5Verjährung von Ersatzansprüchen wegen Mobbings
Verjährung von Ersatzansprüchen wegen Mobbings
Die Verjährungsfrist für den sogenannten Primärschaden und die voraussehbaren künftigen weiteren Teilschäden oder Folgeschäden beginnt einheitlich; der drohenden Verjährung des Ersatzanspruchs für solche Folgeschäden ist mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen.
Für nicht – oder mit nicht ausreichender Wahrscheinlichkeit – vorhersehbare neue Wirkungen eines Schadensfalls beginnt hingegen vom Zeitpunkt der Kenntnisnahme die Verjährungsfrist neu zu laufen. Die gleiche Beschaffenheit und dieselbe Ursache eines Schadens können nur Anhaltspunkte für dessen Voraussehbarkeit geben, diese Umstände sind aber nicht allein maßgeblich. Dies gilt auch in Fällen, in denen sowohl Primärschaden als auch der nunmehr zu beurteilende Folgeschaden Folgen einer einheitlichen Rechtsgutverletzung sind.
Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage im Einzelfall kann nicht mit der Obliegenheit zu einem solchen Vorgehen zur Verhinderung der Verjährung künftiger Schäden gleichgesetzt werden.
Auch bei bloßen Feststellungsbegehren kommt die Erlassung eines Zwischenurteils in Frage, wenn damit der erhobene Verjährungseinwand vorweg einer Entscheidung und Überprüfung im Rechtsmittelweg unterzogen werden kann.
Die Kl war ab Juli 1983 als Zollbeamtin in einem Zollamt mit Tätigkeiten des gehobenen Dienstes betraut. Zu ihren Aufgaben gehörte es ua auch, Container auf zu verzollendes Gut zu untersuchen. Wegen der damit verbundenen Kontakte mit gesundheitsschädlichen Chemikalien wurde von der BVA [Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter] im März 2011 bescheidmäßig das Bestehen einer Berufskrankheit anerkannt und als Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls der 1.1.2009 festgestellt; die Gewährung einer Versehrtenrente aus Anlass dieser Berufskrankheit wurde abgelehnt. Im Zusammenhang mit dem von begasten Containern für Zollbeamte ausgehenden Gefahrenpotential verweigerte die Kl ab März/April 2009 die persönliche Beschau von Containern. Da sie auch Positionen innerhalb der Gewerkschaft und der Personalvertretung innehatte, schrieb sie bis ca Mai 2009 „Konflikte“ mit dem Vorstand des Zoll-46amts diesen Funktionen zu. Sie persönlich fühlte sich im Zusammenhang mit den von den Vorgesetzten eingeforderten Tätigkeiten gegenüber anderen Mitarbeitern diskriminiert und im August 2009 von einer „Kontrollmanagerin“ zu einem Kontrollorgan degradiert. Dadurch entfielen der Kl auch Fahrtspesen und Tagesgebühren. Sie nahm ihre Behandlung als massives Mobbing wahr, worauf sich bei ihr gesundheitliche Beschwerden in Form von Albträumen, Übelkeit und Schlafstörungen einstellten. Spätestens im Mai 2010 begab sie sich deswegen auch in medizinische Behandlung. Nach einem schweren Verkehrsunfall befand sie sich in einem längeren Krankenstand und konnte ihren Dienst erst wieder am 31.1.2011 antreten. Sie wurde dabei mit einem angeordneten Wechsel in ein anderes Team konfrontiert, was sie als grobe Mobbinghandlung empfand, worauf sie von der Arbeitsmedizinerin krankgeschrieben wurde. Später begab sie sich auch in psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung und verblieb letztlich bis zu ihrer Pensionierung im Krankenstand. Während dieses Krankenstands veranlasste der Vorstand des Zollamts vertrauensärztliche Untersuchungen der Kl. Ein Neuropsychiater gelangte im Juni 2011 zum Ergebnis, dass eine längere depressive Reaktion auf die schwierige, subjektiv als belastend erlebte, berufliche Situation bei der leistungsorientierten und selbstbezogenen Persönlichkeitsstruktur der Kl vorliege. Er rechnete mit einer Besserung der Beschwerdesymptomatik in etwa sechs bis acht Monaten bei Fortsetzung der derzeitigen Behandlungsmaßnahmen, wobei er aber auch die Klärung der chronischen beruflichen Konfliktsituation für notwendig erachtete. Er wies darauf hin, dass Hinweise auf eine dauernde Arbeitsunfähigkeit „dtz“ nicht bestünden. In einem weiteren Gutachten kam er im September 2011 zum Ergebnis, dass auch für einfachste Tätigkeiten eine weitere Arbeitsunfähigkeit von sechs Monaten bestehe und es nach wie vor einer Klärung der beruflichen Konfliktsituation bedürfe. Im April 2012 attestierte er, dass auf absehbare Zeit, jedenfalls für acht bis zwölf Monate, keine Dienstfähigkeit gegeben sei. Die statistische Wahrscheinlichkeit für eine Gesundung der Kl betrage 70 %. Eine Wiedererlangung der Leistungsfähigkeit könne durch einen Dienststellenwechsel mit Wechsel des Teamleiters und Vorstands erreicht werden. Eine dauernde Arbeitsunfähigkeit erwarte er wiederum mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht. In einem Gespräch zwischen Mitarbeitern der Personalabteilung des Zollamts und der Kl „samt rechtlicher Vertretung“ Ende Juni 2012 legte ein Rechtsvertreter der Kl dar, dass aus ihrer Sicht nur mehr „eine akademische Tätigkeit“ im bundesweiten Fachbereich für Zoll- und Verbrauchssteuern erfolgversprechend wäre; da im Übrigen aber einer örtlichen Versetzung nicht zugestimmt würde, sei rechtlich und faktisch von einer dauernden Dienstunfähigkeit der Kl auszugehen. Mit Bescheid vom 11.2.2014 wurde die Kl mit Ablauf des Monats März 2014 aufgrund dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Ausschlaggebend dafür waren ausschließlich ihre psychischen Befindlichkeiten.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist einerseits das von der Kl in ihrer Klage vom 27.5.2014 erhobene Feststellungsbegehren, soweit es ihren (künftigen) Verdienstentgang wegen ihrer Frühpensionierung für die Zeit ab August 2014 betrifft, andererseits jener Teil des Leistungsbegehrens, mit dem Verdienstentgang für die Monate April bis Juli 2014 begehrt wird.
Die Kl brachte dazu im Wesentlichen vor, ihre psychischen Beschwerden seien ausschließlich auf das gegen sie geübte Mobbing bzw Bossing zurückzuführen. Diese Situation habe bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand angedauert. Erst mit ihrer Pensionierung sei für sie erkennbar geworden, dass eine dauernde Arbeitsunfähigkeit vorliegen könnte und ihr auch dadurch ein Verdienstentgang entstehen werde. Eine derartige Entwicklung sei früher nicht absehbar gewesen. Ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, was angesichts der eingeholten Gutachten nicht absehbar gewesen sei.
Die Bekl wandte im Wesentlichen ein, dass sämtliche allfälligen Ansprüche der Kl verjährt seien. Sie führe ihre psychischen Probleme seit dem Jahr 2009 selbst auf das von ihr subjektiv als Mobbing wahrgenommene Verhalten ihrer Vorgesetzten zurück, womit der Primärschaden bereits in diesem Jahr eingetreten sei. Dieser Zeitpunkt sei auch für künftige Teil- und Folgeschäden maßgeblich.
Das Erstgericht sprach in den Spruchpunkten 4. und 5. des Urteils aus, dass das über Schmerzengeldansprüche und Behandlungskosten hinausgehende Feststellungsbegehren bezogen auf die berufliche Belastung durch die Mobbing- bzw Bossingsituation und das Leistungsbegehren betreffend Verdienstentgang im Zeitraum April 2014 bis Juli 2014 nicht verjährt seien. [...] Das Berufungsgericht änderte diesen Entscheidungsteil über Berufung der Bekl im klageabweisenden Sinn ab. [...]
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kl ist zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage fehlt, ob bei einem Verdienstausfall durch einen Krankenstand wegen psychischer Beeinträchtigungen typischerweise auch (erheblich höhere) Einkommensverluste wegen einer künftigen Frühpensionierung wegen Dienstunfähigkeit voraussehbar sind. Sie ist iS einer Wiederherstellung der erstgerichtlichen E auch berechtigt.
Wie das Berufungsgericht an sich zutreffend dargestellt hat, beginnt die Verjährungsfrist nach herrschender Rsp für den sogenannten Primärschaden und die voraussehbaren künftigen weiteren Teilschäden oder Folgeschäden einheitlich; der drohenden Verjährung des Ersatzanspruchs für solche Folgeschäden ist mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (RIS-Justiz RS0087613; RS0097976; RS0034618). Gelegentlich wird auch darauf abgestellt, ob diese Folgeschäden „sicher voraussehbar“ gewesen sind (RIS-Justiz RS0034511) oder ob mit künftigen Schäden „mit Wahrscheinlichkeit“ (RIS-Justiz RS0034559) bzw „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ (dort [T5, T6]) zu rechnen ist. Für nicht – oder mit nicht ausreichender Wahrscheinlichkeit – vor-47hersehbare neue Wirkungen eines Schadensfalls beginnt hingegen vom Zeitpunkt der Kenntnisnahme die Verjährungsfrist neu zu laufen (RISJustiz RS0034527). Die gleiche Beschaffenheit und dieselbe Ursache eines Schadens können nur Anhaltspunkte für dessen Voraussehbarkeit geben, diese Umstände sind aber nicht allein maßgeblich (1 Ob 82/00s = RIS-Justiz RS0034527 [T11]). Dies gilt auch in Fällen, in denen sowohl Primärschaden als auch der nunmehr zu beurteilende Folgeschaden Folgen einer einheitlichen Rechtsgutverletzung sind (vgl etwa 1 Ob 56/13m). [...]
Die Kl hat ihre Feststellungsklage am 27.5.2014 erhoben. Dass sie bereits im Mai 2011 objektive Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit einer Frühpensionierung aufgrund einer (zu erwartenden) Verschlechterung ihres Gesundheitszustands gehabt hätte (vgl nur RIS-Justiz RS0083144 [T20, T25]), ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht. Vor allem wäre es Sache der Bekl gewesen, ihren Verjährungseinwand schon im Verfahren erster Instanz durch ein ausreichendes Tatsachenvorbringen zu begründen (1 Ob 26, 27/86 = SZ 59/129 ua; RIS-Justiz RS0034198 [T1]), was sie jedoch – jedenfalls im Zusammenhang mit einer Voraussehbarkeit der Frühpensionierung bzw des Eintritts einer dauerhaften Dienstunfähigkeit als weitere „Zwischenursache“ – unterlassen hat. Im Übrigen rechtfertigt ihre Ausführung in der Revision, bereits mit der Feststellung des Geschädigten von (psychischen) Beschwerden sei ein mit der Erkrankung verbundener Verdienstentgang voraussehbar, es noch keineswegs, gleichzeitig auch – ohne ausreichende Tatsachengrundlage – die Voraussehbarkeit des Bestehens oder künftigen Entstehens einer dauernden Dienstunfähigkeit und der damit verbundenen Frühpensionierung zu bejahen.
Soweit sich die Revisionswerberin schließlich darauf beruft, schon die bloße Möglichkeit künftiger Schäden rechtfertige die Erhebung einer Feststellungsklage, weil es dafür genüge, dass weitere Schäden nicht mit Sicherheit auszuschließen sind, übersieht sie offenbar, dass die Zulässigkeit einer Feststellungsklage im Einzelfall nicht mit der Obliegenheit zu einem solchen Vorgehen zur Verhinderung der Verjährung künftiger Schäden gleichgesetzt werden kann (siehe dazu nur RISJustiz RS0034527 [T1] ua).
Da sich somit der Verjährungseinwand hinsichtlich jener Schäden, die durch die vorzeitige Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses entstanden sind, als unberechtigt erweist, ist insoweit die E des Erstgerichts wiederherzustellen. [...]
Zuweilen stellt die Arbeitswelt bzw der konkrete Arbeitsplatz eines Menschen einen gefährlichen Ort dar. AN-Schutzvorschriften – sowohl in der Privatwirtschaft wie auch im öffentlichen Dienst – versuchen hier, gesundheitliche Schäden zu vermeiden. Neben Arbeitsunfällen, welche in erster Linie zu körperlichen Beeinträchtigungen führen, gibt es auch schleichende auslösende Faktoren. Im Falle gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Mobbing bzw Bossing kann es zum Vorliegen von gesundheitlichen Beschwerden kommen, welche nicht urplötzlich auftreten, sondern eine chronologische, typischerweise schrittweise eskalierende Entwicklung nehmen. Für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen – an welche der Geschädigte zunächst überhaupt nicht denken mag, zumal es ihm zunächst nur um die Erlangung der geeigneten und wirksamen medizinischen Behandlung geht! – bedarf es der Einhaltung der gesetzlichen Verjährungsfrist(en) (siehe dazu unter 2.).
Mobbing kann in vielfältiger Art und Weise verübt werden, etwa durch Ausspielen von MitarbeiterInnen, das fälschliche Verantwortlich-Machen für Fehlentwicklungen, die unrichtige Bezichtigung von Fehlverhalten und der Nicht-Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Vorgesetztenverhalten kann zu erhöhter Arbeitsbelastung für die MitarbeiterInnen führen und diese vor erhebliche Probleme stellen. Besonders problematisch wird es dann, wenn die Anzahl und das Ausmaß der Arbeitsaufgaben derart anwachsen, dass sie nicht mehr mit dem vorhandenen Personalstand an Belegschaft bewältigt werden können. Eine derartige Situation kann dem DG einfach passieren oder aber auch im Einzelfall intendiert sein; im letzteren Fall wird von einer „gesteuerten Überlastung“ auszugehen sein.
Mobbing lässt sich oft erst dann festmachen, wenn ärztliche Befunde und Gutachten vorliegen und Krankenstand in Anspruch genommen werden musste bzw muss. Der Fall eines ärztlich diagnostizierten Burnouts, verbunden mit einer größeren Anzahl von Krankenständen in nicht unerheblichem Ausmaß, stellt ein untrügliches Zeichen dafür dar, dass die Dienstbehörde bzw Personalstelle einschreiten muss. Dies gilt umso mehr, wenn von DN-Seite der DG darüber in Kenntnis gesetzt wird, dass sich der DN einer von ihm so empfundenen Mobbingsituation ausgesetzt sieht und auch bereits längere Zeit ausgesetzt gesehen hat und er sich deshalb bereits in psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung befindet.
Um Ersatzansprüche zu begründen, bedarf es naturgemäß der vorliegenden Kausalität: Die Schäden müssen sich der bereits länger dauernden Situation am Arbeitsplatz zuordnen lassen. Exklusivität der Kausalität ist zwar nicht erforderlich, jedoch regelmäßig eine Hauptursächlichkeit: Auch aus massiven Verletzungen der Fürsorgepflicht durch die Dienstbehörde gegenüber BeamtInnen können Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden. Vgl hierzu etwa die „Herzkranker Unteroffizier“-E, OLG Linz 29.7.2014, 4 R 114/14h: In diesem Fall wurden die behaupteten Amtshaftungsansprüche jedoch bereits wegen eingetretener Verjährung, welche der bekl Rechtsträger ausdrücklich eingewandt hatte (was auch erforderlich war, da ein Verjährungsaufgriff von Amts wegen nicht vorgesehen ist), abgelehnt. Zumal in letzter Zeit erlangen Amtshaftungsansprüche wegen behaupteten Mobbings durch die Dienstbehörde bzw48 bestimmte Vorgesetzte (auch genannt „Bossing“), KollegInnen, MitarbeiterInnen (diesfalls Bezeichnung als „Staffing“) mehr und mehr an Bedeutung. Es geht dabei darum, dass der Bund als AG der BeamtInnen seiner Fürsorgeverpflichtung für die Betroffenen nicht hinreichend nachgekommen ist. Trotz bekannt gegebener Leidenssituation unter Schikanen von Vorgesetzten hat die Dienstbehörde nicht für eine Abstellung der rechtswidrigen Situation (keine Schikanen, Bloßstellungen, rechtswidrigen Weisungen, bloßstellenden Bemerkungen etc) gesorgt und dadurch gesundheitliche Schäden beim Beamten als späteren Amtshaftungswerber erst entstehen lassen, welche andernfalls nicht eingetreten wären (Kausalitätserfordernis!).
Das Mobbing gegenüber MitarbeiterInnen, KollegInnen, aber auch Vorgesetzten stellt naturgemäß eine Dienstpflichtverletzung (des Belästigers und evtl auch der – wissentlich – duldenden Hierarchie) dar. Ob eine rechtswidrige Handlung oder Unterlassung aber bereits einen Belästigungs- oder sogar Mobbingtatbestand erfüllt, muss im Einzelfall entschieden werden (siehe idS auch Hopf, Mobbingverbot – Was nun?ÖJZ 2014, 897, 901 linke Spalte).
In der Suspendierung einer Volksschuldirektorin- E führte der VwGH zur Frage der Willkür aus wie folgt (VwGH 25.3.2015, Ro 2014/12/0036, S 7, Hervorhebungen vom Autor): „Darüber, welche Umstände gegeben sein müssen, um einer Behörde Willkür anzulasten, lässt sich keine allgemeine Aussage treffen. Ob Willkür vorliegt, kann nur nach dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden. Ein willkürliches Verhalten der Behörde liegt nach der Rechtsprechung des VfGH unter anderem in der gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Auch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung kann Willkür indizieren (vgl hierzu das hg Erkenntnis vom 10. März 2009, Zl 2008/12/0070, mwH).
“ Diese Ausführungen betreffen in erster Linie die Verhandlungs- und Verwaltungsdurchführung durch die Behörde gegenüber der bzw den Partei(en). Die Erwägungen können jedoch auch auf das Arbeitsverhältnis und damit die Vorkommnisse im Betrieb bzw an der Dienststelle übertragen werden.
Sofern Vertragsbedienstete Ersatzansprüche wegen angeblichen Mobbings geltend machen wollen, besteht hierfür die Zuständigkeit der Arbeits-, nicht jedoch der Amtshaftungsgerichte. Im Amtshaftungsverfahren erfolgt die Geltendmachung behaupteter Mobbingansprüche nur dann, wenn diesen ein hoheitliches Verhältnis zu Grunde gelegen hat, so etwa bei BeamtInnen als AmtshaftungswerberInnen gegenüber dem bekl Rechtsträger als ihrem aktuellen oder ehemaligen DG – wie etwa im vorliegenden Fall. Wenn aber nun ein Vertragsbediensteter angebliche Ersatzansprüche wegen Mobbings im unrichtigen Rechtsweg, nämlich im Amtshaftungswege statt mittels Klage, beim Arbeitsgericht geltend macht, wird dies zur kostenpflichtigen Klageabweisung führen (siehe hierzu OLG Wien 22.1.2014, 14 R 199/13g).
Auch wenn als Grundsatz gilt, dass die Verjährungsfrist bereits ab dem ersten Schadenseintritt erfolgt, also dem sogenannten Primärschaden, kann es auch Sonderkonstellationen geben, in welchen für bestimmte, nämlich nicht voraussehbare Schäden die Verjährungsfrist erst zu einem späteren Zeitpunkt einsetzt. In der E ging es um geltend gemachte Amtshaftungsansprüche einer Zollbeamtin mit Tätigkeiten des gehobenen Dienstes. Der OGH hatte darüber zu entscheiden, ob angesichts des Umstandes, dass die spätere Amtshaftungsklage selbst bereits seit dem Jahr 2009 diverses Vorgesetztenverhalten subjektiv als Mobbing wahrgenommen hatte, die Klagsführung vom 27.5.2014 noch als rechtzeitig zu qualifizieren oder bereits von der vom Rechtsträger eingewandten Verjährung auszugehen war.
Das Erstgericht (LG Salzburg) war nämlich von noch nicht eingetretener Verjährung ausgegangen, dies im Hinblick auf den Umstand, dass die angeblichen Amtshaftungsschäden im Hinblick auf die Frühpensionierung für die Kl noch nicht vorhersehbar gewesen war, zumal ja auch ein medizinischer Sachverständiger seinerzeit (nämlich noch im Juli 2011) ausgeführt hatte, dass Hinweise auf eine dauernde Arbeitsunfähigkeit derzeit nicht bestünden. Das Berufungsgericht änderte dagegen den Entscheidungsteil über Berufung der Bekl im klageabweisenden Sinn ab. Es orientiert sich dabei an der in stRsp vertretenen „gemäßigten Einheitstheorie“, wonach die dreijährige Verjährungsfrist (des allgemeinen Schadenersatz- wie auch des Amtshaftungsrechtes) auch für künftige vorhersehbare Teil(folge)schäden mit dem Eintritt des ersten Schadens (Primärschadens) zu laufen beginnt. Primärschaden und Folgeschaden sind iS dieser Theorie solche Schäden, die gemeinsam haben, dass sie Folge einer Rechtsgutverletzung sind, wie beispielsweise Schmerzengeld (Primärschaden) und künftiger Verdienstentgang als Folge einer Körperverletzung. Stellte der Geschädigte Beschwerden als Folge von Mobbing fest und konnte er sie zuordnen, dann beginnt die Verjährungsfrist nicht erst mit der (förmlichen) Feststellung der Dienstunfähigkeit durch den Amtsarzt.
Der OGH erachtete die Ausführungen des Berufungsgerichtes zwar grundsätzlich für zutreffend, ging jedoch mit Entscheidungsabänderung und Wiederherstellung des erstinstanzlichen Spruches vor. Das Höchstgericht knüpfte dabei daran an, dass die Kl zwar bereits im Jahr 2009 erste psychische Beschwerden der von ihr als Mobbing empfundenen Behandlung durch ihre Vorgesetzten erlitten und sich spätestens im Mai 2010 in ärztliche Behandlung begeben hatte, doch selbst (vertrauens-) ärztliche Untersuchungen keine Hinweise auf Arbeitsunfähigkeit ergeben hatten. Wenn nun49 also auch von medizinisch-ärztlicher Sicht keine Erkennbarkeit einer später eintretenden bleibenden Dienstunfähigkeit, welche die Frühpensionierung auslösen würde, vorgelegen hatte, wurde eine derartige Einschätzungsmöglichkeit auch nicht der späteren Amtshaftungsklage abverlangt.
Es muss daher bei geltend gemachten Amtshaftungsansprüchen stets individuell geprüft werden, ob rücksichtlich eines geltend gemachten angeblichen Schadens bzw Schadensteils bereits ein Ablauf der Verjährungsfrist eingetreten sein könnte. Schäden dürfen nicht pauschal einheitlich gewertet werden, wenn unterschiedliche Schadenserkennungszeitpunkte durchaus denkbar erscheinen. Siehe dazu E S 10: „Die Kl hat ihre Feststellungsklage am 27.5.2014 erhoben. Dass sie bereits im Mai 2011 objektive Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit einer Frühpensionierung aufgrund einer (zu erwartenden) Verschlechterung des Gesundheitszustandes gehabt hätte, ... ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht.
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Bedeutung erlangt für die Rechtsträgervertretung hinsichtlich der Verjährung nicht nur der Umstand, dass die Verjährung ausdrücklich eingewendet werden muss (Obliegenheit zur Erhebung des Verjährungseinwandes; siehe dazu Ziehensack, AHG-Praxiskommentar § 6 Rz 17 f mwN), sondern dass es auch einer substantiierten Ausführung desselben bedarf. MaW muss also den Amtshaftungsgerichten erklärt werden, warum die Verjährungsfrist bereits abgelaufen sein sollte. Siehe in diesem Sinne die E S 10: „Vor allem wäre es Sache der Beklagten gewesen, ihren Verjährungseinwand schon im Verfahren erster Instanz durch ein ausreichendes Tatsachenvorbringen zu begründen ..., was sie jedoch – jedenfalls im Zusammenhang mit einer Voraussehbarkeit der Frühpensionierung bzw des Eintritts einer dauerhaften Dienstunfähigkeit – als weitere ‚Zwischenursache‘ unterlassen hat.
“
Zudem gilt es bei der Verjährung zu berücksichtigen, dass einerseits die Feststellungsklage dazu dient, die Verjährung zukünftiger, nicht auszuschließender Schäden hintanzuhalten, andererseits aber nicht stets und immer ein Muss in diese Richtung besteht. Aus dem Umstand, dass die Erhebung einer Feststellungsklage zulässig gewesen wäre, ergibt sich noch nicht zwingend der Eintritt einer Verjährung, wenn dem späteren Amtshaftungskläger doch zugute gehalten werden muss, dass keine frühere Schadenserkennbarkeit vorgelegen hatte. Im Regelfall wird es nämlich nicht möglich sein, vom Amtshaftungskläger gewissermaßen auch die Aufnahme eines Feststellungsbegehrens gewissermaßen „ins Blitzblaue hinein“ zu fordern. Keiner Person – und auch selbst dem besten Rechtsanwalt nicht! – können hellseherische Fähigkeiten abverlangt werden.
Ein Zwischenurteil nach § 393 ZPO eignet sich nicht bloß als Instrumentarium, wenn es um die Frage des Grundes von Leistungsansprüchen geht und diese Frage zunächst einmal der Überprüfung im Rechtsmittelweg ausgesetzt werden soll, damit sodann erst in einem zweiten Schritt die mühsame Erhebung hinsichtlich der Höhe von Ansprüchen erfolgen kann. Dies erweist sich einerseits als Arbeitserleichterung dahingehend, da sich bei entsprechendem Unterliegen dem Grunde nach die Bekl bzw der bekl Rechtsträger allenfalls mit der Klagsseite vergleichen möchte/könnte (regelmäßig im submittierenden bzw zT submittierenden Sinne).
Kommt eine vergleichsweise Lösung nicht zustande, wird dadurch aber dennoch im prozessökonomischen Sinn gehandelt, da nicht das Risiko eines allenfalls vergeblichen Verfahrensaufwandes eingegangen wird. Geht das Gericht von fehlender Berechtigung der Klagsansprüche aus, kann es sofort mit vollständiger Klagsabweisung vorgehen, wobei es sich dabei sogleich des Endurteiles bedient. Bei gegenteiliger rechtlicher Einschätzung wird der Weg vorgezeichnet sein, zunächst auch in den Instanzen die Überprüfung zu erreichen, ob die Meinung vom Bestehen der Ansprüche dem Grunde nach geteilt wird, um erst dann den vollen weiteren Verfahrensaufwand auf sich zu nehmen, um die Höhe der dann dem Grunde nach feststehenden Ansprüche abzuklären. Gerade bei Verjährungsfragen wird sich eine derartige Vorgangsweise als zweckmäßig erweisen; siehe dazu explizit § 393a ZPO.
Auch bei bloßen Feststellungsbegehren wird eine derartige gegliederte Vorgangsweise von der Rsp zugelassen. Dies gilt, obwohl bei Feststellungsbegehren ja anschließend regelmäßig kein weiteres Verfahren hinsichtlich der Abklärung der Höhe der Ansprüche erforderlich wird, es sei denn, dass eine Ausdehnung um Leistungsbegehren erfolgt. Die Zweckmäßigkeit der Wahl des Instruments des Zwischenurteiles selbst bei bloßen Feststellungsbegehren im Amtshaftungsrecht erweist sich deshalb als zweckmäßig, da damit, wie im oben dargestellten Szenario bei Leistungsbegehren, auch hier eine gegliederte Vorgangsweise stattfinden kann. Sofern das Amtshaftungsgericht von bereits eingetretener Verjährung ausgehen sollte, kann es naturgemäß gleich mit einem Endurteil vorgehen. Wenn es aber den Standpunkt vertritt, dass noch keine Verjährung eingetreten ist, ergibt sich erst dann die Notwendigkeit der weiteren Anspruchsprüfung dem Grunde nach. Hier soll dann aber die Verjährungsfrage vorab der prüfenden Kontrolle im Rechtsmittelweg unterzogen werden.
Sollte nämlich die höhere Instanz im Gegensatz zur ersten oder zweiten Instanz davon ausgehen, dass doch Verjährung vorliegt, wären sonst nämlich unternommene zusätzliche Anspruchsprüfungsmühen vergeblich gesetzt worden. Einen derartigen frustrierten Verfahrensaufwand sollten die Gerichte aber den Parteien nach Möglichkeit nicht zumuten, sondern ihnen im Gegenteil Arbeit, Mühe und Kosten einsparen helfen. Daher erweist sich der Einsatz des Instituts des Zwischenurteiles selbst bei bloßer Geltendmachung von Feststellungsbegehren und erhobenem Verjährungseinwand durchaus als zweckmäßig.50