Gerhartl
Urlaubsrecht – UrlG und weitere Rechtsvorschriften

Verlag Österreich, Wien 2015 688 Seiten, gebunden, € 159,–

WOLFGANGKOZAK (WIEN)

Ein Kommentar über Urlaubsrecht ist in gegenwärtigen Zeiten, in welchen die nationalen Urlaubsregelungen fast regelmäßig auf dem „Prüfstand“ der unionsrechtlichen EuGH-Kontrolle scheitern, eine Herausforderung an sich. Daneben ringt dem Rezensenten das Vertrauen in die Beständigkeit der österreichischen Rechtslage von Verlag und Autor doch Anerkennung ab.

Bevor es inhaltlich „zur Sache“ geht, beschäftigt sich Gerhartl mit dem Ziel(publikum) seines Kommentars. So hat es sich der Autor des Kommentars mit immerhin über 600 Seiten nach eigenen Worten zur Aufgabe gemacht, „der Praxis ein aktuelles Werkzeug“ zur Verfügung zu stellen.

Der Rezensent kann nicht verhehlen, dass er solche Formulierungen unglücklich gewählt findet, da diese seiner Meinung nach keinerlei Aussagewert haben. Zum einen schafft es einen scheinbar unüberbrückbaren Gegensatz zwischen der universitären (also wissenschaftlich) geltenden Beschäftigung mit Rechtsthemen, die demnach (wenn man bei diesem Begriffspaar von einer Dichotomie ausgeht) keine Praxisrelevanz hätte, zum anderen sagt es aber wenig über die gewählte Arbeitsweise aus.

Gerhartl versucht sich denn auch in einer Einleitung von 12 Seiten die vorliegende Form des Kommentars darzulegen. Insb nimmt er zur Auswahl der 152angeführten Literatur Stellung. So übt der Autor nach eigener Aussage (S 5), um den Lesefluss nicht zu stören, „Zurückhaltung“. Damit fehlt aber ein umfassender Fußnotenkatalog, der mE durch die Literaturangaben speziell am Beginn des Buches keinesfalls ersetzt werden kann. Warum eine Anführung der Belegstellen in Fußnoten die Praxistauglichkeit und den „Lesefluss“ eines Kommentars hindern soll, erschließt sich dem Rezensenten nicht. Vielmehr irritiert, dass vielfach nicht klar ist, ob der Verfasser eigene Meinungen oder übriges Schrifttum zitiert. Die Auswahlkriterien, wann ein Beleg erfolgt, sind trotz umfangreicher Erklärung in der Einleitung durchaus subjektiv zu nennen. Gerade für einen Praktiker ist die Einschätzung und das Wissen, was stRsp, überwiegende Rechtsmeinung bzw Autorenmeinung sind, für die Berufsausübung, also die Einschätzung über Ansprüche und deren Durchsetzungsmöglichkeit, unabdingbar.

Dass sich der Autor trotz aller Ausrichtung auf die Praxis entschlossen hat, eine kurze historische Einführung vorzunehmen, ist in Zeiten, in denen sich das „arbeits- und sozialrechtliche“ Gedächtnis in ein Kurzzeitgedächtnis zu wandeln scheint, sehr erfreulich. Dass aufgrund der Kürze dieser Ausführungen ein zentrales Element des Arbeiterurlaubsgesetzes 1946, nämlich die Umstellung des Urlaubsanspruches von der Wochenberechnung auf die Werktagsberechnung, sprichwörtlich unter die Räder kam, ist zwar bedauernswert, soll den Eindruck des Kommentars aber nicht schmälern. Nach (bereits veröffentlichter) Meinung des Rezensenten ist aber gerade diese Umstellung für die Beurteilung der Bedeutung der EuGH-Rsp zum deutschen Urlaubsrecht für das österreichische Urlaubsgesetz nicht unbedeutend.

Dass die Wahl eines Titels für ein Werk manchmal durchaus zur Qual werden kann, hat der Rezensent selbst bereits mehrmals erfahren. Mag sich „in der Praxis“ – hier stellt sich die Frage, in welcher, zB die Praxis in der Baubranche – der Begriff Urlaubsrecht nur auf jene Teile der Rechtsordnung beziehen, die den jeweiligen Praktiker betreffen, so ist der Begriff Urlaubsrecht zum einen unscharf, zum anderen allumfassend und – wenn überhaupt – eingeschränkt auf die österreichische Rechtsordnung. Zwar zieht der Autor immer wieder Vergleiche zu anderen Urlaubsrechtssystemen als jenem des Urlaubsgesetzes (wie zB zum VBG ab Rz 114 ff), eine systematische Erfassung und Einordnung aller in Österreich in Geltung stehenden unterschiedlichen Urlaubsrechtsnormen erfolgt aber nicht. Diese Kritik trifft aber nicht nur Gerhartl, der scheinbar an einem traditionell gewordenen Titel festhält.

Im Zentrum der Betrachtungen des Kommentars steht das Urlaubsgesetz mit seinem speziellen Geltungsbereich. Gerhartls Begriff des Urlaubsrechts ist also auf den Regelungskreis, welchen das UrlG umgibt, einzuschränken. Dass aufgrund der Systematik des UrlG unter dem Titel Urlaubsrecht auch das Pflegefreistellungsrecht behandelt wird, folgt wohl dem Gestaltungsdenken des historischen Gesetzgebers.

Der Autor verknüpft im Rahmen seiner Verwendung des Begriffes Urlaubsrecht dislozierte Normen, die Auswirkungen auf den Urlaubsanspruch haben, in seinem Kommentar, wie zB die Aliquotierungsregeln des MSchG und das APSG und sorgt so für ein umfassendes Bild bei den jeweiligen Schnittstellen. In manchen Bereichen hätte sich der Rezensent eine eingehendere Behandlung der Thematik gewünscht, so zB beim Umgang mit der Umstellung des geschuldeten Arbeitszeitausmaßes und offenen Urlaubsansprüchen im Lichte der EuGH-Judikatur. So führt der Autor zwar die maßgeblichen EuGH-Urteile an, stützt sich jedoch auf die aktuelle OGH-Judikatur, ohne diese einer ausreichenden und fundierten Würdigung im Zusammenhang mit den Argumenten des EuGH zu unterziehen. Es ist schade, dass der Autor die Gelegenheit nicht wahrnimmt, eine eigene Lösung für diese Problematik zu entwickeln und einen Beitrag zur aktuellen Diskussion im Schrifttum abzugeben.

Im Gegensatz dazu verwundert es, dass absolute Sonderprobleme, die eventuell Sachverhalte im Zusammenhang mit Bundesausgliederungen darstellen könnten, Raum gegeben wird, wie es bei der Erörterung des Problems der Bekanntgabe einer Urlaubsadresse geschah. Bei dieser Sachverhaltsproblematik vertritt der Autor anscheinend die Meinung, dass trotz berechtigter Weigerung der Bekanntgabe einer Urlaubsadresse durch den AN, der AG allein aus diesem Grund vom Abschluss einer Urlaubskonsumationsvereinbarung sachlich gerechtfertigt Abstand nehmen kann. Es ist zu vermuten, dass dies auch der Praxisausrichtung des Kommentars geschuldet ist. Eine Behandlung von Rückrufsmöglichkeiten aus dem Urlaub unterbleibt unter der Annahme, dass der AN regelmäßig am Urlaubsort verbleibe. Inwieweit sonstige Kontakte im Urlaub dienstrechtlich erlaubt sind, wird ebenfalls nur kursorisch behandelt. Allgemein wird nur auf die Möglichkeit hingewiesen, dass eine solche Vorgangsweise eine „Rückberufung aus dem Urlaub“ darstellen könne. Inwieweit man in diesen Ausführungen eine Hilfestellung für die Praxis ersehen kann, ist für mich fraglich und fällt unter die Generalwarnung: Handlungen können Rechtsfolgen haben.

Resümierend betrachtet müssen LeserInnen und der Rezensent aber immer die Problematik von Beispielsanführungen im Auge behalten. Die angeführten Punkte sind aus einem quantitativ umfangreichen Kommentar herausgegriffen und können so kein letztgültiges Urteil über dessen Inhalt abgeben.

Insgesamt ist vorliegendes Werk eine Bereicherung der Literatur über das Urlaubsrecht und die Leistung des Autors, ein solch umfangreiches Werk zu verfassen, soll keinesfalls geschmälert werden. Dieses ist im Übrigen klar strukturiert und sprachlich sehr verständlich verfasst. Durch die angeführten Beispiele, die auch Berechnungen enthalten, kann der Kommentar sicherlich zu einem unentbehrlichen Arbeitsmittel in vielen Büros werden.