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Sechsmonatsfrist nach § 3a Abs 1 zweiter Satz IESG beginnt für laufendes Entgelt schon mit Leistungserbringung, nicht erst mit Fälligkeit zu laufen

MARGITMADER

Bei der Anwendung des § 3a Abs 1 erster und zweiter Satz IESG ist zwischen dem Entstehen eines Leistungsanspruchs und dessen Fälligkeit zu unterscheiden.

Der Anspruch auf laufendes Entgelt entsteht mit der Leistungserbringung selbst ( Beginn der Frist nach § 3a Abs 1 zweiter Satz).

SACHVERHALT

Die Kl war von 31.3.2012 bis 17.12.2013 als Arbeiterin in einem Betrieb des Hotel- und Gastgewerbes beschäftigt. Am 21.12.2012 brachte sie eine Klage auf Zahlung offener Entgeltforderungen aus der Zeit ab Beginn des Beschäftigungsverhältnisses (ua der Jahresremuneration) ein; dieses Verfahren endete durch einen Ratenvergleich. Am 24.10.2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der AG eröffnet.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die IEF-Service GmbH sprach der Kl Insolvenz-Entgelt für die ab 21.6.2012 erworbenen Entgeltansprüche sowie für die gesamte Jahresremuneration zu.

Die AN vertritt klagsweise den Standpunkt, dass ihr jedenfalls auch Insolvenzentgelt für die von 1.6. bis 20.6.2012 geleistete Arbeit zustehe.

Nach Ansicht der IEF-Service GmbH hätte der Anspruch auf laufendes Entgelt nach dem Wortlaut des § 3a Abs 1 zweiter Satz IESG innerhalb von sechs Monaten ab dem Entstehen gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Es komme hierbei nicht auf die Fälligkeit des Anspruches, sondern auf das tägliche, fortlaufende Entstehen des Anspruches an. Da für den strittigen Zeitraum die oben erwähnte Klage nicht rechtzeitig erfolgt sei, sei keine Sicherung des Anspruchs nach dem IESG gegeben.

Das Erstgericht stellte entgegen der Rechtsauffassung der IEF-Service GmbH auf die Fälligkeit des Anspruches (laut KollV: Monatsende, also 30.6.2012) ab und gab dem Klagebegehren statt, weil bei dieser Betrachtungsweise die Anspruchsentstehung noch innerhalb von sechs Monaten vor der damaligen Klage liegt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der IEF-Service GmbH statt und änderte die E im klagsabweisenden Sinne ab.

Der OGH bestätigte die E des Berufungsgerichtes.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Der erkennende Senat hat bereits mehrmals ausgesprochen, dass bei der Anwendung des § 3a Abs 1 erster und zweiter Satz IESG zwischen dem Entstehen eines Leistungsanspruches und dessen Fälligkeit zu unterscheiden ist (siehe 8 ObS 206/02f, zuletzt 8 ObS 10/15a).83

Der Anspruch auf laufendes Entgelt entsteht mit der Leistungserbringung selbst. Der Arbeitnehmer kreditiert dem Arbeitgeber das laufende Entgelt bis zum jeweiligen Fälligkeitstermin.“

ERLÄUTERUNG

Nach § 3a Abs 1 erster Satz IESG haben AN Anspruch auf Insolvenz-Entgelt für das laufende Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen, das in den letzten sechs Monaten vor dem Insolvenzstichtag, oder wenn das Arbeitsverhältnis vorher geendet hat, in den letzten sechs Monaten vor dem arbeitsrechtlichen Ende fällig geworden ist.

Ansprüche aus früheren Lohnperioden – wie im vorliegeden Fall – sind gem § 3a Abs 1 zweiter Satz nur dann gesichert, wenn sie binnen sechs Monaten ab ihrem Entstehen gerichtlich bzw im Schlichtungsverfahren oder vor der Gleichbehandlungskommission geltend gemacht wurden und dieses Verfahren gehörig fortgesetzt wurde. Der OGH steht auf dem Standpunkt, dass der Anspruch auf Entgelt für die laufende Arbeitsleistung dem Grunde nach täglich mit der Arbeitsleistung entsteht, auch dann, wenn wie hier der anzuwendende KollV die Fälligkeit des Lohnanspruchs erst mit Ende des Kalendermonats vorsieht. Zur Begründung verweist der OGH auf die unterschiedlichen Formulierungen: Während der erste Satz von § 3a Abs 1 IESG ausdrücklich die Fälligkeit als Ansatzpunkt der Fristberechnung nennt, spricht der zweite Satz vom „Entstehen“ des jeweiligen Anspruchs. Im konkreten Anlassfall hätte der Lohn für Juni daher spätestens am 1.12.2012 gerichtlich geltend gemacht werden müssen, um noch zur Gänze von der Sicherung des § 3a Abs 1 IESG umfasst zu sein.