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§ 24 Abs 2 KBGG und Beschäftigung iSd VO (EG) 883/2004

CHRISTOPHKUNZ (ST. PÖLTEN)
Art 11 Abs 2 VO (EG) 883/2004; Kapitel 8 VO (EG) 883/2004; §§ 2, 24 KBGG
OGH 24.3.2015 10 ObS 117/14zOLG Wien 25.6.2014 7 Rs 74/14zLG St. Pölten 25.3.2014 27 Cgs 309/13x
  1. Im Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 gilt der Bezug von Krankengeld ohne parallele Entgeltfortzahlung als Beschäftigung iSd Art 11 Abs 2 leg cit.

  2. In ihrem Anwendungsbereich ist auch dann von einer Beschäftigung auszugehen, wenn ein Beschäftigungsverhältnis vorübergehend unterbrochen wird, dem Grunde nach aber fortbesteht und nach nationalem Recht eine Teilversicherung besteht, wie dies zB bei einer freiwillig vereinbarten Karenzverlängerung während Kinderbetreuungsgeldbezuges vorliegt.

  3. § 24 Abs 2 KBGG ist im Rahmen seiner Funktion als Definition des Beschäftigungsbegriffes nach VO (EG) 883/2004 europarechtswidrig und nicht mit dieser vereinbar.

Die in Tschechien wohnhafte Kl [...] auch tschechische Staatsbürgerin [...] steht in einem aufrechten Dienstverhältnis [...] in [...] (Österreich). Sie bezog vom 3.1.2013 bis 16.3.2013 Krankengeld ohne parallel dazu erfolgende Entgeltfortzahlung und ab 17.3.2013 Wochengeld. Am 17.5.2013 erfolgte die Geburt ihrer Tochter A. Derzeit befindet sich die Kl in Karenz.

Am 21.5.2013 beantragte die Kl [...] bei der beklagten Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (Bekl) die Gewährung des pauschalen Kinderbetreuungsgeldes (KBG) [...] für den Zeitraum vom 17.5.2013 bis 16.11.2015 [...].

Die Bekl lehnte mit Bescheid vom 22.11.2013 diesen Antrag der Kl [...] mit der Begründung ab, Österreich sei zur Auszahlung von Familienleistungen an die Kl nicht zuständig, weil vor dem Wochengeldbezug der Kl keine durchgehende sechsmonatige in Österreich sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit vorliege, weshalb die Karenz [...] keine „Beschäftigung“ iSd Art 1 lit a der VO (EG) 883/2004 (VO) darstelle.

Gegen diesen Bescheid [...] brachte (die Kl) insb vor, sie stehe in einem aufrechten Dienstverhältnis zu ihrer österreichischen AG und befinde sich derzeit in Karenz. Der Vater des Kindes sei derzeit arbeitslos und beziehe weder Einkommen noch eine staatliche Leistung. Sie lebe mit ihrer Tochter im gemeinsamen Haushalt in Tschechien und beziehe die österreichische Familienbeihilfe. [...] Österreich (sei) für die Leistung von KBG primär zuständig.

Die Bekl beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete [...] ein, Österreich sei nicht als Beschäftigungsstaat der Kl iSd VO anzusehen und daher zur Auszahlung von KBG an die Kl nicht zuständig. Gem Art 1 lit a der VO bezeichne der Ausdruck „Beschäftigung“ jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt werde oder die gleichgestellte Situation vorliege, als solche gelte. § 24 Abs 2 KBGG treffe für den Bereich des gesamten KBGG, also auch für den Anspruch auf pauschales KBG, eine Legaldefinition, was unter [...] „Beschäftigung“ [...] zu verstehen sei. Danach verstehe man unter „Erwerbstätigkeit“ iS dieses Bundesgesetzes die in den letzten sechs Kalendermonaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes durchgehende tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit. Die Kl erfülle diese Voraussetzung nicht, weil sie vom 3.1.2013 bis 16.3.2013 Krankengeld (ohne Entgeltfortzahlung) bezogen habe. [...] Da [...] vor dem Wochengeldbezug keine durchgehende sechsmonatige in Österreich sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit vorgelegen sei, stelle die Karenz der Kl keine „Beschäftigung“ iSd Art 1 lit a VO dar. Für den Standpunkt der Kl sei auch aus dem Umstand, dass sie während des Krankengeldbezugs in der PV teilpflichtversichert gewesen sei, nichts zu gewinnen, weil auch insoweit keine „Erwerbstätigkeit“ iSd § 24 Abs 2 KBGG vorgelegen sei. Es liege auch keine Diskriminierung von AntragstellerInnen mit Auslandsbezug vor, weil auch bei rein inländischen Sachverhalten immer dann, wenn auf die Erwerbstätigkeit der AntragstellerInnen abgezielt werde (so beispielsweise bei subsidiär Schutzberechtigten), die diesbezügliche Legaldefinition des § 24 Abs 2 KBGG herangezogen werde.

Die Kl hielt diesem Vorbringen entgegen, § 24 Abs 2 KBGG sei nur auf das einkommensabhängige und nicht auch auf das von ihr beantragte pauschale KBG anzuwenden. Das pauschale KBG stehe auch jenen Personengruppen zu, die nicht erwerbstätig oder pflichtversichert (gewesen) seien [...]. Die Annahme des prinzipiellen Erfordernisses der Ausübung einer Erwerbstätigkeit für das pauschale KBG führe zu einer nach dem Unionsrecht unzulässigen Ungleichbehandlung der AntragstellerInnen mit Auslandsbezug gegenüber österreichischen Staatsangehörigen. [...]

Das Erstgericht wies, ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt, das Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass es sich beim KBG um eine Familienleistung handle. Für die Koordination der unionsrechtlichen Zuständigkeiten bei der Bezahlung von Familienleistungen kämen die Art 67 und 68 der VO zur Anwendung. [...] Der Ausdruck „Beschäftigung“ sei in Art 1 lit a der VO mittels einer Verweisung auf das Sozialrecht des Mitgliedstaats umschrieben. Diesbezüglich enthalte § 24 Abs 2 KBGG eine Legaldefinition des Begriffs der Erwerbstätigkeit. [...] Daraus ergebe sich, dass sich die Definition auf das gesamte KBGG und somit auch auf den Abschnitt über das pauschale KBG beziehe. Da die Kl während ihres Krankengeldbezugs [...] in der KV nicht pflichtversichert gewesen sei, sei keine durchgehende Erwerbstätigkeit in den letzten sechs Monaten vor dem Wochengeldbezug gegeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl Folge, hob das angefochtene Urteil auf und ver-37wies die Rechtssache zur neuerlichen E nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Nach seinen Rechtsausführungen werde der Inhalt des in Art 1 lit a der VO enthaltenen Ausdrucks „Beschäftigung“ durch diese VO nicht eigenständig, sondern durch Verweisung auf das Sozialrecht des Mitgliedstaats definiert, das auf den jeweiligen Sachverhalt anzuwenden sei. Entgegen der Ansicht der Bekl sei aber § 24 Abs 2 KBGG zur Auslegung des Begriffs der „Beschäftigung“ nach Art 1 lit a der VO nicht heranzuziehen. [...] § 24 KBGG beziehe sich ausschließlich auf das KBG als Ersatz des Erwerbseinkommens nach Abschnitt 5 des KBGG und nicht auf das in Abschnitt 2 geregelte pauschale KBG. [...] § 24 KBGG sei nicht geeignet, den Begriff der Beschäftigung nach der VO (einschränkend) zu definieren.

Bei der Kl sei vielmehr auch ohne Anwendung des § 24 KBGG ein hinreichender Bezug für eine Beschäftigung in Österreich iSd VO gegeben. Es reiche aus, dass ihr Dienstverhältnis aufrecht sei und sie Krankengeld und Wochengeld bezogen habe, also Leistungen der Sozialversicherungsträger, die den durch Krankheit bzw Mutterschaft erlittenen Entgeltverlust ersetzen und eine finanzielle Absicherung schaffen sollen. [...] Der Umstand, dass sich die Kl in Karenz befinde, sei [...] kein Hinderungsgrund für den Export des KBG. Letztlich ergebe sich aus Art 11 Abs 3 lit a der VO ausdrücklich, dass eine Person den Rechtsvorschriften jenes Mitgliedstaats unterliege, in dem sie eine Beschäftigung ausübe. [...] Aufgrund der Ausübung ihrer unselbständigen Tätigkeit in Österreich vor der Geburt ihres Kindes, des nach wie vor aufrechten Beschäftigungsverhältnisses und auch aufgrund des Bezugs von Kranken- und Wochengeld sei die Beschäftigung der Kl iSd VO im Inland zu bejahen.

Aus Art 11 Abs 3 lit a der VO sei auch abzuleiten, dass der betreffende AN nicht nur während seiner Tätigkeit, sondern auch in Zeiten, in denen er seine Beschäftigung nicht ausübe, von den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstatus erfasst werde. [...]

Der Rekurs an den OGH sei zulässig, weil bisher noch nicht geklärt werden musste, ob der auf die VO gestützte Export von KBG von den Voraussetzungen des § 24 Abs 2 KBGG abhängig zu machen sei.

Der OGH hat den erhobenen Rekurs der Bekl aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zugelassen; er war im Ergebnis aber nicht berechtigt: [...]

I.1. Durch das KBGG, BGBl I 103/2001, wurde das KBG als Familienleistung ausgestaltet und das pauschale KBG gebührt seitdem unabhängig von einer früheren Erwerbstätigkeit [...].

I.4.1 Nach den Gesetzesmaterialien [...] soll [...] (durch einkommensabhängiges KBG) jenen Eltern, die vor der Geburt über ein relativ hohes Erwerbseinkommen verfügt haben, die Möglichkeit gegeben werden, trotz kurzzeitigem Rückzug aus dem Erwerbsleben den bisherigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten. [...] Die Erwerbstätigkeit muss durchgehend in den letzten sechs Monaten vor Geburt tatsächlich ausgeübt werden, wobei sehr geringfügige Unterbrechungen (das sind solche von bis zu 14 Tagen) zulässig sind. Keine Unterbrechung der tatsächlichen Ausübung der Erwerbstätigkeit stellen Zeiten des Erholungsurlaubs oder der Krankheit dar (unter der Voraussetzung, dass die Sozialversicherungspflicht aus der Erwerbstätigkeit aufrecht bleibt, wie es etwa bei arbeitsrechtlicher Entgeltfortzahlung der Fall ist). Zeiten des Beschäftigungsverbots nach MSchG [...] werden Zeiten der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt. [...]

5. Mit der KBGG-Novelle, BGBl I 2011/139, wurde klargestellt, dass (nur) Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung einer zuvor mindestens sechs Monate andauernden sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit ua während eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG oder während der Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder VKG als der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellte Zeiten gelten. [...]

5.2 Nach den Gesetzesmaterialien [...] sollte durch diese Ergänzung [...] eine Missbrauchsbekämpfung durch Verhinderung von (kurzfristiger) Scheinerwerbstätigkeit in Österreich erfolgen.

II.1.1 Da im vorliegenden Fall ein grenzüberschreitender Sachverhalt gegeben ist, ist die VO anzuwenden. [...] Das österreichische KBG ist als Familienleistung iSd Art 1 lit z VO zu qualifizieren [...].

1.2 Art 67 der VO sieht einen Anspruch auf Export von Familienleistungen für Familienangehörige vor, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Zuständig für den Export von Familienleistungen ist jener Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften gemäß den Art 11 ff VO anwendbar sind. [...] Im gegebenen Zusammenhang ist Art 11 Abs 3 lit a VO relevant [...]. Für den vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob die von der Kl in Anspruch genommene Karenz gem § 15 MSchG bzw die daran anschließende offenbar vereinbarte weitere Karenzzeit als „Beschäftigung“ iSd Art 11 Abs 3 lit a VO zu qualifizieren ist und zur Anwendbarkeit österreichischen Rechts führt.

II.2.1 Die VO definiert den Begriff der Beschäftigung in Art 1 lit a. [...] (Dieser) verweist [...] auf das Sozialrecht des Mitgliedstaats, das auf den jeweiligen Sachverhalt anzuwenden ist. Gleichzeitig fingiert Art 11 Abs 2 VO unter bestimmten Umständen eine Beschäftigung: [...] Art 11 Abs 2 VO soll kurzfristige Zuständigkeitsänderungen bei vorübergehender Einstellung der Erwerbstätigkeit und kurzfristigem Bezug von Geldleistungen der sozialen Sicherheit (zB Krankengeld [...]) verhindern. [...]

II.2.2 Neben diesen gesetzlichen Vorgaben enthält der Beschluss Nr F1 der Verwaltungskommission vom 12.6.2009 (Beschluss Nr F1) zur Auslegung des Art 68 der VO eine weitere Begriffsbestimmung. Demnach ist der Ausübung einer Erwerbstätigkeit ua ein unbezahlter Urlaub zum Zwecke der Kindererziehung gleichgestellt, solange ein solcher Urlaub nach nationalem Recht einer Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit gleichgestellt ist. Es ist strittig, ob die Begriffsbestimmung, die im Beschluss38 Nr F1 vorgenommen wurde, nur für Art 68 VO [...] relevant ist oder ob sie auch für die Bestimmung des anwendbaren Rechts (Art 11 ff VO) heranzuziehen ist.

II.2.3 Das Verhältnis der Definitionen in Art 1 lit a, Art 11 Abs 2 und dem Beschluss Nr F1 der Verwaltungskommission ist bislang ungeklärt. [...].

II.2.4 Art 11 Abs 3 lit a iVm Art 1 lit a VO (EG) 883/2004 verweist auf den nationalen Beschäftigungsbegriff. § 24 Abs 2 KBGG definiert den Begriff „Erwerbstätigkeit“.

II. 2.5 Nach dem Standpunkt der Bekl wollte der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 24 Abs 2 KBGG nicht ausschließlich eine (innerstaatliche) Definition des Begriffs der „Erwerbstätigkeit“ als (nationale) Anspruchsvoraussetzung für das einkommensabhängige KBG vornehmen, sondern sollte mit dieser Regelung gleichzeitig auch der Begriff der „Beschäftigung“ iSd Art 1 lit a VO für den Bereich des KBGG definiert werden [...].

II.2.13 Der Wortlaut und die Gesetzesmaterialien sprechen [...] eindeutig dafür, dass die Definition des § 24 Abs 2 KBGG die Erwerbstätigkeit/Beschäftigung bzw die dieser gleichgestellten Situation für das einkommensabhängige und das pauschale KBG also für den gesamten Anwendungsbereich des KBGG definiert. [...]

II.3.1 Nach den Feststellungen hat die Kl ab 17.3.2013 Wochengeld bezogen, sodass gem § 24 Abs 2 KBGG idF BGBl I 2011/139 zu prüfen ist, ob sie in den sechs Monaten davor erwerbstätig war. [...]

II.3.2 In der einen reinen „Inlandssachverhalt“ betreffenden E 10 ObS 180/13p wurde vom OGH das Erwerbstätigkeitserfordernis des § 24 KBGG für den Anspruch auf einkommensabhängiges KBG mangels entsprechender Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit als nicht erfüllt angesehen, weil die (damalige) Kl in dem sechsmonatigen Zeitraum Krankengeld bezogen hat. [...]

II.3.3 Bei der hier allein maßgebenden kollisionsrechtlichen (Art 11 ff VO) Beurteilung der Frage der „Erwerbstätigkeit/Beschäftigung“ während des Bezugs von Krankengeld ist jedoch [...] zu berücksichtigen:

II.3.3.1 Gem Art 11 Abs 2 der VO wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. [...]

II.3.3.2 [...] Nach dem Handbuch des Hauptverbandes über die Anwendung der VO in Österreich sind unter dem Begriff „Geldleistungen“ iSd Art 11 Abs 2 VO zB Krankengeld, Wochengeld [...] zu subsumieren [...].

II.3.3.3 [...] Leistungen, die unter Art 11 Abs 2 VO zu subsumieren sind, sind daher unabhängig von der nationalen Systematik als Ausübung einer Beschäftigung zu werten. [...]

II. 3.3.4 Es stellt sich daher die Frage, ob § 24 Abs 2 KBGG, soweit er auch als Definition des Begriffs „Beschäftigung“ iSd Art 1 lit a VO für den Bereich des KBGG zu verstehen ist, unionsrechtswidrig [...] (ist).

II.3.3.5 Eine zur Vermeidung einer Kollision vom nationalen Recht und Unionsrecht vorzunehmende unionsrechtskonforme Auslegung des § 24 Abs 2 KBGG scheidet aus [...].

II.3.3.7 In kollisionsrechtlicher Hinsicht (Art 11 ff VO) ist daher der Bezug von Krankengeld (auch ohne parallele Entgeltfortzahlung) als „Beschäftigung“ iSd Art 11 Abs 2 VO zu qualifizieren. [...]

II.3.4 Österreich ist demnach gem Art 11 Abs 3 lit a iVm Art 67 VO als Beschäftigungsstaat für die Gewährung von Familienleistungen [...] an die Kl grundsätzlich zuständig.

III.1. Zeiten der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit sind gem § 24 Abs 2 KBGG einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt, wenn es sich um eine Karenz nach den Bestimmungen des MSchG/VKG handelt, die längstens bis zum Ablauf des 2. Lebensjahres des Kindes andauert [...].

III.2. Ein Anspruch auf KBG kommt aber auch für einen längeren Zeitraum als für zwei Jahre in Betracht, so etwa wie von der Kl, beantragt für zweieinhalb Jahre [...]. Da eine Karenz, die für die Zeit nach dem Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes vereinbart wird, einer Erwerbstätigkeit nicht gleichgestellt ist, müsste gem Art 11 Abs 3 lit e VO nach dem 24. Lebensmonat des Kindes das Recht des Wohnsitzmitgliedstaats zur Anwendung kommen. [...]

III.3. Für den Anwendungsbereich der Vorgänger-VO (EWG) 1408/71 war die Frage, ob der betroffene Mitgliedstaat für die Gewährung von Familienleistungen weiterhin zuständig bleibt und diese Leistungen als durch eine Beschäftigung ausgelöst gelten, in dem Beschluss der Verwaltungskommission Nr 207 vom 7.4.2006, ABl 2006, L 175/83, näher geregelt. Danach galt ua ein unbezahlter Urlaub zum Zweck der Kindererziehung als „Ausübung der Erwerbstätigkeit“, solange dieser Erziehungsurlaub nach den einschlägigen Rechtsvorschriften einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt war.

III.4. Rsp zu Zeiten einer vereinbarten Karenz besteht bisher nur zur VO (EWG) 1408/71. [...] Im Anschluss an die E in der Rs Borger bejahte der OGH die AN-Eigenschaft der damaligen Kl iSd VO 1408/71 mit der Begründung, dass für Kindererziehungszeiten bis zum 48. Lebensmonat des Kindes eine Teilversicherung in der PV bestehe [...].

III.5.2 Spiegel (Familienleistungen aus der Sicht des europäischen Gemeinschaftsrechts in

Mazal
[Hrsg], Die Familie im Sozialrecht 117) weist darauf hin, dass im Anwendungsbereich der VO bei einer einvernehmlichen Karenzierung für die Dauer von zweieinhalb Jahren die kurzfristige Unterbrechung der Zuständigkeit Österreichs für die Dauer von sechs Monaten nur infolge einer nationalen Besonderheit gegeben wäre[...]. Die Dauer des möglichen Bezugs von KBG während eines aufrechten Dienstverhältnisses sei daher als ein einheitliches Sachverhaltselement anzusehen, das für eine durchgehende Fiktion der Ausübung der Erwerbstätigkeit spreche.

III.6. Der erkennende Senat schließt sich dieser [...] durchgehenden Fiktion der Ausübung der Erwerbstätigkeit insb für den hier vorliegenden Fall an, dass ein Beschäftigungsverhältnis lediglich vorübergehend unterbrochen wird, dem Grunde nach aber39 fortbesteht und dies nach nationalem Recht zumindest zu einer Teilversicherung führt [...]. Nach § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG besteht für Personen, die ihr Kind in den ersten 48 Kalendermonaten nach der Geburt [...] tatsächlich und überwiegend im Inland erziehen, eine Teilversicherung in der PV. Das Erfordernis der Erziehung im Inland ist zur Vermeidung einer Diskriminierung so zu verstehen, dass auch eine Erziehung des Kindes in einem anderen EU-Mitgliedstaat [...] unschädlich ist [...].

III.7. Die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach Österreich für die Gewährung von Familienleistungen an die Kl zuständig sei, erweist sich daher im Ergebnis als zutreffend. [...]

ANMERKUNG
1.
Problemdefinition

Zentrale Anspruchsvoraussetzung des einkommensabhängigen KBG ist eine vorangegangene Erwerbstätigkeit, die in § 24 Abs 2 KBGG legal definiert wird. Es wird auf eine tatsächliche Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit abgestellt. Beschäftigungsverbote nach MSchG sind diesen Zeiten gleichgestellt, wenn eine mindestens sechsmonatige tatsächlich ausgeübte Erwerbstätigkeit vorausging. Krankengeld ohne Entgeltfortzahlung stellt keine solche dar (OGH 28.1.2014, 10 ObS 180/13p). Im Bereich des pauschalen KBG hat § 24 Abs 2 kaum Relevanz, da Erwerbstätigkeit grundsätzlich keine Anspruchsvoraussetzung des pauschalen KBG sein soll.

Laut der VO ist typischerweise (primär) jener Staat für Sozialleistungen zuständig, in dem eine Beschäftigung ausgeübt wird. Die VO überlässt dem anwendbaren Sozialrecht der Mitgliedstaaten die Beschäftigungsdefinition.

Im Zusammenwirken dieser zwei Regelungen wurde die zentrale Anspruchsvoraussetzung des einkommensabhängigen KBG, die sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit für einen bestimmten Beobachtungszeitraum, zur Anspruchsvoraussetzung des pauschalen KBG für nicht in Österreich wohnhafte, aber hier beschäftigte, UnionsbürgerInnen.

Im konkreten Fall beantragte eine in Tschechien wohnhafte und in einem österreichischen Dienstverhältnis in Karenz befindliche Unionsbürgerin pauschales KBG, war aber aufgrund eines längeren Krankenstandes nicht mehr iSd § 24 Abs 2 KBGG beschäftigt.

2.
Die Europarechtswidrigkeit von § 24 Abs 2 KBGG

§ 24 Abs 2 KBGG wurde laut den Gesetzesmaterialien ua mit dem Hintergrund eingeführt, einen Beschäftigungsbegriff im Bereich der VO 883/2004 zu schaffen (ErläutRV 1522 BlgNR 24. GP 4). Sowohl die Materialien als auch die Judikatur stellten die Natur des § 24 Abs 2 KBGG als Legaldefinition für den gesamten Bereich des KBGG fest (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16).

Dennoch war eine Ungleichbehandlung von in Österreich beschäftigten, aber hier nicht wohnhaften, UnionsbürgerInnen offenkundig. Eine in Österreich wohnhafte Unionsbürgerin hätte bei sonst gleichen Voraussetzungen fraglos Anspruch auf pauschales KBG (aber nicht einkommensabhängiges KBG) gehabt. Dies ist nicht mit den Vorschriften der VO, insb Art 4 und 67, die auf Gleichbehandlung und Leistungsexport gerichtet sind, kompatibel. Der Wortlaut der Vorschriften ließ aber zumindest die Überprüfung zu.

Dennoch überrascht die Feststellung, § 24 Abs 2 KBGG sei europarechtswidrig, im Ergebnis nicht. Steht dies fest, so stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien Beschäftigung, und damit die Zuständigkeit Österreichs, bewertet werden soll.

3.
VO 883/2004 – Beschäftigung und die Besonderheiten von Familienleistungen

Familienleistungen tendieren dazu, komplexe Kollisionsthematiken aufzuwerfen. Durch zwei Eltern bestehen oft verschiedene bezugsberechtigte Personen, deren Berechtigung, je nach spezifischer Leistung und jeweiligen Beschäftigungs- und Wohnortstaat, von verschiedenen Faktoren abhängen kann. Vor diesem Hintergrund sieht Art 68 VO eine Regelung vor, die Familienleistungen regeln soll.

Der Wortlaut der VO lässt offen, ob diese Regelung eine den allgemeinen Regelungen der Art 11 ff nachgelagerte Antikumulierungsregelung sein soll oder eine eigenständige Kollisionsregelung für Familienleistungen darstellt, die keinen Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen vorsieht. In Beschluss Nr F1 wurde der Beschäftigungsbegriff ausdrücklich nur für den Anwendungsbereich des Art 68 definiert. Dem Beschluss ist durch diesen Bezug im Rahmen einer Zuständigkeitsprüfung nach Art 11 wenig abzugewinnen. Die Zuständigkeitsprüfung nach Art 11 läuft sogar Gefahr, den genannten Beschluss zu konterkarieren und ihm seinen Anwendungsbereich zu nehmen (in diesem Sinne Felten, Art 67 Rn 6, in

Spiegel
, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht [9. Lfg]).

Der OGH entscheidet sich dennoch für eine vorgelagerte Prüfung von Art 11 im Einklang mit Judikatur zur Familienbeihilfe (zB UFS Wien 10.4.2013, RV/2744-W/12; BFG 12.9.2014, RV/7103544/2014; VwGH 19.12.2013, 2012/16/0012; VwGH 27.9.2012, 2012/16/0135). Hier sei angemerkt, dass die Judikatur zur Familienbeihilfe dazu tendiert, sowohl Beschluss Nr F1 als auch Art 11 ff VO zu zitieren. Es wird also in der österreichischen Rsp offenbar keine großflächige Unterscheidung zwischen einem Beschäftigungsbegriff nach Art 11 VO und einem nach Art 68 vorgenommen.

Eine Kumulierung von Ansprüchen war nicht verfahrensgegenständlich, insoweit ist die Vermeidung des Bezugs auf Art 68 VO nachvollziehbar, die Entscheidung legt aber den Grund für ein Prüfungsschema, wonach bei Familienleistungen zunächst nach Art 11 ff zu prüfen ist und nur im Kumulierungsfalle Rückgriffe auf die Spezialregelung vorgenommen werden. Dadurch wird die Zuständigkeitsprüfung nicht unbedingt vereinfacht und auch der Beschluss40 Nr F1, nach seinem Wortlaut, nicht. Stattdessen muss der Beschäftigungsbegriff auf Grundlage allgemeinerer Regelungen gefunden werden.

4.
Krankengeld ist „Beschäftigung“

Beschäftigung stützt der OGH auf Art 11 ff. Hierzu wird zuerst auf Art 11 Abs 2 VO zurückgegriffen und festgestellt, dass Leistungen, die unter diese Vorschrift subsumierbar sind, eine Zuständigkeit eines Mitgliedstaates auslösen. Welche österreichischen Leistungen dies seien, wird dann auf Grundlage des Handbuchs der Sozialversicherungsträger eruiert, jedenfalls sind dies wohl [...] Krankengeld, Wochengeld, Geldleistungen aus der UV (zB Übergangsgeld, ausgenommen Renten), Arbeitslosengeld, Vorruhestandsgeldleistungen (und) Kurzarbeitshilfe [...] (Pöltl in

Spiegel
, Art 11 VO 883/2004 Rz 7 f) [...]. Pauschales KBG zählt nicht dazu.

Die Vorgänger-VO knüpfte an einen, durch eine Reihe an Urteilen im Verlauf von Jahrzehnten, europarechtlich geprägten AN-Begriff an. Der Beschäftigungsbegriff nach nationaler Definition war eine Abkehr von dieser Einheitlichkeit. Da sich aber in Österreich kein einheitlicher Beschäftigungsbegriff für alle Systeme der sozialen Sicherheit findet, besteht die Gefahr einer starken Diversifizierung und verschiedener nationaler Beschäftigungsbegriffe. Im Rückgriff auf Art 11 Abs 2 wird eine „gordische Lösung“ gewählt und direkt auf generelle Regelungen zurückgegriffen. Es ist nachvollziehbar, dass der OGH eine möglichst einheitliche Herangehensweise an Beschäftigungsbegriffe zur Feststellung der Zuständigkeit wählt. Gelöst sind Fragen der Anwendbarkeit des Beschlusses Nr F1 damit nicht. Damit besteht mE die Gefahr einer tatsächlichen Aufsplittung potenzieller Beschäftigungsbegriffe, jeweils nach Art 11 iVm den nationalen Vorschriften, sowie, im Kollisionsfalle zusätzlich, Art 68 iVm Beschluss Nr F1 iVm mit nationalen Vorschriften. In der E wird lediglich festgestellt, dass das Verhältnis von Art 11 und 68 dahingestellt bleiben könne, da beide auf einen nationalen Beschäftigungsbegriff verweisen. Eine Klarstellung, dass die österreichische Judikatur nicht zwischen Beschäftigung gem Art 11 und 68 iVm Beschluss Nr F1 differenziert, bleibt der OGH aber schuldig.

5.
Klarstellung nicht verfahrensgegenständlicher Problematiken und Ausblick

Etwas überraschend, aber aufgrund der Daten nachvollziehbar, klärte der OGH mit der E sogleich eine nicht verfahrensgegenständliche, aber wichtige Nachfolgefrage. Was geschieht mit der Zuständigkeit Österreichs im Falle freiwilliger Karenzverlängerungen? Der OGH sieht klar die Zuständigkeit Österreichs als weiter gegeben an, sofern das Dienstverhältnis aufrecht (aber karenziert) bleibt und eine Teilversicherung nach der PV besteht. Spannend wird in diesem Zusammenhang, inwieweit diese Rsp auch für andere Sozialleistungen als das KBG weiterentwickelt wird, bzw werden kann, da sie hier unter der Bedingung stand, dass der Beschäftigungsbegriff des § 24 Abs 2 europarechtswidrig war. Jedenfalls wurden mit der E spezialgesetzliche Einschränkungen des Beschäftigungsbegriffes schwieriger.