SchörghoferGrenzfälle der Arbeitskräfteüberlassung

Manz Verlag, Wien 2015, XVI, 264 Seiten, broschiert, € 56,-

WOLFGANGGORICNIK (SALZBURG)

Die vorliegende Untersuchung von Felix Schörghofer, die in der Reihe manzwissenschaft.at erschienen ist, wurde im Sommer 2014 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien als Dissertation approbiert und in der Folge hinsichtlich ihrer Publikation überarbeitet; sie berücksichtigt Rsp und Lehre nach den Angaben des Autors bis Ende Oktober 2014. Die Arbeit wurde mit dem Award of Excellence des BMWFW ausgezeichnet, was schon prima vista für ihre Qualität spricht.

Diese Monographie beschäftigt sich mit dem sogenannten „Drittpersonaleinsatz“: Mit diesem Begriff werden Sachverhalte benannt, in denen ein Unternehmen zur Bewältigung seiner Arbeitsaufgaben keine eigenen AN einsetzt, sondern stattdessen AN eines anderen Unternehmens (idR ein Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen iwS) und zwar insb auf dem eigenen Betriebsgelände. Schörghofer widmet sich dabei drei konkreten Sachverhaltskonstellationen, nämlich a) der langfristigen Arbeitskräfteüberlassung, b) dem sogenannten „Payrolling“ (dh mit Ausnahme der Entgeltzahlung, die beim Überlasser verbleibt, werden die anderen AGFunktionen zT bis hin zur Abrechnung vom Beschäftiger übernommen) und c) der Abgrenzung der Arbeitskräfteüberlassung vom Werkvertrag.

Zutreffend geht er davon aus, dass eine allfällige Höchstdauer einer Überlassung in vielen Fällen darüber entscheiden wird, ob an Stelle einer Direktanstellung auch der Einsatz überlassener Arbeitskräfte überhaupt möglich bzw sinnvoll ist, weshalb die zeitliche Begrenzung eine „Grundfrage“ der Arbeitskräfteüberlassung sei, welche Frage der Autor deshalb ebenfalls ausführlich untersucht; dabei geht er insb auf Art 1 Abs 1 der Leiharbeits-RL 2008/104/EG ein, der von einer nur „vorübergehenden“ Beschäftigung für das entleihende Unternehmen spricht. Er beschäftigt sich auch ausführlich mit der Frage, ob aus der bisherigen Rsp des EuGH Anhaltspunkte für eine Auslegung dieser und anderer (zumindest explizit sanktionsloser) Begriffsbestimmun-69gen in der RL, die das Kriterium „vorübergehend“ enthalten, abgeleitet werden können.

Nach seiner Ansicht wäre nämlich (gerade angesichts des § 10 Abs 1a AÜG) mit großer Wahrscheinlichkeit eine Anpassung der österreichischen Rechtslage erforderlich, sollte sich der EuGH für ein Verbot der Dauerüberlassung in der Leiharbeits-RL 2008/104/EG aussprechen.

Auf Grund eines finnischen Vorabentscheidungsersuchens entschied die (wohl von einem am Verfahren beteiligten Mitgliedstaat beantragte) Große Kammer des EuGH bekanntlich mittlerweile zu C-533/13 am 17.3.2015 bezüglich einer tarifvertraglich vorgesehenen (und entsprechend gesetzlich strafbewehrten) zeitlichen Begrenzung des Einsatzes von Leih-AN, dass sich Art 4 Abs 1 der Leiharbeits-RL 2008/104/EG nicht an die Gerichte, sondern nur an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten richtet, indem ihnen eine Überprüfungspflicht der jeweiligen nationalen Regelungen auferlegt wird, um sicherzustellen, dass die Verbote oder Einschränkungen des Einsatzes von Leiharbeit aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, und indem sie verpflichtet werden, die Kommission über die Ergebnisse dieser Überprüfung zu informieren; die im gegebenen Zusammenhang interessierende weitere Fragestellung des finnischen Arbeitsgerichts, ob der längerfristige Einsatz von Leih-AN neben den eigenen AN eines Unternehmens im Rahmen der gewöhnlichen Arbeitsaufgaben des Unternehmens – ohne gegen die Leiharbeits-RL 2008/104/EG zu verstoßen – im nationalen Recht als verbotener Einsatz von Leiharbeitskräften eingestuft werden dürfe, musste sohin (leider) nicht mehr beantwortet werden. Mit dieser prozeduralen (und nicht materiellen) Deutung von Art 4 Abs 1 der Leiharbeits-RL 2008/104/EG ersparte sich der EuGH, dieses „heiße Eisen“ anzufassen (bezeichnenderweise gaben neben der finnischen Regierung sechs andere Regierungen zT diametral entgegengesetzte Erklärungen zu diesem Verfahren ab, nachzulesen in den Schlussanträgen des Generalanwalts).

Die entsprechenden Ausführungen und Überlegungen von Felix Schörghofer behalten dadurch ihre Aktualität.

Beim Vorliegen der Konstellation des „Payrolling“ sieht der Autor dann, wenn der Überlasser das Risiko der Verwertung der Arbeitskraft des AN (iS seiner Einsetzbarkeit) nicht trägt, den Tatbestand des (von ihm sorgfältig analysierten) § 2 Abs 4 AMFG als erfüllt an, sodass die Rechtsfolge der Wechsel des Arbeitsvertrags zum vermeintlichen Beschäftiger sei. Die Richtlinienkonformität begründet Schörghofer diesbezüglich mit dem Schutz des Arbeitsmarkts. Aus Sicht des Rezensenten ist dieser Ansatz zwar mutig, aber dogmatisch sehr gut unterlegt und zu begrüßen, um dabei auf der Hand liegenden Missbräuchen des Gestaltungsmittels der Arbeitskräfteüberlassung effektiv entgegentreten zu können.

IZm Werkverträgen zwischen den beiden involvierten Unternehmen vertritt Felix Schörghofer zu Recht, dass es für die Qualifikation des Personaleinsatzes als Arbeitskräfteüberlassung unerheblich sei, wenn die Weisungsbefugnis des Werkbestellers/Beschäftigers dadurch verschleiert wird, dass seine Weisungen über einen „Zwischenvorgesetzten“ des Werkunternehmers/Überlassers an die eingesetzten AN weitergeleitet werden.

Generell ist anerkennend festzuhalten, dass die Sichtweisen und Begründungsansätze von Schörghofer in der Wirtschaftspraxis – und nicht im „akademischen Elfenbeinturm“ – verortet sind; gerade daraus beziehen seine wissenschaftlichen Ausführungen und seine klaren und eindeutigen Positionen ihre Kraft.

Für ein ausgewiesen wissenschaftliches Werk erstaunlich liefert der Autor (erfreulicherweise) sogar Praxishinweise, wenn er etwa ausführt, der BR habe abseits von der arbeitsgerichtlichen Durchsetzbarkeit des Inhalts einer BV gem § 97 Abs 1 Z 1a ArbVG auch die Möglichkeit, den Einsatz von Leiharbeit durch die Einschaltung der Medien zu beeinflussen zu versuchen (S 61 mit einer deutschen Belegstelle).

Resümierend kann die Lektüre des Buches von Felix Schörghofer nicht nur dem wissenschaftlich orientierten Leser, sondern auch dem Praktiker, der mit den beschriebenen Konstellationen von „Drittpersonaleinsatz“ zu tun hat, ans Herz gelegt werden. Den Ausführungen von Schörghofer ist angesichts der zu konstatierenden Zunahme der behandelten sozialpolitisch bedenklichen „Grenzfälle“ weiters zu wünschen, zur Beförderung der sohin notwendigen vertieften rechtlichen Auseinandersetzung mit diesen Konstellationen auch entsprechenden Eingang in die justizielle Praxis zu finden.