Information von ArbeitnehmerInnen über festgestellte Unterentlohnung

WALTERJ.PFEIL/DIETMARJAHNEL (SALZBURG)
Durch das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 2014 (ASRÄG) wurden die schon seit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz vorgesehenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Unterentlohnung von AN wesentlich erweitert. Im Zuge des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes wurden diese Bestimmungen noch einmal ergänzt. Sie bewirken insb eine Sanktionierung der Nichtleistung des den AN zustehenden Entgelts durch verwaltungs(straf)rechtliche Maßnahmen. Die (seit jeher wenig genutzten) Möglichkeiten einer gerichtlichen Geltendmachung von Entgeltansprüchen werden dadurch nicht berührt. Die vorliegende Untersuchung, die auf einem im Herbst 2015 vorgelegten Gutachten für die Arbeiterkammer Oberösterreich basiert, geht der Frage nach, inwieweit die Feststellung einer Unterentlohnung auch für die privatrechtliche Geltendmachung der entsprechenden Ansprüche nutzbar ist. Dabei sind arbeits- und sozialversicherungs- ebenso wie datenschutzrechtliche Probleme angesprochen.
  1. Problemstellung

  2. Aufgaben und Befugnisse der Krankenversicherungsträger nach dem AVRAG

    1. Allgemeines

    2. Absehen von einer Anzeige

    3. Inhalt der Informationspflicht

  3. Information der AN durch den Krankenversicherungsträger auf anderer Grundlage

    1. Informationspflichten

    2. Befugnis zur Informationsweitergabe

  4. Datenschutzrechtliche Beurteilung

    1. Allgemeines

    2. Einfachgesetzliche Zulässigkeitsprüfung

    3. Zulässigkeit nach § 1 Abs 2 DSG

    4. Auskunftserlangung auf Initiative des/der AN

    5. Exkurs: Mehrfachzuordnung von Daten

  5. Einbindung des Betriebsrats

  6. Zusammenfassung und rechtspolitischer Ausblick

1.
Problemstellung

Am 1.1.2015 sind die Änderungen des Arbeitsvertragsrechts- Anpassungsgesetzes (AVRAG) durch das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz (ASRÄG) 2014 (BGBl I 2014/94) in Kraft getreten. Diese Neuerungen haben insb wegen der durch sie bewirkten Ausweitung der Strafbarkeit von „Unterentlohnung“ zu zahlreichen Stellungnahmen im Schrifttum geführt.*

Kaum eingegangen wurde bisher auf die Ausweitung der schon seit dem Lohn- und Sozialdumping-75Bekämpfungsgesetz (BGBl I 2011/24) bestehenden Verpflichtung der Träger der gesetzlichen KV, Übertretungen nach dem AVRAG durch eine/n AG, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit, also insb bei einer „Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben“ nach § 41a Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) feststellen, bei der Bezirksverwaltungsbehörde zur Anzeige zu bringen (§ 7g Abs 1 AVRAG). Nach Abs 3 dieser Bestimmung ist die Verpflichtung hinzugekommen, den/die AN über einen in der Folge nach § 7i Abs 5 AVRAG ergehenden Strafbescheid, der sein/ihr Arbeitsverhältnis betrifft, zu informieren. Diese Informationspflicht wurde im Zuge der neuerlichen Änderung des AVRAG in Flankierung des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes (SBBG, BGBl I 2015/113) „vorverlegt“ und besteht nun nach § 7g Abs 3 AVRAG ebenso wie nach § 7e Abs 1a Z 6 bereits im Hinblick auf „eine sein/ihr Arbeitsverhältnis betreffende Anzeige“ bei der Bezirksverwaltungsbehörde.*

Näher konkretisiert wird diese Pflicht nicht, weshalb sich naturgemäß die Frage stellt, welchen Inhalt die Information durch den Krankenversicherungsträger haben muss (dazu 2.3.). Da diese Information nur den Zweck haben kann, den/die AN von einer „objektivierten“ Unterentlohnung in Kenntnis zu setzen, damit er/sie dagegen auch arbeitsrechtlich vorgehen kann, wäre es wichtig, dass sie möglichst früh und umfassend erfolgt, ist der/die AN doch am unmittelbarsten betroffen und deswegen zentrales Schutzobjekt der Regeln gegen Lohndumping. Damit ist zu fragen, inwieweit das geboten oder zumindest zulässig ist (3.). In diesem Zusammenhang könnte auch die Einbindung des BR eine Rolle spielen (5.). Bevor all diese Fragen erörtert werden können, ist freilich der Rahmen für das Tätigwerden der Krankenversicherungsträger nach dem AVRAG kurz darzustellen.

2.
Aufgaben und Befugnisse der Krankenversicherungsträger nach dem AVRAG
2.1.
Allgemeines

Mit den Regelungen zur Bekämpfung des Lohn- und Sozialdumpings insb in den §§ 7d ff AVRAG hat der österreichische Gesetzgeber erstmals unmittelbare öffentlich-rechtliche Sanktionen für die Verletzung an sich privatrechtlicher Verpflichtungen von AG ihren AN gegenüber vorgesehen. Diese Sanktionen finden sich vor allem in der Strafbestimmung des § 7i AVRAG, wobei vorliegend primär dessen Abs 5 idF seit dem ASRÄG 2014 interessiert. Dieser ersetzt und erweitert den ursprünglichen § 7i Abs 3 AVRAG und stellt nicht mehr bloß Unterschreitungen des „Grundlohns“ durch den/die jeweilige/n AG als Verwaltungsübertretung unter Strafe,* sondern jede Beschäftigung von AN, „ohne ihm/ihr zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in § 49 Abs 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten“. Diese Legaldefinition von Unterentlohnung wird durch die Möglichkeit einer Kompensation durch Überzahlungen, die auf BV oder Arbeitsvertrag beruhen, sowie die gesonderte Behandlung der Nichtleistung von Sonderzahlungen ergänzt.*

Für die Kontrolle (eigentlich: der korrekten Leistung) des dem/der nicht dem ASVG unterliegenden AN zustehenden Entgelts wird die Wiener Gebietskrankenkasse als Kompetenzzentrum Lohn- und Sozialdumping Bekämpfung (Kompetenzzentrum LSDB) eingerichtet (§ 7e Abs 1 AVRAG). Die konkreten Erhebungen werden von den Abgabenbehörden (dh der Finanzpolizei) nach Maßgabe des § 7f AVRAG durchgeführt, und zwar idR auf Ersuchen des Kompetenzzentrums LSDB, dem dann auch die Ergebnisse zu übermitteln sind.

Die Kontrolle im Hinblick auf AN, die dem ASVG unterliegen bzw für die – auf Grund des gewöhnlichen Arbeitsorts in Österreich – österreichisches Arbeitsrecht anwendbar ist,* ist dagegen nach § 7g AVRAG von den Krankenversicherungsträgern wahrzunehmen. Diesen kommt damit auch im Hinblick auf arbeitsrechtliche Ansprüche eine wichtige Rolle zu. Stellt ein Krankenversicherungsträger nämlich eine Unterentlohnung fest, hat er nach Abs 1 dieser Bestimmung – wie das Kompetenzzentrum LSDB – Anzeige an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zu erstatten und dabei ein bestimmtes Strafausmaß zu beantragen, wobei er die Anzeige der Abgabenbehörde elektronisch zu übermitteln hat (§ 7e Abs 3 Satz 1 bis 3 AVRAG). Der Krankenversicherungsträger kann zuvor die Kollektivvertragspartner, die den für den/die AN maßgeblichen KollV abgeschlossen haben, zur Ermittlung des dem/der AN zustehenden Entgelts anhören; wenn ein/e betroffene/r AG begründete Einwendungen gegen die vom Krankenversicherungsträger angenommene Einstufung erhebt, besteht für diesen sogar eine Verpflichtung, die Kollektivvertragspartner anzuhören (§ 7 Abs 4 Satz 1 und 2 AVRAG).

Damit der zuständige Krankenversicherungsträger diesen Aufgaben nachkommen kann, wird er in § 7g Abs 2 AVRAG berechtigt, in die erforderlichen Unterlagen Einsicht zu nehmen und Abschriften dieser Unterlagen anzufertigen; umgekehrt haben die AG auf Verlangen die erforderlichen Unterlagen oder Ablichtungen zu übermitteln, wobei die Absendung bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags zu erfolgen hat und dafür kein Ersatz der Aufwendungen gebührt.76

Auch eine Rückkoppelung des Krankenversicherungsträgers mit den betroffenen AN ist vorgesehen. Dass die diesbezügliche Informationspflicht nach der ursprünglichen Regelung erst im Hinblick auf einen das jeweilige Arbeitsverhältnis betreffenden Strafbescheid der Bezirksverwaltungsbehörde bestand, war zumindest merkwürdig:* Das Informationsinteresse des/der AN wird idR auf den Umstand einer – nun auch von kompetenten Dritten festgestellten, insofern also „objektivierten“ – Unterentlohnung als solcher und weniger auf das Verwaltungsstrafverfahren gegen den/die AG gerichtet sein. Dieser rechtspolitische Fehlgriff wurde mittlerweile dahingehend korrigiert, dass die Information an den/die AN bereits über die bei der Bezirksverwaltungsbehörde (nach § 7e Abs 3 AVRAG) erstattete Anzeige zu erfolgen hat.*

Trotz dieser „Vorverlegung“ der Informationspflicht kann aus dem AVRAG nach wie vor keine Verpflichtung der Krankenversicherungsträger zur Information betroffener AN bereits über eine festgestellte Unterentlohnung als solche abgeleitet werden. Das schließt nicht aus, dass eine Informationspflicht oder zumindest ein Informationsrecht des/der betroffenen AN auf andere Rechtsvorschriften gestützt werden könnte. Bevor nach solchen Ausschau gehalten werden kann (siehe unten 3.), sollen allerdings noch zwei Fragen geklärt werden. Zum einen, was es bedeutet, dass „über eine ... Anzeige ... zu informieren“ ist (dazu 2.3.); zum anderen – und damit chronologisch der Anzeige vorgelagert –, wann von einer solchen abzusehen ist.

2.2.
Absehen von einer Anzeige

Wie das Kompetenzzentrum LSDB hat auch der Krankenversicherungsträger unter gewissen Voraussetzungen von einer Anzeige abzusehen. Diese liegen nach § 7g Abs 1 iVm § 7e Abs 5 AVRAG vor, wenn der/die AG dem/der AN die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt nach Mitteilung des Krankenversicherungsträgers binnen einer von diesem festgesetzten Frist nachweislich leistet, und – es handelt sich also um zwei kumulative Voraussetzungen* – entweder die Unterentlohnung unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien gering ist oder das Verschulden des/der AG* leichte Fahrlässigkeit nicht übersteigt. Gleiches gilt, wenn der/die AG das dem/der AN gebührende Entgelt bereits vor der Mitteilung durch den Krankenversicherungsträger nachweislich leistet und die übrigen Voraussetzungen (also bloß geringe Unterschreitung oder leichte Fahrlässigkeit) vorliegen.

Abgesehen von der Frage des Verschuldens* ist unklar, wann eine Unterentlohnung noch als gering anzusehen ist. Es liegt zwar durchaus nahe, dass angesichts der Ausweitung des Entgeltbegriffs auch diese Grenze erheblich steigen sollte.* Der darüber offenbar im Vorfeld der Gesetzwerdung erzielte Konsens* hat sich freilich weder im Gesetzestext noch in den Materialien niedergeschlagen. Insofern ist nicht erkennbar, wie die in den LSDB-Richtlinien 2015 genannte Bagatellgrenze von 10 %* mit der bisherigen Rsp des VwGH in Einklang zu bringen ist,* zumal dieser nicht an die – sich ja auch selbst nur als allgemeinen Auslegungsbehelf verstehenden – RL gebunden ist.

Dem Gesetz ebenfalls nicht zu entnehmen ist, auf welche Weise die „schuldbefreiende“ Zahlung an die von der festgestellten Unterentlohnung betroffenen AN zu überprüfen ist. Diese Frage betrifft die Krankenversicherungsträger und das Kompetenzzentrum LSDB, aber auch die für das Verwaltungsstrafverfahren zuständige Bezirksverwaltungsbehörde.* Hinweise darauf, wie dieses „nachweislich“ zu verstehen ist, finden sich weder in den Vorgängerregelungen* noch in den jeweiligen Gesetzesmaterialien. Relativ großzügig sind wiederum die LSDB-Richtlinien 2015, die auch eine Parteienaussage oder einen entsprechenden Kontoauszug für ausreichend erachten.* Bei einem Zahlungsbeleg wird das tatsächlich der Fall sein.* Ob dagegen eine „Parteienaussage“ genügen kann, ist zweifelhaft.

Hier ist zunächst davon auszugehen, dass die Krankenversicherungsträger hoheitlich agieren: Bei der in § 7g Abs 1 AVRAG angesprochenen Tätigkeit handelt es sich insb um die Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben nach § 41a ASVG. Bei deren Vornahme werden die Krankenversicherungsträger als Behörde tätig, ist doch diese Prüfung – zumindest auf Verlangen – mit Bescheid abzuschließen (vgl § 410 Z 7 ASVG). Auch die bereits (oben 2.1.) erwähnten Befugnisse nach § 7 Abs 2 AVRAG unterstreichen den hoheitlichen Charakter. Die Krankenversicherungsträger haben somit grundsätzlich die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrens anzuwenden (vgl Art I Abs 2 Z 1 EGVG).*77

Auch im Rahmen einer Prüfung nach § 41a ASVG ist daher grundsätzlich die materielle Wahrheit zu ermitteln (vgl § 37 AVG), wobei zudem § 539a ASVG zu beachten ist, nach dessen Abs 1 für die Beurteilung von Sachverhalten „der wahre wirtschaftliche Gehalt“ maßgebend ist, und zufolge Abs 2 dieser Bestimmung durch missbräuchliche Gestaltungen Verpflichtungen nach dem ASVG nicht umgangen oder gemindert werden (können). Weiters anwendbar sind die Regelungen des AVG über Beweise, wobei zum einen dessen § 46 von Bedeutung ist, nach dem als Beweismittel alles in Betracht kommt, „was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist“; zum anderen ist auf § 45 Abs 2 zu verweisen, der für die behördliche Entscheidung das Prinzip der freien Beweiswürdigung normiert.*

Der Nachweis einer Begleichung des offenen Entgelts könnte daher in der Tat in beliebiger Weise geführt werden. Ein Beleg für die Überweisung auf das Konto des/der AN oder eine Bestätigung durch diese/n über den Erhalt der fraglichen Zahlung wird daher idR ausreichen. Eine „Parteienaussage“ wird dagegen nicht genügen, soweit als Partei der/die AG verstanden wird, der/die dem Vorwurf einer Unterentlohnung ausgesetzt ist bzw gegen den/die deswegen Anzeige erstattet wurde.* Angesichts genau dieses im Raum stehenden Verdachts bzw Vorwurfs und vor dem Hintergrund der Regelungen in § 539a ASVG wird daher selbst im Rahmen der freien Beweiswürdigung der bloße Hinweis des/der AG (oder seines/ihres Vertreters), das gebührende Entgelt sei nun bezahlt worden, nicht dazu führen können, dass der Krankenversicherungsträger (das Kompetenzzentrum LSDB) von einer Anzeige oder die Bezirksverwaltungsbehörde von einer Strafe absieht.

2.3.
Inhalt der Informationspflicht

Ebenfalls alles andere als eindeutig ist die Reichweite der Anordnung in §§ 7e Abs 1a Z 6 bzw 7g Abs 3 AVRAG. Die Formulierung „über eine sein/ihr Arbeitsverhältnis betreffende Anzeige nach § 7e Abs 3“ kann so verstanden werden, dass der/die AN lediglich über die Tatsache informiert werden muss, dass eine Anzeige erstattet wurde. Denkbar wäre aber auch, dass die Information den kompletten Inhalt der Anzeige enthält.

Angesichts des insoweit unklaren Wortlauts wird es vor allem auf den Zweck der Regelung ankommen, zu dessen Ermittlung die jüngsten Materialien freilich nichts beitragen.* Nach den Materialien zur ursprünglichen Fassung dieser Bestimmungen sollte mit der Information keine inhaltliche Darstellung verbunden sein.* Diese Auslegung findet sich auch in den LSDB-Richtlinien 2015, wo auch Überlegungen zum Zweck der Informationspflicht angestellt werden.* Im Lichte dieses engen Verständnisses der ersten Fassung der Informationspflicht, dessen Kenntnis dem Gesetzgeber der Neuregelung im Zuge des SBBG durchaus zugesonnen werden kann, kann kaum argumentiert werden, dass die nun bereits über die erfolgte Anzeige zu gewährleistende Information weiter gehen sollte.

Dazu kommt, dass die Übermittlung der Anzeige bereits in anderem Zusammenhang vorgesehen ist, nämlich im unverändert gebliebenen § 7e Abs 3 AVRAG. Satz 3 dieser Bestimmung (argder Abgabebehörde zum Zwecke der Nachverrechnung von Abgaben elektronisch zur Kenntnis zu bringen“) macht deutlich, dass es hier um einen anderen Zweck geht und – daher – die Information umfassender sein muss. Diese hat nach den LSDB-Richtlinien 2015 in Form einer Ablichtung der Anzeige zu erfolgen, die ihrerseits eine Vielzahl von Informationen zu enthalten hat.*

Informationen in dieser Dichte wären für die von einer Unterentlohnung betroffenen AN gewiss hilfreich. Auch aus der Sicht des Krankenversicherungsträgers wäre es mit dem geringsten Aufwand verbunden, würde einfach eine weitere Kopie der Anzeige, wie sie an die Abgabebehörde nach § 7e Abs 3 AVRAG zu richten ist, an den/die AN übermittelt werden. Eine diesbezügliche Verpflichtung der Krankenversicherungsträger besteht nicht, vielmehr sprechen teleologische, systematische und historische Gesichtspunkte dafür, dass die Information nur die Tatsache der Anzeige umfasst. Der damit verbundene Zweck gebietet allerdings, dass die Information des/der AN durch den Krankenversicherungsträger über die Anzeige unverzüglich erfolgt.*

Da somit auch aus der Neuregelung der §§ 7e Abs 1a Z 6 bzw 7g Abs 3 AVRAG keine umfassende Informationspflicht der Krankenversicherungsträger (bzw des Kompetenzzentrums LSDB) abzuleiten ist, kann sich nur mehr die Frage stellen, ob nicht eine frühere bzw weitergehende Information nach anderen Rechtsgrundlagen geboten oder zumindest möglich ist.

3.
Information der AN durch den Krankenversicherungsträger auf anderer Grundlage
3.1.
Informationspflichten

Bereits die Formulierung in § 7g Abs 1 AVRAG („im Rahmen seiner Tätigkeit“) legt nahe, dass die Feststellung der Unterentlohnung durch den78 Krankenversicherungsträger uU nur ein „zufälliges Nebenprodukt“ ist. Die insoweit eigentliche Tätigkeit der Krankenversicherungsträger besteht in der Entgegennahme von Meldungen (§§ 33 ff ASVG), in Anfragen zu für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umständen (§§ 42 f ASVG) und der Durchführung von entsprechenden Prüfungen, sei es nach § 41a ASVG, oder im Rahmen einer gesonderten Erhebung.* Die diesbezüglichen Befugnisse der Krankenversicherungsträger im Hinblick auf die Feststellung einer allfälligen Unterentlohnung werden in § 7g Abs 2 AVRAG noch einmal präzisiert.

Im Rahmen der Sozialversicherungsprüfung wird dem/der AN aber im Grunde nur eine „Objektrolle“ beigemessen, was bei einer gesetzlichen Pflichtversicherung auch nicht verwundern kann. Wird ein/e AN in diesem Kontext um Auskünfte ersucht (vgl § 43 ASVG), könnte für ihn/sie zwar uU erkennbar sein oder der Verdacht auftauchen, dass es Probleme mit der Beitragsgrundlage und damit allenfalls auch im Hinblick auf eine Unterentlohnung gibt. Eine konkrete Informationspflicht des Krankenversicherungsträgers ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht vorgesehen. Eine solche müsste sich daher aus einer anderen Grundlage ergeben.

3.1.1.
Informationspflichten nach Sozialversicherungsrecht?

Eine ausdrückliche Informations- und Aufklärungspflicht findet sich in § 81a ASVG. Demnach haben die Sozialversicherungsträger und der Hauptverband sowie die zuständigen Ministerien (derzeit also BMASK bzw BMG) die Versicherten (DG, Leistungsbezieher/innen) „über ihre Rechte und Pflichten nach diesem Bundesgesetz zu informieren und aufzuklären“. Judikatur zu dieser Bestimmung ist nicht ersichtlich, obwohl ihre Stammfassung bereits auf die 59. ASVG-Novelle (BGBl I 2002/1) zurückgeht. Im Schrifttum geht Rebhahn* davon aus, dass § 81a jedenfalls auf Informationen abziele, die sich an Gruppen richteten; dabei gehe es nicht um die individuelle Lage der Versicherten, vielmehr seien nur generelle Informationen und nicht auch die Information über Pflichten und Rechte im Einzelfall erfasst, dies umso mehr, als auch die Bundesministerien verpflichtet werden, von diesen aber Informationen über die Rechtslage im Einzelfall nicht erwartet werden könnten. Auch nach Souhrada* ist es zwar möglich, Versicherte persönlich über ihre Rechte und Pflichten (zB neue Vorsorgeprogramme) zu informieren und konkrete Personengruppen zu einschlägigen Maßnahmen einzuladen, eine Informationspflicht im Einzelfall wird durch § 81a aber nicht begründet. Dieser offenbar auch vom BMASK geteilten* Auffassung ist nach Wortlaut, Genese und Zweck dieser Bestimmung zuzustimmen.

Beide oben angeführten Autoren gehen allerdings – mit Recht – davon aus, dass unabhängig von § 81a ASVG und ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen Regelung in den übrigen Bestimmungen des ASVG Pflichten der Sozialversicherungsträger zu Information, Aufklärung und Beratung im Einzelfall als Nebenpflicht aus dem sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnis bestehen können.* Auch die Rsp anerkennt solche Pflichten und qualifiziert Auskünfte gegenüber Versicherten zwar idR als bloße Wissenserklärungen, so dass die Verletzung von Auskunftspflichten auch nicht zu Leistungsansprüchen der Versicherten führen; Verletzungen der Auskunftspflichten können aber Amtshaftungsansprüche auslösen, sofern den Versicherten infolge schuldhafter Verletzung der den Sozialversicherungsträger treffenden Verpflichtungen ein Schaden entstanden ist.* In der Sache ging es dabei aber durchwegs um falsche oder unterlassene Auskünfte im Zusammenhang mit für eine konkrete Leistungsberechtigung relevanten Fragen. Stets war also unmittelbar das Verhältnis zwischen Sozialversicherungsträger und versicherter Person betroffen.

Im Fall der Unterentlohnung geht es zwar ebenfalls um Informationen, die – etwa wegen der geringeren Bemessung künftiger Geldleistungen – (auch) auf das Sozialversicherungsverhältnis Auswirkungen haben (könnten). Die Information über eine Unterentlohnung betrifft jedoch primär das Verhältnis AN/AG und hat schon allein wegen des Anspruchslohnprinzips (§ 49 Abs 1 ASVG) sowie des Umstandes, dass der/die DG meldepflichtig sowie Beitragsschuldner/in ist (§§ 58, 60 ASVG), keine eigenständige sozialversicherungsrechtliche Bedeutung. Eine aus Nebenpflichten abzuleitende – zumal möglichst frühe/umfassende – Informationspflicht der Krankenversicherungsträger über festgestellte Unterentlohnungen zum Schutz arbeitsrechtlicher Ansprüche besteht daher ebenfalls nicht.

3.1.2.
Informationspflichten nach anderen Vorschriften?

Eine Informationspflicht des Krankenversicherungsträgers gegenüber von einer Unterentlohnung betroffenen AN könnte sich allenfalls noch aus deren Parteistellung ergeben. Eine solche würde nach § 8 AVG bestehen, soweit der/die AN an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt ist. Das setzt voraus, dass das materielle Recht dem/der AN ein entsprechendes subjektives Recht einräumt.79

Dabei ist regelmäßig auf den Schutzzweck der betreffenden Norm abzustellen, so dass im Zweifel ein subjektives Recht zu vermuten ist, wenn nicht ausschließlich öffentliche Interessen, sondern zumindest auch das Interesse einer im Besonderen betroffenen (und damit von der Allgemeinheit abgrenzbaren) Person für die gesetzliche Festlegung der verpflichtenden Norm maßgebend war; das bloß faktische, vor allem auch wirtschaftliche Interesse an der Einhaltung von Vorschriften reicht nur dann aus, wenn die anzuwendenden Normen erkennen lassen, dass sie auch im Interesse der jeweiligen besonders betroffenen Privaten erlassen wurden.*

Bei den Regelungen in §§ 7e, 7g und 7i AVRAG handelt es sich zweifellos um Vorschriften, die auch den Schutz der (allenfalls) unterentlohnten AN bezwecken. Da diese Bestimmungen aber eindeutig der Flankierung gegebenenfalls ohnedies bestehender – und auch bei Gerichten durchsetzbarer – arbeitsrechtlicher Ansprüche dienen, ist nicht erkennbar, wozu es in einem Verwaltungsstrafverfahren gegen den/die AG noch einer Parteistellung der betroffenen AN bedürfte.

Ähnlich ist die Situation im Sozialversicherungsrecht. Aus dem Zweck der Sozialversicherungsprüfung nach § 41a ASVG lässt sich zwar durchaus ein rechtliches Interesse des/der AN ableiten. Ein solches hat der VwGH früh auch für eine Beitragssache anerkannt und damit eine Parteistellung im die Beitragsbemessung betreffenden Verfahren (ua unter Verweis auf die bindende Wirkung der Beitragsbemessung für die Feststellung der Leistungsbemessungsgrundlagen) bejaht.* Aus einer Parteistellung in einem allfälligen – späteren – Verfahren über die Beitragsbemessung kann aber per se noch keine vorherige Informationspflicht des Krankenversicherungsträgers zumal zu einem Zeitpunkt abgeleitet werden, zu dem noch nicht gesichert ist, dass eine auch den/die AN betreffende Beitragsnachverrechnung oä stattfinden wird.

Für diese Sicht spricht auch der Umstand, dass § 410 ASVG sowohl in der Generalklausel des Abs 1 Satz 1 als auch dann ausdrücklich in Z 7 der folgenden demonstrativen Aufzählung eine Pflicht des Krankenversicherungsträgers enthält, einen Bescheid ua dann zu erlassen, wenn der/die Versicherte eine Feststellung der sich für ihn/sie aus dem ASVG ergebenden Rechte und Pflichten verlangt. Damit wird das rechtliche Interesse der Versicherten hinsichtlich dieser Rechte und Pflichten unwiderleglich vermutet.* In Zweifelsfragen über Bestehen oder Ausmaß einer Beitragspflicht kann der/die Versicherte somit vom Krankenversicherungsträger einen Feststellungsbescheid verlangen. Eine zusätzliche Informationspflicht gegenüber dem/der AN im Hinblick auf Unterentlohnungen ist de lege lata nicht vorgesehen und erscheint zumindest zur Wahrung seiner/ihrer sozialversicherungsrechtlichen Interessen auch nicht erforderlich.

Unabhängig vom Sozialversicherungs- oder Verwaltungsverfahrensrecht könnte sich eine Informationspflicht gegenüber den AN im Hinblick auf eine sie betreffende Unterentlohnung noch aus dem Auskunftspflichtgesetz (BGBl 1987/287) ergeben. Dieses gilt nach seinem § 1 Abs 1 auch für Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung. Damit haben auch die Krankenversicherungsträger über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht. Nach Abs 2 leg cit sind Auskünfte aber nur in einem Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt. Auskunftsbegehren kann nach § 2 Auskunftspflichtgesetz „jedermann ... schriftlich, mündlich oder telefonisch anbringen“. Nach dessen § 3 sind Auskünfte ohne unnötigen Aufschub, grundsätzlich aber spätestens binnen acht Wochen nach Einlangen des Begehrens zu erteilen. Wird eine Auskunft nicht erteilt, steht dem/der Auskunftswerber/in nach § 4 die Beantragung eines Bescheides offen.

Eine Information an die betroffenen AN, die über den Umstand hinausgeht, dass gegen ihre/n (allenfalls ehemalige/n) AG eine Anzeige wegen Unterentlohnung erstattet worden ist, kann zumindest dann keine wesentliche Beeinträchtigung der übrigen Aufgaben des Krankenversicherungsträgers darstellen, wenn diese Information bereits in anderem Zusammenhang bereitgestellt werden muss. Wie schon (oben 2.3.) betont, ist das insofern der Fall, als diese Anzeige auch der Abgabenbehörde elektronisch zu übermitteln ist (§ 7e Abs 3 Satz 3 iVm § 7g Abs 1 letzter Teilsatz AVRAG). Die Weitergabe dieser Information an den/die AN wäre am raschesten und mit dem geringsten Zusatzaufwand verbunden. Auch wenn eine diesbezügliche (amtswegige) Verpflichtung des Krankenversicherungsträgers weder aus dem AVRAG noch dem ASVG abgeleitet werden kann, muss die oben angeführte Regelung doch einen zentralen Maßstab für die Beurteilung der Reichweite der Auskunftspflicht des Krankenversicherungsträgers bei einer entsprechenden Anfrage des/der, möglicherweise von einer Unterentlohnung betroffenen, AN abgeben.

Insgesamt lässt sich also eine über §§ 7g Abs 3 AVRAG hinausgehende Pflicht der Krankenversicherungsträger, AN von einer sie betreffenden Unterentlohnung zu informieren, derzeit nur in zwei Fällen begründen. Dabei ist aber jeweils eine Initiative des/der AN vorausgesetzt: Im Fall des § 410 Z 7 ASVG das Verlangen nach bescheidmäßiger Feststellung seiner/ihrer Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz; und nach dem Auskunftspflichtsgesetz ein entsprechendes Begehren. Realistisch wird eine solche Initiative wohl in beiden Fällen erst dann sein, wenn der/die AN bereits Anhaltspunkte für eine Unterentlohnung hat. Genau solche zu liefern, wäre aber der eigentliche Zweck der jeweiligen Begehren.

Die bestehende Rechtslage erweist sich damit – auch nach der „Nachbesserung“ im Hinblick auf die Informationspflicht im Zuge des SBBG – aus80 Sicht der von Unterentlohnung betroffenen AN, die gegen diese selbst vorgehen wollen, als überaus unbefriedigend. Von Seite der AN-Interessenvertretung gab es daher offenkundig Bestrebungen, die Krankenversicherungsträger dazu zu bewegen, von sich aus entsprechende Informationen (und zumal frühzeitig) zu geben. Das würde freilich voraussetzen, dass dadurch keine Verschwiegenheitspflichten verletzt werden. Diese Frage ist auch dafür wesentlich, ob der Krankenversicherungsträger zu einer Auskunftserteilung nach dem Auskunftspflichtgesetz (vgl noch einmal dessen § 1 Abs 1) verpflichtet ist, und daher nun zu erörtern.

3.2.
Befugnis zur Informationsweitergabe

Die Verschwiegenheitspflichten für Bedienstete der Sozialversicherungsträger sind in § 460a ASVG geregelt. Sie umfassen nach Abs 1 dieser Bestimmung „alle ... in Ausübung des Dienstes oder mit Beziehung auf ihre Stellung bekanntgewordenen Angelegenheiten, die im Interesse des Versicherungsträgers oder der Versicherten, ihrer Angehörigen oder der Dienstgeber Geheimhaltung erfordern“. Dies gilt nach Abs 2 leg cit nur, soweit ein/e Bedienstete/r nicht für einen bestimmten Fall von der Verpflichtung zur Wahrung des Dienstgeheimnisses entbunden wurde.

Aus dieser Bestimmung ist unzweifelhaft auch eine Verschwiegenheitspflicht über AG-Informationen gegenüber AN abzuleiten. Das gilt aber nur für Angelegenheiten, die eine Geheimhaltung (ua) im Interesse der AG erfordern. Dieses Interesse muss objektivierbar, maW schutzwürdig sein.* Ein insofern schutzwürdiges Interesse des/der AG wird im Hinblick auf rechtswidrige (und deswegen mit Verwaltungsstrafe bedrohte!) Unterentlohnungen nicht angenommen werden können. Dem kann auch nicht entgegnet werden, dass „Zielrichtung“ der gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben nicht die Feststellung von Unterentlohnungen, sondern vielmehr die Prüfung der richtigen Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer seien. Dieser Einwand kann angesichts der in § 7g AVRAG gerade statuierten Anzeige- und Informationspflicht des Krankenversicherungsträgers nicht durchschlagen. Damit beschränken sich die Rechte und Pflichten des Krankenversicherungsträgers also keineswegs auf die Beitragsprüfung ieS.

Somit ist nicht ersichtlich, was rechtlich gegen eine grundsätzliche Befugnis der Krankenversicherungsträger zur Information der betroffenen AN bereits über die (bloße) Feststellung einer Unterentlohnung sprechen würde. Das kann freilich nur soweit gelten, als eine datenschutzrechtliche Beurteilung nicht zu einem abweichenden Ergebnis führt.

4.
Datenschutzrechtliche Beurteilung
4.1.
Allgemeines

Daher ist nun zu untersuchen, ob bzw in welchem Umfang eine Information des Krankenversicherungsträgers an den/die AN über im Rahmen seiner Tätigkeit festgestellte Unterentlohnungen iSd § 7i Abs 5 AVRAG aus Sicht des Datenschutzrechts zulässig ist.

4.1.1.
Personenbezogenen Daten

Im Hinblick auf eine solche Information ist zunächst zu fragen, ob es in dieser Konstellation zu einer Weitergabe von personenbezogenen Daten des betroffenen Unternehmens kommt. Nach der stRsp sind auch Wirtschaftsdaten personenbezogene Daten,* die durch das Grundrecht auf Datenschutz des § 1 Datenschutzgesetz (DSG) geschützt sind. Im konkreten Fall sind die Feststellung und allfällige nähere Umstände einer Unterentlohnung zunächst Wirtschaftsdaten des Unternehmens und damit als personenbezogene Daten des Unternehmens zu qualifizieren. Auf den Umstand, dass Lohndaten in einem Arbeitsverhältnis auch Daten des/der AN (in seiner/ihrer Eigenschaft als Betroffene/r) darstellen, wird unter 4.5. näher eingegangen.

4.1.2.
Rollenverteilung

Bei dem hier zu beurteilenden Vorgang handelt es sich um eine „Weitergabe von Daten an andere Empfänger als den Betroffenen, den Auftraggeber oder einen Dienstleister“ und damit um eine Übermittlung von Daten nach § 4 Z 12 DSG. Diese Datenübermittlung erfolgt durch den Krankenversicherungsträger, der die Entscheidung trifft, die Daten zu verwenden und damit Auftraggeber iSd § 4 Z 4 DSG für die konkrete Datenverarbeitung ist. Der Krankenversicherungsträger ist also für die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen verantwortlich, insb hat er die Zulässigkeitsprüfung iSd §§ 1 und 6 ff DSG durchzuführen. Bei den Krankenversicherungsträgern handelt sich um Auftraggeber des öffentlichen Bereichs, weil sie nach § 5 Abs 2 Z 1 DSG in Formen des öffentlichen Rechts eingerichtet sind.

Betroffene/r iSd § 4 Z 3 DSG* ist in der vorliegenden Konstellation der/die geprüfte AG, dessen/deren personenbezogene Daten hinsichtlich der festgestellten Unterentlohnung an den/die AN übermittelt werden. Nach dieser Definition des/der Betroffenen macht es keinen Unterschied, ob es sich bei dem/der AG um eine natürliche oder juristische Person handelt.

4.1.3.
Zweck der Information durch die Krankenversicherungsträger an den/die AN

Sinn und Zweck der hier zu beurteilenden Datenübermittlung ist die Information des/der AN von einer durch den Krankenversicherungsträger fest-81gestellten und zur Anzeige gebrachten Unterentlohnung. Wie oben (2.3.) ausgeführt wurde, umfasst die in § 7g Abs 3 AVRAG vorgesehene Information an den/die AN nur die Tatsache der Anzeige. Aus datenschutzrechtlicher Sicht kann damit jedenfalls davon ausgegangen werden, dass hinsichtlich der Datenübermittlung betreffend die Tatsache der Anzeige eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage besteht. Davon getrennt zu beurteilen ist die Frage, ob es datenschutzrechtlich zulässig ist, die Information der/des AN auch durch die Weiterleitung einer Ablichtung der Anzeige vorzunehmen.

4.1.4.
Datenarten

Damit ist zu fragen, um welche Art von Daten es sich bei der Übermittlung der Tatsache der Anzeige einer Verwaltungsübertretung bzw bei einer Ablichtung der kompletten Anzeige handelt, weil das DSG mehrere Datenkategorien kennt, die sich durch ihre Schutzwürdigkeit ganz erheblich unterscheiden: Dies sind 1. nicht-sensible Daten, 2. strafrechtlich relevante Daten und 3. sensible Daten.

Der Begriff der strafrechtlich relevanten Daten wird im DSG nicht gesondert definiert. Lediglich in § 18 Abs 2 Z 2 DSG wird iZm der Vorabkontrolle auf „strafrechtlich relevante Daten iSd § 8 Abs 4 DSG“ Bezug genommen. § 8 Abs 4 DSG 2000 regelt die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insb auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen. Damit wird indirekt auch der Begriff „strafrechtlich relevante Daten“ umschrieben.

In einer Anzeige des Krankenversicherungsträgers an die Bezirksverwaltungsbehörde wird der Verdacht der Begehung einer verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung ausgesprochen. Es liegen somit strafrechtlich relevante Daten vor.

4.2.
Einfachgesetzliche Zulässigkeitsprüfung

Gem § 7 Abs 2 DSG dürfen Daten nur übermittelt werden, wenn

  • sie aus einer gem § 7 Abs 1 zulässigen Datenanwendung stammen und

  • der/die Empfänger/in dem/der Übermittelnden seine/ihre ausreichende gesetzliche Zuständigkeit oder rechtliche Befugnis – soweit diese nicht außer Zweifel steht – im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft gemacht hat und

  • durch Zweck und Inhalt der Übermittlung die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des/der Betroffenen nicht verletzt werden.

4.2.1.
Zulässige Datenverwendung

Die zu prüfenden strafrechtlich relevanten Daten werden durch die Krankenversicherungsträger im Rahmen der diesen durch § 7g AVRAG explizit übertragenen Kontrollfunktion ermittelt (siehe dazu 2.1.). Sie stammen damit aus einer zulässigen Datenanwendung.

4.2.2.
Rechtliche Befugnis des/der AN

Schwierigkeiten bereitet im konkreten Fall die zweite Voraussetzung für die Zulässigkeit der Datenübermittlung. Hier stellt sich die Frage, worin eine „rechtliche Befugnis“ des/der AN als Empfänger/in der Daten liegen könnte. Grundsätzlich wird im privaten Bereich eine derartige rechtliche Befugnis in der rechtlichen Grundlage für die Tätigkeit des/der Auftraggebers/Auftraggeberin gesehen. In Betracht kommen daher zB Gewerbeberechtigungen, sonstige Berufsberechtigungen, Vereinsstatuten etc.* Diese Sichtweise führt aber bei Datenverwendungen außerhalb von Unternehmen zu keinen vernünftigen Ergebnissen. Im vorliegenden Zusammenhang kann nur kurz darauf hingewiesen werden, dass es sich bei diesem Prüfungsschritt im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit einer Datenübermittlung zudem um eine österreichische Besonderheit handelt, die von der EU-Datenschutz-RL in dieser Form nicht vorgesehen ist. Dies führt dazu, dass die (frühere) DSK in ihrer Judikatur zB auch im Eigentumsrecht oder im Hausrecht eine „rechtliche Befugnis“ gesehen hat.*

Im konkreten Fall eines/einer AN könnte die „rechtliche Befugnis“ am ehesten darin liegen, dass er/sie berechtigt ist, einen den arbeitsrechtlichen Bestimmungen entsprechenden Lohn zu erhalten, womit das Eigentumsrecht des/der AN als Rechtsgrundlage für die Berechtigung zum Empfang der konkreten Daten angesehen werden kann.

4.2.3.
Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen

Da es sich im vorliegenden Fall um die Übermittlung von strafrechtlich relevanten Daten handelt, ist die Zulässigkeit der Übermittlung nach § 7 iVm § 8 Abs 4 DSG zu beurteilen. Danach verstößt eine Übermittlung dieser Art von Daten nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des/der Betroffenen, wenn

  • „1

    eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung solcher Daten besteht oder

  • 2

    die Verwendung derartiger Daten für Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung einer ihnen gesetzlich übertragenen Aufgabe ist oder

  • 3

    sich sonst die Zulässigkeit der Verwendung dieser Daten aus gesetzlichen Sorgfaltspflichten oder sonstigen, die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen überwiegenden berechtigten Interessen des Auftraggebers ergibt und die Art und Weise, in der die Datenanwendung vorgenommen wird, die Wahrung der Interessen der Betroffenen nach diesem Bundesgesetz gewährleistet oder

  • 4

    die Datenweitergabe zum Zweck der Erstattung einer Anzeige an eine zur Verfolgung der angezeigten strafbaren Handlungen (Unterlassungen) zuständige Behörde erfolgt.“82

Die Datenübermittlung von Seiten der Krankenversicherungsträger an den/die AN hinsichtlich der Tatsache der Anzeige an die Bezirksverwaltungsbehörde verstößt nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen, weil im neu gefassten § 7g Abs 3 AVRAG eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung („hat ... zu informieren“) zur Verwendung der Daten iSd § 8 Abs 4 Z 1 DSG besteht.

Die Weiterleitung einer Ablichtung der ganzen Anzeige an den/die AN ist dagegen nicht durch die gesetzliche Verpflichtung des § 7g Abs 3 AVRAG gedeckt. Diesbezüglich kommen daher als Zulässigkeitsgründe nur § 8 Abs 4 Z 2 oder Z 3 DSG in Betracht. Dabei spielt die Tatsache, dass es sich bei den Krankenversicherungsträgern um Auftraggeber des öffentlichen Bereichs handelt, eine entscheidende Rolle.

Für die Erfüllung des Tatbestandes gem § 8 Abs 4 Z 2 DSG müsste die Verwendung derartiger Daten für eine/n Auftraggeber/in des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung einer ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe sein. Die gesetzlichen Aufgaben, die den Krankenversicherungsträgern in § 7g AVRAG übertragen sind, bestehen in der Feststellung einer Unterentlohnung und der Information der AN über eine deren Arbeitsverhältnis betreffende Anzeige. Dass die Weiterleitung einer Ablichtung der ganzen Anzeige eine wesentliche Voraussetzung zu Erfüllung dieser Informationspflicht wäre, ist nicht ersichtlich.

Nach der jüngsten Rsp des BVwG kommt auch die Anwendung von § 8 Abs 4 Z 3 zweiter Tatbestand DSG, wonach eine Verwendung strafrechtsbezogener Daten nach der Durchführung einer Interessenabwägung zugunsten des Auftraggebers zulässig sein könnte, nicht in Betracht. Diese Bestimmung enthält nämlich lediglich einen Rechtfertigungstatbestand für die Verwendung strafrechtsbezogener Daten durch private Auftraggeber.* Bei den Krankenversicherungsträgern handelt es sich aber um Auftraggeber des öffentlichen Bereichs.

Die Übermittlung der Tatsache der Anzeige an den/die AN verletzt wegen Vorliegens einer ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung gem § 8 Abs 4 Z 1 DSG keine schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des/der betroffenen AG. Eine Weiterleitung der Kopie der gesamten Anzeige hingegen ist durch keinen der Tatbestände des § 8 Abs 4 DSG gedeckt.

4.2.4.
Gelindestes Mittel

Nach § 7 Abs 3 DSG setzt die Zulässigkeit einer Datenverwendung schließlich noch voraus, dass die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und dass die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.

Im konkreten Fall der Information der/des AN von der bloßen Tatsache der Anzeige bei der Bezirksverwaltungsbehörde entsprechend der Verpflichtung nach § 7g Abs 3 AVRAG sind diese Voraussetzungen ebenfalls eingehalten, solange der Rahmen der gesetzlichen Verpflichtung nicht überschritten wird.

4.2.5.
Zwischenergebnis

Die Übermittlung der Tatsache der Anzeige durch die Krankenversicherungsträger an den/die AN ist nach den einfachgesetzlichen Bestimmungen des DSG zulässig, nicht aber eine Weiterleitung der gesamten Kopie der Anzeige.

4.3.
Zulässigkeit nach § 1 Abs 2 DSG
4.3.1.
Allgemeines

Da jede Datenverwendung gleichzeitig auch immer einen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz in der Ausprägung des Rechts auf Geheimhaltung darstellt, muss neben den einfachgesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen auch immer die Zulässigkeit der Grundrechtsbeschränkung nach § 1 Abs 2 DSG geprüft werden („doppelte Zulässigkeitsprüfung“). Nun enthält § 1 Abs 2 DSG die Gründe und Bedingungen für zulässige Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz in zusammenfassend abstrahierender Form.* Diese Regelungstechnik hat zur Folge, dass die Zulässigkeitsprüfung einer konkreten Datenverwendung nach § 1 Abs 2 DSG in den meisten Fällen zum selben Ergebnis führt wie die (einfachgesetzliche) Zulässigkeitsprüfung nach den §§ 6 bis 9 DSG – aber wegen einiger kleiner Unterschiede in der Textierung eben nicht in allen Fällen.

Die hier zu prüfende Datenübermittlung von den Krankenversicherungsträgern an den/die AN muss also auch durch einen der Zulässigkeitstatbestände des § 1 Abs 2 DSG gedeckt sein.

Dies sind:

1

Die Verwendung von personenbezogenen Daten liegt im lebenswichtigen Interesse des/der Betroffenen.

2

Die Verwendung erfolgt mit Zustimmung des/der Betroffenen.

3

Die Beschränkung erfolgt zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen und nicht durch eine staatliche Behörde.

4

Die Beschränkung erfolgt zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen durch eine staatliche Behörde auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art 8 Abs 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) genannten Gründen notwendig sind.

Ein lebenswichtiges Interesse des/der Betroffenen und seine/ihre Zustimmung scheiden im vorliegenden Fall aus. Das Vorliegen überwiegender berechtigter Interessen des/der AN („eines anderen“) am Empfang der Informationen über eine sein/ihr Arbeitsverhältnis betreffende Anzeige nach § 7e Abs 3 AVRAG ergibt sich schon aus dem (oben 1.83 bzw 2.3. beschriebenen) Zweck der gesetzlichen Regelung. Damit stellt sich die Frage, ob der Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz hier durch eine „staatliche Behörde“ erfolgt oder nicht. Nur, wenn dies verneint werden kann, ist ein Eingriff in das Grundrecht auch ohne explizite gesetzliche Grundlage zulässig.

4.3.2.
Krankenversicherungsträger als „staatliche Behörde“

Der Begriff der „staatlichen Behörde“ wird im DSG nicht definiert. Nach der im Wesentlichen einhelligen Lehre liegt ein Eingriff einer staatlichen Behörde dann vor, wenn eine Behörde im funktionellen Sinn im Rahmen ihrer hoheitlichen Befugnisse (nicht aber bei Tätigkeiten der Privatwirtschaftsverwaltung) durch hoheitliches oder schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln in das Grundrecht auf Datenschutz eingreift. Wird eine Behörde in Form von schlichter Hoheitsverwaltung tätig, kommt es auf den rechtlichen Zusammenhang an, in dem eine bestimmte Handlung gesetzt wird. Ist eine Materie hoheitlich geprägt, so sind die damit zusammenhängenden Handlungen als Akte der Hoheitsverwaltung zu qualifizieren.*

Im konkreten Fall sieht § 7g Abs 1 AVRAG vor, dass die Krankenversicherungsträger Übertretungen nach dem AVRAG durch den/die AG, die sie „im Rahmen ihrer Tätigkeit“ feststellen, bei der Bezirksverwaltungsbehörde zur Anzeige zu bringen haben. Bei der hier angesprochenen „Tätigkeit“ handelt es sich insb um die Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben nach § 41a ASVG. Bei der Durchführung dieser gesetzlich vorgesehenen Sozialversicherungs- und Lohnsteuerprüfung werden die Krankenversicherungsträger zweifellos als staatliche Behörde hoheitlich tätig. Nach § 7 Abs 2 AVRAG ist der zuständige Krankenversicherungsträger sogar berechtigt, in die für die Tätigkeit nach Abs 1 erforderlichen Unterlagen Einsicht zu nehmen und Abschriften dieser Unterlagen anzufertigen. Auf Verlangen haben AG die erforderlichen Unterlagen oder Ablichtungen zu übermitteln, wobei die Unterlagen oder Ablichtungen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Der Abschluss der gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben erfolgt zumindest auf Verlangen nach § 410 Z 7 ASVG auch durch Bescheid.

Nun ist die hier zu beurteilende Datenübermittlung durch den Krankenversicherungsträger an den/die AN selbst kein Akt der Hoheitsverwaltung, sondern schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln. Der eben dargestellte rechtliche Zusammenhang, in dem diese Handlung gesetzt wird, ist aber zweifelsohne hoheitlich geprägt, weshalb der Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz durch eine „staatliche Behörde“ erfolgt. Soweit keine formalgesetzliche Grundlage für die Übermittlung vorliegt, ist ein derartiger Eingriff somit datenschutzrechtlich nicht zulässig.

Dabei ist wiederum zwischen der bloßen Information des/der AN über die Anzeige und einer darüber hinausgehenden Weiterleitung einer Ablichtung der Anzeige zu differenzieren: § 7g Abs 3 AVRAG enthält nun eine ausdrückliche formalgesetzliche Grundlage für die Information des/der AN über „eine sein/ihr Arbeitsverhältnis betreffende Anzeige nach § 7e Abs 3“. Wie oben (2.3.) ausgeführt wurde, ist von dieser Verpflichtung aber nur die Tatsache der Anzeige umfasst, nicht aber auch die Weiterleitung einer Ablichtung der vollständigen Anzeige an den/die AN. Auch § 410 Z 7 ASVG bildet keine entsprechende gesetzliche Grundlage, weil diese Bestimmung kein amtswegiges Tätigwerden des Krankenversicherungsträgers gegenüber dem/der AN verlangt, sondern einen entsprechenden Antrag voraussetzt.

4.3.3.
Ergebnis der datenschutzrechtlichen Grundrechtsprüfung

Die Übermittlung von Informationen über eine Anzeige nach § 7e Abs 3 AVRAG durch die Krankenversicherungsträger an den/die AN erfolgt durch eine staatliche Behörde. Sie bedarf daher einer gesetzlichen Grundlage iSd § 1 Abs 2 DSG. § 7g Abs 3 AVRAG ist eine derartige gesetzliche Grundlage für die Übermittlung der Tatsache der Anzeige durch die Krankenversicherungsträger an den/die AN. Eine Weiterleitung der gesamten Kopie der Anzeige hingegen ist mangels gesetzlicher Grundlage unzulässig.

4.4.
Auskunftserlangung auf Initiative des/der AN

Auch wenn eine amtswegige Übermittlung des gesamten Inhalts der erfolgten Anzeige datenschutzrechtlich unzulässig ist, ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der/die AN diese Information allenfalls auf eigene Initiative erlangen könnte. Dabei ist zunächst an § 410 ASVG zu denken: Nach dieser Bestimmung hat der Versicherungsträger in Verwaltungssachen, zu deren Behandlung er nach § 409 ASVG berufen ist, einen Bescheid zu erlassen, wenn er die sich aus diesem Bundesgesetz in solchen Angelegenheiten ergebenden Rechte und Pflichten von Versicherten und von deren AG oder die gesetzliche Haftung Dritter für Sozialversicherungsbeiträge feststellt und nicht das Bescheidrecht der Versicherungsträger in diesem Bundesgesetz ausgeschlossen ist. Nach der schon (oben 3.1.2.) erwähnten Z 7 dieser Bestimmung hat der Versicherungsträger in Verwaltungssachen insb Bescheide zu erlassen, wenn der/die Versicherte oder AG die Bescheiderteilung zur Feststellung der sich für ihn/sie aus diesem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten verlangt.

Im konkreten Fall besteht damit für den/die Versicherte/n die Möglichkeit, eine Bescheiderteilung, insb auch betreffend die Nachverrechnung von Beiträgen nach einer Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben, zu verlangen. Dieser Feststellungsantrag bedarf keiner Begründung84 und darf etwa auch nicht wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht zurückgewiesen werden.*

Aus datenschutzrechtlicher Sicht liegt mit § 410 Abs 1 Z 7 ASVG eine formalgesetzliche Grundlage vor, die den Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz durch den Feststellungsbescheid der Krankenversicherungsträger rechtfertigt. Voraussetzung für die Bescheiderlassung ist aber ein entsprechender Antrag des/der Versicherten auf Feststellung seiner/ihrer Rechte und Pflichten.

Schließlich kommt auch noch eine Auskunftserteilung nach dem Auskunftspflichtgesetz in Betracht (vgl ebenfalls bereits 3.1.2.). Somit können sich AN mit dem Begehren auf Auskunft, sofern sie Kenntnis über die Durchführung einer Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben bei ihrem/ihrer AG haben, um nähere Auskünfte dazu an die Krankenversicherungsträger wenden.

Um das Spannungsverhältnis dieses Auskunftsrechts mit dem Grundrecht auf Geheimhaltung nach § 1 Abs 1 DSG zu lösen, nimmt der VwGH in stRsp eine Interessenabwägung vor: Um beurteilen zu können, ob einem nach dem Auskunftspflichtgesetz gestellten Auskunftsbegehren das verfassungsrechtlich verankerte Prinzip datenschutzrechtlicher Geheimhaltung und damit auch das in Art 20 Abs 3 B-VG enthaltene Gebot der Amtsverschwiegenheit im überwiegenden Interesse einer Partei entgegensteht, bedarf es konkreter sachverhaltsbezogener Feststellungen darüber, ob es sich bei den Gegenstand der Anfrage bildenden Daten um solche personenbezogener Art handelt und welche schutzwürdigen Interessen diese Person an der Geheimhaltung dieser Daten hat und schließlich allenfalls ob und welche berechtigten Interessen des/der Auskunftswerbers/Auskunftswerberin an einer Bekanntgabe dieser Daten bestehen; auf Grund des so ermittelten Sachverhaltes ist es sodann Sache der Behörde zu beurteilen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 und 2 DSG erfüllt sind und, sofern diese Frage zu bejahen ist, ob das Interesse des/der Auskunftswerbers/Auskunftswerberin an der begehrten Auskunft dieses Geheimhaltungsinteresse überwiegt.* Dass diese Interessenabwägung im Falle einer festgestellten Unterentlohnung durch den/die AG zu Gunsten der Information des/der AN ausfällt, wurde bereits bei der Grundrechtsprüfung unter 3.3.6. festgestellt.

Somit besteht für den/die AN sowohl durch einen Feststellungsantrag nach § 410 Abs 1 Z 7 ASVG als auch mittels eines Auskunftsbegehrens nach dem Auskunftspflichtgesetz die Möglichkeit, konkrete Angaben über eine im Rahmen der gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben festgestellte Unterentlohnung zu erhalten, die über die bloße Tatsache der Anzeigeerstattung hinausgehen. Beide Wege erfordern aber die Initiative des/der AN.

4.5.
Exkurs: Mehrfachzuordnung von Daten

Im Bereich der Schnittstelle Arbeitsrecht/Datenschutzrecht ist das Phänomen, dass es in bestimmten Konstellationen zu einer „Mehrfachzuordnung“ bzw einem „Mehrfachbezug“ von Daten kommen kann, in der Literatur bislang zwar erwähnt, aber nur am Rande behandelt worden. Löschnigg führt als Beispiel die Höhe des Arbeitsentgelts an, das im Arbeitsvertrag verankert ist, und damit sowohl dem/der AN als auch dem/der AG zugeordnet werden könnte.* Seine Lösung für derartige Fälle lautet: „Wer in diesen Fällen schutzwürdig ist, muss mit den Abwägungen, die sich aus den Generalklauseln des DSG (insb den Grundsätzen des § 6 DSG) ergeben, gelöst werden.“ Nun ist diese Aussage für die Lösung eines konkreten Anwendungsfalles nicht wirklich hilfreich und wird wohl am ehesten als erster Denkanstoß zu verstehen sein. Im Folgenden wird daher versucht, die Konstellation von „mehrfach zugeordneten Daten“ ins System des Datenschutzrechts einzuordnen.

IZm den in diesem Beitrag untersuchten Befugnissen der Krankenversicherungsträger zur Datenübermittlung an AN stellt sich die Frage, ob sowohl AN als auch AG „Betroffene“ der Datenanwendungen sind, falls etwa nach erfolgter Sozialversicherungsprüfung Beiträge von AG nachzuentrichten und demzufolge Beitragsgrundlagen zu berichtigen sind. Ein Beispiel wäre etwa die Berichtigung der Beitragsgrundlagen (Daten des/der Versicherten, Name, Sozialversicherungsnummer, Beitragsgrundlage, Entgelt, Sonderzahlung, Urlaubsersatzleistung, Kündigungsentschädigung usw). Damit ist zu fragen, ob der Krankenversicherungsträger die betroffenen Versicherten (= AN) von, infolge von Gemeinsamer Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben erfolgten Beitragsberichtigungen informieren darf.

In diesem Fall sieht die datenschutzrechtliche Rollenverteilung so aus, dass dem Krankenversicherungsträger, der die Beitragsgrundlagen in seiner Datenverarbeitung berichtigt und den/die AN davon verständigen möchte, die Eigenschaft des/der Auftraggebers/Auftraggeberin zukommt. Er trifft die Entscheidung, die Daten zu verwenden. Da bei dieser Datenverarbeitung die Daten der/des AN verwendet werden, ist diese/r jedenfalls Betroffene/r iSd § 4 Abs 3 DSG. Nun sind die Daten über die Details der Lohnzahlung aber zusätzlich auch Angaben über den/die AG iSd § 4 Z 1 DSG, weshalb diese/r ebenfalls Betroffene/r der Datenanwendung ist.

Vorauszuschicken ist, dass eine Informationspflicht des/der Auftraggebers/Auftraggeberin nach § 24 DSG bei einer Berichtigung der Beitragsgrundlagen nicht besteht. Diese entsteht nur bei der Erhebung von Daten beim/bei der Betroffenen oder bei einer Datenerhebung durch Übermittlung. Beides liegt hier nicht vor.

Informiert nun der Krankenversicherungsträger den/die AN über die Berichtigung der Beitragsgrundlagen, so könnte man diese Daten (nur) als Daten des/der AN in ihrer Rolle als Betroffene qualifizieren. Lässt man dabei den weiteren Bezug85 dieser Daten zum/zur AG außer Betracht, so handelt es sich dabei in der Terminologie des DSG weder um ein Übermitteln von Daten iSd § 4 Z 12 DSG („Weitergabe ... an andere Empfänger als den Betroffenen“) noch um eine Überlassung von Daten iSd § 4 Z 11 DSG („Weitergabe ... zwischen Auftraggeber und Dienstleister“). Damit wären auf diesen Informationsfluss vom/von der Auftraggeber/in an den/die Betroffene/n weder die Bestimmungen über die Zulässigkeit einer Datenübermittlung noch einer Datenüberlassung anwendbar. Als Konsequenz daraus würden allfällige Geheimhaltungsinteressen von Mit-Betroffenen (hier des/der AG) gänzlich außer Betracht bleiben.

Nun könnte man aber auch argumentieren, dass bei der Information über Daten mit Mehrfachbezug an den/die Erstbetroffene/n dieser hinsichtlich des Bezugs der Daten zum/zur Zweitbetroffenen nicht mehr die Rolle eines/einer Betroffenen innehat, sondern als Dritter zu betrachten ist. Konkret wäre dann der/die AN hinsichtlich des Bezuges der Berichtigung der Beitragsgrundlagen zum/zur AG als „Dritte/r“ und nicht mehr als Betroffener zu qualifizieren. Damit läge bei einer derartigen Betrachtung einer Übermittlung von Daten mit Mehrfachbezug immer (auch) eine Datenübermittlung vor, die zur Gänze nach den Zulässigkeitsgründen der §§ 6 bis 9 DSG zu prüfen wäre. Dies könnte wiederum (vor allem bei Vorliegen einer staatlichen Behörde wie im konkreten Fall) dazu führen, dass ein/e Mit-Betroffene/r (hier der/die AN) ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage überhaupt nicht über seine eigenen Daten informiert werden darf, nur weil diese eben auch einem/einer zweiten Mit-Betroffenen (hier der/die AG) zugeordnet werden können.

Beide Sichtweisen vermögen im Ergebnis nicht zu überzeugen. Dies dürfte auch dem Gesetzgeber bewusst gewesen sein, findet man doch an einer anderen Stelle im DSG, nämlich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Rechts auf Auskunft, eine Lösung für das Problem der Daten mit Mehrfachbezug: Nach § 26 Abs 1 DSG hat der/die Betroffene ein Recht auf Auskunft über die zu seiner/ihrer Person verarbeiteten Daten. Dieses Recht besteht aber nicht uneingeschränkt. Nach § 26 Abs 2 DSG ist eine Auskunft nämlich ua nicht zu erteilen, soweit überwiegende berechtigte Interessen des/der Auftraggebers/Auftraggeberin oder eines/einer Dritten der Auskunftserteilung entgegenstehen. Hier ist also für den Fall, dass die Daten des/der Betroffenen auch eine/n Dritte/n betreffen, eine besondere Art der Interessenabwägung vorgesehen. Dazu hat die Datenschutzbehörde bereits mehrfach Folgendes ausgesprochen: § 26 Abs 2 DSG 2000 anerkennt – in Umsetzung der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 3 Z 1 leg cit, dass in bestimmten Fällen keine Auskunft zu erteilen ist, insb dann nicht, soweit überwiegende berechtigte Interessen des/der Auftraggebers/Auftraggeberin oder eines/einer Dritten dem entgegenstehen. Da runter fallen auch Berufsgeheimnisse, wie etwa § 9 Abs 2 RAO. Als Einschränkungen eines (verfassungsgesetzlichen) subjektiven Rechts sind diese Ausnahmen jedoch restriktiv auszulegen. Bei der Auskunft nach § 26 DSG 2000 geht es nämlich um personenbezogene Daten des/der Betroffenen und nicht etwa um jene von Dritten. Daher wird es im Zusammenhang mit Berufsgeheimnissen ganz besonderer Umstände bedürfen, um ein überwiegendes Interesse des/der Auftraggebers/Auftraggeberin oder des/der Dritten an der Nichterteilung der Auskunft über die eigenen Daten des/der Betroffenen zu begründen.*

Im Unterschied zum (antragsgebundenen) Auskunftsrecht nach § 26 sieht das DSG eine „freiwillige“ Information des/der Betroffenen durch den/die Auftraggeber/in nicht explizit vor. Dies wohl deshalb, weil die Erteilung einer derartigen Information in der klassischen Konstellation Auftraggeber/in – (ein/e einzige/r) Betroffene/r – gar nicht unter die Zulässigkeitsprüfungen des DSG fällt. Ein Rechtsschutzbedarf besteht aus datenschutzrechtlicher Sicht nämlich nur dann, wenn der/die Betroffene keine Kenntnis von den über seine Person verarbeiteten Daten hat. Das Ziel des verfassungsrechtlich vorgesehenen Grundrechts auf Auskunft liegt ja gerade darin, dem/der Betroffenen die Kenntnis über seine/ihre Daten zu verschaffen – und auf diesem Weg für Transparenz zu sorgen. Informiert der/die Auftraggeber/Auftraggeberin den/die Betroffene/n von sich aus über dessen/deren Daten, besteht bereits die nötige Transparenz und es kann bei Bedarf – ohne den Zwischenschritt der Auskunft – das Recht auf Löschung und Richtigstellung in Anspruch genommen werden.

Im Fall einer freiwilligen Information über Daten des/der Betroffenen mit Mehrfachbezug ist es daher naheliegend, auf die für diesen Fall vorgesehene Lösung beim Recht auf Auskunft analog zurückzugreifen, weil diesbezüglich eine echte Gesetzeslücke vorliegt. In einem derartigen Fall ist daher eine restriktive Berücksichtigung der Interessen der weiteren von der Datenanwendung Mit-Betroffenen vorzunehmen.

Im Ergebnis bedeutet das für die konkrete Frage: Die Information des/der AN (als konkret Betroffene/r) durch die Krankenversicherungsträger über die Berichtigung der Beitragsgrundlagen mit den angeführten Datenarten ist zulässig, weil keinerlei berücksichtigungswürdige Interessen des/der AG (als weitere/r Mit-Betroffene/r) entgegenstehen.

5.
Einbindung des Betriebsrats

Nach diesem datenschutzrechtlichen „Exkurs“ ist schließlich auf eine weitere Möglichkeit einzugehen, durch die der/die AN vor der Information über eine Anzeige nach §§ 7g Abs 3 AVRAG bzw 7e Abs 1a Z 6 Kenntnis von einer allfälligen Unterentlohnung erlangen könnte. Diese Möglichkeit ergibt sich aus den Befugnissen des BR nach §§ 89 bzw 91 ArbVG und damit naturgemäß nur in Betrieben mit BR.86

Was zunächst § 89 ArbVG betrifft, hat der BR nach Satz 1 dieser Bestimmung das Recht, die Einhaltung der die AN des Betriebes betreffenden Rechtsvorschriften zu überwachen. Diese Generalklausel wird durch die demonstrative Aufzählung („insbesondere“) der Z 1 bis 4 konkretisiert, ohne dass damit aber eine Einschränkung verbunden wäre. Dieses allgemeine Überwachungsrecht kann laufend und insb unabhängig von konkreten Verdachtsmomenten ausgeübt werden.*

Im gegebenen Zusammenhang ist maßgebend, dass der BR nicht nur nach § 89 Z 1 ArbVG sämtliche Aufzeichnungen über die Bezüge der AN und deren ordnungsgemäße Abrechnung überprüfen und daher auch in die diesbezüglichen Aufzeichnungen Einsicht nehmen kann.* Der BR hat vielmehr nach § 89 Z 3 ArbVG ua auch die Einhaltung der Vorschriften über die SV, und damit vor allem die ordnungsgemäße Anmeldung der AN zur SV sowie die Richtigkeit der Beitragsabzüge, zu überwachen. Nach Satz 4 und 5 dieser Bestimmung ist der BR explizit (ua) zu „Betriebsbesichtigungen im Zuge behördlicher Verfahren, durch die Interessen der Arbeitnehmerschaft (§ 38) des Betriebes (Unternehmens) berührt werden“ beizuziehen, wobei der/die Betriebsinhaber/in den BR von einer anberaumten Verhandlung sowie von der Ankunft eines behördlichen Organs in diesen Fällen unverzüglich zu verständigen hat.

Hier ist wesentlich, dass sich das Teilnahmerecht des BR bis zur ArbVG-Novelle BGBl 1986/394 nur auf jene Betriebsbesichtigungen bezog, die von mit den zur Überwachung der AN-Schutzvorschriften gesetzlich berufenen Organen durchgeführt wurden. Seither erstreckt sich das Beiziehungsrecht des BR auf alle behördlichen Verfahren, in deren Verlauf Betriebsbesichtigungen (einschließlich Verhandlungen und Besprechungen in diesem Zusammenhang) durchgeführt werden. Voraussetzung ist lediglich, dass durch das Verfahren die – wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen oder kulturellen (§ 38 ArbVG) – Interessen der Arbeitnehmerschaft des Betriebes berührt werden, was bei Betriebsprüfungen durch die Krankenversicherungsträger nicht in Zweifel gezogen werden kann.

Der BR wäre somit nur dann nicht beizuziehen, wenn es sich um kein behördliches Verfahren handelte, in dessen Rahmen Betriebsbesichtigungen stattfinden. Den Krankenversicherungsträgern kommen jedoch bereits als Selbstverwaltungskörperschaften hoheitliche Befugnisse gerade im Beitragsrecht zu. Überdies gelten für sie nach § 41a Abs 4 ASVG für die Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben die für Außenprüfungen maßgeblichen Vorschriften der Bundesabgabenordnung (BAO) und werden die Krankenversicherungsträger bei dieser Prüfung als Organ des für diese an sich zuständigen Finanzamtes tätig. Es handelt sich also unzweifelhaft um behördliche Verfahren.

Im Rahmen einer solchen Außenprüfung kann die zuständige Behörde jederzeit alle für die Erhebung von Abgaben bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse prüfen (§ 147 Abs 1 BAO). Das schließt also Ortsaugenscheine ein. Vor diesem Hintergrund darf auch die Formulierung Betriebsbesichtigung in § 89 Z 4 ArbVG nicht iSv „unverbindlicher Führung durch den Betrieb“ oä verstanden werden. Vielmehr ist von einer behördlichen Einschau vor Ort auszugehen, wie auch die in unmittelbarem Kontext zu den besonderen Befugnissen im Rahmen einer Außenprüfung stehende Regelung im Hinblick auf allgemeine Befugnisse der Abgabenbehörde im Rahmen der „Nachschau“ in § 144 BAO nahelegt.*

Wenn Organe des Krankenversicherungsträgers im Zuge einer Sozialversicherungsprüfung nach § 41a ASVG in den Betrieb kommen, handelt es sich somit um eine „Betriebsbesichtigung im Zuge behördlicher Verfahren, durch die Interessen der Arbeitnehmerschaft des Betriebes (Unternehmens) berührt werden“ iSd § 89 Z 3 ArbVG.* Der/die Betriebsinhaber/in hat somit den BR von einer anberaumten Verhandlung sowie von der Ankunft eines Organs des Krankenversicherungsträgers unverzüglich – somit ohne unnötigen Aufschub – und nach Möglichkeit so rechtzeitig zu verständigen, dass der BR nicht nur teilnehmen, sondern sich gegebenenfalls auch darauf vorbereiten kann.*

Ein Verstoß gegen § 89 Z 3 ArbVG durch den/die AG stellt im Übrigen gem § 160 ArbVG eine nach Antrag des BR mit Verwaltungsstrafe zu ahndende Verwaltungsübertretung dar. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass das Überwachungsrecht des BR auch nicht unter Hinweis auf den Datenschutz verweigert werden kann.*

Unabhängig von § 89 ArbVG ist zu beachten, dass der/die Betriebsinhaber/in nach § 91 Abs 1 ArbVG verpflichtet ist, dem BR über alle Angelegenheiten, welche die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen oder kulturellen Interessen der AN des Betriebes berühren, Auskunft zu erteilen. Damit wird eine umfassende Informationspflicht des/der Betriebsinhabers/Betriebsinhaberin und damit ein ebensolches Informationsrecht des BR statuiert,* das nur durch das Erfordernis eines Berührens der oben angeführten Interessen der AN beschränkt ist. Ein „Berühren“ liegt dabei nach zutreffender Auffassung bereits vor, wenn die Angelegenheit geeignet ist, Auswirkungen auf die genannten Interessen der AN zu haben, es muss87 also ein ausreichender und aktueller Bezug zu den AN-Interessen gegeben sein.*

Diese Voraussetzungen sind bei Betriebsprüfungen und umso mehr (dabei allenfalls) festgestellte Unterentlohnungen ohne Zweifel erfüllt: Sowohl im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anmeldung zur SV sowie die Abrechnung und Abführung der Beiträge (bzw der Lohnsteuer) als auch auf die Vermeidung einer arbeitsrechtlichen Unterentlohnung sind die wirtschaftlichen Interessen der AN (zumindest) berührt. Auch unter dem Gesichtspunkt des § 91 ArbVG ist der BR somit in allfällige Sozialversicherungsprüfungen einzubinden.* Diese setzt freilich ein Informationsverlangen des BR und damit ein entsprechend konkretes Auskunftsbegehren voraus.* Fragt der BR also etwa an, zu welchen Ergebnissen eine Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben nach § 41a ASVG geführt hat, ob falsche Beitragsgrundlagen oder gar eine mögliche Unterentlohnung festgestellt wurden, hat der/die Betriebsinhaber/in die entsprechenden Auskünfte zu erteilen.

6.
Zusammenfassung und rechtspolitischer Ausblick

Die Wirksamkeit der neuen Maßnahmen gegen Unterentlohnung in §§ 7d ff AVRAG kann an dieser Stelle noch nicht beurteilt werden. Eine unmittelbare Verbesserung der Stellung der AN, vor allem im Hinblick auf die Chancen, bisher nicht erfüllte Entgeltansprüche nun selbst durchsetzen zu können, wird damit aber wohl nicht begründet.

Dies liegt auch daran, dass keine Verpflichtung der Krankenversicherungsträger vorgesehen ist, die betroffenen AN ehestmöglich und umfassend über eine festgestellte Unterentlohnung zu informieren. Eine solche Pflicht besteht nach § 7g Abs 3 AVRAG erst, wenn der Krankenversicherungsträger eine Anzeige wegen Unterentlohnung bei der Bezirksverwaltungsbehörde erstattet hat. Dazu kommt, dass diese Information zwar unverzüglich zu erfolgen, aber lediglich die Tatsache der Anzeige (und nicht deren näheren Inhalt) zu enthalten hat.

Weitergehende Informationspflichten der Krankenversicherungsträger gegenüber den von einer Unterentlohnung betroffenen AN lassen sich auch sonst weder aus dem AVRAG noch dem ASVG ableiten. Diese AN haben nur auf Grund der Regelungen in § 410 Z 7 ASVG bzw dem Auskunftspflichtgesetz die Möglichkeit, vom Krankenversicherungsträger Informationen über die sie – im Hinblick auf eine allfällige Unterentlohnung – betreffenden Ergebnisse einer Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben oder einer sonstigen Sozialversicherungsprüfung ihres/ihrer AG zu erlangen. Dem stehen auch keine besonderen Verschwiegenheitspflichten auf Seiten des Krankenversicherungsträgers entgegen.

Solche Beschränkungen können sich aber aus dem Datenschutzrecht ergeben. Da es sich bei der Anzeige um strafrechtlich relevante Daten handelt, ist die (einfachgesetzliche) Zulässigkeitsprüfung nach § 8 Abs 4 DSG vorzunehmen. Danach ist die Übermittlung der Tatsache der Anzeige durch die Krankenversicherungsträger an den/die AN zulässig, nicht aber eine Weiterleitung der gesamten Kopie der Anzeige.

Die datenschutzrechtliche Grundrechtsprüfung führt zum selben Ergebnis: Da die Übermittlung der Informationen durch die Krankenversicherungsträger als staatliche Behörde erfolgt, bedarf sie einer gesetzlichen Grundlage: § 7g Abs 3 AVRAG ist eine solche, aber erneut lediglich für die Übermittlung der Tatsache der Anzeige durch die Krankenversicherungsträger an den/die AN.

Eine Auskunftserteilung auf Grund entsprechender Anfrage eines/einer versicherten AN ist dagegen auch datenschutzrechtlich nicht ausgeschlossen. Die nach dem Grundrecht auf Datenschutz erforderliche ausdrückliche Grundlage für eine Information der betreffenden AN über eine allfällige Unterentlohnung findet sich jedenfalls in § 410 Z 7 ASVG sowie dem Auskunftspflichtgesetz. In beiden Fällen muss aber die Initiative für den Informationsfluss von dem/der jeweiligen AN ausgehen.

Die in diesem Kontext auftauchende Frage, ob eine Information des/der AN (als konkret Betroffene/r) über die Berichtigung der Beitragsgrundlagen durch die Krankenversicherungsträger mit Datenarten wie insb Daten des/der Versicherten, Name, Sozialversicherungsnummer, Beitragsgrundlage, Entgelt, Sonderzahlung, Urlaubsersatzleistung, Kündigungsentschädigung zulässig ist, ist eindeutig zu bejahen, weil keinerlei berücksichtigungswürdige Interessen des/der AG (als weitere/r Betroffene/r) entgegenstehen. Praktisch wird ein entsprechendes Begehren des/der AN freilich nur dann Sinn machen, wenn es Hinweise gibt, dass der Krankenversicherungsträger eine Prüfung durchführt/durchgeführt hat. Wenn der/die Versicherte im Zuge dieser Prüfung nicht ohnedies selbst kontaktiert wird, werden solche Hinweise vor allem über die Befassung des BR zu gewinnen sein.

Dafür kann sich der BR auf die Überwachungsrechte nach § 89 (insb Z 3) ArbVG berufen, die eine rechtzeitige Information über bevorstehende Sozialversicherungsprüfungen (insb auch eine Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben nach § 41a ASVG) und eine Beiziehung des BR zu im Zuge einer solchen Prüfung durchgeführten „Nachschauen“ im Betrieb beinhalten. Der BR kann darüber hinaus auch nach § 91 ArbVG Informationen vom/von der Betriebsinhaber/in verlangen. Angesichts des für eine Informationspflicht des/der Betriebsinhabers/Betriebsinhaberin88 erforderlichen konkreten Begehrens des BR sollte dieser zumindest fragen, zu welchen Ergebnissen eine Sozialversicherungsprüfung geführt hat, ob dabei unrichtige Beitragsgrundlagen oder gar eine mögliche Unterentlohnung festgestellt wurde(n) und welche AN davon betroffen sind.

Über diese „Umwege“ ist eine über § 7g Abs 3 AVRAG hinausgehende bzw frühere Information von AN über eine sie allenfalls betreffende Unterentlohnung zumindest in Betrieben mit BR möglich. Rechtspolitisch könnte dieses Manko – systemkonform und ohne besonderen Zusatzaufwand – dadurch reduziert werden, dass die Information der betroffenen AN durch den Krankenversicherungsträger dadurch gewährleistet wird, dass ihnen eine Kopie der an die Abgabebehörde gerichteten Anzeige nach § 7e Abs 3 AVRAG zu übermitteln ist.

Dieser eigentlich naheliegende Schritt ist auch durch die Novellierung durch BGBl I 2015/113 nicht gesetzt worden. Ohne gesetzliche Grundlage ist diese Form der Information aber datenschutzrechtlich nicht zulässig, und zwar auch dann nicht, wenn die Initiative dafür auf ein Begehren des/der AN zurückgeht.

Selbst bei Regelungen, die eine ehestmögliche und umfassende Information der AN über eine durch einen Krankenversicherungsträger festgestellte Unterentlohnung vorsehen, wird die gerichtliche Durchsetzung der entsprechenden Ansprüche aber vielfach daran scheitern, dass diese bereits verfallen sind. Die gesetzlichen Vorkehrungen gegen Unterentlohnung müssten daher zumindest um eine Vorschrift ergänzt werden, die (ähnlich wie § 26 Abs 8 AZG) eine Hemmung des Verfalls bewirkt oder den Verfall von Ansprüchen bei (allenfalls innerhalb bestimmter Fristen) behördlich festgestellter Unterentlohnung für unwirksam erklärt.89