70

Kein Unfallversicherungsschutz beim Versuch, durch ein Fenster im ersten Stock in das Wohnhaus zu gelangen

FRANJOMARKOVIC

Als der Kl auf dem Nachhauseweg von der Arbeit das Wohnhaus betreten wollte, brach die Türschnalle ab und er konnte die Haustüre nicht öffnen. Nachdem er über das Erdgeschoss nicht ins Haus gelang, holte er eine Leiter, lehnte diese an das Gebäude und versuchte im ersten Stock ein altes Fenster aufzudrücken. Dabei rutschte die Leiter weg und er stürzte in die Tie-100fe, wobei er sich verletzte. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt 20 %. Der Kl machte einen Anspruch auf Versehrtenrente geltend.

Nach stRsp beginnt bzw endet der Versicherungsschutz der UV an der Außenfront des Wohnhauses, also in der Regel an dem ins Freie führenden Haustor (Haustür) oder Garagentor (RIS-Justiz RS0084826; zuletzt OGH10 ObS 176/12ySSV-NF 27/5). Wird ein Unfall durch eine selbst geschaffene Gefahr herbeigeführt, fehlt der kausale Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit dann, wenn der Unfall auf einem völlig unvernünftigen oder unsinnigen Verhalten beruht und eine solche besondere Gefährdung entstanden ist, dass die versicherte Tätigkeit nicht mehr als wesentliche Bedingung für den Unfall anzusehen ist. Grobe Fahrlässigkeit des Versicherten schließt das Vorliegen eines Arbeitsunfalls aber nicht von vornherein aus, solange der Unfall aus einer typischen Gefahr eines Arbeitsweges resultiert. Das ist bei Verkehrsunfällen typischerweise der Fall. So wurde ein Unfall, der sich beim Überqueren einer breiten, stark befahrenen Straße bei Rotlicht ereignete, dem Unfallversicherungsschutz unterstellt (OGH10 ObS 243/88SSV-NF 2/102), ebenso ein Unfall beim Versuch, bei geschlossenen Bahnschranken die Gleise zu überqueren (OGH10 ObS 185/89SSV-NF 3/81). Dies gilt jedoch nicht für den Versuch, ein Haus über ein Fenster im ersten Stock durch eine provisorisch angelegte Leiter zu betreten. Abgesehen davon, dass es sich dabei im Wesentlichen nicht um die Fortsetzung des Arbeitsweges, sondern um die Überwindung eines häuslichen Problems, dem nicht mehr möglichen Öffnen des Haustores und damit einem dem privaten Bereich zurechenbaren Verhalten handelt, kann auch nicht mehr von einer typischen Weggefahr gesprochen werden. Der OGH verneinte daher das Vorliegen eines Arbeitsunfalls.