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Kein Pensionsversicherungsschutz bei Entfall der Notstandshilfe wegen Witwenpension

Walter J.Pfeil (Salzburg)
§§ 34, 36 AlVG; §§ 5, 6 NHV; Art 4 Abs 1 RL 79/7/EWG
  1. Während bei einer arbeitslosen Person das Vorliegen einer Notlage und damit ein Anspruch auf Notstandshilfe wegen Anrechnung des Partnereinkommens verneint werden kann, wäre die Nichtzuerkennung von Pensionsversicherungszeiten (für den Zeitraum dieses Anspruchsverlustes) eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung iSd Art 4 Abs 1 RL 79/7/EWG.

  2. Auch wenn eine Witwenpension in wirtschaftlicher Hinsicht als Ersatzleistung anzusehen ist, die an die Stelle von Unterhaltsverpflichtungen des Partners tritt, handelt es sich dabei um ein eigenes Einkommen, das es grundsätzlich zulässt, Aufwendungen für die soziale Sicherheit zu finanzieren, sodass kein Anlass besteht, auch eine solche arbeitslose Person diesbezüglich aus Mitteln der AlV zu entlasten.

Die Revisionswerberin hat mehrfach einen Antrag auf Zuerkennung von Notstandhilfe gestellt. Dieser wurde aber vom Arbeitsmarktservice (AMS) jeweils mit Bescheid abgewiesen, weil der anzurechnende Betrag aus ihrem eigenen Einkommen (eine Witwenpension) den Anspruch auf Notstandshilfe überstiegen habe und damit keine Notlage vorgelegen sei. Auch der Anspruch auf KV und PV wie während des Bezugs von Notstandshilfe iSd § 34 Abs 1 AlVG wurde nicht zuerkannt, weil dies voraussetze, dass die arbeitslose Person ausschließlich wegen der Berücksichtigung des Partnereinkommens mangels Notlage keinen Anspruch auf Notstandshilfe habe. Bei der Witwenpension handle es sich dagegen um die Anrechnung eines eigenen Einkommens.

Auch das Bundesverwaltungsgericht hat mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis den Antrag der Revisionswerberin auf „Einbindung in die Kranken- und Pensionsversicherung“ gem § 34 Abs 1 AlVG abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat gem § 25a Abs 1 VwGG jedoch die Revision für zulässig erklärt, weil es zur Frage, ob im Falle des Bezugs einer Witwen-/Witwerpension der Tatbestand des § 34 Abs 1 AlVG erfüllt werde, keine Rsp gebe.

Der VwGH hat diese Revision zugelassen, aber als unbegründet abgewiesen und dazu erwogen:

1. Die Revisionswerberin bringt vor, sie habe am 6.11.2013 mit Stichtag 1.12.2013 die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer („Hacklerregelung“) beantragt. Dabei habe sich herausgestellt, dass im Zeitraum von März 2010 bis heute Versicherungszeiten fehlen. Die belangte Behörde vertrete die Ansicht, die Revisionswerberin habe auf Grund ihrer Witwenpension keinen Anspruch auf eine KV und PV nach § 34 Abs 1 AlVG. Diese Gesetzesstelle sei geschaffen worden, um eine Doppelbenachteiligung der von einer mangelnden Notlage infolge Einkommensanrechnung betroffenen Personen zu vermeiden, nämlich einerseits, dass sie keinen Anspruch auf Notstandshilfe hätten, und andererseits, dass sie zusätzlich den Anspruch auf Pensionsversicherungszeiten verlieren würden. Die Revisionswerberin sei doppelt benachteiligt, weil ihre Witwenpension als eigenes Einkommen und nicht als Partnereinkommen iSd § 34 Abs 1 AlVG gewertet worden sei. Bei der Witwenpension handle es sich aber um Einkünfte iSd § 34 Abs 1 AlVG, weil diese die Funktion einer Unterhaltsersatzleistung habe. Wenn der Ehepartner lebe, führe seine Unterhaltsverpflichtung einerseits zum Wegfall der Notlage, damit aber auch zu Versicherungszeiten nach § 34 Abs 1 AlVG. Es verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot, Unterhaltsleistungen zu Lebzeiten anders zu behandeln als Unterhaltsersatzleistungen nach dem Ableben des Unterhaltsverpflichteten. Es sei nicht erkennbar, worin der Unterschied zwischen einer Unterhaltszahlung eines Ehegatten und einer Witwenpension bestehen solle. Der Tatbestand des § 34 Abs 1 AlVG sei durch den Bezug der Witwenpension erfüllt. Das Erk stütze sich auf ein gleichheitswidrig ausgelegtes bzw gleichheitswidriges Gesetz.

2. [...]

2.1. Wie der VwGH in seinem Erk vom 14.1.2004, 2002/08/0038, ausgeführt hat, hat der EuGH die Auffassung vertreten, dass eine indirekte Diskriminierung iSd Art 4 der RL 79/7/EWG des Rates vom 19.12.1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (RL) durch sozialpolitische Gründe gerechtfertigt werden kann. Auf die nähere Begründung dieses Erk wird verwiesen. Vor diesem Hintergrund hat der VwGH in den Erkenntnissen vom 14.1.2004, 2002/08/0038und 2002/08/0202, aus den in deren Begründung dargelegten Erwägungen die Auffassung vertreten, dass die in § 36 AlVG iVm § 6 der Notstandshilfeverordnung angeordnete Berücksichtigung des Einkommens eines im gemeinsamen Haushalt mit einer arbeitslosen Person lebenden Ehepartners (bzw Lebensgefährten) bei Beurteilung der Notlage auch unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass dadurch wesentlich mehr Frauen als Männer Einbußen in ihren Ansprüchen auf Notstandshilfe erleiden bzw dieses Anspruchs zur Gänze verlustig gehen, nicht dem Diskriminierungsverbot des Art 4 Abs 1 RL widerspricht. Die vorliegende indirekte Diskriminierung konnte nämlich, soweit es die Gewährung von Notstandshilfe betrifft, mit dem sozialpolitischen Zweck der Leistungsgewährung nur an Bedürftige gerechtfertigt werden.106

2.2. Während sich jedoch die aus der Anrechnung des Partnereinkommens ergebende indirekte Diskriminierung von Frauen als sachlich gerechtfertigt erwies, wurde dies in Bezug auf die mit der Versagung des Anspruchs auf Notstandshilfe verbundene weitere Konsequenz, die Nichtanrechnung von Pensionsversicherungszeiten, vom VwGH anders gesehen. In einem die Anrechnung von Ersatzzeiten gem § 227 Abs 1 Z 5 ASVG idF vor dem SVÄG 2000, BGBl I 92/2000, betreffenden Fall sprach der VwGH aus, dass sich die aus der Anrechnung des Partnereinkommens ergebende indirekte Diskriminierung von Frauen angesichts des notwendigerweise identen Personenkreises in gleicher Weise bei der Anrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit in der PV ergibt, soweit diese Anrechnung vom Bezug der Notstandshilfe abhing. Die für die Gewährung einer Leistung bei Bedürftigkeit herangezogene sozialpolitische Rechtfertigung könne nicht auch für die Gewährung oder Versagung von Pensionsversicherungszeiten herangezogen werden. Es bestehe kein sachlicher Zusammenhang, der die Anerkennung von Zeiten zur PV ebenfalls in Abhängigkeit vom Aspekt der Bedürftigkeit als gerechtfertigt erscheinen lassen könnte. Die Versagung von Pensionsversicherungszeiten würde vielmehr zum Ergebnis einer „doppelten“ Diskriminierung führen, indem Bedürftige neben der Zuerkennung von Notstandshilfe auch Pensionsversicherungszeiten angerechnet erhielten, während für Nicht-Bedürftige keines von beiden in Betracht käme. In der Nichtzuerkennung von Pensionsversicherungszeiten trotz vorliegender Meldung als Arbeitssuchende liege eine aus sozialpolitischen Gründen nicht zu rechtfertigende Diskriminierung iSd Art 4 Abs 1 der genannten RL vor. Diese Diskriminierung sei dadurch zu beheben, dass § 617 Abs 3 ASVG unangewendet zu bleiben habe (vgl das hrsg Erk vom 25.5.2011, 2007/08/0035).

2.3. Dieses Erk erfolgte vor dem Hintergrund des § 34 AlVG in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung BGBl I 142/2004BGBl I 142/2004: [...]

Die Gesetzesmaterialien (653 BlgNR 22. GP 24) begründen die Änderung des § 34 AlVG wie folgt:

„Anstelle der mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 geschaffenen und bereits gegenstandslosen Bestimmung über die Sicherung der Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung für bestimmte von der damaligen Pensionsreform betroffenen Geburtsjahrgänge (...) soll die Regelung des Anspruches auf Pensionsversicherung für Personen, die mit Ausnahme der – wegen eines anzurechnenden Partnereinkommens – fehlenden Notlage alle Voraussetzungen für die Notstandshilfe erfüllen, treten. Die Pensionsversicherung soll nur für Zeiträume, für die bei Vorliegen von Notlage Notstandshilfe gebühren würde, gewährt werden. Das bedeutet, dass sämtliche Bedingungen für die Notstandshilfe erfüllt sein müssen und insbesondere die Verfügbarkeit, die Arbeitsfähigkeit und die Arbeitswilligkeit gegeben sein müssen. Die Versagungs- und Ruhensgründe, die für das Arbeitslosengeld und für die Notstandshilfe gelten, sollen auch für den neuen Anspruch auf Pensionsversicherung gelten.“

§ 34 AlVG iVm § 8 Abs 1 Z 2 lit b AlVG war aber gem § 617 Abs 3 ASVG nur auf nach dem 1.1.1955 geborene Personen anzuwenden.

Mit BGBl I 63/2010BGBl I 63/2010wurde § 34 AlVG erneut geändert. Dessen Abs 1 lautet ab 1.1.2010: [...]

2.4. Vorauszuschicken ist, dass der abweisende Spruch des Verwaltungsgerichtes dahin zu verstehen ist, dass die von den genannten Anträgen auf Zuerkennung der Notstandshilfe mitumfassten Anträge auf Versicherung gem § 34 Abs 1 AlVG abgewiesen worden sind.

Der VwGH hält an seiner im zitierten Erk 2007/08/0035ausgesprochenen Auffassung fest, dass die in indirekter Diskriminierung erfolgende Nichtanrechnung von Pensionsversicherungszeiten sachlich nicht gerechtfertigt ist. In einer Situation, in der beim Arbeitslosen wegen Anrechnung des Partnereinkommens das Vorliegen einer Notlage und damit ein Anspruch auf Notstandshilfe zu verneinen ist, muss ihm ein Anspruch auf KV und PV iSd § 34 Abs 1 AlVG erhalten bleiben. Der Gesetzgeber geht dabei in der gebotenen Durchschnittsbetrachtung davon aus, dass die bloße Anrechnung von Einkommen – also ohne Rücksicht darauf, ob und welche Unterhaltsleistungen tatsächlich erbracht werden – den Arbeitslosen in wirtschaftlicher Hinsicht nicht in die Lage setzt, aus eigenem entsprechende Vorsorge für eine KV und PV zu treffen. Anders hat dies der Gesetzgeber seit jeher bei Vorliegen von eigenem Einkommen eines Arbeitslosen gesehen, wie eben der Umstand zeigt, dass in solchen Fällen eine KV und PV von arbeitslosen Personen, die sich nicht in einer Notlage befinden, nicht vorgesehen ist (zur Anrechnung von Unterhaltszahlungen an den Arbeitslosen als dessen eigenes Einkommen vgl das hrsg Erk vom 26.1.2010, 2009/08/0069).

Es trifft zwar zu, dass die Witwenpension in wirtschaftlicher Hinsicht als Ersatzleistung anzusehen ist, die an die Stelle von Unterhaltsverpflichtungen des Partners tritt. Jedoch besteht zwischen der Anrechnung des Einkommens eines Ehepartners bzw des Lebensgefährten und tatsächlichen Unterhaltszahlungen (die dem Unterhaltsberechtigten – etwa nach einer Trennung vom Unterhaltsverpflichteten – als eigenes Einkommen zufließen) bzw einer Witwenpension ein Unterschied. Das eigene Einkommen lässt es grundsätzlich zu, Aufwendungen für die soziale Sicherheit zu finanzieren, sodass bei einer Durchschnittsbetrachtung kein Anlass besteht, einen Arbeitslosen mit eigenem Einkommen, das zum Wegfall der Notstandshilfe führt, diesbezüglich aus Mitteln der AlV zu entlasten. [...]

ANMERKUNG
1.
Ausgangspunkt: Anrechnung von eigenem und PartnerInnen-Einkommen

Der Anspruch auf Notstandshilfe nach Erschöpfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld setzt insb das Vorliegen einer Notlage voraus (§ 33 Abs 2 AlVG [BGBl 1977/609zuletzt idF BGBl I 2015/144BGBl I 2015/144]). Das ist nach Abs 3 dieser Bestimmung der Fall, wenn dem/der Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist. Um dies zu beurteilen, ist auf die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der arbeitslosen Person selbst sowie des/der mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden Partners/Partnerin abzustellen (§ 36 Abs 2 AlVG). Dabei ist das gesamte Einkommen der arbeitslosen Person mit Ausnahme von Erwerbseinkünften bis zur Geringfügigkeitsgrenze zu berücksichtigen (§ 36 Abs 3 lit a AlVG und § 5 NHV [Notstandshilfeverordnung, BGBl 1973/352zuletzt idF BGBl II 2001/490]). Das PartnerInnen-Einkommen ist auf die Notstandshilfe anzurechnen, soweit es einen Freibetrag übersteigt (§ 36 Abs 3 lit b und Abs 5 AlVG). Dieser liegt seit 1.1.2016 bei € 634,– pro Monat und erhöht sich in gewissen Fällen (vgl § 6 Abs 2 bis 4 NHV).

Die Notstandshilfe verringert sich dabei stets um den jeweils anzurechnenden Betrag. Übersteigt dieser die Höhe der Notstandshilfe, entfällt der Anspruch, womit aber auch die als Annex „gewährten Versicherungen“ nach § 6 Abs 1 Z 1 (KV) und Z 3 (PV) AlVG verloren gehen würden. Das wird in § 34 AlVG verhindert, wenn der Entfall ausschließlich wegen der Berücksichtigung des PartnerInnen-Einkommens erfolgt. Diese Bestimmung könnte auch als Ausdruck des „schlechten Gewissens“ des Gesetzgebers gesehen werden, das möglicherweise auch der VwGH dann bei deren Auslegung geteilt hat (vgl bereits Pfeil, Zur Weiterentwicklung des Arbeitslosenversicherungsrechts durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, DRdA 2012, 151 [157]): Zum einen ist ja nicht unproblematisch, dass die Anrechnung unabhängig davon erfolgt, ob das PartnerInnen-Einkommen der arbeitslosen Person tatsächlich zur Befriedigung ihrer notwendigen Lebensbedürfnisse zur Verfügung steht, was oft faktisch und im Fall der Lebensgemeinschaft auch rechtlich nicht durchgesetzt werden kann. Zum anderen müssen Frauen – wegen des nach wie vor bestehenden gender-pay-gap und der strengen Einkommensabhängigkeit der AlVG-Leistungen (vgl insb dessen § 21) – nicht nur meist mit einem niedrigeren Notstandshilfeanspruch rechnen (2014 im Schnitt mit € 21,20 pro Tag statt € 25,20 bei Männern, http://www.ams.at/_docs/001_jb2014.pdf), sondern sind auch unvergleichlich öfter von einer Anrechnung des Einkommens ihres männlichen Partners betroffen.

Während der VwGH hinsichtlich dieses Problems weiterhin keine verfassungs- oder unionsrechtlichen Bedenken hegt (von den im vorliegenden Erk bekräftigten Judikaten nach wie vor nicht überzeugt Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz [11. Lfg 2015] Rz 685), hat er die Beschränkung der Begünstigung des § 34 AlVG auf bestimmte Personengruppen als nach dem Geschlecht diskriminierend und damit als Verstoß gegen Art 4 Abs 1 der RL 79/7/EWG qualifiziert. Die einschlägige Passage aus dem entsprechenden Erk (VwGH 25.5.2011, 2007/08/0035) wird auch in der nunmehrigen E wiedergegeben (2.2.) und noch einmal bestätigt. Dieser Auffassung ist jedenfalls zuzustimmen.

Ist die Situation aber nicht vergleichbar, wenn der Entfall der Notstandshilfe ausschließlich auf einen Anspruch auf Witwen-/Witwerpension zurückgeht? Genau genommen geht es hier um zwei Fragen: zum einen um die Einordnung im nationalen Recht, zum anderen um die Frage der Diskriminierung und ihrer Rechtfertigung nach Unionsrecht.

2.
Witwen-/Witwerpension: Eher eigenes oder doch (Surrogat für) Partnereinkommen?

Der VwGH geht nur auf die erste Frage explizit ein und qualifiziert die Witwen-/Witwerpension als eigenes Einkommen der arbeitslosen Person. Diese Einordnung eines höchstpersönlichen Anspruchs der/des Arbeitslosen hat zunächst den Wortlaut und die Systematik des AlVG (vgl auch dessen § 36a) wie der NHV eindeutig für sich. Allerdings ist nicht zu bestreiten, dass es sich bei der Witwen-/Witwerpension um den Ersatz für durch den Tod ausgefallene Unterhaltsansprüche handelt (vgl nur Neumayr in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], SV-Komm [90. Lfg 2014] § 257 ASVG Rz 2). Diese Verbindung besteht nicht nur, wie es das Erk im letzten oben wiedergegebenen Absatz ausdrückt „in wirtschaftlicher Hinsicht“, sondern auch rechtlich: implizit durch das Anknüpfen an die im Todeszeitpunkt aufrechte Ehe bzw eingetragene Partnerschaft, in anderen Fällen bildet das Bestehen von Unterhaltsansprüchen sogar eine explizite Voraussetzung für eine solche Pension (vgl nur § 258 Abs 4 ASVG [BGBl 1955/189zuletzt idF BGBl I 1072015/144]).

Dass aus dieser Surrogatsfunktion notstandshilferechtlich noch keine Zuordnung zum PartnerInnen-Einkommen resultiert, versucht der VwGH aber nicht nur formal zu begründen. Es mache nämlich einen Unterschied, ob (eigenes) Einkommen zur Verfügung stünde, das es grundsätzlich zulasse, Aufwendungen für die soziale Sicherheit zu finanzieren, oder ob die Anrechnung ohne Rücksicht darauf erfolge, ob und welche Unterhaltsleistungen tatsächlich erbracht werden, weil das den/die Arbeitslose/n in wirtschaftlicher Hinsicht nicht in die Lage versetze, „aus eigenem entsprechende Vorsorge für eine KV und PV zu treffen“. Auch wenn dem jeweils – offenkundig mit Blick auf die sachliche Rechtfertigung der Differenzierung – eine „Durchschnittsbetrachtung“ zu Grunde gelegt wird, scheint diese Unterscheidung doch etwas grob.

Dass aus bloß fiktivem Unterhalt, zumal wenn dessen Gewährung nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich nicht durchsetzbar ist, keine Vorsorge für eine KV und PV – in der Sache geht es primär um die Möglichkeit einer Selbstversicherung nach §§ 16, 16a oder vielleicht 19a ASVG – finanziert werden kann, ist unmittelbar einsichtig. Die daraus resultierende „doppelte Diskriminierung“ kann in der Tat nicht gerechtfertigt werden (vgl 2.2. des vorliegenden Erk und die dortigen Nachweise).

Ob sich an dieser Einschätzung aber etwas ändern kann, wenn statt des unsicheren Unterhaltsanspruchs ein grundsätzlich zwar sicherer, aber uU niedriger Witwen-/Witwerpensionsanspruch besteht, kann jedoch durchaus in Frage gestellt werden. Gerade eine Durchschnittsbetrachtung zeigt, dass hier wenig Spielräume bestehen: Die 108durchschnittliche Witwen-/Witwerpension lag 2014 bei € 783,– im Monat, und das 14-mal pro Jahr, dementsprechend bezogen im Dezember 2014 über 61.600 Witwen auch eine Ausgleichszulage (Die österreichische Sozialversicherung in Zahlen, 35. Ausgabe, August 2015, 19 bzw 21). Dem steht gegenüber, dass für die – wegen der Erfassung der PensionsbezieherInnen in der KV (§ 8 Abs 1 Z 1 lit a ASVG) allein relevante – Selbstversicherung in der PV nach § 16a ASVG für ein Versicherungsmonat grundsätzlich ein Beitrag von € 618,45 zu entrichten ist (Beitragsgrundlage nach § 76b Abs 5 ASVG ist die Hälfte der um ein Sechstel erhöhten Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 ASVG und der Beitragssatz beläuft sich nach § 77 Abs 2 iVm § 51 Abs 1 Z 3 ASVG auf 22,8 %). Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass auch bei der Selbstversicherung in der PV eine Herabsetzung der Beitragsgrundlage auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse der betreffenden Person möglich ist (vgl den Verweis in § 76b Abs 5 letzter Satz ASVG, dazu Pfeil, SV-Komm [113. Lfg 2014] § 76b ASVG Rz 8).

Dennoch, wenn es entscheidend darauf ankommen soll, ob das verfügbare Einkommen – zumindest im Regelfall – eine entsprechende Eigenvorsorge in der KV und PV zulässt, müsste eigentlich nach dessen Höhe sowie dessen Herkunft differenziert werden. Handelt es sich um Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit, ist die Nichtanwendung der Begünstigung des § 34 AlVG durchaus stimmig. In der Regel wird hier ohnedies – und zwar auch bei selbständigen Tätigkeiten – eine Pflichtversicherung in der KV und PV vorliegen. Und wenn das Erwerbseinkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze bleibt, besteht die Möglichkeit der günstigen Selbstversicherung nach § 19a ASVG mit einem monatlichen Beitrag von € 58,68 (§ 77 Abs 2a ASVG idF § 2 Z 20 der V BGBl II 2015/417BGBl II 2015/417).

Damit verlieren im Grunde nur Personen mit sonstigen Einkünften (etwa aus Vermietung oder Verpachtung), die höher sind als der Notstandshilfeanspruch, dadurch ihren Krankenversicherungsschutz und den Zugang zur Pflichtversicherung in der PV – und eben BezieherInnen einer (zumal niedrigen) Witwen-/Witwerpension. Bei ersteren überzeugt das vom VwGH ganz am Ende angeführte Argument, dass bei einer Durchschnittsbetrachtung kein Anlass bestehe, Arbeitslose mit eigenem Einkommen, das zum Wegfall der Notstandshilfe führt, diesbezüglich aus Mitteln der AlV zu entlasten. Auch bei den Witwe(r)n fällt es schwer, eine Verantwortung der AlV für die Sicherstellung von Versicherungszeiten in der eigenen PV zu begründen. Die Schutzlücke ist aber evident und in dieser Form wohl auch nicht beabsichtigt, vor allem trifft sie – angesichts von 670 Witwerpensionsbeziehern (zu Ende 2014, vgl noch einmal Die österreichische Sozialversicherung in Zahlen 21) – praktisch ausschließlich Frauen. Und damit wären wir doch wieder bei einer „doppelten“ (mittelbaren) Diskriminierung, für die es im Hinblick auf den Ausschluss der Notstandshilfe mangels Notlage noch eine sozialpolitische Rechtfertigung geben mag, aber eben nicht mehr für die Versagung von Pensionsversicherungszeiten.

Mit der – an sich zutreffenden – Qualifikation der Witwen-/Witwerpension als eigenes Einkommen hat der VwGH offenbar unterstellt, dass insofern auch keine (mittelbare) Diskriminierung von arbeitslosen Frauen vorliegen oder eine solche zumindest gerechtfertigt werden könne. Diese Frage wird aber von der im Erk verwendeten materiellen Begründung für die Rechtfertigung der Beschränkung der Begünstigung nach § 34 AlVG auf Fälle der Anrechnung von PartnerInnen-Einkommen erst recht aufgeworfen.

3.
Möglicher Ausweg

Zusammenfassend ist dem VwGH ebenso wie zuvor dem BVwG und dem AMS zunächst darin beizupflichten, dass eine Witwen-/Witwerpension eigenes Einkommen der/des Arbeitslosen darstellt, so dass die Begünstigung des § 34 AlVG keine unmittelbare Anwendung finden kann, wenn der Entfall des Notstandshilfeanspruchs nur auf diese Pension zurückgeht. Wenn die sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung zwischen eigenem und PartnerInnen-Einkommen aber darin liegt, ob bei einer Durchschnittsbetrachtung, also im Regelfall, die Möglichkeit besteht, selbst entsprechende Vorsorge für eine KV und PV zu treffen, dann ist die Nichterfassung von Witwen-/Witwerpensionen nicht nur ein rechtspolitisches Problem.

Zur Vermeidung der aufgezeigten mittelbaren Diskriminierung von arbeitslosen Frauen, für die auch keine Rechtfertigung ersichtlich ist, wäre eine analoge Anwendung des § 34 AlVG auf jene Fälle zu erwägen, in denen der Notstandshilfeanspruch nur wegen der Witwenpension entfällt. Das sollte zumindest dann gelten, wenn das eigene Einkommen den Ausgleichszulagenrichtsatz nicht übersteigt.

Da die wenigen Witwerpensionen vermutlich noch geringer ausfallen, würde auch hier das Argument, das die Differenzierung zwischen eigenem und PartnerInneneinkommen rechtfertigt, durchschlagen und die Analogie zu § 34 AlVG auch bei (zumindest den niedrigen) Witwenpensionen nahelegen. Sowohl bei Witwen als auch bei Witwern erscheint nämlich auch – jenseits der Geschlechterdiskriminierung – zudem die sachliche Rechtfertigung dieser Differenzierung vor dem Hintergrund des innerstaatlichen Gleichheitssatzes fragwürdig. Insofern könnte die vorgeschlagene Analogie auch darauf gestützt werden, dass mit ihr gleichheits- und damit verfassungswidrige Lösungen verhindert würden.109