56

Medienkontakte eines Personalvertreters und die fraktionelle Veröffentlichung einer vertraulichen Unterlage nicht durch Mandatsschutz gedeckt

MARTINACHLESTIL

Die kl AG leitete gegen einen ihr zur Dienstleistung zugewiesenen Beamten, der auch als Mitglied des bekl Zentralausschusses die Funktion eines in den Aufsichtsrat entsandten Personalvertreters sowie des Fraktionsvorsitzenden einer Fachgewerkschaft ausübte, ein Disziplinarverfahren ein. Ihm wurde von der kl AG in der Disziplinaranzeige vorgeworfen, dass er gegenüber einer Tageszeitung bewusst und geplant unternehmensschädigende Falschinformation verbreitet habe. Ferner habe er auf der Homepage seiner Fraktion sowie in der Fraktionszeitschrift im Namen der Fraktion und in seiner Eigenschaft als Funktionär der Fraktion eine ihm aus seiner Aufsichtsratstätigkeit bekannte, vertrauliche Vorstandsunterlage veröffentlicht.

Gem § 70 Abs 1 PostbetriebsverfassungsG (PBVG) dürfen Mitglieder eines Personalvertretungsorgans, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, wegen Äußerungen oder Handlungen nur mit Zustimmung des Organs, dem sie angehören, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Nach Abs 3 leg cit hat das Personalvertretungsorgan die Zustimmung zu erteilen, wenn es zu dem Ergebnis gelangt, dass die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung des Mandats erfolgt sind. Erfolgt keine Zustimmung, dann hat das Gericht aufgrund einer Klage festzustellen, ob die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung des Mandats erfolgt sind. Auf diese Feststellung war die Klage der AG gerichtet.

Die Vorinstanzen gaben dem Begehren der kl AG auf Feststellung, dass die dem Personalvertreter vorgeworfenen Handlungen nicht in Ausübung seines Mandats als Mitglied des Zentralausschusses erfolgt seien, statt. Der OGH wies die außerordentliche Revision des bekl Zentralausschusses zurück.

Handlungen eines Personalvertreters können der Personalvertreter-Funktion nur zugeordnet werden, wenn sie einem DG-Vertreter, einem Bediensteten der Dienststelle, bei der der Ausschuss besteht, einem anderen vom Ausschuss zu vertretenden Bediensteten oder einem anderen Personalvertreter gegenüber gesetzt worden sind. Demzufolge gehören Kontakte zu Massenmedien nicht zu den Möglichkeiten, die das Gesetz den Organen der Personalvertretung im Rahmen der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben gestattet. Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Personalvertreters schließt seine Immunität iSd § 70 PBVG jedoch nicht zwangsläufig aus. Denn es liegt im Wesen der Immunität, dass auch gewisse Dienstpflichtverletzungen sanktionslos zu bleiben haben, so dass bis zu einem gewissen Grad auch Äußerungen oder Handlungen, die nicht mehr dem Personalvertreter obliegen, immer noch dem Schutz des § 70 PBVG unterfallen. § 70 PBVG dient ja dazu, auch etwaige an sich eine Dienstpflichtverletzung darstellende Fehler von Personalvertretern, die auch im unrichtigen Erkennen der Grenzen ihrer Aufgaben bestehen können, sanktionsfrei zu stellen.

Ob Äußerungen oder Handlungen eines Personalvertreters im Schutzbereich des § 70 PBVG liegen, ist aber eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, was – mangels grober Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz – die Zurückweisung begründet.88

Auch rein fraktionelle Tätigkeiten, die unabhängig von der Ausübung der Personalvertretungstätigkeit erfolgen, sind nicht vom Mandat des § 70 Abs 3 PBVG umfasst, stellte der OGH zum Vorwurf der fraktionellen Veröffentlichung einer vertraulichen Vorstandsunterlage fest.