers können unter Berücksichtigung des Unterschieds „Erwerbs- und Eigentumsfreiheitsrechte privater AG“ mE sinngemäß auf das Arbeitsrecht übertragen werden.*

3.
Die einzelvertragliche bzw dienstrechtlich-individuelle Ebene
3.1.
Grenzen des „Fragerechts“ und der „Antwortpflicht“

MitarbeiterInnengespräche funktionieren meist nach dem Muster von vorformulierten (strukturierten, systematischen) Fragen des Vorgesetzten (AG-Vertreters) und relativ unvorbereiteten bzw nicht vorbereitbaren Antworten des DN. Wie Löschnigg in seiner grundlegenden Monographie (siehe FN 39) ausführlich abhandelt, ist das Fragerecht des AG von der Beantwortungspflicht des AN strikt zu trennen. Einige Gesetze kennen ausdrückliche Mitteilungs- oder Antwortpflichten, etwa das MSchG oder das APSG, andere jedoch nicht, wie etwa das BEinstG. Zutreffend hält Löschnigg fest, dass gerade der dem Fragerecht des AG (und einer allfällig korrespondierenden Antwortpflicht des AN) zu Grunde liegende Gedanke einer Verwirklichung der Privatautonomie eben nicht zu einem vollständigen Informationsaustausch zwingt. So wie es dem Wesen der Vertragsfreiheit entspreche, durch entsprechende Fragen Informationen über den Vertragsgegenstand zu erhalten, so liege es auch in der Natur der Vertragsfreiheit, die Beantwortung der Fragen abzulehnen. Die Freiheit mündlich gestellter Fragen oder Teile eines Fragebogens (MitarbeiterInnengesprächsbogen, Gesprächsvorlage) unbeantwortet zu lassen, korrespondiere mit dem Risiko, den angestrebten Karriereweg eben nicht einschlagen zu können. Eine Beantwortungspflicht wird nur ausnahmsweise in jenen Fällen zu befürworten sein, in denen sogar Offenbarungspflichten (Mitteilungspflichten aufgrund des Arbeitsvertrags oder einer diesen konkretisierenden Weisung; stets anhand der vereinbarten Tätigkeit) gegeben sind.*

Soweit die Beantwortung von Fragen eine Notwendigkeit für darauf aufbauende Weisungen hinsichtlich der Arbeitsleistung darstellt, handelt es sich um eine Konkretisierung der Arbeitspflicht. Die Grundlage der Beantwortungspflicht bildet unmittelbar der Arbeitsvertrag. Wenn weniger die Arbeitsleistung an sich betroffen ist und die Fragen des AG daher eher auf außervertragliche oder gar „rein private“ Verhältnisse abzielen, so ist – bei zulässigerweise gestellten Fragen (siehe sogleich 3.1.1.) – im Regelfall anhand der Treuepflicht des AN dessen Pflicht zur „aktiven“ Teilnahme an einem MitarbeiterInnengespräch zu prüfen.* Umgekehrt wird sich aus der Fürsorgepflicht des AG oder ihrer Konsequenz „arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz“ (und natürlich auch aus einschlägigen Bestimmungen des GlBG und des B-GlBG) ergeben, dass der AG – unter Respektierung von Verweigerungsmöglichkeiten, die aus dem Persönlichkeitsrecht des AN resultieren – sachlich „vergleichbar“ eingesetzte („verwendete“) AN gleich zu behandeln hat. Jedenfalls sollte die Gestaltung von Fragebögen oder Leitfäden zur MitarbeiterInnengesprächs-Führung diese Aspekte berücksichtigen;8 die „Gesprächsbögen“ sind in diesem Sinne gleichbehandlungskonform zu gestalten.

Unklar ist, ob bezüglich der Frage einer Rechtspflicht zur MitarbeiterInnengesprächsführung ein gewisser Unterschied zum (klarer und umfassender geregelten) Dienstrecht besteht: Der VwGH hielt in Auslegung von § 45a BDG fest, dass eine Pflicht des DG-Vertreters (Leiters der Organisationseinheit) bestehe, das MitarbeiterInnengespräch durchzuführen, nicht aber eine Pflicht der DN.*

Was bestimmte Antwortverweigerungsrechte der AN betrifft, so hat mE zusätzlich zu Löschniggs oben angeführten Ausführungen folgendes Beachtung zu finden: Ein AN, der die Beantwortung von Fragen verweigert, die ihm zu „persönlich“ oder intim erscheinen, und der in der Folge Benachteiligungen oder gar eine Kündigung erfährt, kann sich uU auf einschlägige Abwehrrechte des Gleichbehandlungsgesetzes berufen (§§ 13 und § 27 sowie 12 und 26 GlBG). Subsidiär kann uU der Motivkündigungsschutz zur Verfügung stehen (Anfechtungsmöglichkeit nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG). Denn auch in diesem Fall könnte man davon ausgehen, dass eine Kündigung wegen der Geltendmachung eines Antwortverweigerungsrechts, also eines Anspruchs des AN im Lichte des § 16 ABGB und sonstiger die Menschenwürde schützender Verfassungsbestimmungen und einfach gesetzlicher Bestimmungen vorliegt. Wenn eine „Abmahnung“ oder ein negativer Personalakt-Vermerk im Zuge eines MitarbeiterInnengesprächs offenbar unberechtigt erfolgte und der AN eine Rücknahme verlangte, kann eine damit in Zusammenhang stehende Kündigung als verpöntes Motiv tatbestandsmäßig sein.* Aus § 105 ArbVG kann man zudem folgern, dass es nicht nur verpönte Kündigungsmotive, sondern auch „verpönte Fragen“ im Zuge eines MitarbeiterInnengesprächs (und umso mehr hinsichtlich der Gesprächsergebnis-Aufbewahrung) geben kann; etwa hinsichtlich gewerkschaftlicher Aktivitäten oder der Absicht einer Betriebsratswahlkandidatur (vgl § 105 Abs 3 Z 1 lit b und e ArbVG).*

3.2.
Einsichtsrecht in vollständigen Personalakt?

Weil die Aktenführung grundsätzlich auf der konkreten Akteneinsicht-Regelung des § 17 AVG beruhe, entschied der VwGH, dass daraus kein Recht abgeleitet werden könne, Kopien von der Behörde zugesendet zu erhalten.* In jüngerer Zeit wies das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis auf diese VwGH-Judikatur die Beschwerde eines der Post Aktiengesellschaft zugewiesenen Beamten ab, der die Vollständigkeit der ihm übermittelten Personalaktenbestandteile bezweifelte. Er hatte einen vom gem §§ 17 f PTSG bestellten Personalamtsleiter zu unterfertigenden schriftlichen Nachweis verlangt; das BVwG* lehnte dieses Ansinnen ab: Auf die Ausstellung einer Bescheinigung oder Beurkundung, dass der Personalakt vollständig sei und keine Beiakten (oder Geheimakten) bestünden, habe der Beamte keinen Rechtsanspruch.*

Diese judizielle Gleichbehandlung von üblichem Verwaltungsakt (Behörde-Partei-Verhältnis) und Personalakt (Behördenleitung-Bediensteten-Verhältnis) soll nicht unwidersprochen bleiben; sie betraf zugegebenerweise aber das Verlangen auf unterschriftliche Bestätigung eines „lückenlosen, vollständigen Akts“, und für eine derartige Beurkundung durch einen Behördenleiter scheint tatsächlich keine Rechtsgrundlage zu bestehen. In einem ähnlichen Fall (Volksschullehrerin, Land Steiermark) hatte der VwGH entschieden, dass § 10a Abs 3 PVG der Bediensteten ein eigenständiges Recht auf Einsicht in ihren Personalakt gebe, und zwar selbst dann, wenn kein Verwaltungsverfahren anhängig sei. Dem sich auf § 17 Abs 1 AVG* berufenden und die Akteneinsicht verweigernden Landesschulrat wurde nicht gefolgt: Die erwähnte PVG-Bestimmung (Einsicht in Personalakte durch Personalvertreter bedarf der Zustimmung des betroffenen Bediensteten) setze ein „individuelles“ Recht auf Einsicht implizit voraus; dieses bestehe unabhängig von § 17 AVG. Die Beamtin sei eben nicht nur „Partei“ eines Verwaltungsverfahrens, sondern gleichzeitig (und vorrangig) persönlich einsichtsberechtigte Bedienstete.

Ob dieser individuelle Anspruch bezüglich Personalakten in privatrechtlichen Unternehmen ebenso besteht, bleibt offen. Der OGH hat in jüngerer Zeit* zur Einsicht in weite Teile des Personalakts (alles, was relevant für die Entgeltkontrolle ist) jedenfalls zugunsten eines nach § 89 ArbVG prüfpflichtigen BR entschieden, dass zumindest der Belegschaftsvertretung ein von den Individualinteressen der betroffenen AN losgelöstes Recht zustehe. Das Höchstgericht schließt sich in dieser E mE eindeutig dem „materiellen“ Personalaktbegriff an, denn es erachtet sämtliche entgeltrelevanten Unterlagen als tatbestandsmäßig iSd § 89 Z 1 ArbVG, egal ob sie sich im formellen Personalakt befinden oder anderswo.

Was den Anspruch auf Einsicht in einen vollständigen Personalakt nach dem oben (1.2.) dargestellten materiellen Personalaktbegriff betrifft, sollte das folgende simple Argument überzeugen: Die §§ 26 und 27 DSG, also die Rechtsansprüche auf Richtigstellung und Löschung unvollständiger bzw unrichtiger Datenerfassungen, implizieren, dass der Berechtigte Einblick in sämtliche, ihn9 betreffende Aufzeichnungen des AG (DG) erhalten muss.*

3.3.
Schwächen der individuellen Rechtsdurchsetzung

Gewiss bestehen diverse Abwehrmöglichkeiten, wie beispielsweise Unterlassungsklagen, einstweilige Verfügungen uä gegen unzulässige Datenerhebungen (§ 32 Abs 3 DSG 2000); vgl auch die soeben erwähnten §§ 26 und 27 DSG. Es werden sich in der betrieblichen und behördlichen Praxis aber nur jene Menschen gegen „zu persönliche“ oder „intime“ Fragen beim MitarbeiterInnengespräch und deren Speicherungen zur Wehr setzen können (Nichtbeantworten, Frage zurückspielen bzw Gegenfragen uä), die 1. entsprechendes Selbstbewusstsein oder eine „starke“ Persönlichkeit haben, oder 2. „nichts mehr zu verlieren“ haben (zB „innerlich gekündigt“) oder 3. in „geschützten Bereichen“ tätig sind.* Dem Gesetzgeber ist aber nicht zu unterstellen, dass er diesen ungleichen und letztlich unfairen Individualrechtsschutz priorisieren möchte. In der Arbeitswelt ist, im Gegensatz zum Datenschutz des „privaten“ Bereichs, ein spezielles Repertoire an Regelungen und Belegschaftsansprüchen geschaffen worden.

Meine Einschätzung, wonach die 1986/87 geschaffenen speziellen kollektiv-arbeitsrechtlichen Instrumente den ca sieben Jahre davor in Kraft getretenen Rechtsschutzmöglichkeiten des DSG 1978* im Zweifel vorgehen, würde für eine spezifische Auslegung der Tatbestände des § 96 Abs 1 Z 3 und vor allem § 96a ArbVG sprechen (im Dienstrecht: § 9 Abs 2 iVm § 10a PVG und ähnliche landesgesetzliche Bestimmungen). ME wird den kollektiv-arbeitsrechtlichen Instrumenten nach dem an einem betrieblichen Interessenausgleich orientierten gesetzgeberischen Gesamtplan (aus der datenschutzrechtlichen Frühphase 1977-1986) iSv „Regelungsstreit statt Rechtsstreit“* der Vorrang eingeräumt (siehe auch unten 4.3.). Gerade bei standardisierten, systematischen Vorgangsweisen, die mögliche „Fragen-Antwort-Konflikte“ und Auffassungsunterschiede über die Gesprächsergebnis-Speicherung hervorrufen können, ist kollektiven Streitbereinigungsinstrumenten Vorrang vor dem individuellen Rechtsschutz zuzubilligen (näher siehe 4.4. und 4.5.).

4.
Die kollektive Betriebs- und Dienststellenvertretungsebene
4.1.
Grundsätzliche Möglichkeiten der Mitwirkung von Personalvertretung und BR

In Bezug auf die Aufnahme neuen Personals („Anforderungsprofil“), bei Versetzungen aufgrund von MitarbeiterInnengesprächen, bei der Aus- und Weiterbildung, sowie bei der Beendigung „fachlich ungeeigneter“ AN haben BR und Personalvertretungsorgane diverse Informations-, Vorschlags- und Beratungsrechte (§§ 94 bis 107 ArbVG; § 9 PVG), uU auch in Form von Betriebsvereinbarungen. Auf die einzelnen Informations- und Beratungsrechte hinsichtlich der Personal(entwicklungs)planung (§§ 98, 99 und 108 Abs 1 ArbVG) und -datenspeicherung (insb § 91 Abs 2 ArbVG und der schon erwähnte § 10a PVG), aber auch auf § 9 Abs 3 lit i PVG, wonach die „automationsunterstützt aufgezeichneten DN-Daten des Personalverzeichnisses einmal jährlich dem PV-Organ mitzuteilen“ sind, soll hier nicht näher eingegangen werden. Die Möglichkeit der Einsichtnahme in den Personalakt gem § 89 Z 4 ArbVG wurde in jüngerer Zeit kontrovers diskutiert* und vom OGH 2014 wie unter 3.2. erwähnt iS eines „materiellen Personalaktbegriffs“ entschieden.

Wenn ein MitarbeiterInnengespräch-Leitfaden (bzw Fragebogen oä) durch seine Fragen und Ziele (Ausrichtung und Gestaltung der Abfragen) die Menschenwürde verletzt (zB aufgrund eines Verstoßes gegen das GlBG oder § 879 Abs 1 ABGB oder mittels Abfrage der durch das DSG geschützten „sensiblen Daten“), ist er als rechtswidrig zu beurteilen und es besteht Anspruch auf Löschung. Wenn er die Menschenwürde bloß berührt* und gleichzeitig als „Kontrollmaßnahme“* zu interpretieren ist, dann greift § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG.* In allen anderen Fällen, also bei „typischen“ MitarbeiterInnengesprächen wird im Regelfall § 96a ArbVG bzw § 9 Abs 2 lit f PVG („Einvernehmenstatbestand“) zur Anwendung kommen. Bei MitarbeiterInnengesprächen, welche aufgrund ihrer Fragegestaltung und ihres tatsächlichen bzw voraussichtlichen*10 Gesprächsverlaufs samt Ergebnisaufbewahrung die Persönlichkeit des AN ausschließlich verwendungsbezogen erfassen, kommt § 97 Abs 1 Z 1 ArbVG („Ordnungsvorschriften, die das Verhalten der AN im Betrieb regeln“) in Betracht.* Es wird übrigens § 96a als „Auffangtatbestand“ des § 96 ArbVG angesehen,* und dementsprechend weit sollte der „Auffangbereich“ an mitbestimmungsunterworfenen Datenerhebungsmaßnahmen des Betriebsinhabers gesehen werden.

4.2.
Die kongruenten Tatbestände der §§ 96a ArbVG und 9 PVG

Den in zwei Ziffern gegliederten Tatbestand des § 96a Abs 1 ArbVG („Personalinformationssystem“ und „AN-Beurteilungssystem“) kann man, ebenso wie den sinngemäß gleichen* des § 9 Abs 2 lit f PVG, gesamthaft als einen einzigen, abgeschlossenen Regelungsinhalt auffassen; die Zweiteilung erfolgte wohl vorrangig aus Gründen der sprachlichen Verständlichkeit. Der Rechtssetzungsgedanke und -wille ist mE jedoch ein einheitlicher: Personenbezogene Datenerfassungen und AN-Beurteilungen sollen nur dann nicht mitbestimmungsunterworfen sein, wenn der AG damit eine Rechtspflicht erfüllt oder sein strikt „verwendungsbezogenes“ (vertraglich eingeräumtes) Recht ausübt und ausschließlich die dafür relevanten Daten erhebt. Das Regelungsobjekt dieses einheitlich zu verstehenden Tatbestands ist stets die „Datenerfassung durch den Betriebsinhaber (BI)“, ganz gleich, ob man das nun als Informations- oder Beurteilungssystem auffasst, denn was unterscheidet aufbewahrte „Beurteilungen“ vom Sammelbegriff „Daten“? Auch ein rechtssystematisch-historisches (gesetzesübergreifendes) Argument sollte für diese Sichtweise sprechen: Wenn der Gesetzgeber des § 9 Abs 2 lit f PVG zwar den Tatbestand des ein Jahr zuvor in Kraft getretenen § 96a Abs 1 Z 1 auf das Dienstrecht übertragen hat, nicht aber dessen Z 2, spricht dann diese „Lücke“ nicht dafür, dass sE im „Personaldatensystem“ bereits das „Personalbeurteilungssystem“ enthalten ist?

Auch die in den beiden Ziffern geregelten Tatbestandseinschränkungen sind in hohem Maße kongruent. Wenn der BI das Recht hat, zugunsten eines Dritten (Sozialversicherungsträger, Steuerbehörden, etc) oder seiner selbst („verwendungserforderlich“) bestimmte Daten zu erheben und zu speichern (aufzubewahren), dann soll das mitbestimmungsfrei bleiben. Diese Einschränkung sollte aber nur in jenen Fällen greifen, in denen sich die Datenverwendung ihrem Inhalt und Umfang nach bereits aus der (gesetzlichen, kollektivvertraglichen, vertraglichen oder betriebsvereinbarungsgemäßen) Verpflichtung des AG ergibt.*

Sobald aber die sich aus den Tatbestandseinschränkungen ergebenden strikten Zweckbindungen überschritten werden (eindeutig oder potentiell!),* soll die Belegschaft die Art und Weise der Datenerfassung und -speicherung mitgestalten können. Diese Mitwirkung hat mit dem relativ weitgehenden, in die Organisationsgestaltungsautonomie des AG tief eingreifenden Instrument der 1986 neu geschaffenen „notwendig-ersetzbaren“ BV zu erfolgen. Bedauerlicherweise hat es der Gesetzgeber des ArbVG unterlassen, mit der Datenerfassung deren Aufbewahrung in jedweder Form (also im „materiellen Personalakt“) auch gleich ausdrücklich mit zu regeln. Implizit wird die Speicherung im Personalakt aber sehr wohl durch den Begriff „Verarbeitung“ (vgl § 4 Z 9 DSG 2000) in der Z 1 der notwendig-ersetzbaren Betriebsvereinbarungsmitwirkung unterworfen; für die Z 2 gilt das gleiche, weil ja das dort verwendete Wort (Daten) „erhoben“ nur als eine bestimmte „Verarbeitungsform“ verstanden werden kann, worunter nach § 4 Z 9 DSG auch das Speichern, Aufbewahren, Ordnen, Vergleichen, Verknüpfen usw fällt.* Die mit der Novelle 1986 neu eingeführte Mitbestimmungsform der „ersetzbaren Zustimmung“ stellt sich dogmatisch und strukturell betrachtet als besonderes Beteiligungsrecht in Form eines speziellen Gestaltungsanspruchs (nach dem „Zustimmungsprinzip“) und in Gestalt eines ersetzbaren Kontrahierungszwangs dar.*

Normzweck des § 96a ArbVG ist mE somit – vor allem, wenn man die beiden Ziffern iZm dem DSG 1978 liest –, systematische Personaldatenerfassungen unterhalb der Schwelle einer die Menschenwürde berührenden Kontrollabsicht (denn dann käme ja § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG zur Anwendung) zu erfassen. Diese sollen einer gegenüber dem BR-“Vetorecht“ des § 96 abgeschwächten Zwangsschlichtung unterworfen sein, sobald mehr als die unbedingt erforderlichen Daten erhoben, vor allem aber auch aufbewahrt werden. Die bei einem MitarbeiterInnengespräch de facto zwangsläufige Folge-Tatsache der Speicherung macht ein systematisches „Gespräch“ ja erst so sensibel (aus Sicht der AN), dass nach der Intention der Technologie-Novelle 1986 das Mitbestimmungsrecht greifen soll. Auch Felten/Preiss* erblicken in beiden Ziffern des § 96 Abs 1 bloß einen Normzweck: Schutz der AN vor Eingriffen in ihre Privatsphäre durch Stärkung der Verhandlungsposition des BR (mittels der 1987 originär eingeführten „notwendigen BV mit ersetzbarer Zustimmung“ bzw „mit11 Zwangsschlichtung“). Ähnlich auch Reissner,* der ergänzend hervorhebt, dass der den BI stärker beschränkende Betriebsvereinbarungstatbestand stets einem allfällig in Frage kommenden „leichteren“ Betriebsvereinbarungstatbestand vorgehe, was durch § 96a Abs 3 ausdrücklich betont werde.

4.3.
OGH 2008 zu Personalbeurteilungsbogen: kritische Würdigung

In der bislang einzigen höchstgerichtlichen* E zu mitarbeiterInnengesprächsähnlichen Vorgangsweisen hat der OGH* die Notwendigkeit eines Interessenvergleichs zwischen dem Persönlichkeitsrecht des AN und den konkreten betrieblichen Interessen ins Zentrum seiner Entscheidungsfindung und -begründung gestellt. Binder,*Schrank und Gerhartl haben dieser E im Ergebnis zugestimmt, ein gewichtiger Teil der Stimmen der Lehre widersprach aber dieser Form der Interessenabwägung.* Im Einklang mit Jabornegg wird vor allem kritisiert, dass die nach den Kriterien von Reissner* vorgenommene Interessenabwägung nach der Methode des „beweglichen Systems“ im Ergebnis dazu führe, dass aus der vom Gesetzgeber intendierten Regelungskonflikt-Beilegung (via Schlichtungsstelle) ein Rechtsstreit (via Gerichte) gemacht würde. Es werde „in Wahrheit bereits vorweg zwischen Zulässigkeit und Unzulässigkeit der Maßnahme selbst (Potentialanalyse mittels Führungskraft-Beurteilungsbogen; Anm) entschieden und der Zwangsschlichtung selbst kein Raum mehr gegeben“.*

Ergänzend ist mE noch die zu geringe Beachtung der Konsequenzen eines MitarbeiterInnengesprächs zu erwähnen, nämlich die kaum vorhandenen kollektiven Mitwirkungsansprüche betreffend die Aufbewahrung (Speicherung) der Gesprächsergebnisse. Anzumerken ist auch, dass praktisch jede auch noch so „verwendungsbezogene“ Potentialanalyse nach dem herrschenden HR-Verständnis kaum ohne Erfassung der seit Jahrzehnten als zentral angesehenen Persönlichkeitseigenschaften, den „Big 5“ gemäß dem Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeitsanalyse (FFM)* durchgeführt werden kann. Die „Persönlichkeit“ wird – selbst bei engem Verständnis dieses sozialpsychologischen Begriffs – letztlich fast immer mitbeurteilt.

4.4.
Leitsätze zum zivil- und verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsbegriff

Laut OGH* und weiterer stRsp* ist im Hinblick auf § 16 ABGB das Persönlichkeitsrecht nicht als bloßer Programmsatz, sondern als Zentralnorm der österreichischen Rechtsordnung anzusehen. Diese Bestimmung anerkennt die Persönlichkeit als Grundwert. Aus ihr wird – ebenso wie aus anderen sich aus der Rechtsordnung ergebenden Grundwerten (etwa Art 8 MRK, § 1 DSG ua) – das Recht jedes Menschen auf Achtung seines Privatbereiches und seiner Geheimsphäre abgeleitet. Entscheidend für den jeweiligen Schutz ist zwar regelmäßig eine Güter- und Interessenabwägung, es ist aber anerkannt, dass der höchst persönliche Lebensbereich den Kernbereich der geschützten Privatsphäre darstellt. Jedenfalls gehören dazu die Gesundheit, das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie;* bei diesen hochrangigen Schutzgütern kommt es auf eine Interessenabwägung gar nicht an.

Zu beachten ist nach der Rsp (siehe FN 77) aber auch, dass bei der Beurteilung über Bestand und Umfang eines Persönlichkeitsrechts im konkreten Fall stets ein die Gesamtrechtsordnung berücksichtigendes Werturteil gefällt werden muss, ob und wie weit ein subjektives Recht bezüglich einzelner Ausstrahlungen der Person besteht. Bei vielen Persönlichkeitsrechten würde eine Überspannung des Schutzes zu einer unerträglichen Einschränkung der Interessen anderer oder der Interessen der Allgemeinheit führen.*

Vgl auch Schauer,* der festhält: Zugunsten der mittelbaren Drittwirkung wird nach stRsp entschieden, dass die grundrechtlichen Wertungen in den privatrechtlichen Persönlichkeitsschutz einfließen. § 16 ABGB wirke auf diese Weise als Schnittstelle zwischen dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht. Die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten zeige sich vor allem in dreifacher Hinsicht:

  1. Abwehr von außervertraglichen Eingriffen Dritter in die geschützte Persönlichkeitssphäre,

  2. Rechtfertigung eigenen Handelns, wodurch in die Rechtsgütersphäre einer anderen Person eingegriffen werden dürfe (also gerade umgekehrt zu 1.)* und bei der vertraglichen Inhaltskontrolle gem § 879 ABGB.12

    Speziell zum arbeitsrechtlichen Kontext führt Aicher* näher aus: Besondere Auswirkungen hat das Persönlichkeitsrecht im Arbeitsrecht, es schlägt sich dort insb in der Anerkennung besonderer Fürsorgepflichten und in den Grenzen des Weisungsrechts nieder. Der AN brauche unsittliche Weisungen nicht zu befolgen (als Beispiele aus der Judikatur führt er an: Weisung an weibliches Gaststättenpersonal, den Ehering abzunehmen; Weisung an einen Reisenden, zur Kontrolle seiner Tätigkeit den 14-jährigen Sohn des Geschäftsführers mitzunehmen uä). Besondere Persönlichkeitsrelevanz besitzt die Kontrolle des AN. Totalüberwachung des AN durch automatisierte Personalinformationssysteme ist Persönlichkeitsverletzung iSd § 16 ABGB. Diese Bestimmung schützt die Menschenwürde, welche angeboren und daher unverzichtbar ist. Einwilligungen zu Tests, die über Erfordernisse des konkreten Arbeitsverhältnisses hinausgehen und die Persönlichkeitsstruktur im ureigensten Intimbereich aufdecken, sind sittenwidrig und unwirksam. Die Freiheit der Meinungsäußerung ist ebenfalls ein angeborenes Recht.*

    Daraus ist mE abzuleiten: Wenn sich ein MitarbeiterInnengespräch und dessen „übergenaue“ bzw intransparente (für den AN oder BR nicht vollständig einsehbare und durch „Gegendarstellungen“ oä korrigierbare) Speicherung im Personalakt als „System der Verhaltensanalyse und -prognose“ darstellt, liegt zumindest ein Personalinformations- und -beurteilungssystem vor. Bei stärkeren Eingriffen könnte ein die Menschenwürde berührendes Kontrollsystem gegeben sein; zu bedenken ist, dass der Begriff der „Würde“ ein gewichtiger Teilaspekt des umfassenden Persönlichkeitsrechts ist.

4.5.
Erkenntnisse aus OGH 2015: Keine Beurteilung um der Beurteilung willen

Im gegebenen Zusammenhang sind zwei höchstgerichtliche Entscheidungen zu erwähnen, in denen das Persönlichkeitsrecht des AN und somit das Recht auf „Privatsphäre“ eine ebenso wesentliche Rolle spielte, wie dessen Abwägung mit den sachlich gerechtfertigten Ansprüchen und Interessen des AG. Mit E vom 20.3.2015* befand der OGH: Der Tatbestand des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG sei erfüllt, weil hier der „schmale Grenzbereich“ zwischen den die Menschenwürde verletzenden und den die Menschenwürde überhaupt nicht tangierenden Maßnahmen des BI vorliege. Das grundsätzlich legitime Kontrollziel sei von der Zulässigkeit der vom BI gewählten Kontrollmethode zu unterscheiden. Es werde mit der Atemluftkontrolle vor Beginn der Arbeitsleistung zwangsläufig in die Integrität der biophysischen Beschaffenheit der Person und damit in ihre körperliche Integrität eingegriffen.* Dem Interesse des BI an einem einwandfreien Betriebsablauf stehe das Interesse der AN an den besonders hoch geschützten Rechtsgütern ihrer körperlichen Integrität und Privatsphäre gegenüber. In dieses möchte der BI mit unangekündigten sporadischen Atemluftkontrollen eingreifen; es nimmt die Kontrollmethode jedoch nicht Bedacht darauf, ob überhaupt irgendeine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit eines Mitarbeiters bestehe. Das Interesse des BI orientiere sich in diesem Bereich damit nicht an Sicherheitsaspekten, sondern reduziere sich auf eine „Kontrolle um der Kontrolle (oder Disziplin) willen“. Auch der Kreis der „Verdächtigten“, nämlich eine flächendeckende Kontrolle bei allen Beschäftigten, egal ob Fahrbetrieb oder nicht, spreche für einen zu starken Eingriff in Persönlichkeitsrechte. In Summe ergebe sich damit, dass bei einer Abwägung der wechselseitigen Interessen, die Interessen der AN an der Wahrung ihrer körperlichen Integrität und ihrer Privatsphäre die Interessen des BI an einer undifferenzierten Kontrolle der MitarbeiterInnen überwiegen und zwar dann, wenn der BI unangekündigt, ohne Einwilligung der MitarbeiterInnen, ohne besondere Verdachtslage und unabhängig davon durchgeführt wird, ob eine Alkoholisierung zu beeinflussen geeignet ist. Die einseitige konsenslose Kontrollmaßnahme des BI ist in dieser Allgemeinheit daher rechtswidrig und unzulässig.

Mit E vom 24.9.2015, 9 ObA 82/15x („rosafarbenes Haarband“), führte der OGH zu Bekleidungsvorschriften im Betrieb aus, dass bei den Kündigungsgründen gemäß VKG/MSchG* aufgrund der Schutzbedürftigkeit des AN besonders schwerwiegende Umstände in der Person des AN oder auf betrieblicher Ebene vorliegen müssten. „Individuelle Weisungen des AG, die Persönlichkeitsrechte eines AN (§ 16 ABGB und Art 8 MRK) berühren, wie jene, die das äußere Erscheinungsbild eines AN betreffen, sind besonders heikel. Hier ist bei der Interessenabwägung besondere Vorsicht geboten.* Einschränkung der Persönlichkeitsrechte hinsichtlich „seriöser Kleidung“ könnten ihre Grundlage im Gesetz, im KollV, im Arbeitsvertrag oder in einer erzwingbaren BV (§ 97 Abs 1 Z 1 ArbVG) haben. Eine Einzelweisung hingegen (gerade weil sie nicht in Form einer BV ausgleichend auf sämtliche sachlich vergleichbaren AN des Betriebs ausgedehnt wird; Anm des Verfassers) „greift aber in die Persönlichkeitsrechte nach § 16 ABGB und Art 8 MRK, sein persönliches Erscheinungsbild nach eigenem Ermessen festzulegen, ein. Der Eingriff des AG in die Persönlichkeitsrechte des AN braucht sehr gute Gründe, um gerechtfertigt zu sein.“ Am Schluss der Entscheidungsbegründung wird nochmals die „Einzelwei-13sung“ des BI betont. Daher muss man mE davon auszugehen, dass bei Vorliegen einer entsprechenden „Verhaltensvorschriften“-BV“ nach der Z 1 des § 97 Abs 1 ArbVG die Vorgangsweise des BI wohl gedeckt gewesen wäre.

Der OGH hat mE mit diesen beiden Entscheidungen den Persönlichkeitsrechten im betrieblichen Kontext eine höhere Bedeutung beigemessen als nach seiner früheren Judikatur. Auch im Hinblick auf das MitarbeiterInnengespräch und dessen Ergebnisaufbewahrung sollte eine deutlichere Beachtung der Privatsphäre sowie eine stärkere Berücksichtigung einschlägiger Mitwirkungsansprüche der Belegschaft Platz greifen.

4.6.
Eigener Ansatz: systemische Betrachtung von MitarbeiterInnengespräch und Personalakte

Mit systemischer oder „gesamthafter“ Sichtweise und Auslegung der in Betracht kommenden Mitwirkungsansprüche meine ich, dass

  1. das MitarbeiterInnengespräch (und analoge AN-Beurteilungsmaßnahmen genereller Art) stets gemeinsam mit seiner Folgewirkung, dem „materiellen Personalakt“ als systematisch-einheitliche Maßnahme des BI betrachtet und rechtlich gewürdigt werden sollte, und

  2. Dienstrecht und Arbeitsrecht soweit als (sachlich) möglich, in Übereinstimmung gebracht werden sollten.*

Einige Argumente dafür wurden bereits unter 3.1., 3.2., 4.2., 4.3. und 4.5. abgehandelt; es soll aber nochmals betont werden, dass nahezu jedes denkbare MitarbeiterInnengespräch iVm seiner Ergebnisaufbewahrung für mögliche künftige Verwendungen* durch künftige, ganz andere AG-VertreterInnen (die diese Personalaktinhalte mangels Anwesenheit beim seinerzeitigen MitarbeiterInnengespräch dann auch ganz anders interpretieren könnten!) eine das Persönlichkeitsrecht des AN zumindest tangierende Maßnahme des BI darstellt.

Die Tatbestandseinschränkungen der beiden Ziffern des § 96a ArbVG, dem wohl § 9 Abs 2 lit f) PVG vollinhaltlich entspricht, sind so zu verstehen, dass nur bei deutlich erkennbarer Ausschließlichkeit* der Verwendungsbezogenheit bzw Datenermittlungspflicht des BI kein „notwendig-ersetzbarer“ Mitwirkungsanspruch gegeben ist, aber uU eine erzwingbare BV gem § 97 Abs 1 Z 1 in Betracht kommt. Sollte das MitarbeiterInnengespräch nicht nur ein Beurteilungs-(Bewertungs-), sondern gar ein Kontrollsystem sein (systematische Fragen zu Suchtverhalten oä), dann greift § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG (als „Personalfragebogen“ nach Z 2 leg cit wird das MitarbeiterInnengespräch in der unter 1.1. dargestellten Form eher nicht zu bewerten sein).*

Zu den möglichen Betriebsvereinbarungsinhalten ist den in FN 46 genannten Quellen Einiges zu entnehmen. Eine konsensuale Festlegung der MitarbeiterInnengesprächsvorlage und die Möglichkeit der subsidiären Beiziehung von Betriebsratsmitgliedern bzw eine sonstige Form von „betrieblichsozialpartnerschaftlicher Mediation“ sollte jedenfalls Gegenstand sein.

5.
Ergebnisse und abschließende Bemerkung

1. MitarbeiterInnengespräche sind grundsätzlich als positive Personalentwicklungsmaßnahme zu beurteilen. AG, die sie systematisch einsetzen, wollen in aller Regel wertschätzend mit ihren MitarbeiterInnen umgehen und vielfach gerade auch durch dieses „Instrument“ Wertschätzung zeigen. Um möglichen Missbrauch bei konfliktträchtigen Vorgesetzten-MitarbeiterInnen-Verhältnissen zu minimieren, erscheint es jedoch schon de lege lata, umso mehr aber de lege ferenda notwendig, MitarbeiterInnengespräche und deren Ergebnis- Speicherung in der „Personalakt im materiellen Sinn“ (sämtliche Notizen und Urkunden, die in Bezug zum Dienstverhältnis stehen) gesamthaft zu betrachten. Sowohl der Belegschafts- als auch der AG-Seite sind, iSv Rechtssicherheit und Transparenz, gewisse Rechtsschutzmöglichkeiten einzuräumen. Zur gesamthaften Betrachtung gehört vor allem, dass MitarbeiterInnengespräche und Personalakte als einheitlicher Vorgang zu sehen sind; das DSG wirkt ebenso ein wie Grundsätze des sonstigen Persönlichkeitsschutzes. § 16 ABGB, der aus einer historischen Schlüsselphase von Aufklärung und Humanismus stammt, ist (neben spezifischen Regeln, wie etwa den §§ 26 f DSG) bei gegenständlicher Thematik stets zu beachten.

2. Angesichts der weitgehenden Regellosigkeit von MitarbeiterInnengesprächs- und Personalaktausgestaltungen im privatrechtlichen Arbeitsrecht sollten die Normzwecke und Wertungsprinzipien der einschlägigen – wenngleich bei weitem nicht abschließend regulierenden – öffentlich-rechtlichen Dienstrechtsnormen auch auf arbeitsvertragsrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Konstellationen angewandt werden. Weil der privatrechtliche AG hinsichtlich MitarbeiterInnengesprächen und Personalakten deutlich mehr Freiheiten sowie einseitige Gestaltungs- und Ablaufmöglichkeiten hat als der öffentlich-rechtliche DG, muss er sich auch ein „Mehr“ an Mitbestimmung gefallen lassen. De lege lata wäre ein spezifisches, kodifiziertes „betriebliches Datenschutzrecht“ sinnvoll, um die Rechte beider Betriebsparteien (BI und BR) präziser zu regulieren und allfällige Friktionen mit dem individuellen Datenschutz zu beseitigen.

3. Grundsätzlich ist das Recht auf oder die Pflicht zum MitarbeiterInnengespräch nach dem Arbeitsvertrag zu beurteilen, in seltenen Fällen auch nach14 dem KollV. Im öffentlich-rechtlichen Dienstrecht besteht eine gesetzliche Pflicht, doch wurde die Aufgabe der Gesprächsführung bislang bloß als eine Rechtspflicht des Dienstvorgesetzten judiziert.

4. MitarbeiterInnengespräche und deren Ergebnisspeicherung in der umfassenden, „materiellen“ Personalakte sind vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen und einfach-gesetzlichen Persönlichkeitsschutzes (Art 8 EMRK, § 16 ABGB, §§ 6 ff DSG) zu sehen. Antwortverweigerungsrechte sind – von betrieblich-sachlichen und „verwendungsbezogenen“ Ausnahmen abgesehen – zu beachten. Schon aus dem Persönlichkeitsrecht und aus allgemeinen datenschutzrechtlichen Erwägungen (Löschungsansprüche!) ergibt sich, dass jeder AN oder DN Anspruch auf Einsichtnahme in sämtliche, auch unstrukturierte Urkunden hat, die seine persönlichen und dienstlichen Verhältnisse betreffen, sofern sie im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen („materielle Personalakte“).

5. Die beiden Ziffern des § 96a ArbVG sind als ein kongruenter Tatbestand zu verstehen. Die ebenfalls als einheitliche Einschränkung zu lesenden „Bedingungen“, unter denen der BI mitbestimmungsfrei Daten verarbeiten (erheben, vergleichen, speichern usw; § 4 Z 9 DSG) darf, sind eng auszulegen, um einer ausgleichenden Fairness durch kollektiv mitgestaltete MitarbeiterInnengesprächsgrundlagen und Personalaktkontrollmöglichkeiten zum Durchbruch zu verhelfen. Mitbestimmte Gestaltungen von MitarbeiterInnengesprächen (dh Gesprächsleitfäden oä) und Personalakten machen ein Personal- Bewertungsverfahren („assessment“) letztlich auch für den BI transparenter und aussagekräftiger. Die kollektive Mitwirkung (Fairness durch ausgleichende Mitgestaltung) kann dafür sorgen, dass ein von manchen skeptisch beäugtes MitarbeiterInnengespräch „menschlich“ und damit dem § 16 ABGB gerecht wird.

Schlussbemerkung: Im Gegensatz zu den zahlreichen Dienststellen des öffentlichen Bereichs* greift in privatrechtlichen Unternehmen und Betrieben die gesetzliche Anordnung des § 40 ArbVG (BR, Zentralbetriebsrat usw sind unter den dortigen Voraussetzungen zu errichten) bei weitem nicht flächendeckend. Betriebsratskörperschaften sind in Kleinunternehmen (bis 50 Beschäftigte), manchmal auch in mittleren Unternehmen (bis 200 oder 250 Beschäftigte), nur lückenhaft anzutreffen.* Dieses, den ohnehin bestehenden Rechtsschutzlücken bezüglich MitarbeiterInnengespräch und Personalakt vorgelagerte Defizit in der Privatwirtschaft gilt es zu beseitigen. Denn nur dann kann ganz iSd § 39 Abs 1 ArbVG ein Interessenausgleich herbeigeführt werden, wie ihn der OGH seit geraumer Zeit als Interpretationsformel für KollV und BV anwendet: Den kollektiv-arbeitsrechtlichen Parteien ist zu unterstellen, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung, verbunden mit einem Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen, treffen wollen.