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Entlassung erst nach gerichtlicher Klärung der Unrechtmäßigkeit einseitigen Urlaubsantritts ist verspätet

CHRISTOPHKLEIN

Gibt der AG dem AN durch Einbringung der Klage gem § 4 Abs 4 UrlG zu verstehen, mit einem beabsichtigten Urlaubsantritt nicht einverstanden zu sein und tritt der AN den Urlaub dennoch an, so geschieht dies auf sein Risiko. Die dargestellte Risikoverteilung berechtigt den AG aber nicht schon per se, vor dem Ausspruch der Entlassung den Ausgang des Feststellungsverfahrens abzuwarten.

SACHVERHALT

Eine Flugbegleiterin war seit 1999 bei der bekl AG tätig. Ihrem Wunsch nach Urlaubskonsum vom 23.12.2012 bis 8.1.2013 wollte die AG erst ab 26.12.2012 stattgeben. Da man sich nicht einigen konnte und die AN auf den Urlaubsantritt am 23.12.2012 beharrte, erhob die AG in einem Vorprozess Klage gem § 4 Abs 4 UrlG auf Nichtantritt des Urlaubs. Dieser Vorprozess endete mit der rechtskräftigen Feststellung (Urteilszustellung am 1.4.2014), dass der von der AN dennoch vorgenommene Urlaubsantritt unberechtigt erfolgt sei. Noch am selben Tag (also fast eineinhalb Jahre nach dem eigenmächtigen Urlaubsantritt) entließ die AG die AN fristlos. In der gegenständlichen Klage begehrte die Flugbegleiterin, die Entlassung für rechtsunwirksam zu erklären.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Erste und zweite Instanz wiesen die Klage ab. Wenn ein AG fristgerecht gegen den eigenmächtigen Urlaubsantritt eines AN Klage erhebt, hat der AN bei für ihn negativem Verfahrensausgang die arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu tragen. Weil der AG die Kl umgehend nach der rechtskräftigen Feststellung der Rechtswidrigkeit des Urlaubsantritts entlassen habe, sei die Entlassung auch nicht verspätet.

Demgegenüber gab der OGH dem in der außerordentlichen Revision beantragten Aufhebungsantrag der Kl statt und verwies die Rechtssache zur Prüfung der sonstigen Voraussetzungen der Entlassungsanfechtung gem § 105 Abs 3 ArbVG zurück an das Erstgericht.90

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Es ist nicht zu übersehen, dass auch der Arbeitgeber im Zeitpunkt des eigenmächtigen Urlaubsantritts des Arbeitnehmers über den Prozessausgang idR noch keine Gewissheit haben wird. Dennoch kann die zitierte Rechtsprechung, dass einem Arbeitgeber bei vorerst zweifelhaftem Sachverhalt das Recht zugebilligt werden muss, mit der Entlassung bis zur Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände durch die hiefür zuständige Behörde zuzuwarten (RIS-Justiz RS0029207), hier nicht herangezogen werden. Denn im Unterschied zu den dort definierten Voraussetzungen liegt in Fällen wie dem vorliegenden kein unklarer Sachverhalt vor, den der Arbeitgeber nicht mit eigenen Mitteln aufklären könnte. Die für die Entlassung maßgeblichen Umstände – Fernbleiben des Arbeitnehmers vom Dienst infolge Urlaubsantritts – liegen vielmehr klar zutage. Ob ein Arbeitgeber ausreichende Gründe hat, dem Arbeitnehmer den Urlaubsantritt zum vorgeschlagenen Zeitpunkt zu verwehren, ist eine Frage ihrer Bewertung, nicht aber der Sachlage. Daraus folgt aber, dass § 4 Abs 4 UrlG die Verteilung des Risikos für die Rechtzeitigkeit einer Entlassung nicht ändert. Genau so wie der Arbeitnehmer bei eigenmächtigem Urlaubsantritt trotz Feststellungsklage des Arbeitgebers eine die sofortige Entlassung rechtfertigende Dienstverfehlung riskiert, muss danach der Arbeitgeber die Folgen der Einschätzung tragen, ob eine Entlassung, die erst nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens ausgesprochen wird, noch dem Unverzüglichkeitsgrundsatz entspricht. Dafür ist auf die dargelegten allgemeinen Grundsätze zurückzugreifen.“

ERLÄUTERUNG

Teilt ein AN in einem Betrieb mit BR dem AG mindestens drei Monate im Voraus einen geplanten mindestens zweiwöchigen Urlaub mit, einigen sich die Arbeitsvertragsparteien in der Folge nicht, und führt auch die Beiziehung des BR zu keinem Ergebnis, kann der AN den Urlaub eigenmächtig zu seinem Wunschzeitpunkt antreten – es sei denn, der AG klagt zwischen acht und sechs Wochen vor dem Antrittszeitpunkt auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Antritts (§ 4 Abs 4 UrlG). Tritt der AN den Urlaub trotz der Klage an, hat er – wie schon in den Gesetzesmaterialien nachzulesen ist (276 BlgNR 14. GP 3) – alle arbeitsrechtlichen Konsequenzen (einschließlich der Gefahr der fristlosen Entlassung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung) zu tragen, wenn der Rechtsstreit zu seinen Ungunsten endet.

Genau dies war hier der Fall. Geklärt hat der OGH im Zusammenhang damit aber nun die spannende Frage, wann denn der AG eine solche Entlassung aussprechen muss, damit sie als rechtzeitig (und damit berechtigt) gelten kann. Für Entlassungen gilt ja nach völlig herrschender Lehre und Rsp der Unverzüglichkeitsgrundsatz: Wenn ein AG trotz Kenntnis des Entlassungsgrundes grundlos zuwartet, gibt er damit zu verstehen, dass er die Weiterbeschäftigung des AN zumindest bis zum nächsten regulären Kündigungstermin doch nicht als unzumutbar ansieht, und begibt sich damit seines Rechts zur fristlosen Entlassung. Unstrittig haben AG aber dann, wenn ein womöglich zur Entlassung berechtigender Sachverhalt vorerst zweifelhaft ist, das Recht, bis zur (zügig vorzunehmenden) Klarstellung des Entlassungsgrundes zuzuwarten.

Die ersten beiden Instanzen in unserem Fall haben nun das gerichtliche Vorverfahren auf Feststellung der Unzulässigkeit des einseitigen Urlaubsantritts als eine Phase der Klarstellung in eben diesem Sinne betrachtet: Weil die AG die Flugbegleiterin unmittelbar nach rechtskräftiger Feststellung von deren unberechtigter Abwesenheit vom Dienst entlassen hatte, sei die Entlassung rechtzeitig gewesen.

Der OGH stellte hingegen klar, dass es genau umgekehrt sei: Es geht nicht um die Aufklärung eines unklaren Sachverhalts, sondern um dessen Bewertung durch die Gerichte, deren Risiko der OGH auf beide Arbeitsvertragsparteien aufteilt: Der AN trägt das Risiko, dass sein Urlaubsantritt als unrechtmäßig bewertet wird, der AG hingegen bei rechtzeitig (also nach dem OGH: unmittelbar nach dem eigenmächtigen Urlaubsantritt) ausgesprochener Entlassung, dass sich diese im Nachhinein wegen des zulässigen Urlaubsantritts als unrechtmäßig erweist.

Aus AN-Sicht verschärft das vorliegende Urteil das Risiko eher: Konnte ein AN, der sich auf das Verfahren gem § 4 Abs 4 UrlG einließ, bis jetzt auf einen positiven Ausgang des vom AG angestrengten Feststellungsverfahrens und damit quasi auf die endgültige nachträgliche Rehabilitation seines Urlaubsantritts und die friedliche Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses hoffen, muss er in Zukunft wohl damit rechnen, dass rechtskundige AG unmittelbar nach dem umstrittenen Urlaubsantritt die fristlose Entlassung aussprechen, um nicht mangels Unverzüglichkeit das Entlassungsrecht zu verlieren. Damit ist aber für Monate, wenn nicht Jahre der Arbeitsplatz zunächst einmal weg. In einer Zeit, in der Arbeitsplätze eher Mangelware sind, wird es aber oft nur mehr ein später und damit schwacher Trost sein, wenn sich dann doch noch die Berechtigung des Urlaubsantritts und die Rechtswidrigkeit der Entlassung heraus-91stellen. (Zum Wiedererlangen des Arbeitsplatzes muss dann ja noch, wenn der AG den AN nicht freiwillig zurücknimmt, ein Anfechtungsverfahren gem § 105 Abs 3 ArbVG erfolgreich geführt werden!)