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Alkoholkontrollen per Alkomat

GERT-PETERREISSNER (INNSBRUCK)KARLSCHNEEBERGER (GRAZ)
  1. Die Menschenwürde wird von einer Kontrollmaßnahme oder einem Kontrollsystem vor allem dann „berührt“, wenn dadurch die vom AN in den Betrieb miteingebrachte Privatsphäre kontrolliert wird oder eine hohe Intensität der Kontrolle der Arbeitsleistung und des arbeitsbezogenen Verhaltens vorliegt, etwa die Kontrolle in übersteigerter Intensität organisiert wird und jenes Maß überschreitet, das für Arbeitsverhältnisse dieser Art typisch und geboten ist.

  2. Die Ansicht, dass der generelle Einsatz von Alkomaten bei AN, bei denen sich nicht einmal ein Verdacht auf eine Alkoholisierung zeigt, die Menschenwürde nicht einmal tangieren würde, ist unrichtig.

  3. Die Frage, ob die Verwendung von Alkomattests die Menschenwürde nur berührt oder bereits verletzt, kann dahingestellt bleiben, weil die AG in keinem Fall ohne Zustimmung des BR zur Durchführung derartiger Alkoholkontrollen berechtigt wäre.

Die bekl und gefährdende Partei (Bekl) betreibt ein Eisenbahnverkehrsunternehmen und erbringt Serviceleistungen im Bereich der Schienenfahrzeuglogistik. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben werden Mitarbeiter im Betriebsdienst als Zugführer, aber auch in der Verwaltung und anderen Tätigkeitsfeldern eingesetzt. Neben dem gesetzlich verankerten Alkoholverbot für Betriebsbedienstete und diesem Rechnung tragenden Vorschriften in den AVB und Dienstvorschriften wurde mit einem an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bekl gerichteten Schreiben vom 8.7.2013 ein generelles Alkoholverbot ausgesprochen. In diesem Schreiben wurde ausdrücklich festgehalten, dass ab sofort für das gesamte Unternehmen der Standard von 0,0 ‰ im Dienst gelte. Der BR erkannte die Wichtigkeit der Einhaltung des Alkoholverbots für das Unternehmen und die Sicherheit der Belegschaftsmitglieder an.

Trotz der gesetzlichen und innerbetrieblichen Vorschriften kommt es vor, dass AN gegen das Alko-30holverbot verstoßen. Im September 2013 wurde ein Triebfahrzeugführer im Dienst erheblich alkoholisiert angetroffen und dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen.

Am 29.4.2014 wurden an den Betriebsstätten der Bekl in L und A Alkoholkontrollen mittels eines Atemluft-Vortestgerätes unter den Mitarbeitern aus allen Bereichen und Tätigkeitsfeldern durchgeführt. Die AN wurden angewiesen, diese Atemluftkontrolle durchzuführen. Die Überprüfung erfolgte ohne äußeren Anschein des Verdachts einer Alkoholisierung. In L wurden 34 und in A acht DN mittels Atemluft-Vortestgerätes kontrolliert. Bei keinem der überprüften AN wurden Spuren von Alkohol in der Atemluft festgestellt.

Der am Vortag von der geplanten Maßnahme in Kenntnis gesetzte geschäftsführende Vorsitzende des kl Zentral-BR sprach sich umgehend gegen die geplante Alkoholkontrolle aus. Eine BV gem § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG hinsichtlich der Durchführung von Alkoholkontrollen im Betrieb der Bekl liegt nicht vor.

Mit Schreiben vom 8.5.2014 wurde die Bekl zur Abgabe einer entsprechenden Unterlassungserklärung aufgefordert. Sie unterfertigte die Unterlassungserklärung nicht und richtete an den Rechtsvertreter des Kl ein Antwortschreiben des Inhalts, die Rechtslage aufgrund der einschlägigen Bestimmungen anders zu sehen. Auch in persönlichen Gesprächen vertrat der Geschäftsführer der Bekl die Ansicht, dass sich alle Mitarbeitergruppen der Alkoholkontrolle zu unterziehen hätten.

Der Kl beantragte als gefährdete Partei die Erlassung der aus dem Spruch ersichtlichen einstweiligen Verfügung. [...]

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kl nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs mangels oberstgerichtlicher Rsp zur Anwendbarkeit des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG bei betrieblichen Alkoholkontrollen zulässig sei. [...]

In seinem dagegen erhobenen Revisionsrekurs beantragt der Kl die Abänderung der Entscheidungen iS einer Antragsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. [...]

Der Revisionsrekurs des Kl ist zulässig und berechtigt.

1. Gem § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG bedarf die Einführung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen zur Kontrolle der AN, sofern diese Maßnahmen (Systeme) die Menschenwürde berühren, der Zustimmung des BR.

Es handelt sich um einen Fall der notwendigen Mitbestimmung. Die Zustimmung kann nur in Form einer BV erfolgen. Eine Regelung des entsprechenden Inhalts durch eine untergeordnete Rechtsquelle ist unzulässig (Reissner in ZellKomm2 ArbVG § 96 Rz 6).

2. Mit „Kontrolle“ ist die Erhebung gewisser Fakten und deren Vergleich mit einem Sollzustand gemeint (Reissner in ZellKomm aaO § 96 ArbVG Rz 21 ua). Unter einer Kontrollmaßnahme iSd § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG ist die systematische Überwachung von Eigenschaften, Handlungen oder des allgemeinen Verhaltens von AN durch den Betriebsinhaber zu verstehen (Preiss in

Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller
, Arbeitsverfassungsrecht III4 § 96 Erl 7 ua). Es geht um von Seiten des Betriebsinhabers veranlasste Regelungen, die insb vorschreiben, wann, unter welchen Umständen und auf welche Weise AN beim Betreten oder Verlassen des Betriebs oder bestimmter Betriebsteile, ferner während ihrer Arbeitsleistung oder überhaupt während ihres Aufenthalts im Betrieb zu irgendeinem Zweck überprüft werden (9 ObA 109/06d).

Dass es sich im vorliegenden Fall um die Einführung einer Kontrollmaßnahme handelt, ist zwischen den Parteien nicht strittig. Unstrittig ist weiter, dass für das vorliegende Kontrollsystem keine Zustimmung des BR bzw Betriebsausschusses vorliegt. Strittig ist jedoch, ob Alkoholkontrollen mittels eines Atemluft-Vortestgerätes, die in Betrieben der Bekl stichprobenartig bei Mitarbeitern aus allen Bereichen und Tätigkeitsfeldern durchgeführt wurden, deshalb der Mitbestimmungspflicht unterliegen, weil sie die Menschenwürde der AN iSd § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG berühren.

3. Zum unbestimmten Wert- und Rechtsbegriff „Menschenwürde“ wurde bereits in der E 9 ObA 109/06d (Fingerprint-Scanner) ausgeführt, dass er aus der Konkretisierung von Generalklauseln des Zivilrechts (insb § 879 ABGB) bzw Arbeitsrechts (insb Fürsorgepflicht iSd § 18 AngG, § 1157 ABGB) gewonnen werden muss. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang § 16 ABGB zu, wonach jeder Mensch über angeborene natürliche Rechte verfügt. Es handelt sich dabei um eine Zentralnorm unserer Rechtsordnung, die in ihrem Kernbereich die Menschenwürde schützt (Aicher in

Rummel
, ABGB3 § 16 Rz 3; RIS-Justiz RS0008993 ua). Die Rechtskonkretisierung erweist sich als Anwendungsfall der Drittwirkung verfassungsrechtlich verankerter Grundrechte, wie zB der Gleichbehandlung (Art 7 B-VG; Art 2 StGG; Art 14 EMRK), des Schutzes des Privat- und Familienlebens (Art 8 EMRK) oder etwa des Datenschutzes (§ 1 DSG). In solchen Fällen ist von einer grundrechtlich verankerten Pflicht zur umfassenden Interessenabwägung auszugehen (siehe die zahlreichen Nachweise in 9 ObA 109/06d; krit S. Mayer, Videoüberwachung auch ohne Zustimmung des Betriebsrates? – Überlegungen zum „Berühren der Menschenwürde iSd § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG, wbl 2009, 217). Der Gesetzgeber will mit der Anknüpfung an die „Menschenwürde“ in § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG erreichen, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit des AN keinen übermäßigen Eingriffen ausgesetzt ist (Binder in
Tomandl
, ArbVG § 96 Rz 58). Im Arbeitsverhältnis sind vor allem auch die Wertungen der Fürsorgepflicht des AG, die sich nicht nur auf die Rechtsgüter Leben, Gesundheit, Sittlichkeit und Eigentum bezieht, sondern die die gesamte Persönlichkeit des AN umfasst, zu beachten. Schutz der Persönlichkeit impliziert auch Schutz der Individualität, dh der persönlichen Entwicklung, Selbstdarstellung und Bewahrung der Eigenständigkeit. Es kann danach kein Zweifel bestehen, dass auch die körperliche Integrität und die Privatsphäre eines AN zu den31 von § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG geschützten Rechtsgütern zu zählen sind.

4. § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG bezieht sich auf Kontrollen, die die Menschenwürde „berühren“.

Jedenfalls mitbestimmungsfrei ist daher eine Kontrolle, die die Menschenwürde „überhaupt nicht“ bzw „nicht einmal peripher tangiert“ (RV 840 BlgNR 13. GP 84; Tomandl, ZAS 1982, 163, 166, 174), dh mit ihr „nichts zu tun hat“. Andererseits verlangt das „Berühren“ der Menschenwürde keine solche Eingriffsdichte, die bereits als „Verletzung“ anzusehen wäre. Durch § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers vielmehr „der schmale Grenzbereich zwischen den die Menschenwürde verletzenden (und damit ohnehin sittenwidrigen) Maßnahmen und den die Menschenwürde überhaupt nicht tangierenden Maßnahmen des Betriebsinhabers geregelt werden“. Dabei war vor allem an Art und Umfang von Torkontrollen, Leibesvisitationen, Kontrolleinrichtungen am Arbeitsplatz udgl gedacht (RV 840 BlgNR 13. GP 84 [zu § 97 Z 6]).

5. Die Menschenwürde wird von einer Kontrollmaßnahme oder einem Kontrollsystem dann „berührt“, wenn dadurch die vom AN in den Betrieb miteingebrachte Privatsphäre kontrolliert wird. Von der Privatsphäre abgesehen kann aber auch durch die Kontrollintensität der Arbeitsleistung und des arbeitsbezogenen Verhaltens des AN eine Berührung der Menschenwürde bewirkt werden, und zwar vor allem dann, wenn diese Kontrolle in übersteigerter Intensität organisiert wird und jenes Maß überschreitet, das für Arbeitsverhältnisse dieser Art typisch und geboten ist (9 ObA 109/06d mwN).

6. Im Hinblick auf Alkoholkontrollen wird zur Frage, ob dadurch die Menschenwürde berührt wird, in der Literatur Folgendes vertreten:

Reissner (Alkohol am Arbeitsplatz aus arbeitsrechtlicher Sicht, in

Wachter/Burger
, Aktuelle Entwicklungen im Arbeits- und Sozialrecht 2008, 209 ff) erachtet eine BV, in der der AG den AN verpflichten kann, einen Alkoholtest an einem Alkomaten zu machen, im Allgemeinen wegen Verletzung der Menschenwürde als rechtsunwirksam; in Extremfällen könne dies für den Fall des Bestehens eines konkreten Verdachts zulässig sein. Der AG könne den AN jedoch auffordern, freiwillig einen Alkomattest zu machen. Bei Verweigerung könne der AN von der Arbeit abgezogen werden.

Nach Knallnig (Suchtmittel im Arbeitsalltag – Alkohol, Suchtgifte, Medikamentenmissbrauch, ASoK 2010, 82) ist die Anwendung von Alkomaten als die Menschenwürde berührende Kontrollmaßnahme prinzipiell betriebsratszustimmungspflichtig, wobei Alkomateneinsatz nur als freiwillige Möglichkeit des Freibeweisens für den AN statuiert werden könne und im Kontrollfall der unmittelbaren Zustimmung des AN bedürfe. Eine zwingende Unterwerfung unter einen derartigen Kontrollmechanismus sei als die Menschenwürde „verletzende“ Kontrollmaßnahme nichtig.

Firlei (Alkohol am Arbeitsplatz – Fragerechte, Verbote, Kontrollen, ZAS 2009, 211) geht von einem absoluten Eingriffsverbot für alle Arten von Kontrollen aus, die den körperlichen Zustand einer Person feststellen, auch wenn sie mit keinem direkten „operativen“ (physischen) Eingriff in den Körper verbunden sind. Erfasst seien auch Alkomaten. Der AG gerate wegen der Unzulässigkeit von Alkotests ohne konkrete Zustimmung im Einzelfall in einen Kontrollnotstand. Firlei spricht sich daher für ein „Entlastungsmodell“ dahin aus, dass bei suchtmittelbedingten Auffälligkeiten im Verhalten eines Mitarbeiters der Vorgesetzte über die Einstellung der Tätigkeit durch den Betreffenden entscheiden solle. Dem Mitarbeiter sei zur Entlastung die Möglichkeit einzuräumen, sich einer unmittelbaren Überprüfung durch ein betriebseigenes Messverfahren zu unterziehen. Bei Verweigerung habe er den Anweisungen des Vorgesetzten trotzdem Folge zu leisten und gegebenenfalls das Betriebsgelände zu verlassen. Der Ausweg eines freiwilligen Entlastungsbeweises sei wegen der Mitwirkungsobliegenheit des AN zulässig und bewirke im Falle der Weigerung zumindest bei Verdacht auf Alkoholisierung den Entfall des Entgelts. Die Menschenwürde werde dadurch nicht berührt, weil die Entscheidungsbefugnis beim AN bleibe und der Zweck der Kontrolle zum Kernbereich der Kontrollrechte des AG gehöre.

Schneeberger (Arbeitsrechtliche Verbote und Kontrollmöglichkeiten in Bezug auf Drogen- bzw Alkoholkonsum, in

Reissner/Strohmayer
, Drogen und Alkohol am Arbeitsplatz [2008] 25, 39 ff) sieht im Einsatz von Alkomaten ein stark ausgeprägtes Missverhältnis zwischen Kontrollintensität und berechtigtem Kontrollinteresse. Er sieht selbst bei Verdacht auf Alkoholisierung die Benutzung eines Alkomaten jedenfalls als unverhältnismäßig und daher grundsätzlich nicht zulässig an. Dadurch würde die Menschenwürde nicht bloß berührt, sondern verletzt. Ein berechtigtes Kontrollinteresse des AG an der Feststellung minimaler Blutalkoholwerte sei nicht ersichtlich. Alkomaten seien bei Abwägung der wechselseitigen Interessen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips eindeutig als nicht zulässig einzustufen. Dies treffe umso mehr bei Alkoholverboten zu, die objektiv (zB aus Sicherheitsaspekten) nicht notwendig seien.

7. Im vorliegenden Fall meint die Bekl, dass die Alkoholkontrollen mit der Menschenwürde nichts zu tun hätten und sie deshalb mitbestimmungsfrei durchgeführt werden könnten.

Der Bekl ist zuzugestehen, dass die Kontrolle des Alkoholverbots, dessen Bedeutung auch vom Kl für den Betrieb der Bekl nicht in Frage gestellt wird, grundsätzlich ein legitimes Kontrollziel ist. Dies ist jedoch von der Zulässigkeit der von ihr gewählten Kontrollmethode zu unterscheiden. Ihrem Argument, dass Alkomaten die Menschenwürde der AN nicht einmal berühren würden, kann nicht gefolgt werden, weil Alkoholkontrollen, die über die Beobachtungen (Wahrnehmungen von Geruch, Gang, Sprache, Konzentration etc) hinausgehen und die den Grad der Alkoholisierung verlässlich messen, zwangsläufig in die Integrität der biophysischen Beschaffenheit der Person und damit in ihre körperliche Integrität eingreifen (siehe Firlei, aaO 211, 220). Die Position, dass der generelle Ein-32satz von Alkomaten auf Mitarbeiter, bei denen sich nicht einmal ein Verdacht auf eine Alkoholisierung zeigt, die Menschenwürde nicht einmal tangieren würde, ist sohin unrichtig.

8. Die Abgrenzung, ob die Menschenwürde durch eine Kontrollmaßnahme iSd § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG lediglich „berührt“ oder bereits „verletzt“ wird, ist in ihrer Bedeutung strittig (siehe zum Meinungsstand bezüglich des Dual- oder Triplekonzepts die Übersicht bei Binder in

Tomandl
, ArbVG § 96 Rz 2). Die Frage, ob die Verwendung von Alkomattests die Menschenwürde nur berührt oder bereits verletzt, kann hier jedoch dahin gestellt bleiben, weil die Bekl in keinem Fall ohne Zustimmung des BR zur Durchführung von Alkoholkontrollen berechtigt wäre. Denn wie dargelegt, bedarf die Frage, ob die Menschenwürde durch eine Kontrollmaßnahme auch nur berührt wird, einer umfassenden Abwägung der wechselseitigen Interessen. So sind einerseits die Interessen des AG, der im Arbeitsverhältnis ein grundsätzliches Recht zur Kontrolle der AN hat, aber darüber hinaus zB auch sein Eigentum sichern und schützen will, und andererseits die Interessen des AN an der Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte gegeneinander abzuwägen (8 ObA 288/01p; 9 ObA 109/06d mwN). Dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit kommt hier regulierende Funktion zu. Persönlichkeitsrechte dürfen nur so weit beschränkt werden, als dies durch ein legitimes Kontrollinteresse des AG geboten ist. Es ist das schonendste – noch zum Ziel führende – Mittel zu wählen (Preiss aaO § 96 Erl 7; 9 ObA 109/06d mwN).

9. Die Bekl kann sich nun nicht darauf berufen, dass eine Interessenabwägung ihren Standpunkt stützt:

9.1. Im Interesse des öffentlichen AN- und Gesundheitsschutzes hält § 15 Abs 4 ASchG die AN dazu an, sich durch Alkohol, Arzneimittel oder Suchtgift nicht in einen Zustand zu versetzen, in dem sie sich oder andere Personen gefährden können (bloß relatives Alkoholverbot).

9.2. Demgegenüber unterliegt die Bekl im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum ihrer Mitarbeiter einer Reihe von gesetzlichen Sonderbestimmungen.

So ist gem § 21b EisenbahnG 1957 das selbständige Führen und Bedienen eines Triebfahrzeugs auf Eisenbahnen in einem durch zB Alkohol beeinträchtigten Zustand ebenso verboten wie der Konsum von Alkohol während des selbständigen Bedienens und Führens eines Triebfahrzeugs auf Eisenbahnen.

Gem § 132 Abs 7 Eisenbahnbau- und -betriebsverordnung idF BGBl II 156/2014 (davor: § 39 Abs 3 EisbBBV idF BGBl II 398/2008) ist es Betriebsbediensteten untersagt, während des Dienstes und der Dienstbereitschaft alkoholische Getränke oder andere die dienstliche Tätigkeit beeinträchtigende Mittel zu sich zu nehmen oder den Dienst anzutreten, wenn sie unter der Wirkung solcher Getränke oder Mittel stehen.

Ein Eisenbahnunternehmen ist gem § 6 Abs 1 Eisenbahnverordnung 2003 auch verpflichtet, bei der Auswahl, Verwendung und Beaufsichtigung der Betriebsbediensteten jene Sorgfalt anzuwenden, die eine sichere und ordnungsgemäße Betriebsführung gewährleistet.

Die Bekl hat darüber hinaus ein absolutes Alkoholverbot ausgesprochen, das hier nicht weiter in Frage steht. Der Bekl ist daher ein grundsätzliches Interesse an der Einhaltung und Kontrolle des Alkoholverbots zuzugestehen.

9.3. Dem steht das Interesse der AN an den besonders hoch geschützten Rechtsgütern ihrer körperlichen Integrität und ihrer Privatsphäre gegenüber. In dieses möchte die Bekl mit unangekündigten sporadischen Atemluftkontrollen eingreifen, die in keinem weiteren Zusammenhang mit konkreten Verdachtsmomenten stehen und einen AN daher unvorhergesehen und jederzeit treffen können. Der Eingriff soll ohne Einwilligung des betroffenen AN erfolgen, womit ihm jegliche Entscheidungsbefugnis darüber genommen ist. Der Eingriff soll weiter unabhängig von der Tätigkeit eines AN und damit unabhängig davon erfolgen, ob ein Verstoß gegen das Alkoholverbot mit der Schaffung einer Gefährdungslage für den AN selbst oder für Dritte einhergeht. Da der Alkomattest auch den untersten Promillebereich erfasst (wie er beispielsweise auch beim Verzehr von mit Alkohol zubereiteten Lebensmitteln gegeben sein kann), nimmt die Kontrollmethode auch nicht Bedacht darauf, ob eine geringe Alkoholmenge überhaupt mit einer – zB von § 21b EisenbahnG 1957 oder § 132 Abs 7 EisbBBV geforderten – Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit eines Mitarbeiters einhergeht. Das Interesse der Bekl orientiert sich in diesem Bereich damit nicht an Sicherheitsaspekten, sondern reduziert sich auf eine Kontrolle um der Kontrolle (oder Disziplin) willen.

Eine Beschränkung der Kontrolle auf beim Fahrbetrieb oder in den Betriebsanlagen tätige Mitarbeiter hat das Provisorialverfahren nicht ergeben. Insb brachte der Kl schon in seinem Antrag vor, dass die Kontrolle „alle Mitarbeiter“ erfassen soll. Dem pflichtete die Bekl insofern bei, als sie selbst vorbrachte, dass die Geltung des absoluten Alkoholverbots für alle Mitarbeiter gelten solle und dafür keine persönlichen Einschränkungen bestünden. Eine Bedachtnahme auf die konkrete Tätigkeit und einer damit verbundenen Notwendigkeit für Kontrollen geht daraus gerade nicht hervor. Nach den Ergebnissen des Provisorialverfahrens ist auch der Begriff der Betriebsbediensteten iSd § 2 Z 5 EisbBBV kein ausreichender Anknüpfungspunkt für ein erhöhtes Gefährdungspotenzial von Mitarbeitern, weil er neben Fahrbediensteten auch bei der Steuerung und Überwachung des Betriebsablaufs Bedienstete sowie Leitende oder Aufsichtsführende über Bedienstete erfasst.

Zu bedenken ist vor allem auch, dass die Kontrollen selbst dann, wenn sie nicht regelmäßig und/oder häufig durchgeführt werden sollen, eine gravierende Eingriffsintensität aufweisen, weil es sich bei der körperlichen Integrität und der Privatsphäre von AN um besonders hoch geschützte Rechtsgüter handelt und der Eingriff eine nicht bloß unerhebliche Mitwirkung des Verdächtigen verlangt. Da die Alkoholkontrollen bei Arbeitsbeginn stattfinden,33 wird damit zugleich ein Freizeitverhalten der AN überprüft. Schließlich wird ein AN durch eine Alkomatkontrolle naturgemäß in eine gewisse Verdachtsituation gedrängt, bei der – anders als bei Anwesenheits- oder Arbeitszeitkontrollen – selbst dann der Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit im Raum steht, wenn er sich völlig vorschriftskonform verhalten hat. Dem Umstand, dass die Kontrollen nur sporadisch stattfinden sollen, steht gegenüber, dass AN permanent der Möglichkeit einer unangekündigten Kontrolle ausgesetzt wären.

9.4. In Summe ergibt sich damit, dass bei einer Abwägung der wechselseitigen Interessen die Interessen der AN an der Wahrung ihrer körperlichen Integrität und ihrer Privatsphäre die Interessen der Bekl an einer undifferenzierten Kontrolle der Mitarbeiter durch einen Alkomattest überwiegen, wenn er unangekündigt, ohne Einwilligung der Mitarbeiter, ohne besondere Verdachtslage und unabhängig davon durchgeführt wird, ob eine Alkoholisierung die konkrete Tätigkeit eines Mitarbeiters zu beeinflussen geeignet ist und ob durch die Tätigkeit eine Gefährdungslage für den Mitarbeiter oder andere Personen geschaffen wird. Eine solche Kontrollmaßnahme berührt die Menschenwürde. Die einseitige konsenslose Kontrollmaßnahme der Bekl ist in dieser Allgemeinheit daher rechtswidrig und unzulässig.

10. Werden die Mitwirkungsrechte des BR verletzt, steht diesem ein Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zu, der auch durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden kann (6 ObA 1/06z, 9 ObA 109/06d ua).

Die Bekl hat durch die einseitige, nicht auf eine BV mit dem Kl gestützte Aufnahme von Alkoholkontrollen den bis zu dieser Einführung bestehenden Zustand verändert und in der Folge bekräftigt, daran festhalten zu wollen. Soweit die Bekl einen unwiederbringlichen Schaden in Frage stellt, so liegt dieser schon in der möglichen Durchführung weiterer Kontrollmaßnahmen und des dadurch eintretenden nachteiligen Zustands für den Kl, könnte doch ohne Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung die Verwirklichung des Mitbestimmungsrechts des Kl während der Dauer des Prozesses weiterhin vereitelt werden (vgl RIS-Justiz RS0005270). Der Kl hat somit nicht nur seinen Anspruch auf Mitwirkung, sondern auch dessen Gefährdung hinreichend bescheinigt. [...]

ANMERKUNG

Der OGH hat sich in der vorliegenden E erstmals mit betrieblichen Alkoholkontrollen durch Alkomaten befasst und für den zu beurteilenden Sachverhalt klargestellt, dass der konkret vorgesehene Alkomateneinsatz die Menschenwürde jedenfalls berührt und daher gem § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG ohne Zustimmung des BR im Rahmen einer (notwendigen) BV rechtswidrig ist. Im Ergebnis ist dem Höchstgericht mit voller Überzeugung zuzustimmen. Die spezielle Fallkonstellation und im Besonderen einzelne darauf bezogene Argumentationen in der E werfen allerdings weitere Fragen auf. Im Folgenden sollen daher zwei grundsätzliche Themen angesprochen werden: Zunächst ist zu klären, ob die nunmehr wohl in stRsp des OGH vorgenommene Interessenabwägung bei der Prüfung, ob die Menschenwürde berührt wird, tatsächlich dogmatisch verfehlt ist (in diese Richtung jüngst Firlei, Ist das ArbVG noch aktuell? – Betriebsverfassung, DRdA 2014, 529; vgl 1.). Danach soll geprüft werden, wie die Rechtslage in einem Fall wie dem zu Grunde liegenden zu beurteilen wäre, wenn Alkoholkontrollen nur bei einem entsprechenden Interesse des AG, also zB nur bei Triebfahrzeugführern und nur bei konkretem Verdacht auf Alkoholisierung, angeordnet werden (vgl 2.).

1.
Zur Frage der Interessenabwägung

Eine allfällige im gegebenen Zusammenhang vorzunehmende Interessenabwägung müsste sich aus dem in § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG enthaltenen Passus „Berühren der Menschenwürde“ ergeben. Hat der Gesetzgeber also mit der zitierten Formulierung eine Abwägung der Interessen von AN und AG angeordnet? Um dies beurteilen zu können, muss man uE die Wörter bzw die Wortkombination „Menschenwürde“ und „Berühren“ ausdeuten.

Wie der OGH zutreffend ausführt, ist der Begriff der Menschenwürde aus der Konkretisierung von Generalklauseln des Zivil- (insb § 879 ABGB) bzw Arbeitsrechts (insb Fürsorgepflicht iSd § 18 AngG, § 1157 ABGB) abzuleiten. Den Grundrechten nach dem StGG und der EMRK (persönliche Freiheit, Achtung des Privat- und Familienlebens etc) sowie dem Grundrecht auf Datenschutz kommen dabei besondere Bedeutung zu, via „Einfallspforte“ des § 16 ABGB (betreffend die „angeborenen Rechte“ der Person, die Persönlichkeitsrechte) sind diese auch iS einer mittelbaren Drittwirkung zwischen Privatrechtsubjekten anzuwenden (siehe zB Brodil, Individualarbeitsrechtliche Fragen der Kontrolle des Arbeitnehmers, in

Resch
[Hrsg], Die Kontrolle des Arbeitnehmers vor dem Hintergrund moderner Medien [2005] 72). Häufig wird der Begriff der Persönlichkeit mit jenem der Menschenwürde gleichgesetzt bzw das Persönlichkeitsrecht mit Hilfe der Menschenwürde umschrieben (vgl dazu grundlegend Löschnigg, Datenermittlung im Arbeitsverhältnis [2009] 123 ff mwN). Insb bei den Persönlichkeitsrechten gem § 16 ABGB geht es – wie Rebhahn (Mitarbeiterkontrolle am Arbeitsplatz [2009] 32) zutreffend ausführt – „um die Abschirmung bestimmter Aspekte bzw Bereiche der Persönlichkeit und damit eines Bereiches, den – hier – die Mitarbeiter in das Unternehmen einbringen, vor dem vollen Zugriff des Vertragspartners, es geht wesentlich also um den Schutz der Privatsphäre iSd Art 8 EMRK, und damit primär um Würde und Autonomie der Mitarbeiter“. Diese Würde des Menschen ist zweifellos nicht relativierbar und kann daher auch keiner „Interessenabwägung“ mit betrieblichen Bedürfnissen unterworfen werden. Insofern ist diese aus der Rechtsordnung abgeleitete „Menschenwürde“ unteilbar (ebenso Firlei, Kontrollmaßnahme Firmenausweis, ).34

Zu fragen ist nun, ob der Gesetzgeber auch im gegenständlichen Mitbestimmungstatbestand ein exklusives, allgemein gültiges Beeinträchtigungsniveau konstituieren wollte. Wenn dies so ist, dann wären unterschiedliche betriebliche Bedürfnisse irrelevant. UE ist dies nicht der Fall. Zunächst lässt schon der Gesetzwerdungsprozess – im Rahmen der Sozialpartnerverhandlungen wurde „in einem schwierigen Verhandlungsprozess letztlich ein Konsens über die gesamte Materie erzielt“ (Cerny, 40 Jahre Arbeitsverfassungsgesetz, DRdA 2014, 481) – darauf schließen, dass eine differenzierende Lösung beabsichtigt war. Von zentraler Bedeutung ist dabei das Wort „Berühren“, und zwar insb in seiner Kombination mit dem Begriff „Menschenwürde“. Die Menschenwürde als solche ist zwar nicht relativ (siehe oben), ob sie allerdings „berührt“ ist, hängt im allgemeinen Leben und im Arbeitsleben von der jeweiligen Situation ab: Am Flughafen stellt man sich einer weitgehenden Sicherheitskontrolle und fühlt sich letztlich nicht besonders stark in seiner Menschenwürde beeinträchtigt, weil diese Kontrolle einerseits egalitär alle Personen betrifft und andererseits ihr Zweck einleuchtend und ziemlich eindeutig iSd Einzelnen ist. Würde Derartiges im Supermarkt gemacht, würden die Kunden dies zu Recht anders empfinden.

Analog sind auch in der Arbeitswelt verschiedene Lebenssituationen zu unterscheiden, und da das Bedürfnis nach Kontrolle von der AG-Seite ausgeht, ist die Reichweite des (bloßen) Berührens der Menschenwürde und damit die Zulässigkeit der Kontrolle letztlich über eine Abwägung der Interessen von AG (an Kontrolle) und AN (an der Respektierung seiner Menschenwürde) zu bestimmen. Wo also das „Berühren“ beginnt, wo die Grenze zum (jedenfalls rechtswidrigen) „Verletzen“ überschritten ist, ist somit im konkreten Fall zu bestimmen. Diese Interessenabwägung kann zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG abgeleitet werden (ebenso Löschnigg, Datenermittlung 241), sie ist aber vom Gesetz keinesfalls ausgeschlossen (so aber zB jüngst Grünanger/Goricnik, Allgemeines, in

Grünanger/Goricnik
[Hrsg], Arbeitnehmer-Datenschutz und Mitarbeiterkontrolle [2014] 27 f). Immerhin kann der Gesetzeswortlaut zur Unterstützung für diese Sichtweise herangezogen werden, weil – wie oben gezeigt – „Berühren“ situationsabhängig ist und überdies schon mit dem Thema „Kontrolle“ an sich die Schnittstelle zwischen Arbeitsleistung und Persönlichkeitsrecht angesprochen ist (ebenso Löschnigg, Datenermittlung 241). Unterschiedliche objektivierte Betriebserfordernisse, daraus allenfalls abgeleitete vertragliche Verpflichtungen, zulässige Weisungen des AG udgl können also auch zu unterschiedlich weit gehenden Beeinträchtigungen der Menschenwürde führen (dazu auch 2.). Ein Betrieb, der die Aufgabe hat, besonders sensible Gesundheitsdaten zu verarbeiten, hat eben objektiv (auch gesetzlich angeordnet) andere Regulierungs- und Kontrollerfordernisse als ein Betrieb, der einfache Snacks herstellt. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist eine Interessenabwägung durch § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG intendiert.

2.
Ist ein Alkomateneinsatz im Betrieb denkbar, der nicht die Menschenwürde berührt?

Der OGH hat im konkreten Fall zutreffend den Unterlassungsanspruch des BR bejaht und dies im Kern damit begründet, dass die Vorgangsweise des AG die Menschenwürde zumindest berührt, womit eine notwendige BV zum Thema abzuschließen gewesen wäre. Im Text der E finden sich allerdings einzelne Formulierungen, welche aus dem Zusammenhang gerissen Missverständnisse auslösen könnten. So wird etwa von Schrank (Alkoholkontrollen an Arbeitsstätten: Alkomat-Einsatz ausnahmslos mitbestimmungspflichtig?RdW 2015/400, 437 [438]) offensichtlich postuliert, dass – auch bei ihm allerdings nur als punktuelle Ausnahme herausgestrichen – ein „konsensloser Einsatz“ von Alkomaten „in konkreten, sachlich begründeten Verdachtsfällen“ und bei „Eigen- und Fremdgefährdungspotenzial“ möglich wäre. Derartiges ist uE erstens rechtlich unzutreffend (dazu gleich) und kann zweitens auch nicht aus der vorliegenden E abgeleitet werden – der OGH sagt selbst, dass ein Alkomat im Betrieb immer menschenwürderelevant ist!

Nach den Materialien zum ArbVG (RV 840 BlgNR 13. GP 84) soll mit der Formulierung „die Menschenwürde berühren“ der schmale Grenzbereich zwischen den die Menschenwürde verletzenden und damit ohnehin sittenwidrigen Maßnahmen und den die Menschenwürde überhaupt nicht tangierenden Maßnahmen erfasst werden. Diese Formulierung kann jedoch nicht dahingehend interpretiert werden, dass dieses Mitbestimmungserfordernis nur ausnahmsweise vorliegen wird. Nachdem unzweifelhaft mit „Berühren“ ein „Beeinträchtigen“ gemeint ist (siehe bereits Strasser in

Floretta/Strasser
, ArbVG-HK [1975] 528), liegt im Vergleich zu einer Verletzung der Menschenwürde eine „geringere Intensität der Beeinträchtigung“ vor (Jabornegg in
Strasser/Jabornegg/Resch
[Hrsg], Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz [2002 ff] § 96 Rz 140). Zwischen Kontrollmaßnahmen, welche die Menschenwürde überhaupt nicht beeinträchtigen (nicht tangieren), und jenen die aufgrund ihrer Intensität die Menschenwürde verletzen, ist zweifellos ein erheblicher Unterschied. Es ergibt sich somit bezogen auf die in der Praxis vorkommenden Kontrollmaßnahmen ein durchaus breiter Anwendungsbereich für diesen Mitbestimmungstatbestand. Oder anders gesagt: Dass „Berühren“ einen „schmalen Grenzbereich“ bezeichnet, ändert nichts an der praktischen Bedeutung der Bestimmung, weil sich viele tatsächlich vorkommende Kontrollmaßnahmen genau in diesem Grenzbereich bewegen oder diesen sogar nach oben hin überschreiten. Der Alkomat bietet ein treffendes Beispiel für diesen Befund.

Ein „Berühren der Menschenwürde“ kann aus unterschiedlichen Gründen eintreten (vgl insb Jabornegg in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 96 Rz 146 ff mwN): Es kann eine unverhältnismäßige Kontrolldichte vorliegen, zweifellos ist auch die Art oder der Gegenstand der Kontrolle (Rebhahn, Mit-35arbeiterkontrolle 22 mwN) zu würdigen, schließlich ist – wie der OGH treffend festhält – auch ein Eindringen in die Privat- oder Intimsphäre, etwa durch einen Eingriff in die körperliche Integrität, im gegebenen Zusammenhang relevant.

Die maschinelle Messung des Alkoholwertes in der Atemluft ist so gesehen ein massiver Eingriff in Persönlichkeitsrechte und wird daher bei im konkreten Fall weitgehend fehlender Interessenlage auf Seiten des AG eine Verletzung der Menschenwürde darstellen. Man stelle sich zB eine vom AG „einfach so“ vorgesehene, nach seinem Willen verpflichtende Alkomatenkontrolle in einem Bürobereich ohne Kundenverkehr und ohne irgendwelche sonstigen Aspekte – und seien es nur Anlassfälle in der Vergangenheit – vor. Hier ginge es dann um die vom OGH angesprochene „Kontrolle um der Kontrolle willen“, welche gerade wegen der im Falle des Einsatzes eines Alkomaten gegebenen hohen Intensität und dem Charakter einer körperlichen Untersuchung uE eine Verletzung der Menschenwürde darstellt.

Die AG-Seite müsste also im konkreten Fall maßgebliche Gesichtspunkte in die vorzunehmende Interessenabwägung einbringen können. Entsprechend dem Zweck des Persönlichkeitsschutzes können hier nur für die Sicherstellung der betrieblichen Prozesse wichtige Kontrollinteressen einfließen. Schlichte Praktikabilitätsüberlegungen, die bestimmte Abläufe bloß erleichtern, oder neue technische Möglichkeiten an sich sind wohl nicht maßgebend. Bei einem Eisenbahnunternehmen kann auf die Notwendigkeit eines reibungslosen und sicheren Zugverkehrs verwiesen werden, ein Gesichtspunkt, der vor allem bei Alkomatentests in der Gruppe des fahrenden Personals zu einem bloßen Berühren der Menschenwürde führen wird. Es geht hier ja um die Hintanhaltung einer Gemeingefährdung. Ansonsten könnte eine Beschränkung auf Fälle eines konstatierten Alkoholisierungsverdachts dazu beitragen, eine Alkomatenkontrolle nicht als Verletzung, sondern als bloßes Berühren der Menschenwürde erscheinen zu lassen.

Als weiterer Gesichtspunkt ist auch die in der entsprechenden BV vorgesehene Möglichkeit eines Opting-out des AN zu nennen. Auszugehen ist davon, dass sich die Betriebsvereinbarungen gem § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG nur „auf die Gestaltungsmöglichkeiten des BI beschränken“ und somit als schlichte Zulässigkeitsvoraussetzungen zu deuten sind (Löschnigg, Datenermittlung 234; Rebhahn, Mitarbeiterkontrolle 35). Die Nutzung eines Alkomaten kann daher in aller Regel nicht per Weisung angeordnet werden, es bedarf vielmehr ergänzend zur BV der Zustimmung des AN (idS bereits Reissner, Alkohol am Arbeitsplatz aus arbeitsrechtlicher Sicht, in

Wachter/Burger
[Hrsg], Aktuelle Entwicklungen im Arbeits- und Sozialrecht 2008 [2008] 221). Wird nun ein Opting-out ausdrücklich in die BV aufgenommen und damit sozusagen die individualrechtliche Rechtslage bekräftigt, wird Druck vom AN genommen und damit seinen Interessen Rechnung getragen.

Die darauf aufbauende Frage, ob eine Alkomatenkontrolle bei entsprechend starker Interessenlage des AG nicht einmal ein Berühren der Menschenwürde darstellen kann, ist nach dem bisher Ausgeführten eindeutig mit Nein zu beantworten. Jabornegg (in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 96 Rz 141) weist allgemein darauf hin, dass anzunehmen ist, dass „der Gesetzgeber dem BR doch einen einigermaßen relevanten Mitgestaltungs- und Ermessungsbereich zuerkennen wollte“, sodass „für die Verneinung der Mitbestimmungspflicht nicht schon ein mögliches Überwiegen der betrieblichen Kontrollinteressen im Graubereich der Interessenabwägung“ ausreichend ist. Das Kontrollinteresse des AG müsste daher im konkreten Fall gegenüber den Schutzinteressen des AN deutlich überwiegen. Die Schutzinteressen des AN sind aber in allen Fällen so stark ausgeprägt, dass ein derartiges Überwiegen nicht denkbar ist.

Anders gesprochen bedeutet das, dass eine Alkomatenkontrolle auch dann, wenn sie infolge einer entsprechenden Interessenlage zulässig ist, der Zustimmung des BR in Form einer (notwendigen) BV bedarf. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist uE auch nicht zu beanstanden, zumal der AG bei Alkoholverdacht jederzeit die Möglichkeit hat, dem AN die weitere Dienstleistung zu untersagen bzw die Aufnahme der Tätigkeit zu verbieten. Besondere Beweisprobleme hinsichtlich der Alkoholisierung bzw der Unfähigkeit, die vertraglich vereinbarten Dienste zu leisten, werden auch von AG-Seite nicht behauptet (vgl dazu Rauch, Arbeitsrecht für Arbeitgeber13 [2014] 455). Der zum Teil postulierte „Kontrollnotstand“ (Firlei, Alkohol am Arbeitsplatz, ZAS 2009, 221) ist daher nicht nachvollziehbar.

Dass der Gesetzgeber durch die Regelung des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG im Zuge des sogenannten „Kompromissgesetzes“ (Cerny, DRdA 2014, 481; vgl schon 1.) dem BR ein absolutes – gerichtlich nicht überprüfbares – Vetorecht in den hier interessierenden Angelegenheiten eingeräumt hat (idS Felten/Preiss in

Gahleitner/Mosler
[Hrsg], Arbeitsverfassungsrecht III5 [2015] § 96 Rz 55), ist also trotz gegebener Interessenlage des AG angemessen. Jabornegg (in
Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 96 Rz 12) betont uE zu Recht, dass der Gesetzgeber damit implizit zum Ausdruck gebracht habe, dass die betreffenden Maßnahmen wegen ihres „besonderen Gefahrenpotenzials für die Persönlichkeitsrechte der AN letztlich völlig verzichtbar“ seien. Bereits Holzer (Die zustimmungspflichtige Maßnahme – zur Struktur eines neuen Rechtsinstituts, ZAS 1976, 207 f) hat darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber Kontrollmaßnahmen, welche die Menschenwürde berühren, „für nicht unbedingt erforderlich erachte“. Es geht somit um Angelegenheiten, die für die AN-Seite, nicht aber für die AG-Seite sehr bedeutsam sind. Auch insofern ist das Mitentscheidungsrecht des BR ohne Rechtskontrolle im gegebenen Zusammenhang passend.36