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Ungleichbehandlung bei Einstufung wegen Versetzung in den Arbeitskräfte-Pool

LUDWIGDVORAK
§ § 7, 69 KollV Graz Holding/Verkehrsbedienstete; Arbeitsrechtlicher Grundsatz

Unterbleibt eine höhere Einstufung bei gleicher Qualifikation und Leistung ausschließlich wegen der krankenstandsbedingten erfolgten Versetzung in den unternehmensinternen Arbeitskräftepool, stellt dies eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots dar.

SACHVERHALT

Der bei einem kommunalen Verkehrsunternehmen beschäftigte AN war ursprünglich als Straßenbahnfahrer tätig und wurde nach zumindest siebenjähriger Fahrertätigkeit in Lohngruppe 4 eingestuft. Nach seiner krankenstandsbedingten Versetzung in den unternehmensinternen Arbeitskräftepool, wo er teilweise als Remisenfahrer tätig war, und 20-jähriger Dienstdauer begehrte er die Einstufung in Lohngruppe 3. Diese wurde ihm jedoch vom AG verweigert.

Nach dem anzuwendenden KollV für Bedienstete der Graz Holding erfolgt bei insgesamt 20-jähriger Beschäftigung im Verkehrsdienst eine Höherreihung in die Lohngruppe 3. Als Verkehrsdienst gilt nach § 69 des KollV die Beschäftigung im Personenbetrieb von Bussen und Straßenbahnen, nicht jedoch die Tätigkeit als Remisenfahrer. Abweichend vom KollV hat der AG in der Vergangenheit aber auch all jene AN in Verwendungsgruppe 3 eingestuft, die sich nach zumindest siebenjähriger Verwendung als Straßenbahnfahrer erfolgreich auf eine Stelle als Remisenfahrer beworben hatten und 20 Dienstjahre aufwiesen.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das OLG Graz hatte der Klage des AN auf Einstufung in Lohngruppe 3 stattgegeben. Durch die unterlassene Höherreihung habe der AG gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot verstoßen. Die ao Revision des AG wurde vom OGH zurückgewiesen, da dem Berufungsgericht keine rechtliche Fehlbeurteilung vorzuhalten sei.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Das Klagebegehren ist […] berechtigt, wenn die Bekl durch ihre Entlohnungspraktik gegen das allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot verstoßen hat. […] Nach diesem Grundsatz ist der AG verpflichtet, einzelne AN nicht willkürlich, also ohne sachliche Rechtfertigung, schlechter zu behandeln als die übrigen. Die Rechtsprechung stellt dabei die Prüfung in den Vordergrund, ob der Behandlung bessergestellter Arbeitnehmer ein erkennbares generalisierendes Prinzip […] zugrunde liegt, von dem der AG im Einzelfall willkürlich oder ohne sachlichen Grund abgewichen ist und dem Einzelnen das vorenthält, was er anderen zubilligt.

Nach den Feststellungen sind die relevanten Vergleichspersonen bei der Bekl als Straßenbahnfahrer eingetreten und haben sich nach einer mehrjährigen (mindestens siebenjährigen) Tätigkeit als Straßenbahnfahrer auf eine ausgeschriebene Stelle als Remisenfahrer beworben. Der Unterschied zu den Vergleichspersonen besteht darin, dass sich der Kl nicht als aktiver Straßenbahnfahrer freiwillig auf eine Stelle eines Remisenfahrers beworben hat, sondern wegen langer Krankenstände der Organisationseinheit ‚Pool‘ zugewiesen wurde und vom Poolverantwortlichen als Remisenfahrer eingesetzt wurde, weiters er nicht nur Tätigkeiten als Straßenbahnfahrer und Remisenfahrer aufweist, sondern auch als Hilfsarbeiter und Portier. […]

Der zur Rechtfertigung herangezogene Hinweis der Bekl auf eine weniger umfassende Ausbildung des Kl und die geringere Qualifikation als Remisenfahrer geht fehl, weil der Kl mehrere Jahre auch Straßenbahnfahrer war. […] Die Abweichung von dem der höheren Einstufung zugrunde liegenden generalisierenden Prinzip bezieht sich somit auf den Umstand, dass der Kl aus seiner Poolzugehörigkeit heraus als Remisenfahrer eingesetzt wurde. Er weist hingegen – so wie die Vergleichspersonen – eine 20-jährige Dienstzeit als Straßenbahn- und Remisenfahrer auf.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kl dieselbe Ausbildung wie die übrigen Remi-85senfahrer aufweise, keine unterschiedlichen Qualifikationen gegeben seien und die Bekl keine leistungsbezogene Differenzierung ins Treffen führen könne, sowie weiters, dass das zugrunde liegende Unterscheidungskriterium der Zugehörigkeit zum ‚Pool‘ eine unterschiedliche Behandlung nicht rechtfertigen könne, steht mit den dargelegten Grundsätzen im Einklang und stellt keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.“

ERLÄUTERUNG

Das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot untersagt dem AG die willkürliche, sachlich ungerechtfertigte Schlechterstellung einzelner gegenüber anderen AN. Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob eine unterschiedliche Vorgangsweise bei der Einstufung nach 20 Dienstjahren von Remisenfahrern einerseits (Lohngruppe 3) und einem in den Arbeitskräftepool des AG versetzten und dort ua auch als Remisenfahrer eingesetzten AN andererseits (Lohngruppe 4) gerechtfertigt war. Eine Einstufung in Lohngruppe 3 wäre nach dem KollV auch für die Remisenfahrer nicht zwingend, wurde vom AG aber automatisch vorgenommen. Wendet der AG dieses generalisierende Prinzip an, so muss es auch für AN gelten, die sich bei vergleichbarer Qualifikation und Leistung im Arbeitskräftepool befinden.

Besonders interessant erscheint das vom OGH herausgearbeitete und extra betonte Unterscheidungsmerkmal, dass der AN sich nicht wie seine Kollegen erfolgreich als Remisenfahrer beworben hat, sondern unfreiwillig wegen seiner Krankenstände in den „Pool“ versetzt worden war. Nach Ansicht des Gerichtshofes stellt dieses keine sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung dar. Der Kl konnte die Versetzung in den Arbeitskräftepool nicht aktiv beeinflussen, vielmehr hat diese sogar pönalisierenden Charakter. Sie ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass vor dem 1.1.2012 eingetretene AN nach § 7 KollV nach zehn Dienstjahren definitiv gestellt und damit weitgehend unkündbar sind.

Diese E ist deshalb von Bedeutung, da die Versetzung in einen „Arbeitskräftepool“, die sich zB durch einen Entfall von Zulagen auch wesentlich auf das Entgelt auswirken kann, gerade im Bereich ausgegliederter Unternehmen eine durchaus gebräuchliche Sanktion bei häufigen Krankenständen oder sonstigen unerwünschtem Verhalten darstellt. Die vorliegende OGH-E beschränkt die nachteiligen Folgen dieses Sanktionsinstruments: Wird der AN im „Pool“ ua auch für Tätigkeiten eingesetzt, die nach Erreichen eines bestimmten Dienstalters für vergleichbare Kollegen mit einer höheren Einstufung verbunden sind, so stellt es einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot dar, ihm diese höhere Einstufung wegen seiner krankenstandsbedingten Zuteilung zum „Pool“ zu verweigern.