Gast
Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers im Synallagma des Arbeitsvertrags. Eine Untersuchung des rechtlichen Verhältnisses von Arbeit und Lohn

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2014 297 Seiten, € 89,90

ELISABETHBRAMESHUBER (WIEN)

Wie Arendt Gast im Vorwort erwähnt, ist die Schlechtleistung des AN erst in jüngster Zeit vermehrt in den Fokus der – deutschen – Arbeitsrechtswissenschaft gerückt. Grundlegende Fragen des Arbeitsvertragsrechts, wie jene nach dem Verhältnis zwischen Arbeit und Lohn, haben bis vor kurzem ein „erstaunliches Schattendasein“ geführt. Die herrschende Meinung in der Bundesrepublik Deutschland vertrat bislang, dass aufgrund Fehlens gewährleistungsrechtlicher Vorschriften im Arbeitsvertrag bei Schlechtleistung dem AG kein Lohnminderungsrecht zusteht. Dies wird allerdings Gast zufolge jüngst vermehrt in Frage gestellt. Er verweist dabei insb auf Kerstin Tillmanns und ihre Habilitationsschrift „Strukturfragen des Dienstvertrags“. Danach besteht ein Lohnminderungsrecht des AG insofern, als die mangelhafte Arbeitsleistung in eine Vielzahl qualitativer Leistungsdefizite aufgedröselt werden können soll. Diese seien sodann unter den Leistungsstörungstatbestand der Nichtleistung zu subsumieren, woraus schließlich sehr wohl ein Lohnminderungsrecht des AG resultieren könne.

Gast hat es sich im vorliegenden Buch, das eine aktualisierte Fassung seiner Dissertationsschrift darstellt, die von der Bucerius Law School im Dezember 2012 approbiert wurde, zum Ziel gesetzt, die Reichweite der synallagmatischen Leistungsbeziehung im Arbeitsverhältnis zu bestimmen. Nach einer Abgrenzung der arbeitnehmerseitigen Schlechtleistung sowohl von der (teilweisen) Nichtleistung als auch von der ordnungsgemäßen Leistung geht er vor allem der Frage nach, welche Rechtsfolgen die arbeitnehmerseitige Schlechtleistung in Hinblick auf den Lohnanspruch des AN mit sich bringt.

Nach einem kurzen historischen Abriss, der vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass sich die Vorstellung vom Wesen des Arbeitsverhältnisses im Laufe der Zeit gewandelt hat, wendet sich Gast der Frage zu, wie arbeitnehmerseitige Leistungsstörungen im Synallagma des Arbeitsvertrags zu verorten sind. Ausgehend vom Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ wird vor allem das für den weiteren Gang der Untersuchung relevante sogenannte „konditionelle Synallagma“ als „Prinzip der Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung in ihrem Fortbestand“ definiert. Bei vollständiger Anwendung dieses Prinzips wirken sich einseitige Leistungsstörungen auch unmittelbar auf die andere Seite des Schuldverhältnisses aus. Nach einer Darstellung der bisherigen Lehrmeinungen bzw der Möglichkeiten, nach dem BGB bei Schlechterfüllung durch den AN vorzugehen, gelangt Gast zu dem Zwischenergebnis, dass das konditionelle Synallagma im Arbeitsverhältnis durchbrochen ist. Bei Schlechterfüllung könne daher keine ipso iure-Minderung des Entgelts stattfinden. Auch gegen ein Entgeltminderungsrecht de lege ferenda spricht sich Gast aus.

Insb unter Rekurs auf die und in Auseinandersetzung mit den Thesen Tillmanns wendet sich Gast sodann der Frage nach der Abgrenzung von Nicht- und Schlechterfüllung im Arbeitsverhältnis zu. Kritisch beleuchtet er vor allem den von Tillmanns geprägten funktionalen Nichtleistungs- bzw Teilleistungsbegriff. Tillmanns zufolge soll die Arbeitsleistung vor allem durch entsprechende arbeitgeberseitige Funktionszuweisungen in Teilleistungen zerlegt werden können. Durch Weisungen des AG bzw durch allenfalls erfolgende Ausgestaltungen im Arbeitsvertrag sollen daher die geschuldeten Tätigkeiten ausdifferenzierten Teilfunktionen zugewiesen werden. Je konkreter und abgrenz-150barer die (Teil-)Tätigkeiten sind, desto eher liegt nach der Interpretation Gasts auch Nicht- statt Schlechterfüllung vor und desto fehleranfälliger ist daher auch die Arbeitsleistung. Das Problem an diesem funktionalen Teilleistungsbegriff liegt Gast zufolge darin, dass dem AG durch entsprechende Weisungen ein überaus großer Einfluss auf die geschuldete Leistung zusteht. Hierdurch steige die „Gefahr“ für den AN, eine Nichtleistung mit den entsprechenden Entgeltminderungskonsequenzen zu erbringen.

Wohl weil dies nach Ansicht Gasts ein unerwünschtes Ergebnis wäre, entwickelt er eine andere Methode, um die Schlechtleistung von der Nichtleistung abzugrenzen: Nur dann, wenn die erbrachte Leistung ihrer „Identität“ nach nicht die geschuldete Leistung darstellt, liege eine Nichtleistung vor. Wird noch die geschuldete Leistung erbracht, mag auch die Qualität schlecht sein, sei von Schlechterfüllung auszugehen. Begründet wird dies auch damit, dass der AN keine Teilleistungen schulde, vielmehr habe der AG ein ganzheitliches Interesse an der Verfügbarkeit des AN in einem bestimmten Zeitrahmen, nicht aber unbedingt an bestimmten inhaltlichen Teilleistungen. Warum der AG allerdings im Einzelfall nicht doch sehr wohl auch ein Interesse an der „Gut-Erfüllung“ durch den AN haben können soll, wird nicht erörtert.

Gast gelangt sodann zum Ergebnis, dass eine Nichtleistung nur dann vorliegen könne, wenn die Arbeitsleis tung gar nicht erbracht wird oder aber wenn der AN die Leistung zwar teilweise, aber nicht entsprechend der geschuldeten „Identität“ erbringt. Maßgebliche Kriterien bei Bestimmung der Identität der geschuldeten Leistung sollen der Arbeitsort, die Arbeitszeit und der vereinbarte Inhalt sein. Die Identität des Vereinbarten ist dann nicht mehr gewahrt, sodass von Nichterfüllung zu sprechen ist, wenn die Arbeitsleistung am falschen Ort erbracht wird, zeitlich nicht dem vereinbarten Soll entspricht oder aber wenn der AN – wie insb im Rahmen der passiven Resistenz – bewusst weisungswidrig handelt.

Schließlich widmet sich Gast der Frage nach der Abgrenzung der ordnungsgemäßen von der Schlechtleistung. Nach Darstellung und inhaltlicher Bewertung der unterschiedlichen, sowohl von Literatur als auch Judikatur vertretenen Leistungsmaßstäbe (in der Tat liegt hier ein „diffuses Meinungsbild“ vor) zieht Gast den Schluss, der Leistungsmaßstab sei grundsätzlich objektiv zu bestimmen. Mag auch eine Entgeltminderung ausgeschlossen sein, so bedeute dies allerdings nicht, dass eine arbeitnehmerseitige Schlechtleistung keine Konsequenzen mit sich bringen könne. Gast zufolge soll es zu einer verschuldensabhängigen Haftung des AN für Schlechtleistungen kommen. Auf diesem Weg erreicht er auch insofern eine gewisse Individualisierung des Leistungsmaßstabs, als es nur dann zu einer Haftung des AN kommen könne, wenn dieser gem § 276 Abs 2 BGB die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Da diese verkehrserforderliche Sorgfalt Gast zufolge allerdings schon dann erfüllt ist, wenn der AN die vom AG erwarteten Vorschriften und Erfahrungssätze einhält, weil typische Schwankungen in der Arbeitsleistung irrelevant sein sollen und ein gewisses Maß an Nachlässigkeit – entsprechend der culpa levissima des § 2 Abs 3 DHG – zulässig sei, wird der AN nur in den seltensten Fällen haften. Auch Defizite, mit denen der AG rechnen muss sowie jene, die aufgrund des Betriebsrisikos vom AG zu tragen sind, können Gast zufolge keine Grundlage für eine verschuldensabhängige Haftung des AN für Schlechtleistungen sein. Auch eine Kündigung soll in den genannten Fällen ausscheiden: Eine verhaltensbedingte Kündigung könne iZm der Frage der Schlechtleistung nur dann ausgesprochen werden, wenn der AN sein Leistungspotential nicht ausschöpft, eine personenbedingte Kündigung (diese setzt die Ausschöpfung des Leistungspotentials voraus) nur dann, wenn die Weiterbeschäftigung für den AG unzumutbar ist. Gast überträgt die soeben dargestellten haftungsrechtlichen Erwägungen dabei auch auf die Kündigung, mit der Konsequenz, dass auch eine personenbedingte Kündigung wohl nur in seltensten Fällen gerechtfertigt sein wird.

Dass es nur wenige Beiträge in der österreichischen fachspezifischen Literatur gibt, die sich (eingehend) mit der Frage der Schlechtleistung im Arbeitsverhältnis befassen, ist beinahe untertrieben. Auch oder gerade deshalb kann die Lektüre des Werks von Gast – in Kombination mit der Habilitationsschrift von Tillmanns – nur empfohlen werden.