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Bescheinigungsverfahren bei neuem Antrag innerhalb der Sperrfrist – keine verfassungsrechtlichen Bedenken

MONIKAWEISSENSTEINER

Das Verfahren des Kl wegen Gewährung einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit (Berufsunfähigkeitspension) endete durch Zurückziehung der Klage am 17.12.2013. Bereits am 6.2.2014 – innerhalb der sogenannten Sperrfrist – stellte er einen neuen Pensionsantrag, der mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) gem § 362 Abs 3 ASVG zurückgewiesen wurde, weil eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht glaubhaft gemacht wurde. Die dagegen erhobene Klage wurde vom Erstgericht nach Einholung eines Aktengutachtens und Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgewiesen, da sich aus den vorgelegten Befunden keine Änderung des Gesundheitszustandes ergeben habe. Das OLG bestätigte die E. Im Rahmen des außerordentlichen Revisionsrekurses wurde die bloße Zurückweisung ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Antrag bekämpft. Es wurden vor allem verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht.

Der OGH hielt fest, dass der Umstand, dass im Rekursverfahren keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, nicht gegen Art 6 EMRK (Grundsatz des rechtlichen Gehörs) verstößt, weil nicht gefordert ist, dass in jeder Instanz ein öffentliches Verfahren stattfindet.

Mit der Einführung einer Sperrfrist auch nach Zurückziehung einer Klage (§ 362 Abs 3 ASVG) wurde eine Regelungslücke geschlossen. Da im Fall der Zurückziehung keine rechtskräftige E nach § 362 Abs 1 und 2 ASVG vorliegt, hatten Kl jederzeit die Möglichkeit, ohne Beschränkung einen neuen Antrag zu stellen. Durch die Regelung des § 362 Abs 3 ASVG sollte verhindert werden, dass kurzfristig – ohne Verschlimmerung – aus bestimmten Motiven (zB Pensionsvorschuss) neuerliche Anträge auf dieselbe Leistung beim Sozialversicherungsträger gestellt werden.

Mit der Regelung des § 362 ASVG wird entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs nicht allgemein eine meritorische Entscheidung verweigert, sondern lediglich aufgrund eines bereits (rechtskräftig) abgeschlossenen Verfahrens ohne wesentliche Änderung der Verhältnisse eine neuerliche Prüfung eines solchen Anspruchs für eine bestimmte Zeit ausgeschlossen. Auch darin ist kein Verstoß gegen Art 6 EMRK bzw keine Verfassungswidrigkeit zu erkennen.

Auch der Umstand, dass im Anwendungsbereich des § 362 Abs 3 ASVG aufgrund der Klagsrückziehung die Bescheinigung (Glaubhaftmachung) der wesentlichen Änderung gegenüber dem Vorverfahren nicht durch einen Vergleich mit Feststellungen einer Vorentscheidung, sondern mit dem sich aus den Verfahrensergebnissen ergebenden Gesundheitszustand des Kl zu erfolgen hat, ist nicht108geeignet, verfassungsrechtliche Bedenken zu erwecken.

Im vorliegenden Fall hatte der Kl diverse Befunde vorgelegt. Darüber hinaus hat das Erstgericht ein Aktengutachten zum Gesundheitszustand des Kl eingeholt und nach Vorliegen des Gutachtens dem Kl in einer mündlichen Verhandlung die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen. Auf Grundlage der Ergebnisse dieses Bescheinigungsverfahrens ist das Erstgericht davon ausgegangen, eine Verschlechterung des Gesundheitszustands sei nicht glaubhaft gemacht worden. Ob die Glaubhaftmachung der Verschlechterung des Gesundheitszustandes gelungen ist, stellt eine von OGH nicht überprüfbare Beweiswürdigung dar.

ANMERKUNG DER BEARBEITERIN
Bis zum Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetz 2011 bestand eine „Sperrfrist“ von zwölf Monaten nach einer rechtskräftigen E; wird ein neuer Antrag innerhalb dieser Frist gestellt, muss eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes bescheinigt werden. Gelingt dies nicht, wird der Antrag zurückgewiesen. Nach einer Klagszurückziehung konnte jederzeit ein neuer Antrag gestellt werden. Seit dem 1.1.2011 gilt nunmehr auch für den Fall einer Klagszurückziehung eine Sperrfrist von neun Monaten. Mit dem SRÄG 2012 wurde ab 1.1.2014 diese Sperrfrist auf zwölf Monate verlängert. In all diesen Fällen besteht allerdings die Möglichkeit, die Zurückweisung des Antrags durch die PVA mit einer Klage beim Sozialgericht zu bekämpfen. Gelingt es dem Kl, eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes (Verschlechterung eines bestehenden Leidens oder Hinzukommen einer neuen Erkrankung) glaubhaft zu machen, so hat das Gericht gem § 68 ASGG in der Sache selbst zu entscheiden.