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Auch nach Ende der Sperrfrist kann Arbeitsaufnahme Nachsicht gem § 10 Abs 3 AlVG begründen

JUTTAKEUL

Eine Arbeitslose bezog ab 1.8.2013 Arbeitslosengeld. Vom 23.9. bis 29.11.2013 nahm sie an einer Weiterbildungsmaßnahme des Arbeitsmarktservice (AMS) teil. Am 27.11.2013 absolvierte sie ein Vorstellungsgespräch für eine Beschäftigung, die sie eigeninitiativ selbst gefunden hatte. Sie erhielt eine Einstellzusage für den 2.12.2013, nahm das Stellenangebot aber nicht an. Als Grund gab sie den langen Anfahrtsweg an; es sei ihre erste Bewerbung gewesen, und sie wollte noch eine Stelle in Wohnortnähe suchen. Das AMS erließ eine Leistungssperre gem § 10 Abs 1 AlVG vom 2.12.2013 bis 12.1.2014 und wies in Folge auch die Beschwerde der Arbeitslosen mit Beschwerdevorentscheidung vom 27.2.2014 ab.

Bereits am 18.12.2013 sandte die Arbeitslose eine Bewerbung an ihren neuen AG. Am 9.1.2014 fand ein Vorstellungsgespräch statt, am 16.1.2014 wurde der Arbeitsvertrag unterschrieben und am 10.2.2014 begann sie – im Anschluss an den Urlaub des Geschäftsführers – zu arbeiten.

Das BVwG gab der Beschwerde der Arbeitslosen statt und hob die Beschwerdevorentscheidung im Zuge der Gewährung von Nachsicht gem § 10 Abs 3 AlVG ersatzlos auf. Nach den Umständen des Einzelfalls könne auch bei einer Beschäftigungsaufnahme zu einem Zeitpunkt, der länger als acht Wochen ab Beginn der Ausschlussfrist liege (gemeint ist die gem § 10 Abs 1 zweiter Satz höchstens achtwöchige Dauer der Sperre des Arbeitslosengeldes, Anm der Bearbeiterin), dennoch eine Nachsicht rechtlich angebracht sein. Eine vorherige Prüfung, ob der Tatbestand des § 10 Abs 1 AlVG verwirklicht wurde oder nicht, unterblieb. Die ordentliche Revision wurde vom BVwG zugelassen.

Das AMS Tulln brachte Revision ein, welche der VwGH als unbegründet abwies. Der VwGH beantwortete zunächst die Frage, ob vor Erteilung einer Nachsicht nach § 10 Abs 3 AlVG zwingend geklärt werden muss, ob überhaupt ein Tatbestand für eine Sanktion nach § 10 Abs 1 AlVG vorgelegen hat: Kommt die Regionale Geschäftsstelle des AMS oder – im Beschwerdeverfahren – das BVwG zur Überzeugung, dass der Ausspruch eines Anspruchsverlusts schon deswegen nicht in Betracht käme, weil gem § 10 Abs 3 AlVG jedenfalls die gänzliche Nachsicht zu erteilen wäre, so kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn von einer abschließenden Beurteilung der Voraussetzungen des § 10 Abs 1 AlVG abgesehen wird.

§ 10 Abs 3 AlVG nennt die Aufnahme einer anderen Beschäftigung ausdrücklich als Beispiel für einen berücksichtigungswürdigen Grund für eine Nachsichtgewährung. Dass eine solche Beschäftigung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, etwa bis zum Ablauf von acht Wochen ab Beginn des Anspruchsverlusts, aufgenommen werden muss, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Grundsätzlich kann daher jede Beschäftigung berücksichtigt werden, die vor der (endgültigen) Entscheidung über die Nachsicht angetreten worden ist und aufgrund einer gewissen zeitlichen Nähe zur Weigerung bzw Vereitelung noch deren negative Konsequenzen für die Versichertengemeinschaft (teilweise) auszugleichen vermag. Während aber im Fall der Aufnahme einer Beschäftigung vor Ablauf der Ausschlussfrist die (gänzliche oder teilweise) Nachsicht jedenfalls zu erteilen ist, werden bei einer späteren Beschäftigungsaufnahme zumindest ernsthafte Bemühungen schon im Vorfeld zu verlangen sein, damit noch von einem berücksichtigungswürdigen Fall iSd § 10 Abs 3 AlVG ausgegangen werden kann. Gerade solche ernsthaften, sogleich nach der Ablehnung des ersten Angebots begonnenen und konsequent weiterverfolgten Bemühungen konnte die Arbeitslose vorweisen.94