Düwell/Schubert
(Hrsg)Mindestlohngesetz – Handkommentar

Nomos Verlag, Baden-Baden 2015, 320 Seiten, gebunden, € 69,–

NORAMELZER-AZODANLOO (GRAZ)

Mit 1.1.2015 ist in Deutschland das am 16.8.2014 in Kraft getretene Mindestlohngesetz wirksam geworden. Einschlägige Kommentierungen ließen nicht auf sich warten. Gegenstand der folgenden Rezension ist ein HK unter der Herausgeberschaft der Professoren Franz Josef Düwell und Jens Schubert, die außer ihrer eigenen Expertise und Praxis durch die Hereinnahme weiterer AutorInnen auch noch jene von RichterInnen, RechtsanwältInnen und SozialpartnerInnen in die Kommentierung einbringen.

Den Erläuterungen der einzelnen Bestimmungen des Mindestlohngesetzes (MiLoG), das neben Änderungen des ArbGG, des SchwarzarbeitsbekämpfungsG, des NachweisG, des Tarifvertragsgesetzes sowie verschiedener sozialrechtlicher Regelungen somit formal „nur“ einen Teil des TarifautonomiestärkungsG bildet, ist ein ausgezeichneter Einleitungsteil vorangestellt, der zum einen einen guten Überblick zum Gesetzwerdungsprozess bietet und zum anderen bereits erste Eckpfeiler des MiLoG näher zusammenfasst (zB Charakteristika und Grundkonzeption des gesetzlichen Mindestlohns, vgl Einleitung Rz 31 ff). Weiters wird in dieser von Jens Schubert verfassten Einleitung auch die verfassungsrechtliche Verankerung sowie die europäische Einordnung des gesetzlichen Mindestlohns untersucht (vgl Rz 41 ff). Die Aufmerksamkeit wird in diesem Bereich vor allem auf die mögliche Unionswidrigkeit des § 22 Abs 2 MiLoG gelenkt, weil der Bestimmung zufolge in altersdiskriminierender Weise verschiedene jugendliche Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung nicht als AN iS dieses Gesetzes gelten (Einleitung Rz 55 ff sowie § 22 Rz 50 ff). Ebenso erfolgen in der Einleitung Ausführungen zum gesetzlichen Mindestlohn im Verhältnis zu anderen Mindestlohnregelungen, insb jenen in Tarifverträgen, sowie zur Sittenwidrigkeitsgrenze (Rz 65 ff) und zum Betriebsverfassungsrecht (Rz 79 ff), schließlich auch noch zu den Auswirkungen der Mindestlohnregelungen auf das Sozialrecht (Rz 83 ff).

Nach einer solcherart gestalteten Einleitung finden sich im Kommentarteil naturgemäß einige Wiederholungen, die aber durch die umfassende und tiefgehende Analyse der jeweiligen Bestimmungen bestens ausgeglichen werden. Zudem wird regelmäßig auf praktische Problemstellungen eingegangen und der Bezug zu sonstigen (arbeits)rechtlichen Bereichen hergestellt. So wird etwa in den Erläuterungen zu § 1 MiLoG von Franz Josef Düwell nicht nur der Mindestlohn als Bestandteil eines umfassenden Regelungskonzepts dargestellt, sondern ua auch der Frage nach der eigentlichen Anspruchsgrundlage für den Mindestlohn des/der AN nachgegangen (Rz 9 ff), weiters dem Mindestlohnsatz im Falle von Entgeltfortzahlung (Rz 15 ff), sowie ua die Durchsetzung des Mindestlohnanspruchs und die Anforderungen an entsprechende Anträge und Klageschriften besprochen (Rz 50 ff). § 3 MiLoG und die einschlägige Kommentierung von Martina Trümner sind der Unabdingbarkeit des Mindestlohns gewidmet, weiters finden sich dort Ausführungen zu Ausschlussfristen (Rz 20 ff) und Verzicht (Rz 46 ff) sowie zur Verfassungsgemäßheit des § 3 (Rz 59 ff), zu deren Begründung ua auf das so in Österreich nicht ausdrücklich festgelegte Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG zurückgegriffen werden kann (siehe auch schon Einleitung Rz 42).

Obwohl es sich beim Mindestlohn nach dem MiLoG um einen gesetzlichen Mindestlohn handelt, wird nach der Lektüre der §§ 4 ff MiLoG und ihrer Kommentierung, die von Micha Heilmann vorgenommen wird, für die österreichischen LeserInnen eine gewisse „Vertrautheit“ bezüglich des Entstehungsprozesses der jeweiligen Mindestlohnhöhe nicht ausbleiben. Dies liegt daran, dass Anpassungen derselben in Hinkunft auf einen Beschluss der sogenannten Mindestlohnkommission (vgl § 9 MiLoG) zurückgehen müssen. Aufgabe und Zusammensetzung dieser Institution (vgl § 4 MiLoG) gleichen dabei dem österreichischen Bundeseinigungsamt.

Zum Zwecke der besseren Wirksamkeit und der Durchsetzung des Mindestlohns hat der deutsche Gesetzgeber in § 13 MiLoG auch die „Haftung des Auftraggebers“ festgesetzt. Damit liegt es im Interesse und in der Verantwortung der UnternehmerInnen, dass die AN, die bei den von ihnen beauftragten Sub- und Nachunternehmen beschäftigt werden, ebenfalls den gesetzlichen Mindestlohn erhalten. Kommentiert wird dieser – wiederum an österreichische Bestimmungen, ua die Haftung für sozialversicherungsrechtliche Beiträge von Subunternehmen in der Baubranche nach § 67a ff ASVG, erinnernde – Bereich von Waldemar Reinfelder.68

Einen weiteren wesentlichen Beitrag zur Wirksamkeit der Einführung arbeitsrechtlicher Mindestbedingungen und gewisser Sozialstandards leistet die Festlegung einer Kontrolle derselben durch die staatlichen Behörden, also unabhängig vom Willen der betroffenen AN. Dies erfolgte in §§ 14 bis 18 MiLoG, kommentiert von Bernd Ramming. Den Schlussbereich des HK bilden neben den Ausführungen zu § 21 MiLoG, der die Bußgeldvorschriften enthält, vor allem jene zu § 22 MiLoG mit dem von Jens Schubert und Kerstin Jerchel kommentierten persönlichen Anwendungsbereich des MiLoG.

Zusammengefasst darf gesagt werden, dass der besprochene HK – auch den österreichischen LeserInnen – sowohl einen sehr guten Einstieg in die Regelungen zum deutschen Mindestlohn ermöglicht als auch eine vertiefende Auseinandersetzung mit vielen einschlägigen Fragestellungen darstellt.