Löschnigg
Arbeitsrecht

12. Auflage, Verlag des ÖGB, Wien 2015 1128 Seiten, € 98,– (Web-/E-Book inside)

WALTER J.PFEIL (SALZBURG)

Ein Werk, das nun schon in zwölfter Auflage erschienen ist, muss außerordentlich erfolgreich sein. Dafür sind gewiss mehrere Faktoren ausschlaggebend. Ein paar davon stechen ins Auge und sollen in der Folge hervorgehoben werden: Das Buch versteht sich selbst als Gesamtdarstellung des Arbeitsrechts, in der die klassische Trennung in Individual- und kollektives Arbeitsrecht überwunden wurde (vgl Vorwort, 41). Diese Differenzierung hat wichtige didaktische Gründe, zudem können wesentliche Elemente des kollektiven Arbeitsrechts (von der Koalitionsfreiheit über die Rechtsnatur von KollV oder BV bis hin zur – auch politischen – Rolle des BR) nicht mit privatrechtlichen Ansätzen, wie sie im Individualarbeitsrecht dominieren, erklärt werden. Die praktische Handhabbarkeit einer umfassend angelegten Darstellung und das Verständnis für die Sachfragen werden freilich durch eine strikte Trennung dieser Bereiche nicht erhöht.

Das gilt vor allem aus Sicht der Studierenden, wenngleich zu betonen ist, dass „der Löschnigg“ (so auch die einschlägige Website des Verlages) schon lange kein Lehrbuch mehr ist. Mit über 1100 Seiten (das sind neuerlich fast 100 Seiten mehr als die Vorauflage) handelt es sich vielmehr um ein – als solches aber dann wieder durchaus kompaktes – Handbuch, das in der Tat das gesamte österreichische Arbeitsrecht einschließlich seiner unionsrechtlichen Bezüge behandelt. Es ist kaum eine Frage vorstellbar, zu der man nicht umfassende Information mit ausgiebigen Hinweisen zur Literatur und vor allem zur (nicht nur höchstgerichtlichen) Judikatur finden würde.

Dieser Ansatz funktioniert aber nur dann, wenn auch größtmögliche Aktualität gewährleistet ist. Da dies trotz modernster Technik bei einem gedruckten Werk noch dazu mit diesem Umfang nie befriedigend gelöst werden kann, erweist sich der seit der Vorauflage beschrittene Weg „1 Buch – 3 Formate“ als besonders wertvoll: Mit der gedruckten Ausgabe erwirbt man ein e-book für Tablet oder Laptop und einen online- Zugang, der regelmäßige Aktualisierungen sowie den kostenlosen Direktzugang zu wichtigen Zeitschriften (ua natürlich der vorliegenden), Rechtsquellen und Gerichtsentscheidungen enthält. Der durchaus stolze – und für viele Studierende wohl abschreckende – Kaufpreis wird damit doch deutlich relativiert.

Die strukturelle Basis für die Online-Datenbank entspricht der Gliederung des Buches. Diese umfasst 14 inhaltliche Abschnitte, die ihrerseits mit bis zu fünf weiteren Gliederungsebenen strukturiert sind. Die dadurch uU drohende Gefahr, sich zu „verirren“, wird durch die Verwendung von Randziffern, deren Nummerierung in jedem Abschnitt neu beginnt, wesentlich verringert. Auf diese Randziffern wird dann auch in einem durchdachten und – trotz seiner fast 60 Seiten – recht übersichtlichen Sachregister verwiesen. Die Querverweise zu anderen Kapiteln erfolgen dagegen über deren149Nummerierung, was beim e-book ungleich leichter zu handhaben ist als bei der Printausgabe. Auch in dieser fraglos erhöht wird der praktische Nutzen durch den Einsatz von meist instruktiven Grafiken und Tabellen.

Die systematische Abfolge der einzelnen Abschnitte erfolgt nach dem insoweit in den Vorauflagen bewährten Muster und ist auch im Wesentlichen stimmig. Nach einer Einführung zu „Begriff und Werden“ des Arbeitsrechts folgt dessen Verortung in der nationalen und der Unions-Rechtsordnung sowie die Darstellung der Rechtsquellen. Dass der Abschnitt über die Verbände hier vielleicht besser dazu gepasst hätte als zwischen den Befugnissen der Arbeitnehmerschaft im Rahmen der Betriebsverfassung und dem „sozialen Konflikt“ ist vielleicht ebenso eine Geschmacksfrage wie die Sammelüberschrift „Besondere Problemlagen“, der die Arbeitskräfteüberlassung, der Betriebsübergang und die Insolvenz unterstellt werden. Der sonstige Aufbau in der Reihenfolge AN- bzw Betriebsbegriff, Begründung, Inhalt (einschließlich des praktisch wichtigen und in sonstigen Darstellungen häufig vernachlässigten AN-Schutzes) und Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie Organisation und Befugnisse der Arbeitnehmerschaft und am Schluss Verfahren und Behörden ist in der Sache wie didaktisch überzeugend.

Auf eine – zumal derart umfangreiche – Gesamtdarstellung im Rahmen einer Rezension inhaltlich einzugehen, ist naturgemäß nicht möglich und wäre auch völlig inadäquat. Nur ein einziger und eher „atmosphärischer“ Kritikpunkt sei angemeldet: Ein Lehr- bzw Handbuch des Arbeitsrechts sollte natürlich die Rechtslage zuverlässig und verständlich schildern und den jeweiligen Meinungsstand ausgewogen abbilden. Das ist Günther Löschnigg fraglos erneut hervorragend gelungen, was ja bei Gesamtdarstellungen des Arbeitsrechts nicht immer selbstverständlich war bzw ist. Von einem solchen Werk könnte man sich aber auch mehr und kritischere Bewertungen der Rechtsanwendung sowie deutlichere Impulse für die weitere Rechtsentwicklung erwarten, umso mehr als sich gerade die Arbeitsrechtsjudikatur in Österreich stets und gerne dem Diskurs mit der Lehre gestellt hat.

Aber vielleicht ist das auch wieder eine Stärke dieses Werks. Im Zweifel ist einer präzisen und umfassenden Sachinformation natürlich der Vorzug gegenüber Lehr- oder Handbüchern zu geben, in denen die jeweiligen AutorInnen die eigene Meinung in unangemessener Weise in den Vordergrund stellen. Insofern zählt der Löschnigg völlig zu Recht zu den führenden Werken des österreichischen Arbeitsrechts und wird diese Stellung mit der nunmehrigen Auflage schon allein wegen des innovativen dreigliedrigen Formates zumindest weiter festigen.