15Anrechenbarkeit von nicht mehr rückforderbarem Arbeitslosengeld auf den Entgeltfortzahlungsanspruch gem § 1155 ABGB
Anrechenbarkeit von nicht mehr rückforderbarem Arbeitslosengeld auf den Entgeltfortzahlungsanspruch gem § 1155 ABGB
Der AN muss sich nur für den Zeitabschnitt, in welchem er anderweitig etwas verdient hat, diesen Verdienst anrechnen lassen. Hat der AN in einem Zeitabschnitt nichts verdient, im zweiten Zeitabschnitt aber mehr verdient, als er beim AG bekommen hätte, muss er sich diesen Überschuss daher nicht anrechnen lassen.
Während eines Bestandschutzverfahrens besteht keine Verpflichtung des AN, ein Zwischenarbeitsverhältnis zum AG einzugehen, wenn und solange der AN an ein anderes Arbeitsverhältnis gebunden ist, das er nach Ablauf der Kündigungsfrist angetreten hat, und mit dessen Erfüllung das Zwischenarbeitsverhältnis nicht vereinbar wäre.
Das bezogene Arbeitslosengeld ist auf den Entgeltanspruch nach § 1155 ABGB anzurechnen, wenn es nicht mehr vom AN rückgefordert werden kann.
Beide Kl waren seit 18.12.1988 bei der A GmbH (in der Folge: A) als Piloten beschäftigt. Der Betrieb wurde Ende April 1994 eingestellt und ging mit 1.6.1994 auf die Bekl über. Die Arbeitsverhältnisse der Kl wurden von der Bekl als Erwerberin zunächst am 6.6.1994 gekündigt. Diese Kündigungen, wie auch nachfolgende Entlassungen und weitere Kündigungen [...] erwiesen sich als rechtsunwirksam (9 ObA 97/02h; 9 ObA 16/06b).
Der Erstkl war von Juli 1994 bis Februar 1995 bei C als Pilot beschäftigt und wechselte ab Juli 1995 zur L. In weiterer Folge war der Erstkl bei der A Aktiengesellschaft beschäftigt.
Der Zweitkl war nach Mai 1994 ein Jahr arbeitslos und ab Juli 1995 bei L beschäftigt. In weiterer Folge war der Zweitkl bei der A Aktiengesellschaft tätig.
Infolge der E 9 ObA 16/06b vom 1.2.2007 forderte die Bekl die Kl mit Schreiben vom 16.4.2007 zum Dienstantritt zunächst zum 1.7.2007, schließlich zum 1.8.2007 auf. Zwischenzeitlich wurden zwischen den Parteienvertretern Vergleichsgespräche über Grund und Höhe eines nachzuzahlenden Entgelts geführt, die jedoch scheiterten. Am 1.8.2007 traten die Kl ihren Dienst nicht an, sodass die Bekl sie mit Schreiben vom 2.8.2007 mahnte und eine Nachfrist bis 6.8.2007 setzte. Da die Kl auch am 6.8.2007 den Dienst nicht antraten, wurden sie an diesem Tag entlassen.
Die Kl begehren von der Bekl die Zahlung von Entgelt gem § 1155 ABGB, sowie von Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsersatzleistung. Sie begehrten darüber hinaus die Feststellung, dass die Bekl für den Pensionsschaden hafte, der den Kl durch die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen entstanden sei. [...]
Die Bekl wandte – soweit für das Rekursverfahren von Bedeutung – dagegen ein, dass die Kl sich anderweitigen Erwerb, insb auch Arbeitslosengeld, bzw absichtlich versäumten Erwerb anrechnen lassen müssten. Die Kl seien bereits im Jahr 1996 zum Dienstantritt und zum Abschluss eines befristeten „Eventualarbeitsverhältnisses“ zur Bekl aufgefordert worden, sie seien dieser Aufforderung jedoch nicht nachgekommen. [...] Da sie die Arbeit pflichtwidrig und trotz Mahnung nicht angetreten hätten, seien die Entlassungen berechtigt ausgesprochen worden.
Das Erstgericht wies das Zahlungsbegehren ab, gab hingegen dem Feststellungsbegehren statt. Im Umfang der Stattgebung des Feststellungsbegehrens erwuchs seine Entscheidung unangefochten in Rechtskraft. [...]
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil über Berufung der Kl im Umfang seines klageabweisenden Teils auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück. [...]
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den OGH zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rsp zur Anrechnung von Arbeitslosengeld nach § 1155 ABGB in einer Konstellation wie der vorliegenden und zur Frage der Obliegenheit des AN, gem § 1155 ABGB, ein „Zwischendienstverhältnis“ bis zur Klärung der Rechtslage mit dem (bisherigen) AG einzugehen, fehle. [...]
Der Rekurs ist zulässig, weil zur Frage der Anrechenbarkeit des Arbeitslosengeldes gem § 1155 138Abs 1 zweiter Halbsatz ABGB eine Klarstellung erforderlich ist. Er ist aber nicht berechtigt.
1.1 Der AN muss sich nach der Rsp nur für den Zeitabschnitt, in welchem er anderweitig etwas verdient hat, diesen Verdienst anrechnen lassen. Hat der AN in einem Zeitabschnitt nichts verdient, im zweiten Zeitabschnitt aber mehr verdient, als er beim AG bekommen hätte, muss er sich diesen Überschuss daher nicht anrechnen lassen (RIS-Justiz RS0021532, zuletzt 9 ObA 81/10t; Rebhahn in ZellKomm, Rz 49 zu § 1155 ABGB). Dieser Rsp ist das Berufungsgericht in seiner E gefolgt. [...]
2. Zu der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage der behaupteten Verpflichtung der Kl, ein „Zwischenarbeitsverhältnis“ zur Bekl im Jahr 1996 einzugehen:
2.1 Die Bekl hat vorgebracht, die Kl mit Schreiben vom 30.1.1996 und 6.3.1996 zum Antritt eines befristeten (Zwischen-)Dienstverhältnisses aufgefordert zu haben. Diese Aufforderung sei relevant, weil die Kl auch nach ihrem eigenen Vorbringen im Zeitraum ab 1996 bis einschließlich 2000 weniger verdient haben, als sie bei der Bekl verdient hätten. Dadurch, dass die Kl den Dienst bei der Bekl nicht angetreten haben, hätten sie es absichtlich versäumt, entsprechendes Entgelt zu verdienen, sodass sie die versäumte Differenz nicht mehr begehren könnten.
2.2 [...]
2.3 Beide Kl haben 1996 bereits bei einer anderen Fluglinie als Piloten gearbeitet, sodass ihnen nicht der Vorwurf gemacht werden kann, einen möglichen anderen zumutbaren und ihrer Qualifikation entsprechenden Verdienst absichtlich versäumt zu haben, um die Anrechnung zu verhindern.
2.4 Richtig ist, dass in der Literatur die Meinung vertreten wurde, dass den AN unter bestimmten Umständen eine Obliegenheit treffen kann, während eines mit dem AG geführten Bestandschutzverfahrens ein Zwischenarbeitsverhältnis (Eventualarbeitsverhältnis) zum AG einzugehen (Rebhahn, Die Rechtslage während eines arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozesses,
2.5 Auch wenn man daher von einer Obliegenheit des AN ausgehen wollte, unter bestimmten Voraussetzungen während eines mit dem AG geführten Bestandschutzverfahrens ein Zwischenarbeitsverhältnis zum AG einzugehen, wäre für die Bekl daraus hier nichts zu gewinnen, weil die Kl zum Zeitpunkt der von der Bekl behaupteten Aufforderungen zum Dienstantritt im Jänner 1996 bereits bei einer anderen Fluglinie beschäftigt waren und weil zu diesem Zeitpunkt das arbeitsrechtliche Bestandschutzverfahren 9 ObA 97/02h noch in erster Instanz anhängig war [...].
2.6 Schon nach dem Vorbringen der Bekl fehlte es im konkreten Fall daher an einer Obliegenheit der Kl, im Jahr 1996 das ihnen angebotene Zwischendienstverhältnis zur Bekl einzugehen. [...]
3. Zutreffend macht die Rekurswerberin hingegen geltend, dass der Bezug von Arbeitslosengeld durch die Kl für jene Zeiträume gem § 1155 ABGB anzurechnen sei, in denen die Möglichkeit der Rückforderung verjährt ist.
3.1 Richtig ist, dass nach der bisherigen Rsp Leistungen aus der AlV auf den Entgeltanspruch nach § 1155 Abs 1 ABGB nicht anrechenbar sind (RIS-Justiz RS0021644; Spenling in KBB4 § 1155 Rz 9; ebenso für die im hier gegebenen Zusammenhang vergleichbare Bestimmung des § 1162b ABGB RIS-Justiz RS0028334). Dies wurde allerdings damit begründet, dass diese Leistungen nach §§ 25 Abs 1 Satz 2 iVm 12 Abs 8 AlVG rückforderbar sind (4 Ob 40/83 = Arb 10.311 Leitsatz III mwH; 4 Ob 114/82 = Arb 10.185; 9 ObA 149/91), und dass der vormalige AG nicht auf Kosten der Arbeitsmarktverwaltung von seinen Zahlungspflichten entlastet werden soll (jüngst 8 ObA 42/14f mwH). [...]
3.2 Die Rekurswerberin stellt diese Rechtssätze nicht in Frage, macht aber geltend, dass das bezogene Arbeitslosengeld dann anzurechnen sei, wenn es nicht mehr rückgefordert werden kann. Dem kommt grundsätzlich Berechtigung zu:
3.3 [...]
3.4 Der OGH hatte erst jüngst in der E 8 ObA 42/14f im Zusammenhang mit den vergleichbaren Anrechnungsregeln des § 1162b ABGB die Anrechenbarkeit von Beihilfen nach dem AMSG zu beurteilen. Bei diesen Beihilfen handelt es sich – ebenso wie beim Arbeitslosengeld – nicht um Entgelt im eigentlichen Sinn. Dennoch hat der OGH für den Fall, dass diese Beihilfe nicht rückgefordert werden kann, ihre Anrechenbarkeit im Hinblick auf den Zweck der Anrechnungsbestimmungen bejaht. Die Kündigungsentschädigung bezwecke, den AN finanziell so zu stellen, als wäre sein Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß aufgelöst worden, nicht aber, ihn besser zu stellen. Mit den gesetzlichen Anrechnungsvorschriften solle eine Bereicherung des AN verhindert werden, die eintreten würde, wenn er neben solchen Einkünften, die er bei aufrechtem Arbeitsverhältnis wegen der zu erbringenden Arbeitsleistung nicht erlangen hätte können, auch die ungekürzte Kündigungsentschädigung bekäme.
3.5 Diese Überlegungen lassen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Ebenso wie die Anrechnungsregeln des § 1162b ABGB haben die Anrechnungsregeln des § 1155 Abs 1 zweiter Halbsatz ABGB den Zweck, dass der AN bei Nichtleistung seiner Arbeit nicht besser gestellt sein soll als bei Erbringung der Dienste. Die Anrechnung soll ausschließen, dass sich der AN auf Kosten des AG bereichert (Schrammel in Klang2 § 1155 ABGB Rz 34, 44). Auch die Bestimmungen der §§ 12 Abs 1 und 8 iVm 25 AlVG verfolgen denselben Zweck: Der Gesetzgeber normiert darin die Rück-139forderbarkeit des Arbeitslosenentgelts gerade für den Fall, dass der AN mit seinem Standpunkt, dass das Arbeitsverhältnis – und damit der Entgeltanspruch – aufrecht fortbesteht (bzw die Kündigung für unwirksam erklärt wird), durchdringt. Das Arbeitslosengeld soll dem AN lediglich die Überbrückung der einkommenslosen Zeit ermöglichen, eine Bereicherung des AN soll durch seine Rückforderung verhindert werden.
3.6 Allerdings erweist sich auch in diesem Zusammenhang das Verfahren als ergänzungsbedürftig. [...]
Sollte sich danach im weiteren Verfahren herausstellen, dass das von den Kl bezogene Arbeitslosengeld tatsächlich nicht mehr rückforderbar ist, so wird es für jene Zeiträume, in denen den Kl gegenüber der Bekl ein Entgeltanspruch zustehen sollte, auf diesen gem § 1155 Abs 1 zweiter Halbsatz ABGB anrechenbar sein. [...]
Der dem vorliegenden Fall zugrunde liegende, bereits über zwei Jahrzehnte zurückliegende Betriebsübergang und die in diesem Kontext erfolgten Kündigungen sowie Entlassungen mehrerer Piloten haben den OGH bereits mehrfach beschäftigt und ua Anlass zu einigen Klarstellungen hinsichtlich der Zulässigkeit betriebsübergangsbedingter Kündigungen durch den Erwerber geboten (vgl OGH9 ObA 97/02hDRdA 2003/28 [Binder]; 9 ObA 16/06bDRdA 2008/38[Binder]). Die nach Jahren der Prozessführung festgestellte Rechtsunwirksamkeit der im Zuge des Betriebsübergangs erfolgten Kündigungen löste freilich weitere Streitigkeiten aus, insb zur Höhe des Entgeltanspruchs für die Dauer der Kündigungsanfechtungsverfahren. Die Anrechnungsregelung des § 1155 ABGB stand deshalb bereits einmal im Fokus eines – einen ehemaligen Kollegen der nunmehrigen Kl betreffenden – Folgeverfahrens (OGH9 ObA 115/03gDRdA 2005/9 [krit Eypeltauer]). Darin ist der OGH von der Obliegenheit des/der AN zum Abschluss eines Zwischenarbeitsverhältnisses für die Dauer des Anfechtungsverfahrens ausgegangen, wenn erkennbar ist, dass der/die AG ihn/sie trotz Bekundung seiner/ihrer Leistungsbereitschaft nicht zur Arbeitsleistung zulassen wird.
Genau dieser Obliegenheit sind die Kl der vorliegenden E nachgekommen. Der Verlauf der Ereignisse soll hier noch einmal kurz rekapituliert werden: Bereits nach der ersten Kündigung im Jahr 1994 waren beide Kl – offenbar mit dazwischenliegenden Phasen des Bezuges von Arbeitslosengeld – neue Arbeitsverträge mit anderen DG eingegangen. Nach der Rechtsunwirksamerklärung der im Jahr 1995, also während des ersten Kündigungsanfechtungsverfahrens, ausgesprochenen Eventualkündigungen mit Urteil des OGH vom 1.2.2007, 9 ObA 16/06b, wurden sie von der Bekl zum Dienst antritt aufgefordert. Da man sich über die Höhe des nachzuzahlenden Entgelts nicht einig werden konnte, leisteten die Kl dieser Aufforderung allerdings – unter Hinweis auf das ihrer Ansicht nach noch ausständige Entgelt – keine Folge, worauf hin die Bekl die Entlassung aussprach.
Im Rekurs an den OGH stand erneut die Anrechnungsbestimmung des § 1155 ABGB im Fokus, wobei der OGH konkret zu drei Fragen Stellung zu nehmen hatte: Zum ersten waren sich Erst- und Berufungsgericht nicht einig, ob in der Frage des ausständigen Entgelts bei Anwendung der Anrechnungsregelung des § 1155 ABGB nur kongruente Zeitabschnitte miteinander zu vergleichen sind oder ob die Gesamtsumme des während des Schwebezustands des Anfechtungsverfahrens erzielten Erwerbs der Gesamtsumme des nachzuzahlenden Entgelts gegenüberzustellen ist. Zweitens war zu prüfen, ob der/die DN zur Aufnahme eines Zwischenarbeitsverhältnisses zum/zur bisherigen DG verpflichtet ist, wenn er/sie in der Zwischenzeit bereits ein solches Zwischenarbeitsverhältnis zu einem/einer anderen AG eingegangen ist. Und drittens war im Verfahren die Frage aufgeworfen worden, ob bezogenes Arbeitslosengeld auch dann von der Anrechnung ausgeschlossen ist, wenn es seitens des Arbeitsmarktservice (AMS) nicht mehr zurückgefordert werden kann.
Das Erstgericht war in seinem Urteil unter Zugrundelegung eines Gesamtvergleiches zwischen den Entgeltansprüchen gegen die Bekl für die Dauer des Kündigungsanfechtungsverfahrens und den im selben Zeitraum erzielten Gesamtbezügen der Kl zum Ergebnis gelangt, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung zum Dienstantritt keine Entgeltforderungen mehr offen waren, sodass es die Entlassung als gerechtfertigt ansah (wobei das Verhalten der Kl aber offensichtlich als unberechtigter vorzeitiger Austritt gewertet wurde).
Dieser Ansatz steht in Widerspruch zur völlig hL und Rsp, wonach die anzurechnenden Verdienste zum Entgelt nach § 1155 ABGB im Verhältnis zeitlicher Kongruenz stehen müssen (grundlegend OGH4 Ob 115/61SZ 34/163; vgl auch mwN Krejci in
Probleme können uU dann auftreten, wenn die durchgängig gleichmäßige Inanspruchnahme der Arbeitsleistung des/der DN im Rahmen des strittigen Arbeitsverhältnisses nicht die Regel war und somit nicht klar ist, zu welchen Zeiten er/sie konkret eingesetzt worden wäre (vgl dazu Krejci in
Die Bekl hatte im Verfahren ua vorgebracht, die Kl bereits im Jahr 1996 zum Dienstantritt und zum Abschluss eines befristeten „Eventualarbeitsverhältnisses“ aufgefordert zu haben, sodass diese sich die Entgeltdifferenzen zum tatsächlich bei anderen AG erzielten Erwerb als „absichtlich versäumten Erwerb“ anrechnen lassen müssten.
Aus der in § 1155 ABGB vorgesehenen Anrechnung auch eines absichtlich versäumten Erwerbs wird nach Lehre und Rsp die Obliegenheit des/der AN abgeleitet, sich während des laufenden Anfechtungsverfahrens auf zumutbare Zwischenarbeitsverhältnisse einzulassen. Das Berufungsgericht ging allerdings davon aus, dass sich diese Verpflichtung nur auf Arbeitsverhältnisse zu Dritten beziehen könne, sodass die Kl nicht verpflichtet gewesen seien, der Aufforderung zum Abschluss eines interimistischen Arbeitsverhältnisses zum bisherigen AG nachzukommen.
In der Literatur wird dagegen für die Sonderkonstellation einer Anfechtungsklage die gegenteilige Ansicht vertreten (ausführlich Rebhahn, Die Rechtslage während eines arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozesses,
In diesem Sinne sind wohl auch die Ausführungen des OGH zu verstehen, der sich in der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage nach der grundsätzlichen Verpflichtung des/der AN zur Annahme eines vom/von der bisherigen AG angebotenen Eventualarbeitsverhältnisses nicht endgültig festlegt, aber zu Recht darauf hinweist, dass jedenfalls keine Verpflichtung des/der AN besteht, ein mittlerweile in Erfüllung seiner/ihrer Obliegenheit zur Aufnahme einer Ersatzbeschäftigung mit einem/ einer anderen AG eingegangenes Arbeitsverhältnis auf späteren Zuruf des/der bisherigen DG wieder aufzulösen. Ein absichtliches Versäumen eines anderweitigen Erwerbs ist dem/der DN in einem solchen Fall nicht vorwerfbar.
Diesen Ausführungen des OGH ist uneingeschränkt zuzustimmen. Hat sich der/die AN also bereits erfolgreich um eine adäquate Ersatzbeschäftigung bemüht, so ist er/sie nicht verpflichtet, dieses Arbeitsverhältnis wieder aufzulösen, um ein anderes, späteres Beschäftigungsangebot anzunehmen, auch wenn dieses aufgrund eines höheren Entgelts für den/die AG iSd Anrechnungsbestimmungen des § 1155 ABGB günstiger wäre. Ob das Angebot der Interimsbeschäftigung vom/von der AG selbst oder von einem Dritten erfolgt ist, kann dabei keine Rolle spielen.
Eine Anrechnung von Leistungen der AlV auf den Entgeltanspruch nach § 1155 ABGB wurde bislang, soweit überblickt, von Lehre und Rsp einhellig abgelehnt. Im vorliegenden Verfahren wurde nun der OGH erstmals mit der Frage konfrontiert, ob das auch dann gelten soll, wenn das bezogene Arbeitslosengeld seitens des AMS nicht mehr rückgefordert werden kann.
Eine Verpflichtung zum Rückersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes ist gem § 25 Abs 1 Satz 2 AlVG ua dann vorgesehen, wenn rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde. Unzulässig ist die Rückforderung jedoch gem Abs 6 für Zeiträume des Leistungsbezuges, die mehr als fünf Jahre, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhalts durch die Geschäftsstelle, zurückliegen. Es handelt sich hierbei bei genauer Lektüre des Gesetzestextes nicht um eine Verjährungsfrist, bei der die Kenntnis eines bestimmten Sachverhalts den Lauf einer Verjährungsfrist in Gang setzt, nach deren Ablauf eine Durchsetzung des Rechts nicht mehr in Frage kommt (so aber Krapf/Keul, AlVG § 25 Rz 550). Vielmehr wird der Zeitraum beschränkt, für den von der Kenntnis vom Rückforderungstatbestand an zurückgerechnet eine solche Rückforderung in Frage kommt. § 25 Abs 6 ist also wohl als Präklusivbestimmung zu lesen, mit der das Recht auf Rückforderung objektiv zeitlich begrenzt wird.141
Bis zur Novelle des AlVG durch BGBl 1993/502 war in Abs 6 eine ausdrückliche Verlängerung der Fünf-Jahres-Frist um jene Zeiten vorgesehen, in denen ein gerichtliches oder behördliches Verfahren anhängig war, das die Frage des Anspruches unmittelbar oder mittelbar betroffen hat; diese Bestimmung wurde mit Wirkung ab 1.8.1993 aber beseitigt (vgl § 79 Abs 5 AlVG). In den Materialien finden sich leider keine Hinweise für die Motive, die den Gesetzgeber zu dieser Änderung veranlasst haben. Da die Beseitigung einer zuvor bestehenden Regelung aber jedenfalls nicht als Versehen des Gesetzgebers gedeutet werden kann, steht dahinter wohl die bewusste Entscheidung, dass eine Rückforderung stets nur fünf Jahre rückwirkend in Frage kommen und selbst dann keine Ausnahme gelten soll, wenn eine rechtzeitige Kenntniserlangung des AMS vom Rückforderungstatbestand aufgrund eines länger andauernden Gerichtsverfahrens, das sich auf den zuvor geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosengeld auswirkt, unmöglich ist und die Rückforderung letztlich an der Fünf-Jahres-Frist scheitert.
Im Ergebnis kann es damit im Falle langer Anfechtungsverfahren also durchaus dazu kommen, dass trotz Obsiegens des/der klagenden AN und der rückwirkenden Feststellung eines aufrechten Arbeitsverhältnisses ein im Laufe des Verfahrens bezogenes Arbeitslosengeld nicht mehr zurückgefordert werden kann. Genau in diesem Fall soll nach Ansicht des OGH die Anrechnungsbestimmung des § 1155 ABGB dann doch ausnahmsweise zur Anwendung kommen.
§ 1155 ABGB sieht ua eine Anrechnung jener Einkünfte vor, die der/die AN „durch anderweitige Verwendung“ erworben hat. Den naheliegenden Einwand gegen die Anrechnung von Arbeitslosengeld, dass dieses eben nicht durch „anderweitige Verwendung“ erworben wird und somit auch nicht diesem Anrechnungstatbestand zu unterstellen ist, wischt der OGH in der vorliegenden E recht locker vom Tisch. Er begründet dies in erster Linie mit teleologischen Erwägungen: Zweck der Anrechnungsregelung des § 1155 ABGB sei es, eine Bereicherung des/der AN auf Kosten des/der AG auszuschließen. Dasselbe Ziel würden die Rückforderungsregelungen des AlVG verfolgen, da auch das Arbeitslosengeld – seinem Charakter als Einkommensersatz entsprechend – nur eine Überbrückung der einkommenslosen Zeit, nicht aber eine Bereicherung des/der AN ermöglichen sollen.
Bis hierhin ist dem OGH uneingeschränkt zuzustimmen. Daraus ergibt sich mE aber gerade nicht, dass das seitens des/der AN bezogene Arbeitslosengeld immer dann, wenn die Ausschlussbestimmung des § 25 Abs 6 AlVG greifen würde, doch wieder – sozusagen subsidiär – in die Anrechnungsregelung des § 1155 ABGB einzubeziehen ist. Die Nichterwähnung von einkommensersetzenden Leistungen der AlV in § 1155 ABGB rührt vielmehr daher, dass der Gesetzgeber im AlVG ohnehin ein eigenes Reglement zur Vermeidung einer ungewollten Bereicherung des/der AN implementiert hat, mit dem aber gleichzeitig auch noch eine andere unerwünschte Vermögensverschiebung, nämlich eine Entlastung des/der AG von seinen/ihren Zahlungspflichten auf Kosten der Versichertengemeinschaft, verhindert werden soll (stRsp des OGH, zuletzt etwa OGH8 ObA 42/14fDRdA-infas 2015/56).
Mit der Beschränkung der Rückforderbarkeit erbrachter Versicherungsleistungen in § 25 Abs 6 AlVG möchte der Gesetzgeber ganz offensichtlich verhindern, dass Versicherte auch mit Rückforderungen bereits mehr als fünf Jahre zurückliegender Versicherungsleistungen konfrontiert werden können. Warum diese Bestimmung zugunsten der Versicherten nun im Falle eines erfolgreichen Anfechtungsverfahrens plötzlich dem/der DG (der/die eine vom Gericht als unzulässig beurteilte Kündigung ausgesprochen hat) zugutekommen soll, vermag nicht so recht einzuleuchten.
Der OGH argumentiert mit der Verhinderung einer Bereicherung des/der AN. Dem ist entgegenzuhalten, dass Verjährungs- bzw Präklusivbestimmungen wohl zwangsläufig immer zu einer Verbesserung der Rechtsposition des Schuldners auf Kosten des Gläubigers führen. Dabei handelt es sich aber gerade nicht um eine ungerechtfertigte, also von der Rechtsordnung nicht vorgesehene Bereicherung auf Kosten eines anderen, sodass etwa eine verjährte Forderung nach der Rsp auch nicht aus dem Titel der Bereicherung geltend gemacht werden kann (grundlegend OGH1 Ob 75/70Sz 43/98; vgl auch Bydlinski in
Den Ausführungen des OGH zum Erfordernis der zeitlichen Kongruenz sowie zu den Grenzen einer Obliegenheit des/der AN, während der Dauer des Anfechtungsverfahrens mit seinem/ihrem bisherigen DG ein Zwischenarbeitsverhältnis einzugehen, ist in vollem Umfang zuzustimmen. Die vom OGH vertretene Ansicht, dass nicht rückforderbares Arbeitslosengeld der Anrechnung auf den nach § 1155 ABGB zustehenden Anspruch unterliegt, kann dagegen nicht überzeugen. Bezogene Versicherungsleistungen unterliegen nicht der Anrechnungsregelung des § 1155 ABGB; ein Doppelbezug von Arbeitslosengeld und Entgelt durch den/ die Versicherte/n soll (ausschließlich) durch die Rückersatzregelung des § 25 Abs 1 AlVG verhin-142dert werden, deren Zweck aber nicht nur in der Vermeidung einer Bereicherung des/der AN auf Kosten des/der AG, sondern auch in der Verhinderung einer Entlastung des/der AG von seinen/ihren Zahlungspflichten durch die AlV liegt. Die in der Beschränkung des Rückersatzes durch § 25 Abs 6 AlVG zum Ausdruck kommende Wertung, wonach eine Rückforderung von gutgläubig konsumiertem Arbeitslosengeld für länger als fünf Jahre zurückliegende Zeiträume ausgeschlossen ist, ist nicht durch eine subsidiäre Anrechnung des nicht mehr rückforderbaren Arbeitslosengeldes auf den Entgeltanspruch nach § 1155 ABGB zu korrigieren. Plausible Hinweise darauf, dass diese Beschränkung nicht dem/der Versicherten, sondern seinem/ihrem DG zugutekommen soll, sind nicht ersichtlich.