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Unberechtigte Entlassung nach nicht gemeldetem Kranken stand: Anspruch auf Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung?

MONIKADRS (WIEN)
  1. AN, deren Istlohn (für die Normalarbeitszeit) den Kollektivvertragslohn um weniger als 15 % übersteigt, haben aufgrund des einschlägigen KollV einen Sonderzahlungsanspruch in der Höhe des Zweifachen ihres durchschnittlichen Istlohns, wobei in die Durchschnittsbetrachtung auch schlechter bezahlte Beschäftigungen, die im Beobachtungszeitraum ausgeübt wurden, einbezogen wurden.

  2. § 1162c ABGB sieht bei Mitverschulden des AN an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Kürzung der beendigungsabhängigen Ansprüche vor; das gilt auch dann, wenn den AN ein Verschulden an der unberechtigten Entlassung trifft, weil er einen ihm bekannten Rechtfertigungsgrund (zB Krankheit) für ein an sich pflichtwidriges Verhalten (zB Fernbleiben von der Arbeit) dem AG schuldhaft nicht bekannt gibt und der AG bei Kenntnis dieses Rechtfertigungsgrundes die Entlassung aller Voraussicht nach nicht ausgesprochen hätte.

  3. Die Mitverschuldensregel gilt nicht nur für Schadenersatzansprüche iSd §§ 1162a und 1162b ABGB (die Kündigungsentschädigung), sondern auch für sämtliche von der Art der Beendigung abhängigen Ansprüche, im Anlassfall auch für die nach dem KollV von der Beendigungsart abhängigen Anspruch auf Sonderzahlungen und die Urlaubsersatzleistung.

[...] Der Kl war von 12.10. bis 16.12.2011 bei der Bekl zunächst als Getränketräger, ab 1.11.2011 als Kellner mit Inkasso [...] beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis fand der KollV für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe Anwendung. Das Dienstverhältnis endete durch Entlassung, nachdem der Kl ab 9.12.2011 nicht mehr zum Dienst erschien. Tatsächlich war er krank, übermittelte jedoch keine Krankenstandsbestätigung und war für die Bekl auch nicht mehr erreichbar.

Im Verfahren ist nicht mehr strittig, dass die Entlassung aufgrund der Erkrankung des Kl ungerechtfertigt erfolgte, dem Kl aber wegen der schuldhaften Verletzung der Mitteilungs- und Nachweispflichten im Krankenstand grundsätzlich ein Mitverschulden an der Entlassung im Ausmaß 1 : 1 anzulasten ist sowie dass er nach § 4 Abs 4 EFZG vom 9.12.2011 bis 16.12.2011 keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat.

Der Kl begehrte zuletzt insgesamt 2.422 € brutto an offenem Gehalt, Kündigungsentschädigung, Urlaubsersatzleistung und Entgeltfortzahlung sowie – revisionsgegenständlich – für den Zeitraum 12.10. bis 8.12.2011 anteilige Jahresremuneration und Sonderzahlung zur Urlaubsersatzleistung. [...]

Die Bekl bestritt. [...]

Das Erstgericht gab der Klage im zweiten Rechtsgang im Umfang von 1.681,70 € brutto sA Folge und wies das Mehrbegehren von 740,30 € brutto sA ab. [...]

Das Berufungsgericht gab der nur gegen den Zuspruch von 390,46 € brutto (364,81 € Jahresremuneration und 25,65 € Sonderzahlung zur Urlaubsersatzleistung) gerichteten Berufung der Bekl teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahingehend ab, dass dem Kl insgesamt 1.392,27 € brutto sA zugesprochen wurde; das Mehrbegehren von 1.029,43 € brutto wurde abgewiesen. Der KollV unterscheide hinsichtlich der Jahresremuneration zwischen DN, deren Istlohn den Kollektivvertragslohn um weniger als 15 % übersteige und solchen, deren Istlohn den KollV um 15 % oder mehr übersteige. In der ersten Gruppe sei eine Durchschnittsberechnung des Istlohns anzustellen. Die Jahresremuneration entspreche dem Zweifachen des so errechneten Istlohns. In der zweiten Gruppe sei die Jahresremuneration mit 230 % des kollektivvertraglichen Mindestlohns limitiert. Der Kl habe nur den kollektivvertraglichen Mindestlohn verdient, in den 8,29 Wochen seiner Beschäftigung umgerechnet auf ein Monat durchschnittlich 1.271,34 €. Die Jahresremuneration betrage daher 2.542,68 €, der anteilige Anspruch des Kl (52 × 8,29) 405,36 €.

Für die Berechnung der anteiligen Sonderzahlungen zur Urlaubsersatzzahlung sei vom Kollektivvertragslohn bei Beendigung des Dienstverhältnisses von 1.291 € auszugehen. Zum aliquoten Urlaubsersatzanspruch für 4,77 Werktage stünden Sonderzahlungen von 39,47 € (1.291 × 2 : 12 : 26 × 4,77) zu.

Gem § 1162c ABGB habe der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebühre, wenn beide Teile ein Verschulden an der vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses treffe. Diese Regelung sei nach der Rsp auf alle beendigungsabhängigen Ansprüche anzuwenden. Da die Jahresremuneration nach dem KollV entfalle, soweit der AN gerechtfertigt entlassen werde, handle es sich auch bei ihr um einen solchen beendigungsabhängigen Anspruch. Auch die Sonderzahlungen zur Urlaubsersatzleistung unterlägen der Mitverschuldensregelung. Der Kl habe daher nur Anspruch auf 50 % der errechneten Beträge, 202,68 € brutto an Jahresremuneration und 19,74 € brutto an Sonderzahlung zur Urlaubsersatzleistung. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil die Frage der Berechnung der kollektivvertraglichen Jahresremuneration sowie der Kürzung des Anspruchs nach einer unberechtigten aber vom AN mitverschuldeten Entlassung in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe.

Gegen die Abweisung eines Betrags von 289,13 € brutto sA richtet sich die Revision des Kl mit dem Antrag, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Bekl beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Der KollV für das Hotel- und Gastgewerbe für Arbeiter [...] regelt die Jahresremuneration in Art 14:128

„a) Alle AN (Arbeiter und Lehrlinge), die mindestens zwei Monate ununterbrochen im selben Betrieb beschäftigt sind, haben Anspruch auf Jahresremuneration in der Höhe von 230 Prozent des im jeweiligen Lohnübereinkommen festgelegten Mindestmonatslohnes, jedoch maximal bis zur Höhe des tatsächlich ins Verdienen gebrachten Lohnes für die Normalarbeitszeit. Die Berechnungsbasis für die Jahresremuneration von AN, deren Verdienst den kollektivvertraglichen Mindestlohn um weniger als 15 Prozent übersteigt, bildet der Durchschnitt der letzten 12 vollen Kalendermonate vor Auszahlung dieser Jahresremuneration, bei kürzerer Dienstzeit die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses. ...c) Die Auszahlung erfolgt nach erreichter Anwartschaft jeweils zur Hälfte bei Urlaubsantritt und mit der Novemberauszahlung, längstens aber bis zum 15. Dezember des laufenden Jahres. ...g) Der Anspruch auf Jahresremuneration entfällt, wenn ein AN gem § 82 GewO 1859 entlassen wird oder ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder die vorgesehene Kündigungsfrist nicht einhält. ...“

Art 14 lit a KollV begrenzt somit die Jahresremuneration zweifach, einerseits mit 230 % des jeweiligen kollektivvertraglichen Mindestlohns, zugleich aber mit „der Höhe des tatsächlich ins Verdienen gebrachten Lohnes für die Normalarbeitszeit“. Aus der Gesamtschau der Regelung ergibt sich – trotz missverständlichen Wortlauts –, dass als zweite Höchstgrenze nicht der einfache, sondern der zweifache Istlohn heranzuziehen ist. Dies lässt sich aus der grundsätzlichen Festlegung der Höhe der Jahresremuneration mit 230 % und nicht mit 115 % des jeweiligen kollektivvertraglichen Mindestlohns ableiten sowie aus der Auszahlung der Jahresremuneration in zwei Teilen (Steinlechner/Weiß, Kollektivverträge für das Hotel- und Gastgewerbe für Arbeiter und Angestellte 109; vgl auch Gagawczuk/Thamm, Arbeitsrechtliche Ansprüche von A-Z, Rz 275).

Richtig hat das Berufungsgericht dargelegt, dass dadurch eine Unterscheidung zwischen AN getroffen wird, deren Istlohn (für die Normalarbeitszeit) den Kollektivvertragslohn um weniger als 15 % übersteigt und AN, deren Istlohn den kollektivvertraglichen Mindestlohn um 15 % oder mehr übersteigt. Nur AN dieser zweiten Gruppe, bei denen das Doppelte des Istlohns 230 % des kollektivvertraglichen Mindestlohns ausmacht oder übersteigt, erhalten eine Jahresremuneration von 230 % des kollektivvertraglichen Mindestlohns. Diejenigen, bei denen der Istlohn 115 % des kollektivvertraglichen Mindestlohns nicht erreicht, haben nur Anspruch auf – entsprechend der zuvor dargestellten Auslegung – das Zweifache ihres Istlohns, das notwendigerweise unter 230 % liegt.

2. Bei diesen DN ist die Berechnungsbasis für die Jahresremuneration nach dem eindeutigen Wortlaut (vgl 8 ObA 30/04a zu einer gleichlautenden älteren Kollektivvertragsregelung) des zweiten Satzes des Art 14 lit a des KollV der Durchschnitt der letzten 12 Kalendermonate vor Auszahlung der Jahresremuneration, bei kürzerer Dienstzeit die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses. Unstrittig hat der Kl für seine Tätigkeit als Getränketräger sowie als Kellner mit Inkasso den jeweiligen kollektivvertraglichen Mindestlohn erhalten. Gegen die Richtigkeit des vom Berufungsgericht ermittelten durchschnittlichen kollektivvertraglichen Mindestlohnanspruchs von monatlich 1.271,34 € wendet sich auch der Revisionswerber nicht.

Daraus errechnet sich ein Anspruch auf Jahresremuneration von 2.542,68 € für das gesamte Kalenderjahr sowie ein anteiliger Anspruch des Kl für die 8,29 Wochen seiner Beschäftigung von 405,36 €.

3. Auch bei Berechnung der Sonderzahlung zur Urlaubsersatzleistung ist nur vom Zweifachen des kollektivvertraglichen Mindestlohns, nicht wie vom Revisionswerber angenommen dem 2,3-fachen auszugehen. Für die unstrittig abzugeltenden 4,77 Urlaubstage besteht daher grundsätzlich der vom Berufungsgericht richtig errechnete Anspruch von 39,47 €.

4. Zutreffend gingen die Vorinstanzen davon aus, dass § 1162c ABGB ebenso wie § 32 AngG die Kürzung von aus der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses resultierenden Ansprüchen bei Mitverschulden vorsieht. Diese Regelung ist jedenfalls dann anzuwenden, wenn die vorzeitige Auflösung berechtigt war, aber auch den Auflösenden (etwa infolge Provokation) ein Verschulden trifft. Ebenso kann aber auch den AN ein Verschulden an der unberechtigten Entlassung treffen, wenn er einen ihm bekannten Rechtfertigungsgrund für ein an sich pflichtwidriges Verhalten (§ 82 lit f GewO 1859) dem AG schuldhaft nicht bekannt gibt und der AG bei Kenntnis dieses Rechtfertigungsgrundes die Entlassung aller Voraussicht nach nicht ausgesprochen hätte (Kuderna, Entlassungsrecht2, 76; Spenling in KBB4 § 1162c Rz 2; Schrammel in

Fenyves/Kerschner/Vonkilch
, Klang3 §§ 1162a bis 1162d Rz 60; RIS-Justiz RS0116894; RS0101991; RS0028246 9 ObA 108/05f ua).

Eine Entlassung ist ungerechtfertigt, wenn der AG sie bei Fernbleiben des AN von der Arbeit trotz Vorliegens eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes ausgesprochen hat. Ein Mitverschulden des AN ist dann anzunehmen, wenn er dem AG einen Rechtfertigungsgrund wie zB Krankheit nicht bekannt gibt.

In diesem Sinn sind die Vorinstanzen (unbekämpft) von einem gleichteiligen Verschulden der Parteien ausgegangen. Die Revision des Kl wendet sich nur gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass auch die Jahresremuneration und die Sonderzahlung zur Urlaubsersatzleistung der Mitverschuldensregel des § 1162c ABGB unterliegt.

Nach der Rsp gilt die Mitverschuldensregel nicht nur für Schadenersatzansprüche iSd §§ 1162a und 1162b ABGB, sondern auch für andere beendigungsabhängige Ansprüche, insb Abfertigung oder Urlaubsentschädigung bzw Urlaubsersatzleistung (8 ObA 82/12k, 9 ObA 128/06y, 8 ObA 76/01m, 8 Ob 116/98m ua). Diese Rsp ist in der Literatur nicht unumstritten. Insb Pfeil verweist darauf, dass weder bei gerechtfertigtem Austritt noch bei ungerechtfertigter Entlassung für diese Ansprüche Verschulden eine Rolle spielt. Da auch sonst kein Hinweis ersichtlich sei, der eine Differenzierung129 wegen Mitverschuldens erlauben würde, könne eine Anwendung des § 1162c ABGB hier nicht in Frage kommen, es sei denn, diese Ansprüche wären als Teil der Kündigungsentschädigung zu qualifizieren, weil sie erst während der fiktiven Kündigungsfrist entstanden seien (Pfeil in

Schwimann/Kodek
§ 1162c Rz 5, ders in
Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 32 AngG Rz 15; ders, wbl 1999, 220 f [Glosse zu 8 ObA 116/98m]; ders, Mitverschuldensregel bei vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses, wbl 1987, 178 f; ähnlich Schindler in
Risak/Schima
[Hrsg], Beendigungsrecht, Rz 165).

Dagegen verweist Wachter, Beiderseitiges Verschulden bei der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses 42 f, darauf, dass der Zweck des § 1162c ABGB es gebiete, sämtliche von der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängigen Ansprüche dem Ermessen des Richters zu unterstellen. Kuderna führt aus, dass bei Anwendung der Bestimmungen über das Mitverschulden an der vorzeitigen Auflösung eines Dienstverhältnisses nicht zu prüfen sei, ob die an die Vertragsauflösung geknüpften Rechtsfolgen eingetreten seien oder nicht. Der Richter könne vielmehr im Rahmen des ihm eingeräumten freien Ermessens all jene Möglichkeiten voll ausschöpfen, die ihm durch Normen, welche die Rechtsfolgen einer vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses regeln, geboten werden, und zwar unabhängig davon, ob sie im konkreten Fall mit Rücksicht auf ein Verschulden eines Teils eingetreten seien oder nicht. Das bedeute, dass auch die Ansprüche auf Abfertigung, Urlaubsabfindung und Sonderzahlungen, soweit deren Bestand davon abhänge, ob die vorzeitige Vertragsauflösung gerechtfertigt gewesen sei, in den Kreis jener Ansprüche einzubeziehen seien, über die er nach freiem Ermessen entscheide (Kuderna, Das Mitverschulden an der vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses,

; ähnlich Kuderna, Entlassungsrecht2, 77).

Kuras (in

Marhold/Burgstaller/Preyer
§ 32 Rz 5) verweist darauf, dass die Ansicht Pfeils nur dann überzeugen könne, wenn der Beendigungsanspruch nach der gesamten gesetzlichen Ausgestaltung tatsächlich von dem „Verschulden“ an der Beendigung unabhängig sein solle. Dies treffe aber selbst auf die neue „Urlaubsersatzleistung“ nach § 10 UrlG nur auf den ersten Blick zu, weil sie völlig unabhängig von der Art der Beendigung im aliquoten Ausmaß zustehe. Anders sei aber schon die Frage allfälliger Rückforderungsansprüche des AG nach § 10 UrlG für einen über dieses aliquote Ausmaß hinaus verbrauchten Urlaub zu beurteilen [...]. Da nach dem Gesamtsystem dieser Beendigungsansprüche der Bestand auch vom „Verschulden“ an der Auflösung abhängig sein könne – wobei die unberechtigte Auflösung als solche dem schon gleichgestellt werde –, scheine es angemessen, auch die „Verschuldensteilung“ nach § 32 AngG anzuwenden.

Auch der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von seiner bisherigen Judikatur, dass nach dem Gesetz oder dem KollV beendigungsabhängige Ansprüche der „Mitverschuldensregelung“ unterliegen, abzugehen. Im Fall einer ungerechtfertigten Auflösung, die vom Vertragspartner vorwerfbar mitverursacht wurde, gebietet der Zweck des § 1162c ABGB, nicht nur allfällige aus der Auflösung resultierende Schadenersatzansprüche entsprechend dem „Mitverschulden“ zu teilen. Gerade wenn eine Vertragspartei die – wenn auch ungerechtfertigte – vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den anderen durch ihr Verhalten provoziert hat, ist es gerechtfertigt, sämtliche von der Art der Beendigung abhängige Ansprüche in die Verschuldensteilung einzubeziehen.

Nach Art 14 lit g des KollV für das Hotel- und Gastgewerbe (Arbeiter) entfällt der Anspruch auf Jahresremuneration bei Entlassung gem § 82 GewO 1859 oder bei Austritt ohne wichtigen Grund oder bei Ausscheiden des AN ohne Einhaltung der Kündigungsfrist. Den Kollektivvertragsparteien ist es unbenommen, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, an bestimmte Bedingungen zu knüpfen. Ist vorgesehen, dass bei einer Entlassung nach § 82 GewO 1859 der Anspruch entfällt, bedeutet dies, dass dieser Anspruch bei einer gerechtfertigten Entlassung des AN gar nicht erworben ist (RIS-Justiz RS0048332). Da in einem solchen Fall die Kollektivvertragsparteien den Erwerb des Anspruchs davon abhängig gemacht haben, dass den AN gerade kein Verschulden an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (dem unberechtigten Austritt, der berechtigten Entlassung) trifft, ist auch auf diese Ansprüche die „Mitverschuldensregel“ des § 1162c ABGB anzuwenden.

Zu Recht hat daher das Berufungsgericht die anteilige Jahresremuneration entsprechend dem unstrittigen Mitverschulden des Kl von 50 % gekürzt.

5. Wie die Jahresremuneration und nach der Judikatur die Urlaubsersatzleistung selbst ist auch Sonderzahlung zur Urlaubsersatzleistung entsprechend dem Mitverschulden des Kl auf die Hälfte zu kürzen. [...]

AMERKUNG
1.
Ausgangssituation

In der E geht es um einen Arbeiter, dessen Arbeitsverhältnis 66 Tage gedauert hat: 20 Tage als Getränketräger und 46 Tage als Kellner mit Inkasso, davon war er die letzten acht Tage im Krankenstand – allerdings ohne sich krank zu melden und daher ohne Entgeltfortzahlungsanspruch –, bevor er deswegen unberechtigt entlassen wurde. Aufgrund der Verletzung der Mitteilungs- und Nachweispflichten im Krankenstand wurde ein Mitverschulden des AN an der Entlassung im Verhältnis 1 : 1 angenommen.

Dem AN gebührte nur der kollektivvertragliche Mindestlohn: dh als Kellner in der Höhe von € 1.291,– pro Monat; im Durchschnitt ergab dies € 1.271,34 pro Monat (unklar ist, ob sich die Durchschnittsberechnung nur auf die entgeltfortzahlungspflichtigen Zeiten bezieht oder ob sie auch die entgeltfortzahlungsfreien Zeiten einbe-130zieht). Weiters sah Art 14 KollV einen Anspruch auf zwei (aliquote – dh der Dienstzeit entsprechende) Sonderzahlungen vor.

Beim OGH ging es nur noch um die Höhe der anteiligen Sonderzahlungen und die anteiligen Sonderzahlungen im Rahmen der Urlaubsersatzleistung und ob für diese Ansprüche die Mitverschuldensregelung gilt. In der E werden diese nur für den Zeitraum bis zum Krankenstand (inkl 8.12.), nicht aber für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses (inkl 16.12.), berechnet, was mE zu hinterfragen ist, auch wenn dies in der E nicht mehr revisionsgegenständlich war.

2.
Anspruch auf Sonderzahlungen

Der Anspruch auf Sonderzahlungen ist nicht im Gesetz, sondern in Art 14 des KollV für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe geregelt. Die Kollektivvertragsparteien können dabei nicht nur das Ob, sondern auch die Ausgestaltung des Sonderzahlungsanspruchs regeln, insb die Höhe des Anspruchs, inklusive Berechnungsmodus (Berechnungsbasis; Durchschnittsberechnung; Aliquotierung, falls AN kein volles Jahr im Betrieb beschäftigt ist). Im Gegensatz zum AngG (§ 16) hat der Gesetzgeber für Arbeiter auch keine Regelung für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen. Es entspricht dazu stRsp des OGH, dass die Kollektivvertragsparteien für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – abweichend zur Regelung im AngG – auch den Entfall des (aliquoten) Anspruchs auf Sonderzahlungen vorsehen dürfen, soweit damit nicht das Fristengleichheitsgebot des § 1159c ABGB in unzulässiger Weise eingeschränkt wird (RIS-Justiz RS0048332, RS0029292; einige Autoren sprechen sich hingegen für eine analoge Anwendung des § 16 AngG aus – so zB Löschnigg, Arbeitsrecht12 [2015] 6/172; Preiss in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 [2011] § 16 AngG Rz 9). Das verbietet zB den Entfall des Anspruchs bei AN-Kündigung, nicht aber zB bei einer vom AN verschuldeten Entlassung. Dementsprechend sieht der KollV (Art 14 lit g) ausdrücklich vor, dass der Anspruch auf Jahresremuneration entfällt, wenn der AN berechtigt entlassen wird, ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder die Kündigungsfrist nicht einhält. Im Anlassfall liegt zwar eine unberechtigte Entlassung vor, weshalb dem AN grundsätzlich ein Anspruch auf die Sonderzahlungen zusteht; es stellt sich aber die Frage, ob hier die Mitverschuldensregelung greift (siehe Kapitel 4).

Der OGH kam – aufgrund der Auslegung des einschlägigen KollV – mE zu Recht zu dem Ergebnis, dass bei einem AN ohne überkollektivvertragliche Entlohnung der zweifache durchschnittliche Istlohn heranzuziehen ist. Dabei ist zu beachten, dass AN für Zeiten ohne Entgeltfortzahlungsanspruch (zB bei Meldeverstoß anlässlich einer Dienstverhinderung durch Krankheit gem § 4 EFZG) nach der Rsp des OGH grundsätzlich auch kein Anspruch auf Sonderzahlungen gebührt, soweit der KollV nichts anderes vorsieht (vgl ua Preiss in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 16 AngG Rz 36 f mwN; Drs in
Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 8 AngG Rz 103 mwN; Steinlechner/Weiß, Kollektivverträge für das Hotel- und Gastgewerbe für Arbeiter und Angestellte [2011] 113). Dem AN stand daher nur für die ersten 58 Tage (= 8,29 Wochen) ein aliquoter Anspruch auf Sonderzahlungen zu (die Umrechnung auf Wochen ist notwendig, da Art 14 lit d KollV einen aliquoten Anspruch in der Höhe von 1/52 pro Woche vorsieht).

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass im KollV (Art 14 lit a letzter Satz) normiert ist, dass bei der Durchschnittsberechnung entgeltfortzahlungsfreie Zeiten, soweit sie länger als eine Woche dauern, außer Betracht zu bleiben haben (im Anlassfall lagen acht entgeltfortzahlungsfreie Tage vor). Ob das bei der Durchschnittsbetrachtung beachtet wurde, geht aus dem Sachverhalt nicht hervor. Geht man davon aus, dass der der E des OGH zugrunde gelegte Durchschnittswert von € 1.271,34 pro Monat stimmt, ergibt dies einen aliquoten Sonderzahlungsanspruch von € 405,36 (= 1.271,34 × 2 : 52 × 8,29).

3.
Anspruch auf Urlaubsersatzleistung

Hat der AN während des aufrechten Arbeitsverhältnisses keinen oder weniger als den aliquoten Teil des Urlaubs verbraucht, gebührt ihm gem § 10 UrlG ein aliquoter Ersatzanspruch: die Urlaubsersatzleistung. Die Ersatzleistung für das laufende Urlaubsjahr entfällt nur dann, wenn der AN unberechtigt vorzeitig ausgetreten ist, was hier nicht der Fall war. Die Frage des Verschuldens an der Entlassung spielt nur bei allfälligen Ersatzleistungen des AG für zuviel verbrauchten Urlaub eine Rolle, was hier aber ebenfalls nicht der Fall war.

Im Gegensatz zum Sonderzahlungsanspruch ist der Anspruch auf Urlaubsersatzleistung auf Basis des Letztgehalts (€ 1.291,– pro Monat) zu berechnen (vgl ua Reissner in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 10 UrlG Rz 12). Immerhin geht es darum, dass dem AN der noch offene aliquote Urlaub zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausbezahlt wird.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Urlaubsanspruch durch Zeiten, in denen kein Anspruch auf Entgelt besteht, nicht verkürzt wird (§ 2 Abs 1 letzter Satz UrlG). Dh im Anlassfall ist der aliquote Urlaubsanspruch für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses und damit für 66 Tage (= 9,43 Wochen) zu berechnen.

Im Gegensatz zur alten Regelung der Urlaubsabfindung (§ 10 UrlG idF vor BGBl I 2000/44 : 1/52 pro Woche) ist im Gesetzestext zur Urlaubsersatzleistung keine Berechnungsmethode mehr vorgesehen. Soweit das Arbeitsverhältnis daher keine ganzen Wochen gedauert hat, sollte der aliquote Urlaubsanspruch daher auf Basis der zurückgelegten Kalendertage berechnet werden, um Rundungsfehler möglichst gering zu halten. Die Urlaubsersatzleistung ist daher für 66 Tage und nicht für 9,43 Wochen zu berechnen.

Dem AN sind somit 5,43 (eine kaufmännische Rundung der Bruchteile von Urlaubstagen – wie in den EB zu § 10 UrlG [91 BlgNR 21. GP 17] vorgeschlagen – ist mE klar abzulehnen – siehe dazu 131Drs, RdW 2000/453, 481) Urlaubstage (= 30 Werktage : 365 × 66) abzugelten (und nicht nur – wie der E „unstrittig“ zugrunde gelegt – 4,77 Urlaubstage; die Differenz ergibt sich durch die fälschliche Nichtberücksichtigung der acht entgeltfortzahlungsfreien Krankenstandstage [= 30 Werktage : 365 x 58]).

4.
Mitverschuldensregelung

Während § 1162c ABGB (§ 32 AngG) die Mitverschuldensregel nur für Schadenersatzansprüche iSd §§ 1162a f ABGB (insb Kündigungsentschädigung) ausdrücklich vorsieht, bejaht der OGH die Anwendbarkeit für sämtliche von der Art der Beendigung abhängigen Ansprüche und damit auch für die im Anlassfall strittigen Ansprüche auf Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung.

Wie bereits der OGH dargelegt hat, ist diese weite Auslegung umstritten. Zum Teil wird die Mitverschuldensregel nur für die Schadenersatzansprüche iSd §§ 1162a f herangezogen (idS zB Pfeil in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 32 AngG Rz 15 f; Pfeil in
Schwimann/Kodek
[Hrsg], ABGB § 1162c Rz 5; Pfeil, DRdA 2008/27, 334 ff; Pfeil, wbl 1999, 22 f; Pfeil, wbl 1987, 175 ff [178 f]; Schrammel in
Fenyves/Kerschner/Vonkilch
[Hrsg], ABGB – Klang-Kommentar3 §§ 1162a bis 1162d Rz 65; ähnlich auch Schindler in
Mazal/Risak
, Das Arbeitsrecht – System und Praxiskommentar [April 2015] Rz 165), zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass sämtliche beendigungsabhängigen Ansprüche einzubeziehen sind (vgl zB Spenling in
Bollenberger/Bydlinski/Koziol
[Hrsg], ABGB4 [2014] § 1162c Rz 3), wenn auch regelmäßig mit der Einschränkung, soweit sie von der Art der Vertragsauflösung (vgl zB Kuderna, Entlassungsrecht2 [1992] 77; Kuderna,
, insb 184 ff
) oder soweit sie von der Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängig sind (vgl zB Wachter, Beiderseitiges Verschulden bei der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses [1992] 42 ff; aber auch Kuras in
Marhold/Burgstaller/Preyer
[Hrsg], AngG § 32 Rz 5).

ME spricht der Gesetzeswortlaut, aber auch systematische Überlegungen gegen eine entsprechend weite Auslegung. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass es sich bei der Kündigungsentschädigung um einen Anspruch handelt, der erst durch die fehlerhafte vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgelöst wird, die der AN selbst mitverschuldet hat. Bei den sonstigen Ansprüchen handelt es sich hingegen um Leistungen, die der AN bereits in der Vergangenheit durch seine Arbeitsleistung verdient hat. Andererseits stehen einige der sonstigen beendigungsabhängigen Ansprüche eben unter der „Bedingung“, dass den AN keine „Verschulden“ an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses trifft, was wiederum dafür sprechen könnte, eine (analoge) Anwendung der Mitverschuldensregel auch auf diese sonstigen beendigungsabhängigen Ansprüche zu erwägen. Dies kann mE (siehe dazu bereits Kuderna,

[184, 186 f]
; idS inzwischen auch Gerhartl, RdW 2015/503, 569) aber keinesfalls für sämtliche Ansprüche gelten, sondern nur für jene, bei denen das Mitverschulden eine Rolle spielt, und damit der Anspruch im Einzelfall davon abhängt, ob die vorzeitige Beendigung (hier Entlassung) gerechtfertigt war oder nicht. Hätte dem AN die Leistung auch gebührt, wenn die Entlassung berechtigt bzw wenn sie sogar vom AN verschuldet war, kann die Mitverschuldensregelung mE nicht herangezogen werden.

Würde es sich im Anlassfall um einen Angestellten handeln, bestünde der aliquote Anspruch auf Sonderzahlungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängig von der Art der Beendigung (§ 16 AngG); die Mitverschuldensregelung kann daher nicht herangezogen werden. Der aliquote Sonderzahlungsanspruch stünde einem Angestellten ja auch zu, wenn er gerechtfertigt entlassen worden wäre.

Folgt man nun der stRsp des OGH, ist § 16 AngG auf Arbeiter nicht analog anwendbar. Das Verschulden spielt damit für die Frage, ob die Entlassung berechtigt oder unberechtigt war, sehr wohl eine Rolle. Es ist nur konsequent, wenn der OGH in diesem Fall die Mitverschuldensregelung heranzieht und daher den aliquoten Sonderzahlungsanspruch in der Höhe von € 405,36 im Verhältnis zum Mitverschulden (im Anlassfall 1 : 1) und damit um die Hälfte kürzt (dh auf € 202,68).

Ganz anders sieht das mE aber beim Anspruch des AN auf Urlaubsersatzleistung aus. Im Gegensatz zum Rückersatzanspruch des AG bei übermäßigem Verbrauch des Urlaubs (mehr als der aliquote Teil) spielt das Verschulden bei der Urlaubsersatzleistung im Fall einer Entlassung keine Rolle. Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob die Entlassung gerechtfertigt bzw gar verschuldet ist oder nicht. Die vom OGH zitierten Ausführungen von Kuras überzeugen mE nicht. Er verkennt dabei, dass es sich beim Anspruch auf Urlaubsersatzleistung (§ 10 Abs 1 Satz 1 UrlG) und bei dem im selben Paragraphen normierten Anspruch auf Rückersatz des zuviel verbrauchten Urlaubs (§ 10 Abs 1 Satz 3 UrlG) um zwei unterschiedliche Ansprüche handelt (der erste steht dem AN zu, der zweite dem AG). Nur beim zweiten spielt bei einer Entlassung die Frage des Verschuldens eine Rolle (Drs, Arbeits- und Sozialrecht3 [2015] 202).

ME darf daher die Mitverschuldensregelung bei einer ungerechtfertigten, wenn auch durch den AN mitverschuldeten Entlassung nicht herangezogen werden, da ihm die Urlaubsersatzleistung – ebenso wie der Anspruch auf Sonderzahlungen gem § 16 AngG – unabhängig davon zusteht, ob die Entlassung gerechtfertigt ist oder nicht. Es wäre folglich nicht gerechtfertigt, den AN für sein Mitverschulden zu „bestrafen“, wenn ihm selbst bei einer gerechtfertigten und von ihm allein verschuldeten Entlassung die Urlaubsersatzleistung zustünde.132