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Sonntag als Ende der Nachfrist bei Entgeltvorenthaltung – Änderung der gesetzlichen Ablaufhemmung

MANFREDTINHOF

Eine AN forderte ihren mit der Gehaltszahlung in Verzug befindlichen AG schriftlich auf, ihr die offenen Beträge bis zum 9.11.2014, einem Sonntag, zukommen zu lassen und behielt sich ausdrücklich für den Fall, dass sie nicht bis zum genannten Termin über die aushaftenden Beträge verfügen könne, den vorzeitigen Austritt vor.

Strittig war, ob damit tatsächlich der Sonntag als letzter Tag der Nachfrist für die Zahlung des AG wirksam festgesetzt war, oder ob der AG noch wegen der gesetzlichen Ablaufhemmung in § 903 dritter Satz ABGB (siehe Erläuterung) den nachfolgenden Werktag, also den Montag, zur rechtzeitigen Zahlung zur Verfügung gehabt hätte. (Ein Austritt der AN vor Ablauf des Montags wäre dann unbegründet gewesen, Anm des Bearbeiters.) Von der gesetzlichen Hemmung kann durch Vereinbarung aber auch einseitig abgewichen werden. Die bloße datumsmäßige Fixierung führt allerdings noch nicht zum allgemein geltenden Schluss, dass daraus eine Abänderung der abdingbaren Regel des § 903 dritter Satz ABGB herausgelesen werden kann. Das Berufungsgericht legte die konkrete Fristsetzungserklärung der AN nun aber dahin aus, dass die AN damit die gesetzliche Regelung des § 903 dritter Satz ABGB abbedungen hat. Sie hat näm-74lich in ihrem Mahnschreiben nicht nur gefordert, ihr die offenen und genannten Beträge bis 9.11.2014 zukommen zu lassen, sondern auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie über die aushaftenden Beträge bis zum 9.11.2014 verfügen können müsse. Eine Verfügung über die geschuldeten Beträge setzt aber voraus, dass diese dem Konto der AN vor oder spätestens am 9.11.2014 iS einer Wertstellung gutgeschrieben sind. Weil der OGH diese Auslegung der Fristsetzungserklärung für vertretbar hielt, wies er die ao Revision des AG zurück.

ERLÄUTERUNG

Die gesetzliche Ablaufhemmung des § 903 dritter Satz ABGB gilt für alle materiell-rechtlichen Fristen, somit auch für einseitige Rechtsgeschäfte und Erklärungen und besagt: Sollte der für die Abgabe einer Erklärung oder für eine Leistung bestimmte letzte Tag auf einen Sonntag oder anerkannten Feiertag fallen, so tritt an dessen Stelle, vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung, der nächstfolgende Werktag. Dies wäre hier Montag, der 10.11.2014, gewesen. Fraglich war, ob die Erklärung der AN, über ihr ausständiges Entgelt schon am Sonntag verfügen zu wollen, diese gesetzliche Ablaufhemmung ändert, so dass die Bezahlung des ausständigen Entgelts durch den AG am Montag verspätet wäre. Der OGH hat im vorliegenden Fall in der Auslegung des Berufungsgerichts keine revisionswürdige Fehlauslegung erkennen können. In einem ähnlichen Fall (OGH9 ObA 44/08yinfas 2008 A 69) ist der OGH jedoch nicht von einer Änderung der gesetzlichen Ablaufhemmung ausgegangen und hat die Bezahlung durch den AG am Montag als rechtzeitig und den Austritt des AN wegen Entgeltvorenthaltung daher als unberechtigt qualifiziert. Trotz der hier für die AN positive Entscheidung ist daher im Allgemeinen vom Setzen einer Nachfrist, die an einem Sonntag endet, abzuraten.