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Vordienstzeitenanrechnung von „entsprechenden Tätigkeiten“

JULIATUTSCHEK (LINZ)
§§ 6, 7 ABGB; § 17 Abs 8 KollV für Angestellte des Metallgewerbes
  1. Die bis zum Inkrafttreten des KollV zurückgelegten Vordienstzeiten können nach den Bestimmungen des KollV (bloß) entsprechende Angestelltentätigkeiten sein.

  2. Es sind nach dem KollV auch solche Vordienstzeiten anzurechnen, die als Angestellte/r bei einem oder verschiedenen AG mit der einer bestimmten (allenfalls auch höheren) Verwendungsgruppe entsprechenden Tätigkeit verbracht wurden.

Die Kl war vom 22.5.2013 bis 15.4.2014 bei der Bekl beschäftigt und dabei in der Verwendungsgruppe II des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden KollV für Angestellte des Metallgewerbes eingestuft.

Mit ihrer Klage begehrte die Kl nach Einschränkung die Zahlung von 7.497,43 € brutto sA und die Ausstellung eines Dienstzeugnisses. Sie brachte [...] vor, dass sie 13 Jahre und ein Monat an Vordienstzeiten erbracht habe, die gem § 17 Abs 8 KollV im Höchstausmaß von 12 Verwendungsgruppenjahren anzurechnen gewesen wären. [...]

Das Berufungsgericht gab der von der Kl gegen den klageabweisenden Teil des Ersturteils erhobenen Berufung teilweise statt. [...]

§ 17 Abs 8 KollV definiere Verwendungsgruppenjahre als „Zeiten, die ein Dienstnehmer in einer bestimmten Verwendungsgruppe bzw vor Wirksamkeitsbeginn dieses Kollektivvertrags mit der einer bestimmten Verwendungsgruppe entsprechenden Tätigkeit als Angestellter verbracht hat“. Der zweite Teil dieses Satzes habe offenbar seine Bedeutung dadurch verloren, dass er gem § 21 KollV nur für Arbeiten relevant sein könnte, die vor November 1949 erbracht worden seien. Gerade vor diesem Hintergrund ergebe sich aus der Formulierung „q“ aber die Absicht der Kollektivvertragsparteien, die Anrechenbarkeit auf in diesem KollV geregelte,115 daher nach dem anzuwendenden KollV erbrachte Tätigkeiten zu beschränken. Dabei seien auch solche Vordienstzeiten zu berücksichtigen, die in einer höheren Verwendungsgruppe zurückgelegt wurden. Das erstgerichtliche Verfahren sei daher zur Beurteilung der Frage zu ergänzen, ob anrechenbare Vordienstzeiten der Kl, also Vortätigkeiten, auf die der KollV anzuwenden gewesen sei, vorlägen. [...]

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs [...] ist zulässig (RIS-Justiz RS0007094). Er ist auch inhaltlich, nicht aber im Ergebnis berechtigt.

1. Die dem normativen Teil eines KollV angehörenden Bestimmungen sind nach den Regeln der §§ 6, 7 ABGB, nach ihrem objektiven Inhalt auszulegen. Maßgeblich ist daher, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RIS-Justiz RS0008782; RS0010088). Dabei ist im Zweifel zu unterstellen, dass die Vertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (vgl RIS-Justiz RS0008897; RS0008828). In der Rsp ist auch anerkannt, dass bei der Auslegung von Kollektivvertragsbestimmungen auch ein „Blick über den Kollektivvertragsrand“ als zusätzliches Auslegungskriterium herangezogen werden kann (9 ObA 81/13x mwH; 8 ObA 2105/96h).

2. § 17 KollV trägt die Überschrift „Verwendungsgruppen und Mindestgrundgehälter“. Der hier relevante Abs 8 Satz 2 KollV lautet:

„Als Verwendungsgruppenjahre gelten jene Zeiten, die ein Dienstnehmer in einer bestimmten Verwendungsgruppe bzw vor Wirksamkeitsbeginn dieses Kollektivvertrags mit der einer bestimmten Verwendungsgruppe entsprechenden Tätigkeit als Angestellter verbracht hat.“

3. Die Formulierung in § 17 Abs 8 Satz 2 KollV „Zeiten, die ein Dienstnehmer in einer bestimmten Verwendungsgruppe ... verbracht hat“ umfasst nach ihrem Wortlaut jedenfalls (auch) solche Vordienstzeiten, die ein AN in einem dem KollV unterliegenden Arbeitsverhältnis zurückgelegt hat. Allerdings kann weder aus der Formulierung des ersten, noch aus jener des zweiten Teils dieses Satzes die enge, vom Berufungsgericht vorgenommene Bedeutung geschlossen werden, dass damit nur gleichwertige Tätigkeiten erfasst wären, die vor November 1949 erbracht worden wären. Dies ergibt sich schon da raus, dass der „Wirksamkeitsbeginn“ des KollV (vgl § 11 Abs 2 ArbVG) nicht in der vom Berufungsgericht herangezogenen Schlussbestimmung des § 21 Abs 1 KollV geregelt ist. Diese Bestimmung ordnet lediglich an, dass dieser KollV „eine Ergänzung und Wiederveröffentlichung des Kollektivvertrages vom 1. November 1949“ ist. Der Wirksamkeitsbeginn des (jährlich neu vereinbarten) KollV ist vielmehr (regelmäßig) in § 3 KollV geregelt. Danach trat der zu Beginn des Arbeitsverhältnisses der Kl anwendbare Rahmen-KollV gem § 3 Abs 1 KollV mit 1.1.2013 in Kraft, sodass die bis dahin zurückgelegten Vordienstzeiten schon nach dieser Bestimmung auch Zeiten der einer Verwendungsgruppe nach dem KollV (bloß) entsprechenden Angestelltentätigkeit sein können.

4. Darüber hinaus hatte sich der OGH bereits mehrfach mit den § 17 Abs 8 Satz 2 KollV vergleichbaren Anrechnungsbestimmungen in anderen Kollektivverträgen auseinanderzusetzen:

4.1 Eine mit § 17 Abs 8 Satz 2 KollV nahezu wortidente Anrechnungsbestimmung enthält beispielsweise § 15 Abs 4 Satz 1 des Rahmen-KollV für Angestellte der Industrie. Zu dieser Bestimmung nahm der OGH in der E 4 Ob 40/76 (Arb 9486, damals: § 15 Abs 6 des KollV für Angestellte der Industrie) Stellung. Er führte aus, dass Verwendungsgruppenjahre im Gegensatz zu den im KollV für Angestellte der Industrie auch geregelten Praxisjahren nicht den Angestelltentätigkeiten schlechthin gleichgestellt werden könnten. Für ihre Anrechnung sei vielmehr Voraussetzung, dass der Angestellte während der anzurechnenden Zeit bereits in die betreffende Verwendungsgruppe eingestuft war oder eine dieser Verwendungsgruppe entsprechende Tätigkeit ausübte. Unter einer „bestimmten Verwendungsgruppe“ iS dieser Bestimmung könne nur eine Verwendungsgruppe nach dem KollV für Angestellte der Industrie verstanden werden. [...]

4.2 Der KollV für Angestellte im Handwerk und Gewerbe enthält in seinem § 17 Abs 8 Satz 2 eine mit der hier anzuwendenden idente Bestimmung. Mit dieser Bestimmung (damals: § 17 Abs 9 Satz 3 des KollV für die Angestellten des Gewerbes) hatte sich der OGH in den Entscheidungen 8 ObA 2105/96h und 9 ObA 2106/96p auseinanderzusetzen. Er gelangte in beiden Fällen zu dem Ergebnis, dass auch dann, wenn ausländische Vordienstzeiten (in 8 ObA 2105/96h auch ausländische Hochschulzeiten) nicht ausdrücklich im KollV erwähnt sind, solche Zeiten für die Frage der Anrechnung im Zweifel dann zu berücksichtigen sind, wenn sie in gleicher Weise wie die entsprechenden Tätigkeiten bei einem inländischen AG zum Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten im Beruf geeignet sind (RIS-Justiz RS0102950; RS0029298; [...]). Dies begründete der OGH in der E 8 ObA 2105/96h auch mit dem sich aus Art 7 B-VG, Art 2 StGG ergebenden Sachlichkeitsgebot, das auch für Normen der kollektiven Rechtsgestaltung gilt und gebietet, für gleiche Arbeit das gleiche Entgelt zu zahlen (vgl 9 ObA 125/98f; RIS-Justiz RS0038765).

5. Auch Goricnik vertritt zu § 17 Abs 8 des KollV für Angestellte im Handwerk und Gewerbe (Goricnik/S. Mayer/Priewasser/Stadler, Gewerbe-KV 2014, 347), dass das aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz abgeleitete Sachlichkeitsgebot die Anrechnung von Vordienstzeiten gebiete, wenn und soweit sie zum Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten für die nunmehrige Verwendung zum Nutzen des AG geeignet waren (vgl 9 ObA 39/09i).

6. Aus diesen Gründen ist auch § 17 Abs 8 Satz 2 KollV dahin auszulegen, dass nicht nur solche Vordienstzeiten bis zu dem in § 17 Abs 8 Satz 4 KollV vorgesehenen Höchstausmaß anzurechnen sind, die die Kl in einer bestimmten Verwendungs-116gruppe des KollV zurückgelegt hat, sondern auch solche Vordienstzeiten, die die Kl als Angestellte bei einem oder verschiedenen AG (§ 17 Abs 8 Satz 3 KollV) mit der einer bestimmten (allenfalls auch höheren) Verwendungsgruppe entsprechenden Tätigkeit verbracht hat (9 ObA 39/09i).

7. Damit erweist sich der Rekurs inhaltlich als berechtigt [...].

[...] Die Kl hat bereits in der Klage vorgebracht, dass sie nicht nur Arbeiten einer kaufmännischen Angestellten nach Verwendungsgruppe III des KollV erbracht habe, sondern zudem zum Zeitpunkt ihres Dienstantritts bereits 14 Verwendungsgruppenjahre vorzuweisen gehabt habe. Vor diesem Hintergrund zeigt die Bekl in der Rekursbeantwortung aber keine Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts auf, das das Vorbringen zur Anrechnung von Vordienstzeiten anders als das Erstgericht als ausreichend angesehen hat.

8. Die Rekurswerberin erkennt selbst, dass das Verfahren jedenfalls ergänzungsbedürftig ist. Dem Rekurs war daher, obwohl er sich inhaltlich in Bezug auf die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts als berechtigt erweist, im Ergebnis in Bezug auf die Aufhebung und Zurückverweisung nicht Folge zu geben. [...]

ANMERKUNG
1.
Einleitung und Sachverhalt

In der vorliegenden E beschäftigte sich der OGH mit der Frage der Anrechenbarkeit von Vordienstzeiten, die aufgrund einer Beschäftigung in einer höheren Verwendungsgruppe erbracht wurden. Die Kl erhob Zahlungsklage, die sie damit begründete, dass sie Vordienstzeiten erbracht habe, die gem § 17 Abs 8 KollV anzurechnen gewesen wären.

Fraglich war im vorliegenden Fall der Wirksamkeitsbeginn des KollV und damit korrespondierend die Frage, ob nur Vordienstzeiten anzurechnen sind, die in einer bestimmten Verwendungsgruppe des KollV zurückgelegt wurden, oder auch solche Vordienstzeiten, die mit der einer bestimmten (allenfalls auch höheren) Verwendungsgruppe entsprechenden Tätigkeit verbracht wurden.

2.
Wirksamkeitsbeginn des KollV

Der erste Punkt, den der OGH zu beantworten hatte, war eine Frage, die das Berufungsgericht hinsichtlich des Wirksamkeitsbeginns des KollV aufgeworfen hatte. Das Berufungsgericht stellte bei der Auslegung auf einen unrichtigen Wirksamkeitsbeginn des KollV ab und kam daher zum Ergebnis, dass der zweite Satz des § 17 Abs 8 nicht zur Anwendung komme, weil dieser nur für Arbeiten relevant sein könne, die vor November 1949 erbracht worden seien. Vor diesem Hintergrund ergebe sich nach dem Berufungsgericht die Absicht der Vertragsparteien, die Anrechenbarkeit auf in diesem KollV geregelte, daher nach dem anzuwendenden KollV erbrachte Tätigkeiten zu beschränken.

Nach dem OGH war die Heranziehung des § 21 KollV – und die Schlussfolgerung, dass nur gleichwertige Tätigkeiten vor November 1949 heranzuziehen seien – durch das Berufungsgericht unrichtig. Der Wirksamkeitsbeginn des KollV, der jährlich neu vereinbart wird, sei vielmehr (regelmäßig) in § 3 KollV geregelt. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass hinsichtlich der vor 1.1.2013 (Wirksamkeitsbeginn des KollV) erbrachten Vordienstzeiten eine Anrechnung nur im Wege von „entsprechenden Tätigkeiten“ vorgenommen werden könne.

Der Wirksamkeitsbeginn von Kollektivverträgen ist nach § 11 Abs 2 ArbVG mit dem auf den Tag der Kundmachung folgenden Tag festgelegt, sollten die Parteien nicht eine abweichende Vereinbarung treffen. Im vorliegenden Fall wurde eine abweichende Vereinbarung getroffen, in § 3 KollV wurde der 1.1.2013 als Wirksamkeitsbeginn festgelegt. Der vom Berufungsgericht herangezogene § 21 KollV ordnet lediglich an, dass dieser KollV „eine Ergänzung und Wiederveröffentlichung des Kollektivvertrages vom 1. November 1949“ ist. Auch auf Verlängerungen und Änderungen des KollV sind gem § 16 ArbVG die Regelungen der §§ 14 f ArbVG, in denen die Kundmachung von Kollektivverträgen geregelt ist. Selbst wenn in casu kein Wirksamkeitsbeginn durch die Parteien festgelegt worden wäre, ist die Verlängerung bzw Änderung dennoch kundzumachen gewesen, weshalb der KollV in der damals geltenden Fassung jedenfalls nach der gesetzlichen Regelung in § 11 Abs 2 ArbVG an dem auf den Tag der Kundmachung folgenden Tag in Kraft getreten ist.

Als weiteres bekräftigendes Argument für die Ansicht, dass der Wirksamkeitsbeginn am 1.1.2013 und nicht 1949 ist, ist anzuführen, dass den Vertragsparteien im Zweifel zu unterstellen ist, dass diese eine vernünftige, zweckentsprechende Regelung getroffen haben (vgl RIS-Justiz RS0009997; RS0008828). Die Annahme, dass nach § 17 Abs 8 KollV nur jene Vordienstzeiten, die vor 1949 geleistet wurden, angerechnet werden sollen, würde keine vernünftige, zweckentsprechende Regelung darstellen.

Die Annahme des Wirksamkeitsbeginns des KollV mit November 1949 durch das Berufungsgericht war daher jedenfalls unrichtig. Insofern ist dem OGH zuzustimmen, der den Wirksamkeitsbeginn des KollV mit 1.1.2013 angenommen hat.

3.
Ausgewählte Vorjudikatur zur Vordienstzeitenanrechnung

Der OGH beruft sich bei der Analyse der gegenständlichen Kollektivvertragsbestimmung auf seine Vorjudikatur zu vergleichbaren Bestimmungen. Dabei ist in gewisser Weise ein Wandel in der Judikatur des OGH – hin zu einer großzügigeren Anrechnung von Vordienstzeiten – festzustellen.

In einer E aus dem Jahr 1976 (OGH 28.6.1976, 4 Ob 40/76), der ein Wechsel der Kollektivvertragszugehörigkeit zugrunde lag, sprach der OGH aus, dass im Rahmen der Vordienstzeitenanrechnung117 Angestelltentätigkeiten nach verschiedenen Kollektivverträgen nicht schlechthin gleichgestellt werden können, sondern es für die Anrechnung Voraussetzung sei, dass der Angestellte bereits in die betreffende Verwendungsgruppe eingestuft war. Hierbei könne es sich nur um eine Einstufung nach dem aktuellen KollV handeln. Der OGH wendete somit in den 1970er-Jahren einen relativ engen Maßstab für die Anrechnung von Vordienstzeiten im Bereich von Angestelltentätigkeiten aus verschiedenen Kollektivverträgen an.

In zwei anderen Entscheidungen war fraglich, ob eine Anrechnung auch von ausländischen Vordienstzeiten möglich ist. Den OGH-Entscheidungen vom 23.5.1996, 8 ObA 2105/96h, und vom 10.7.1996, 9 ObA 2106/96p, lag eine dem § 17 Abs 8 KollV idente Bestimmung zugrunde. Für den Fall von ausländischen Vordienstzeiten hat der OGH in Berufung auf weitere Vorjudikatur ausgesprochen, dass diese Zeiten anzurechnen sind, wenn diese in gleicher Weise wie die entsprechenden Tätigkeiten bei einem inländischen AG zum Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten im Beruf geeignet sind. Im Vergleich zur erstgenannten oberstgerichtlichen E 4 Ob 40/76 ist in diesen beiden Entscheidungen ein deutlich liberalerer Umgang mit der Anrechnung von Vordienstzeiten zu erkennen, da es für die Anrechenbarkeit ausreicht, dass die Zeiten zum Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten im Beruf geeignet sind.

Bei der Vordienstzeitenanrechnung ist nach dem OGH das Sachlichkeitsgebot zu beachten, dass sich aus Art 7 B-VG und Art 2 StGG ergibt und für den Bereich der kollektiven Rechtsgestaltung besagt, dass für gleiche Arbeit das gleiche Entgelt zu bezahlen ist (vgl OGH9 ObA 125/98f

[krit Firlei]
= ZAS 1999/15 [krit Aigner]; RIS-Justiz RS0038765). Nach Goricnik gebiete das Sachlichkeitsgebot die Anrechnung von Vordienstzeiten, wenn und soweit sie zum Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten für die nunmehrige Verwendung zum Nutzen des AG geeignet waren (Goricnik in
Goricnik
[Hrsg], Gewerbe-KV 2014 § 17 Erl 6; vgl auch OGH 15.12.2009, 9 ObA 39/09i).

In der E 9 ObA 39/09i stellte der OGH fest, dass mit dem Erfordernis des „nachweisbaren Gruppenalters der gleichen oder einer höheren Beschäftigungsgruppe“ in § 10 Z 2 KollV Bauindustrie und Baugewerbe lediglich auf den Inhalt der bei (irgendeinem) AG zurückgelegten Vordienstzeit abgestellt wird. Frühere – auch im Ausland geleistete – Beschäftigungszeiten sollen bei der Einstufung berücksichtigt werden, wenn und soweit sie zum Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten im nunmehrigen Beruf geeignet waren (vgl so auch schon OGH 23.5.1996, 8 ObA 2105/96h und OGH 10.7.1996, 9 ObA 2106/96p). Es kommt dabei nicht darauf an, dass Tätigkeiten, die dieses Kriterium erfüllen, im Bereich eines bestimmten KollV zurückgelegt worden sind (vgl RS0125570). Da dies auch bisher schon für ausländische Vordienstzeiten vertreten wurde, die klarerweise auch nicht dem aktuellen KollV entsprechen konnten, ist die Erweiterung der Anrechenbarkeit auf Vordienstzeiten, die bei irgendeinem AG (nach dem dort anwendbaren KollV) geleistet wurden, nur konsequent.

Zu befürworten ist, dass nur eine Anrechenbarkeit von Tätigkeiten aus einer gleichen oder höheren Verwendungsgruppe möglich sein soll. Auch wenn – etwa bei Bürotätigkeiten – einzelne Teilbereiche der Tätigkeit unter Umständen auch in niedrigeren Verwendungsgruppen zu finden sind, so ist die Gesamtheit der Tätigkeit, die eine bestimmte Verwendungsgruppe ausmacht, lediglich dieser bzw einer höheren Verwendungsgruppe immanent.

Der OGH stellte in seinen jüngeren Entscheidungen zu vergleichbaren Kollektivvertragsbestimmungen demnach immer auf das Erfordernis der Geeignetheit zur Erlangung von Kenntnissen und Fähigkeiten ab, die Tätigkeit im Rahmen eines bestimmten KollV spielt für die Anrechenbarkeit keine Rolle mehr.

4.
Entscheidung des OGH

In casu hat der OGH festgehalten, dass § 17 Abs 8 Satz 2 KollV dahin auszulegen ist, dass auch solche Vordienstzeiten anzurechnen sind, die die Kl als Angestellte bei einem oder verschiedenen AG mit der einer bestimmten (allenfalls auch höheren) Verwendungsgruppe entsprechenden Tätigkeit verbracht hat. Er hat sich damit an seine Vorjudikatur, insb die OGH-E vom 15.12.2009, 9 ObA 39/09i, angelehnt.

5.
Resümee

Im Lichte der Vorjudikatur des OGH einerseits zur Vordienstzeitenanrechnung bei vergleichbaren Bestimmungen und andererseits zur Anwendbarkeit des Sachlichkeitsgebots auf derartige Kollektivvertragsbestimmungen ist die E des OGH nur konsequent und als Fortsetzung der bisherigen Judikatur zu sehen.

Diese großzügige Anrechnung von Vordienstzeiten ist zu begrüßen, da durch die Anrechnung schließlich nicht nur die Betriebstreue des AN belohnt werden soll, sondern die Kollektivvertragsparteien auch das Element der Berufserfahrung als wesentlich für die Entgeltfindung anerkennen (vgl Goricnik in

Goricnik
[Hrsg], Gewerbe-KV 2014 § 17 Erl 6). In diesem Sinne ist es als positiv zu erachten, dass der OGH die Vordienstzeitenanrechnung von bestimmten AG oder dem Anwendungsbereich eines bestimmten KollV loskoppelt. Alles in allem ist die E des OGH – als Fortsetzung seiner bisherigen Judikaturlinie – zu befürworten.118