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Kein Anspruch auf Pensionsleistung wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bei unterlassener Verwendung eines Hilfsmittels

PAULAASCHAUER (GRAZ)
  1. Der OGH ist ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig. Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird. Nur wenn das Berufungsgericht sich mit der Rechtsfrage überhaupt nicht befasst hat, ist sein Verfahren mangelhaft.

  2. Auf die subjektive Meinung des Versicherten, arbeitsunfähig zu sein, kommt es nicht an; die Feststellung der Arbeitsfähigkeit erfolgt vielmehr objektiv durch Vergleich der verbliebenen Arbeitsfähigkeit des Versicherten im Zeitpunkt der Feststellung mit der Arbeitsfähigkeit eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung, gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten.

  3. Besteht das Hindernis zur Ausübung eines Berufes nur darin, dass der Versicherte nicht über das erforderliche Hilfsmittel verfügt und unternimmt er nichts, um dessen Beistellung zu erreichen, so kann er aus der dadurch bedingten Behinderung einen Anspruch auf eine Pensionsleistung wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nicht ableiten.

Der am 5.12.1964 geborene Kl war zuletzt als Leiter des Finanz- und Rechnungswesens beschäftigt und in die Verwendungsgruppe Va des Rahmen-KollV für Angestellte der chemischen Industrie eingestuft. Er leidet an einer angeborenen hochgradigen Sehschwäche am rechten Auge, wodurch ihm mit diesem nur ein peripheres Sehen möglich ist. Die Einschränkungen und Beschwerden im Zusammenhang damit verschlechterten sich nach seinem Eintritt ins Berufsleben. Bei Arbeiten auf Distanzen unter einem Meter, beispielsweise Bildschirmarbeiten, können Beschwerden wie Kopfschmerzen, Augenbrennen oder Doppelbilder auftreten. Diese können durch das Abdecken des rechten Auges hintangehalten werden, was bei einem achtstündigen Arbeitstag keine negativen Folgen oder Spätfolgen hervorruft. Aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls ist der Kl in der Lage, etwa als Leiter des Rechnungswesens, Leiter der Buchhaltung oder des Kassenwesens zu arbeiten. Diese Tätigkeiten entsprechen einer Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 5 des KollV für Lehrlinge und Angestellte in Handelsbetrieben.

Von den Vorinstanzen wurde das Klagebegehren auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung nicht zulässig sei. Die vom Kl dagegen erhobene außerordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Entscheidungsgründe des OGH: [...]

1. Der OGH ist ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig (RIS Justiz RS0123663). Eine mangelhafte oder unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht angefochten werden. Nur wenn das Berufungsgericht sich mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hat, ist sein Verfahren mangelhaft (RIS Justiz RS0043371). Das Berufungsgericht muss sich aber nicht mit jedem einzelnen Beweisergebnis und jedem Argument des Berufungswerbers auseinandersetzen. Auch eine knapp gehaltene Begründung, die noch erkennen lässt, dass eine Prüfung stattgefunden hat, genügt (RIS Justiz RS0043371 [T4, T18]).

Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird. Vom Revisionsgericht ist nicht zu prüfen, ob eine vom Berufungsgericht gezogene Schlussfolgerung richtig oder fehlerhaft ist (RIS Justiz RS0043150).

Obwohl das Berufungsgericht die Tatsachenrüge des Kl als nicht gesetzmäßig ausgeführt erachtete, hat es sich dessen ungeachtet auch inhaltlich ausführlich mit ihr auseinandergesetzt. Eine vom OGH aufzugreifende Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird daher nicht aufgezeigt. Der OGH hat bei seiner rechtlichen Beurteilung von den bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen auszugehen.

2. Die Frage, ob der Kl als berufsunfähig anzusehen ist, ist anhand der Rechtslage, zu dem durch die Antragstellung ausgelösten Stichtag (1.6.2004) zu beurteilen, somit nach § 273 Abs 1 ASVG idF des 2. SVÄG BGBl I 2003/145 (§ 223 Abs 2 ASVG; RIS Justiz RS0115809).

3. Der Kl sieht eine wesentliche Rechtsfrage darin, dass keine Rsp dazu vorliege, welchen Einfluss es auf den Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension hat, wenn dem Antragsteller die Maßnahme, durch die die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt werden kann, erst zu einem späten Zeitpunkt bekannt wird.

4. Nach § 273 Abs 1 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung gilt als berufsunfähig der Versicherte, dessen Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands auf weniger als die Hälfte desjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist.

Auf die subjektive Meinung des Versicherten, arbeitsunfähig zu sein, kommt es dabei unabhängig davon, worauf sich diese Ansicht gründet und ob den Versicherten daran ein Verschulden trifft, nicht an. Die Feststellung der Arbeitsfähigkeit erfolgt vielmehr objektiv durch Vergleich der verbliebenen Arbeitsfähigkeit des Versicherten im Zeitpunkt der Feststellung mit der Arbeitsfähigkeit eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung, gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten (vgl 10 ObS 178/94, SSV-NF 8/75 ua).119

5. Der Versicherte ist im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht verhalten, alle zumutbaren Maßnahmen zu unternehmen, um einen Zustand zu erhalten oder herbeizuführen, der ihn in die Lage versetzt, sonst zumutbare Arbeiten zu verrichten. Dies beinhaltet auch die Verwendung von Hilfsmitteln, deren Anschaffung und Nutzung ihm möglich und objektiv zumutbar ist.

Besteht das Hindernis zur Ausübung eines Berufs nur darin, dass der Versicherte nicht über das erforderliche Hilfsmittel verfügt und unternimmt er nichts, um dessen Beistellung zu erreichen, so kann er aus der dadurch bedingten Behinderung einen Anspruch auf eine Pensionsleistung wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nicht ableiten. Nur dann, wenn über seinen Antrag die Anschaffung des Hilfsmittels verweigert würde oder die Anschaffung seine Leistungsfähigkeit übersteigt, könnte ein Anspruch auf eine Pensionsleistung wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bejaht werden. Eine andere Betrachtungsweise würde zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, dass etwa ein Versicherter, der zufolge eintretender Weitsichtigkeit zur Durchführung seiner Tätigkeit eine Brille benötigt, dadurch, dass er keine Schritte zur Beistellung der Brille unternimmt, die Voraussetzung für einen Pensionsanspruch wegen geminderter Arbeitsfähigkeit herstellen könnte (10 ObS 55/88, SSV NF 2/50).

Ist die Ausübung sonst zumutbarer Verweisungstätigkeiten daher nur wegen des Tragens einer schlecht sitzenden Prothese (10 ObS 55/88, SSV NF 2/50) oder der Ablehnung einer Brille mit einem undurchsichtigen Glas (10 ObS 17/97s, SSV NF 11/15) nicht möglich, oder ist eine Unterzuckergefahr dadurch beherrschbar, dass mehrmals täglich Blutzuckerbestimmungen zur Überprüfung der Werte durchgeführt werden und das Verhalten auf diese eingerichtet wird (10 ObS 13/93, SSV NF 7/14), ist auf die sich daraus ergebenden Einschränkungen bei Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht Bedacht zu nehmen (vgl auch die ähnliche Regelung in § 3 Abs 1 EinstV zum BPGG für den Bereich des Pflegegeldanspruchs).

6. Kann daher durch die Verwendung einfacher Hilfsmittel die Arbeitsfähigkeit erhalten werden, ist, anders als bei Heilbehandlungen, durch die eine bereits geminderte Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt werden soll und deren Notwendigkeit dem Antragsteller noch einmal vor Augen geführt werden soll, keine Aufforderung zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht durch den Pensionsversicherungsträger erforderlich. Da keine auch nur vorübergehende Arbeitsunfähigkeit vorliegt, kommt auch eine befristete Pensionsleistung nicht in Betracht. Darüber hinaus hat der augenfachärztliche Sachverständige Dr. S bereits in seinem ersten Gutachten vom 16.4.2005 (ON 5) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dem Kl trotz funktioneller Einäugigkeit Büro- und Bildschirmarbeiten durchaus zumutbar sind, weil das sehschwache rechte Auge abgedeckt werden kann und der Kl das Arbeiten am Bildschirm mit abgedecktem rechten Auge erlernen kann. Auf die subjektive Ansicht des Antragstellers, arbeits(un)fähig zu sein, kommt es wie ausgeführt nicht an.

7. Vor diesem Hintergrund ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass kein Pensionsanspruch wegen geminderter Arbeitsfähigkeit besteht, nicht zu beanstanden.

Die außerordentliche Revision war daher gem § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

ANMERKUNG
1.
OGH hält Linie zur Verantwortlichkeit des Versicherten zum Erhalt und zur Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit aufrecht

Brauchen Sie, verehrte Leserin oder Leser, eine Brille, um diesen Text scharf und einwandfrei visuell erfassen zu können oder haben Sie sich eventuell sogar einem Eingriff mit Laserstrahlen unterzogen, um Ihre Augen wieder fit zu machen? Wenn Sie diese Frage bejahen, gehören Sie zu jenem (eventuell auch pensionsversicherten) Personenkreis, der für seine Augengesundheit selbst Verantwortung übernommen, einen entsprechenden Heilbehelf (iSd § 137 ASVG, BGBl 1955/189 idF BGBl I 2004/156) zugelegt oder sich gar einer weitergehenden Maßnahme, nämlich einem ärztlichen Eingriff, unterzogen hat. Diffiziler wird die Maßnahmenergreifung freilich, sobald es sich nicht um eine „gewöhnliche“ Kurz- oder Weitsichtigkeit handelt, sondern – wie im vorliegenden Fall – um eine weniger häufige angeborene schwere Fehlsichtigkeit mit potentiell gravierenden Folgen für den allgemeinen Gesundheitszustand. Hier muss zuvorderst – zumeist von einer Fachärztin oder einem Facharzt – geklärt werden, ob und wenn ja, welcher Heilbehelf oder welche Maßnahme zur Verfügung steht, um die Einschränkung der Gesundheit zu beheben und somit die Arbeitsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen. In weiterer Folge gilt es festzustellen, ob bei Verweigerung der Verwendung entsprechender Heilbehelfe oder Hilfsmittel ein Anspruch aus dem Titel der Pension wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit zusteht.

2.
Sachverhalt und Problemstellungen

Der Kl, Leiter des Finanz- und Rechnungswesens eines in der chemischen Industrie tätigen AG, stellt in seinem 40. Lebensjahr (im Jahr 2004) einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension. Er leidet an einer angeborenen hochgradigen Sehschwäche am rechten Auge, was neben einem nur peripheren Sehvermögen auch Beschwerden beim Arbeiten auf Distanzen unter einem Meter verursacht. Der Kl brachte ua vor, er könne seine bisherige Tätigkeit, vor allem die überwiegende Bildschirmtätigkeit, auf Grund der beschriebenen Beschwerden nicht mehr ausüben. Erwähnenswert scheint in diesem Zusammenhang, dass diese Ansicht auf einer fachärztlichen Einschätzung basierte, die sich im Laufe des Verfahrens als unzutreffend erwies: Das ASG Wien hielt fest, dass durch das Abdecken des rechten Auges sämtliche Beschwerden hintangehalten werden können; auch werden dadurch keine negativen Folgen bzw Spätfolgen beim Kl120 hervorgerufen. Es tritt keine dauerhafte Veränderung der Augenstellung oder ein Verlust der beim Kl weitgehend normalen Sehkapazität in die Ferne ein. Im Anschluss war festzustellen, welches Verweisungsfeld für den Kl zumutbar sei. Als Leiter des Finanz- und Rechnungswesens war der Kl in die Verwendungsgruppe Va des Rahmen-KollV für Angestellte der chemischen Industrie eingestuft. Das Erstgericht kam zu dem Schluss, dass der Kl aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls in der Lage sei, etwa als Leiter des Rechnungswesens, Leiter der Buchhaltung oder des Kassenwesens zu arbeiten. Diese Tätigkeiten entsprechen einer Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 5 des KollV für Lehrlinge und Angestellte in Handelsbetrieben. Aus der vorliegenden E geht hervor, dass dem Kl rund um den Zeitpunkt der Beantragung der Berufsunfähigkeitspension offenbar nicht bekannt war, dass es eine Maßnahme gibt, durch welche die Arbeitsfähigkeit erhalten werden kann. Mit dem Hinweis darauf, dass es zu diesem Umstand noch keine höchstgerichtliche Rsp gäbe, legte der Kl unter Berufung auf die Wesentlichkeit der Rechtsfrage außerordentliche Revision ein. Darin wird – so kann es der E entnommen werden – auch die Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung im vorinstanzlichen Verfahren vorgebracht.

3.
Der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit

Die Minderung der Arbeitsfähigkeit kann in der Praxis in ganz unterschiedlicher Intensität und Ausgestaltung auftreten. Die Einschränkung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit kann so geringfügig sein, dass es sich auf die Arbeitsfähigkeit nicht oder nur geringfügig auswirkt (bspw das Fehlen einer Fingerkuppe im handwerklichen Bereich oder bei Büroarbeiten; anders verhält es sich natürlich, wenn es sich um eine Pianistin handelt). Umgekehrt kann die Einschränkung jedoch so schwerwiegend sein, dass die Arbeitsleistung absolut unmöglich ist. Zwischen diesen beiden Fällen am Ende des Spektrums der Arbeitsfähigkeit befinden sich all jene Einschränkungen, bei denen der Verbleib im bisherigen Beruf nicht mehr oder nicht mehr im bisherigen Ausmaß möglich ist, die Ausübung einer leichteren oder verkürzten Tätigkeit jedoch sehr wohl zumutbar ist. Abhängig vom Umfang der Einschränkung und der verbleibenden Kapazität der Leistungserbringung ergibt sich eine unterschiedlich hohe Differenz zwischen dem bisherigen und dem nunmehr erzielbaren Einkommen sowie im sozialen und beruflichen Prestige der Tätigkeit. Anders als in der UV, in der sowohl Voll- als auch Teilrenten gewährt werden, gilt in der PV das Alles- oder Nichts-Prinzip: Versicherte erhalten entweder die volle oder gar keine Pension (Tomandl, Sozialrecht6 [2009] Rz 256).

3.1.
Prüfung einer bestehenden Restarbeitsfähigkeit

Im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit ist zunächst zu prüfen ob objektiv Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Der für den vorliegenden Sachverhalt zentrale § 273 Abs 1 ASVG (BGBl 1955/189 idF BGBl I 2003/145) normiert(e), dass ein Versicherter als berufsunfähig anzusehen ist, wenn dessen Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen herabgesunken ist. Im vorliegenden Sachverhalt wurde in drei Rechtsgängen und wahrhaft zahlreich erhobenen Beweisen von drei Rechtsinstanzen befunden, dass keine objektive Arbeitsunfähigkeit vorliegt, da der Kl einer Arbeit, die in hohem Maße auch ein Nahsehen erfordert, nachgehen kann, indem er das rechte Auge abdeckt. Auf die subjektive Meinung des Versicherten, nicht arbeitsfähig zu sein, kommt es dabei – unabhängig davon, ob sich die Ansicht des Versicherten auf unverschuldetes Nichtwissen gründet oder bloß auf unterlassener aber zumutbarer Informationseinholung basiert – nicht an. Die versicherte Person treffen Mitwirkungspflichten sowohl im diagnostischen als auch im heilenden Bereich (weiterführend dazu vgl Tomandl, Sozialrecht6 Rz 139). In diesem Zusammenhang müssen Versicherte nicht nur in Zusammenarbeit mit dem Versicherungsträger, sondern auch eigenständig dafür sorgen, zumutbare Schritte zur Erlangung von Heilverfahren oder zur Beistellung entsprechender Heilbehelfe oder Hilfsmittel vorzunehmen, sofern durch deren Einsatz die Minderung der Arbeitsfähigkeit abgewendet werden könnte (OGH10 ObS 55/88SSV-NF 2/50). Wenn im ersten Prüfschritt keine absolute Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird, sondern unter Einsatz von Heilbehandlungen und/oder Heilbehelfen die Arbeitsfähigkeit, wenn auch nur gemindert, aufrecht erhalten werden kann, sodass keine Leistung im Rahmen der PV erbracht werden muss, ist in einem weiteren Schritt zu klären, ob und wenn ja, im Rahmen welcher Tätigkeit die Verwertung der Restarbeitsfähigkeit zugemutet werden kann.

3.2.
Verweisungsfeld

Zunächst muss an die bisherige Berufstätigkeit angeknüpft und geklärt werden, ob und in welcher – allenfalls auch eingeschränkten – Form diese weiter ausgeübt werden kann. Ist ein Verbleib im bisherigen Beruf nicht mehr möglich, kommt die Verweisung, also der Wechsel, in ein ähnliches Tätigkeitsfeld unter Bedachtnahme auf die geistigen und körperlichen Fähigkeiten der versicherten Person, in Betracht (Neumayr, Wann steht ein Versicherter dem Arbeitsmarkt zu Verfügung?ZAS 2003/43, 196). Im vorliegenden Fall übte der Kl Angestelltentätigkeiten aus, weshalb ein Berufsschutz zum Tragen kam: Dieser orientiert sich einerseits an jenem Beruf, den der Angestellte zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt hat; andererseits sind Verweisungen, die zu einem sozialen Abstieg führen, unzulässig (Tomandl, Sozialrecht6 Rz 259 mwN). Maßgeblich dabei ist die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit und nicht die arbeitsvertragliche Vereinbarung (RS0083738). Ein sozialer Abstieg liegt nur121 dann vor, wenn die Verweisungstätigkeit „in den Augen der Öffentlichkeit“ gegenüber der bisherigen Tätigkeit ein wesentlich geringeres Ansehen genießt (OGH 10.6.2008, 10 ObS 73/08w). Das Verweisungsfeld umfasst sämtliche Tätigkeiten, in denen der Angestellte seine Kenntnisse und Fähigkeiten einsetzen kann. Der Gesetzgeber stellt dabei nicht auf gleiche oder gleichartige Kenntnisse oder Fähigkeiten ab, sondern auf gleichwertige (OGH10 ObS 21/98f SSV-NF 12/15). In stRsp (vgl nur OGH10 ObS 80/91SSV-NF 5/34; OGH 14.3.1995, 10 ObS 45/95, zuletzt OGH 22.10.2015, 10 ObS 114/15k) wird die Auffassung vertreten, dass die Verweisung von Angestellten auf Tätigkeiten der nächstniedrigeren Beschäftigungs- oder Verwendungsgruppe eines KollV in der Regel mit keinem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden ist, auch wenn es sich dabei um Arbeiten mit weniger Eigenverantwortung oder weniger unterstellten Mitarbeitern handelt (Sonntag in

Sonntag
[Hrsg], ASVG5 [2014] § 273 Rz 14). Gewisse Einbußen an Entlohnung und sozialem Prestige muss ein Versicherter der Rsp zufolge hinnehmen (RS0085599; krit dazu Tomandl, Sozialrecht6 Rz 259 unter Hinweis auf den Gesetzestext und dass die Prüfung unterbleibe, ob die Arbeitsfähigkeit auf weniger als die Hälfte jener eines gesunden Angestellten in einem Verweisungsberuf herabgesunken ist). In Einzelfällen hielt die Rsp auch die Verweisung auf eine Tätigkeit der nächstniedrigeren Verwendungsgruppe für unzulässig, wenn die vorausgegangene Stellung in den Augen der Öffentlichkeit wesentlich höheres Ansehen genießt als die der nächstniedrigeren kollektivvertraglichen Stufe (vom Filialleiter zum Fakturisten mit einfacher Verrechnung, RS0084915). In vielen Fällen ziehen die Gerichte – wie auch im vorliegenden Sachverhalt – als Vergleichs- und Verweisungsmaßstab den KollV für Angestellte in Handelsbetrieben heran.

4.
OGH als Rechtsinstanz zur Klärung von Rechtsfragen

Zur von der revisionswerbenden Partei vorgebrachten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nimmt der OGH ganz klar Stellung und verweist auf seine Zuständigkeit zur Überprüfung von Rechtsfragen (RS0123663). Nicht bekämpfbar ist die Beweiswürdigung der Vorinstanzen (Zechner in

Fasching/Konecny
, ZPO2 [2005] § 502 Rz 10), lediglich in jenen Fällen, in denen sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hat, ist das Verfahren mangelhaft (RS0043371). Auch ist vom Revisionsgericht nicht zu prüfen, welche Qualität eine von der Vorinstanz gezogene Schlussfolgerung hat (RS0043150).

5.
Conclusio

Der OGH hat die vorliegenden Rechtsfragen zweifellos zutreffend geklärt und hält seine Linie bezüglich Pensionsanspruch bei dauernder Arbeitsunfähigkeit aufrecht. Er weist in seiner Begründung abschließend noch einmal darauf hin, dass, anders als bei Heilbehandlungen, durch die eine bereits geminderte Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt und deren Notwendigkeit der antragstellenden Person noch einmal vor Augen geführt werden soll, bei der Verwendung einfacher Heilbehelfe wie Brillen (seien sie auch auf einer Seite undurchsichtig), keine Aufforderung zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht erforderlich war und sohin gesetzmäßiges Handeln durch den Pensionsversicherungsträger vorlag. Auch in der KV lösen bloß subjektiv empfundene Beeinträchtigungen der Lebensqualität keinen Leistungsanspruch aus, selbst wenn sie medizinisch behandelt werden. So ist in der PV, wie auch in der KV, die Abgrenzung zwischen Anspruch auf Krankenbehandlung bzw Pension und eigenverantwortlichem Bereich – sich gesund und fit zu halten oder aber den richtigen Heilbehelf bzw das richtige Hilfsmittel zu finden – gerade dann schwierig, wenn es sich um Lebensbereiche handelt, in denen guter ärztlicher Rat von Nöten ist. Es kann abschließend die Frage aufgeworfen werden, ob der Kl die von Gesetz und Rsp geforderte Mitwirkungspflicht nicht schon allein dadurch erfüllt haben könnte, indem er sich fachärztliche Hilfe holte, die aber offenbar nicht in der Lage war, den Kl restlos über sein medizinisches Leistungskalkül aufzuklären (weitergehend dazu siehe Felten, Eigenverantwortung und Solidarität in der Sozialversicherung – ein Widerspruch?ZAS 2015, 251 [256]). Darüber hinaus bleibt offen, wie sich das berufliche Fortkommen des Kl nach über zehnjähriger Prozessführung gestaltet.122