Der Betriebsrat, der keiner mehr war – Rechtsfolgen einer mangelhaften Konstituierung

ELIASFELTEN (LINZ/SALZBURG)BARBARATROST (LINZ)
Das Betriebsverfassungsrecht – und hier wiederum im Besonderen das betriebsverfassungsrechtliche Organisationsrecht – ist streng formgebunden. Die Vorschriften über die Organbildung stellen die Basis für das gesetzeskonforme Funktionieren der betrieblichen Interessenvertretung dar und sind zweiseitig zwingend. Die Verletzung solcher Vorschriften zieht – nicht immer, aber doch häufig – sogar die Rechtsunwirksamkeit von Rechtshandlungen nach sich. Anhand des nachfolgenden Sachverhalts, in dessen Mittelpunkt zunächst eine problematische Kündigung steht, soll gezeigt werden, welche praktischen Auswirkungen sich an eine mangelhafte Betriebsratsbildung – insb mangelhafte Konstituierung – knüpfen.

Sachverhalt

Das T-Handelsunternehmen beschäftigt, aufgeteilt auf zwölf produktionstechnisch und personalwirtschaftlich unselbstständige Filialen, insgesamt 310 AN. Am 16.11.2016 hat dort erstmals eine Betriebsratswahl stattgefunden. Gewählt werden in den (aufgrund eines Beschlusses der Betriebsversammlungen) gemeinsamen BR, von der Liste „Fortschritt“, welche sich ausschließlich aus FilialleiterInnen zusammensetzt, die Mitglieder Anton (A), Berta (B), Carl (C) und Doris (D). Von der Liste „Gerechtigkeit“, auf welcher überwiegend ArbeiterInnen kandidieren, kommen Egon (E) und Frieda (F) in den BR.

Weil A am Tag der Betriebsratswahl erkrankt, beruft B am Tag nach der Wahl eine konstituierende Sitzung für Montag, den 21.11.2016 ein. Zu dieser Sitzung erscheinen B, C und D, während A nach wie vor krank ist. E und F erklären gegenüber B, man solle doch auf den zuständigen A warten, und sie erscheinen beide nicht zur Sitzung. Die Anwesenden wählen einstimmig A zum Vorsitzenden und B zur Stellvertreterin. Dies wird dem AG T umgehend mitgeteilt.

Der seit 16 Jahren in der Filiale, welche von B geleitet wird, beschäftigte 54-jährige Arbeiter Richard (R) hat sich bereits in der Woche nach der Betriebsratswahl vertrauensvoll mit der Bitte um Unterstützung an seinen Kollegen E (nur an diesen und nicht offiziell an den BR) gewandt, weil er aufgrund der ständigen Anfeindungen durch Filialleiterin B bereits unter psychischen Problemen leide und aus diesem Grund auch schon den Arzt aufsuchen musste.405

Ab Beginn des Jahres 2017 ergeben sich aus wirtschaftlichen Gründen Einsparungsnotwendigkeiten in einzelnen Filialen. Vorschlagsrechte hierfür kommen insb den FilialleiterInnen zu. Am Donnerstag, den 16.2.2017 erhält der inzwischen wieder gesunde A die Information, dass beabsichtigt sei, Arbeiter R zu kündigen. In der sodann bereits für 17.2.2017 einberufenen Sitzung erklären A und B, dass man den notwendigen Sanierungsplänen der Unternehmensleitung nicht entgegenstehen dürfe. Man habe daher innerhalb der Fraktion „Fortschritt“ bereits beschlossen, den nun anstehenden Kündigungen die Zustimmung zu erteilen. Tatsächlich wird schließlich auch der Kündigung des R mit vier zu zwei Stimmen – E und F haben sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen – zugestimmt.

Noch am selben Tag, dem 17.2. spricht T die Kündigung gegenüber Herrn R zum 31.3. aus.

Wie ist die Rechtslage?

Lösung

1.
Einleitung und Problemstellung

Die Falllösung nimmt ihren Ausgangspunkt mit der Klärung der Rechtsposition des R am zeitlichen Ende des Sachverhalts. Herr R wurde gekündigt. Aufgrund seines fortgeschrittenen Alters wird er sich um den Weiterbestand seines Arbeitsverhältnisses bemühen. Auch wenn das Verhältnis zu seiner Filialleiterin B belastet ist, wird ihn dies nicht hiervon abhalten, zumal das Unternehmen groß genug ist, sodass zumindest die Chance auf einen Einsatz an anderer Stelle im Unternehmen gegeben wäre.

Zu prüfen ist daher, ob R einen Rechtsanspruch auf Weiterbeschäftigung im Unternehmen T hat. Ein solcher könnte sich daraus ergeben, dass die Kündigung von vornherein rechtsunwirksam gewesen wäre, oder aber, dass R die allenfalls rechtswirksame Kündigung mit Erfolg anfechten könnte.

Was die Frage der Rechtswirksamkeit anbelangt, wäre insb zu erwägen, ob die persönlichen Verstrickungen zwischen R und der Filialleiterin B und deren nachfolgendes Verhalten im BR allenfalls Grundlagen für eine Rechtsunwirksamkeit sein könnten.

Für den Fall, dass die Kündigung rechtswirksam sein sollte, erweist sich für R vor allem die Zustimmung des BR als Problem iSd § 105 Abs 6 ArbVG. Es ist daher zu prüfen, ob möglicherweise die Betriebsratswahl bzw anschließende Konstituierung in einer für den Sachverhalt relevanten Weise mangelhaft war.

2.
Anspruch des R auf Weiterbeschäftigung bei T – Kündigungsschutz im Überblick

Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung kann sich ergeben, wenn die Kündigung rechtsunwirksam wäre, oder wenn die Kündigung zwar rechtswirksam war, R jedoch diese mit Erfolg anfechten könnte.

2.1.
Rechtseinwirkung der Kündigung

Im Falle einer rechtsunwirksamen Kündigung beendet diese das Arbeitsverhältnis nicht. Es besteht daher über den Kündigungstermin hinaus weiter. Da in aller Regel der AG von der lösenden Wirkung ausgeht, liegt zumeist ein Rechtsstreit über den Bestand oder Nichtbestand eines Arbeitsverhältnisses vor. Der AN müsste daher gem § 228 ZPO auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses über den Kündigungstermin hinaus klagen. Voraussetzung für den Erfolg einer solchen Feststellungsklage ist, dass die Kündigung rechtsunwirksam ist.

Grundsätzlich bestehen nach dem Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte, dass R einem besonderen Kündigungsschutz unterliegt. Das ist deshalb von Relevanz, da eine Verletzung des besonderen Kündigungsschutzes grundsätzlich zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung führen würde. Auch ein rechtswidriges Motiv, das jenseits der gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten liegt und die Sittenwidrigkeit der Kündigung gem § 879 ABGB bewirken könnte, ist nicht ersichtlich. Soweit, wie im vorliegenden Fall (vgl Pkt 2.2.), mit den Anfechtungstatbeständen das Auslangen zu finden ist, kommt ein Rückgriff auf die allgemeine Sittenwidrigkeit nicht in Betracht.*

2.2.
Anfechtbarkeit der Kündigung

Da also nicht von der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung auszugehen ist, muss geprüft werden, ob die Kündigung angefochten werden kann. In diesem Zusammenhang sind dem gekündigten AN prinzipiell alle denkbaren Möglichkeiten einer Anfechtung der Kündigung aufzuzeigen. Liegen mehrere Anfechtungsgründe vor, so können diese parallel geltend gemacht werden. Die für den gegenständlichen Sachverhalt in Betracht kommenden Anfechtungsgründe könnten entweder im GlBG oder im ArbVG zu finden sein.

2.2.1.
Diskriminierende Kündigung iSd GlBG?

Weil es sich bei R um einen „älteren“ AN handelt – laut Sachverhalt ist er bereits seit 16 Jahren in der Filiale beschäftigt –, könnte das Vorliegen einer wegen des Alters erfolgten diskriminierenden Kündigung erwogen werden. § 16 Abs 1 Z 7 GlBG verbietet ua eine Diskriminierung wegen des Alters bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Eine solcherart diskriminierende Kündigung könnte gem § 26 Abs 7 GlBG angefochten werden. Voraussetzung hierfür wäre aber, dass der AN iSd § 26 Abs 12 GlBG glaubhaft macht, dass die Kündi-406gung „wegen“ des – in diesem Fall vorgerückten – Alters erfolgt wäre. Der vorliegende Sachverhalt lässt jedoch keinen Schluss auf ein solches Kündigungsmotiv zu, erfolgt doch die Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen.

Eine Anfechtung gem § 26 Abs 7 GlBG kommt daher für R nicht in Betracht.

2.2.2.
Verletzung des Benachteiligungsverbots gem § 37 ArbVG

Denkbar wäre, dass die Kündigung einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gem § 37 ArbVG darstellt, weil R sein Recht in Anspruch genommen hat, beim BR Rat zu suchen. Während die hA* früher auf der Basis des Wortlautes dieser Bestimmung im Falle ihrer Verletzung von der Rechtsunwirksamkeit der beschränkenden Handlung gem § 879 ABGB ausgegangen ist, scheint sich mittlerweile mehr und mehr ein – uE nicht nur gut vertretbarer, sondern auch durchaus praktikabler – neuer Zugang im Umgang mit dem Benachteiligungsverbot durchgesetzt zu haben. Demnach ist zwar die Aufzählung der rechts- bzw sittenwidrigen Kündigungsmotive in § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG vordergründig betrachtet eine taxative. Dies steht aber nach hA der Annahme der Lückenhaftigkeit nicht im Wege.* Für das „rechtswidrige Motiv Betriebsübergang“ wurde das bereits nachgewiesen,* und mittlerweile auch im Zusammenhang mit dem (wohl zu Unrecht) in der Liste der Tatbestände des § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG nicht vorkommenden Motivs der Ausübung betriebsverfassungsrechtlicher Rechte durch den AN mehrfach vertreten.* Tatsächlich fügt sich die betriebsverfassungsrechtliche Betätigung des AN (im Rahmen des § 37 ArbVG) nahtlos in die speziell in § 105 ArbVG aufgezählten verwerflichen Kündigungsmotive ein. Es ist daher der neueren zutreffenden Meinung* zu folgen, wonach die diesbezüglich bestehende Lücke in § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG durch Einfügung des Tatbestands des Benachteiligungsverbotes des § 37 ArbVG zu schließen ist. Für den vorliegenden Fall bedeutet das: Sollte die Kündigung wegen der Inanspruchnahme des Rechts, sich an ein Betriebsratsmitglied zu wenden, ausgesprochen worden sein, so wäre die Kündigung gem § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG, ergänzt um den analog einbezogenen Tatbestand des § 37 ArbVG, anfechtbar.

Zu fragen ist aber nun, ob eine derartige Benachteiligung „wegen“ der Ausübung des individuellen Rechts auf Inanspruchnahme der Unterstützung durch den BR vorgelegen war. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Kündigung genau aus diesem Motiv ausgesprochen worden ist. Anders als beim Beschränkungsverbot, wo es auf die objektive Tatsache der Beschränkung ankommt, ist beim Benachteiligungsverbot die subjektive Tatseite integraler Teil des Tatbestands.* Fehlt es an der Kenntnis der Umstände durch den AG und damit naturgemäß auch am Motiv, so liegt eine verwerfliche, „maßregelnde“* Benachteiligung nicht vor.

Zu ergänzen ist aber, dass es nach einhelliger Auffassung nicht nur darauf ankommt, ob der AG selbst und höchstpersönlich von dem AN-Verhalten weiß und dieses zum Anlass für verwerfliche Sanktionen gemacht hat. Es ist dem AG auch das Verhalten von Personen zuzurechnen, welchen er – gleichgültig in welchem Ausmaß und Umfang – relevante Personalbefugnisse übertragen hat. Nach Strasser kommen hierfür Vorgesetzte unterschiedlichster Kategorie, „vom leitenden Angestellten bis zum bloßen Vorarbeiter“ in Betracht.* Als „Täterin“ iSd § 37 Abs 3 ArbVG käme daher im vorliegenden Sachverhalt auch B in ihrer Eigenschaft als Filialleiterin und somit als Vorschlagsberechtigte betreffend die anstehenden Kündigungen in Frage. Fasst man den Kreis der dem AG zurechenbaren Personen mit Strasser weit, dann kommt es nämlich nicht darauf an, ob B allenfalls auch zur selbstständigen Kündigung bzw Entlassung von AN befugt (und mithin uU auch iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG „leitende Angestellte“; vgl dazu später unter 3.1.) wäre.

Das Verhalten der B ist also dem AG zurechenbar, und es ist in einem weiteren Schritt zu fragen, ob der Vorschlag der B, genau R zu kündigen, von einem verwerflichen Motiv iSd § 37 ArbVG getragen sein könnte.

Hierzu geht aus dem Sachverhalt hervor, dass sich R nicht „an den BR“, sondern lediglich im Vertrauen an das einfache Betriebsratsmitglied E gewandt hat, welcher die Angelegenheit nicht offiziell in den BR eingebracht hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die Auswahl des zu kündigenden R durch Filialleiterin B nicht von dem Motiv getragen war, R für seine Intervention beim BR zu bestrafen, zumal kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass B von dieser Intervention überhaupt Kenntnis hatte.

Trotz der prinzipiellen Möglichkeit, eine benachteiligende Kündigung iSd § 37 ArbVG in analoger Anwendung des § 105 Abs 3 ArbVG anzufechten, und trotz des Umstandes, dass ein allfälliges benachteiligendes Verhalten der Filialleiterin B dem AG zuzurechnen wäre, kann R auf dieser Grundlage die Kündigung nicht anfechten, weil B über das Verhalten des R nicht informiert war und dieses daher auch nicht Motiv für ihr eigenes Verhalten sein konnte.407

2.2.3.
Anfechtung wegen Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis gem § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG

Als weiterer Anfechtungsgrund käme § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG in Betracht, wenn der AN vom AG wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom AG in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gekündigt wird. Der fragliche Anspruch des AN könnte hier darin bestehen, nicht (durch Vorgesetzte) angefeindet zu werden. Insb wenn der AN in Gefahr ist oder sich – wie hier – die Gefahr bereits realisiert hat, durch unangebrachtes Verhalten von Vorgesetzten Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit zu erfahren, ist der AG auf Grund seiner Fürsorgepflicht gem § 1157 ABGB bzw § 18 AngG verpflichtet, durch entsprechende Anordnungen einzuschreiten und Abhilfe zu schaffen.* Der AN könnte daher einen Anspruch auf Abstellen dieser Anfeindungen gegenüber dem AG geltend machen.

Tatsächlich hat der AN im Sachverhalt mit diesem Anliegen Hilfe gesucht, allerdings nicht beim AG,* sondern beim (einfachen) Betriebsratsmitglied E.

Um die Geltendmachung des Anspruchs als Anfechtungsgrund iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG relevieren zu können, wäre aber wiederum erforderlich, dass die Kündigung „wegen“ dieser Geltendmachung ausgesprochen worden wäre. Der Sachverhalt lässt aber keinen Schluss darauf zu, dass der AG in diesem Fall von der Kontaktnahme mit dem Betriebsratsmitglied (zum Zweck der Vorbereitung der Geltendmachung des Anspruchs) überhaupt Kenntnis gehabt hätte. Wenn aber der AG von einem Umstand keine Kenntnis hatte, kommt dieser Umstand auch als verwerfliches Kündigungsmotiv nicht in Betracht.*

Zur allfälligen Zurechnung der Kenntnis anderer Personen zum AG siehe bereits unter 2.2.2.

2.2.4.
Anfechtung wegen mangelnder sozialer Rechtfertigung der Kündigung?

Aufgrund des fortgeschrittenen Lebensalters könnte R erwägen, die Kündigung gem § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG anzufechten, weil diese wesentliche Interessen beeinträchtige. Die Voraussetzungen hierfür hängen zwar keineswegs (nur) am Lebensalter, * doch erkennt die Rsp, wenn überhaupt, ein Anfechtungsrecht zumeist erst etwa ab dem 50. Lebensjahr an.* Ob die übrigen materiellen Voraussetzungen für eine sozial ungerechtfertigte Kündigung gegeben sind, lässt sich dem Sachverhalt nicht entnehmen. Es ist aber idR in diesem Alter mindestens bereits mit besonderen Erschwernissen bei der Arbeitssuche zu rechnen, sodass zunächst die wesentliche Interessenbeeinträchtigung angenommen werden darf.

Was freilich der Kündigungsanfechtung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG entgegensteht, ist § 105 Abs 6 ArbVG: Der Anfechtungsgrund der mangelnden sozialen Rechtfertigung kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der BR im Rahmen des betriebsverfassungsrechtlichen Vorverfahrens gem § 105 Abs 2 ArbVG der Kündigungsabsicht ausdrücklich zugestimmt hat.

Als Zwischenergebnis wäre hiermit also festzuhalten, dass infolge der Zustimmung des BR auch eine Anfechtung der Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG gem § 105 Abs 6 ArbVG ausgeschlossen ist.

Nun soll allerdings in einem weiteren gesonderten Abschnitt geprüft werden, ob das Sperrrecht vom BR überhaupt rechtswirksam ausgeübt wurde.

3.
Zweifel an der rechtmäßigen Ausübung des Sperrrechts?

Nachdem nun unter Pkt 2. ausgeführt wurde, dass weder eine Rechtsunwirksamkeit der Kündigung noch eine Anfechtung vordergründig in Betracht kommt, die einzige materiell in Betracht kommende Anfechtungsmöglichkeit, jene gem § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG, an der Ausübung des (partiellen) Sperrrechts des BR zu scheitern scheint, soll unter diesem Punkt analysiert werden, welche Aspekte im konkreten Fall allenfalls gegen die Rechtmäßigkeit der Ausübung des Sperrrechts sprechen könnten.

3.1.
Mängel der Betriebsratswahl?

Vorwegzuschicken ist, dass Mängel einer Betriebsratswahl diese nur dann rechtsunwirksam (§ 60 ArbVG) machen, wenn es sich um derart gravierende Mängel handelt, welche die Grenzen der anfechtbaren Wahl gem § 59 ArbVG weit überschreiten und das Bild einer „Nichtwahl“ präsentieren. In allen übrigen Fällen ist die Wahl anfechtbar und der BR besteht daher bis zu einer erfolgreich durchgeführten Anfechtung weiter.* Darüber hinaus ist die Anfechtung nur innerhalb einer Frist von einem Monat möglich. Wird innerhalb dieser Frist keine Anfechtungsklage eingebracht, so werden die Wahlmängel durch den Zeitablauf gleichsam saniert.

Im konkreten Fall sind allerdings aus dem Sachverhalt keinerlei Zweifel im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Betriebsratswahl abzulesen. Die Beschlüsse der Betriebsversammlungen hinsichtlich der Bildung von gemeinsamen Organen (§ 40 Abs 3 ArbVG) wurden offensichtlich entsprechend gefasst, sodass in der Tat von der Richtigkeit der408Wahl eines gemeinsamen BR auszugehen ist. Zweifel könnten sich allenfalls noch daraus ergeben, dass hier eine Liste zur Wahl zugelassen wurde, welche sich ausschließlich aus FilialleiterInnen zusammensetzt. Gem § 53 ArbVG sind nämlich „leitende Angestellte“ iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG nicht zum BR wählbar, weil es sich nicht um AN iSd Betriebsverfassung handelt. Laut Sachverhalt verfügt aber Frau B als Filialleiterin nicht über die Befugnis, selbstständig Kündigungen durchzuführen. Geht man davon aus, dass dies eben grundsätzlich auf alle FilialleiterInnen zutrifft, so erfüllt keiner von ihnen die Voraussetzungen für eine Ausnahme aus dem AN-Begriff gem § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG. Dh, sie wären durchaus zum BR passiv wahlberechtigt.

Selbst wenn aber einer der KandidatInnen als „leitender Angestellter“ im technischen Sinn vom AN-Begriff und damit vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen wäre, so täte dies auch dem wirksamen Bestehen des BR keinen Abbruch. Es könnte nämlich die Wahl eines nicht passiv Wahlberechtigten in erster Linie nur zu einer Mandatsaberkennungsklage gem § 64 Abs 4 ArbVG berechtigen, im Ausnahmefall – wenn das gesamte Wahlergebnis dadurch beeinflusst werden hatte können – auch zur Anfechtung gem § 59 ArbVG,* keinesfalls aber zur Nichtigkeit der Wahl gem § 60 ArbVG.

Festzuhalten ist daher, dass aufgrund des Sachverhalts ein Wahlmangel nicht feststellbar ist. Selbst bei Vorliegen eines solchen wäre dieser aber höchstens für eine Anfechtung relevant. Da eine solche binnen der Frist des § 59 ArbVG nicht erfolgt ist, war daher vom aufrechten Bestand des BR auszugehen.

3.2.
Betriebsverfassungsrechtliches Vorverfahren – Generalbeschluss für künftiges Verhalten bei Kündigungen?

Aus dem Sachverhalt ergibt sich, dass die Liste „Fortschritt“ als Fraktion innerhalb des BR einen generellen Beschluss gefasst hat, künftigen Kündigungen die Zustimmung zu erteilen. Zwar ist es seit jeher zutreffend einhellige Meinung, dass bei gewissen Angelegenheiten mitunter durchaus, nicht aber bei Kündigungen bzw Entlassungen, ein genereller Beschluss „auf Vorrat“ gefasst werden könne, wie man sich bei künftig anstehenden Personalmaßnahmen dieser Art verhalten werde.* Relevant ist dies allerdings nur dann, wenn ein solcher (unzulässiger) Vorratsbeschluss tatsächlich zur Grundlage für eine Stellungnahme durch den Betriebsratsvorsitzenden gemacht wird. Handelt es sich – wie hier – um einen Beschluss innerhalb einer Fraktion des BR, so ist dieser rechtlich jedenfalls irrelevant. Da der BR für den konkreten Fall in einer gesonderten Sitzung, und zwar auch mit der gem § 68 Abs 2 ArbVG erforderlichen Mehrheit von zwei Dritteln, den Beschluss gefasst hat, der Kündigung zuzustimmen, ist die spätere Mitteilung durch den Betriebsratsvorsitzenden durch einen ordnungsgemäßen Beschluss gedeckt.

3.3.
Konstituierung, Handlungsfähigkeit und Bestand des BR

Als letzte offene Frage verbleibt, welche Auswirkung die mangelhafte Konstituierung des BR hat. Eine ausdrückliche Regelung dazu – vergleichbar der §§ 59-60 ArbVG – fehlt. Ein etwaiger Mangel könnte darin gesehen werden, dass B anstelle von A die konstituierende Sitzung einberufen hat. § 66 ArbVG regelt nämlich sehr detailliert die Einberufung der konstituierenden Sitzung des BR. Danach hat nach Durchführung der Betriebsratswahl binnen zwei Wochen das an Lebensjahren älteste Mitglied des BR die neu gewählten Mitglieder einzuberufen, um die Wahl der Organe durchzuführen. Binnen sechs Wochen nach der Wahl hat die Konstituierung stattzufinden. Wenn das älteste Betriebsratsmitglied dieser Pflicht innerhalb der zwei Wochen nicht nachkommt, so kann jedes Mitglied des BR, welches an erster Stelle eines Wahlvorschlages gereiht war, die Einberufung vornehmen. Das Einberufungsrecht wandert demgemäß sukzessiv von dem primär Einberufungsberechtigten zu den subsidiär Einberufungsberechtigten, sobald feststeht, dass der primär Einberufungsberechtigte seiner Pflicht nicht nachgekommen ist, also die Frist ungenützt verstreichen hat lassen. Auf den Grund, warum der primär Einberufungsberechtigte von seinem Recht nicht Gebrauch gemacht hat, kommt es dabei nicht an. Auch eine Vertretungsregelung ist in dieser Norm nicht enthalten. § 10 BRGO, der im relevanten Kern den Inhalt des § 66 ArbVG wiederholt, verweist für den Ablauf der Sitzungen auf § 14 Abs 4 bis 6 BRGO. Dass hier also auch ein Verweis auf § 14 Abs 3 BRGO, wonach bei Sitzungen uU eine subsidiäre Einberufung durch das Gericht bzw in der Folge eine Sitzungsführung durch einen Stellvertreter in Betracht kommt, bewusst nicht vorgenommen wurde, fügt sich in den in § 66 ArbVG zum Ausdruck kommenden Grundsatz nahtlos ein: Das Einberufungsrecht ist zeitlich sukzessive und nicht als subsidiäres Recht eines Stellvertreters für den Fall der Verhinderung gestaltet.

Ein kurzer Blick in die historische Entwicklung der Konstituierungsregelung bestätigt dieses Ergebnis. Die Materialien zur Stammfassung des ArbVG zeigen zunächst nur auf, dass § 66 „im wesentlichen dem geltenden Recht“ entspräche.* Zwar war die Fassung nach dem BRG 1947 insofern unvollständig, als dort in § 11 BRG 1947 für die erste Sitzung überhaupt kein Einberufer vorgesehen war, das – damals noch ausschließliche – Einberufungsrecht des an Lebensjahren ältesten Betriebsratsmitgliedes aber in § 15 BRGO (BGBl 1947/221)* verordnet war. Der Gesetzgeber des ArbVG ortet zwar vordergründig keinen Änderungsbedarf, tatsächlich erachtet er aber die Nennung des an Lebensjahren ältesten Betriebsratsmitgliedes als – auch in der409Stammfassung des ArbVG noch ausschließlich – für die Einberufung Zuständigen als so bedeutend, dass dieses Recht und die Pflicht zur Einberufung ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen und künftig nicht mehr der Regelung durch Verordnung überlassen wurde.

Auf der Grundlage dieser Rechtsentwicklung stand die Rsp zunächst auf dem Standpunkt, dass eine nicht von dem an Lebensjahren ältesten Betriebsratsmitglied einberufene konstituierende Sitzung unzulässig ist, die darin gewählten Organe daher als nicht gewählt gelten.* Während die Lehre zum Teil wenigstens für eine Kompetenz des Einigungsamtes im Falle der Untätigkeit des einzig Einberufungsberechtigten eintrat,* stellte der VwGH mit größerer Deutlichkeit auf den Vorrang des an Lebensjahren Ältesten ab.* Die diesbezüglich restriktive Haltung des VwGH wurde insb wegen der daraus entstehenden dramatischen Folgen (Nichtexistenz eines handlungsfähigen BR) vor allem von Rebhahn überaus kritisch beurteilt.* Im Zentrum der Kritik steht der Umstand, dass nach der damaligen Rechtslage das Recht bzw die Pflicht zur Einberufung ausschließlich dem an Lebensjahren ältesten Betriebsratsmitglied zustand, im Falle der Säumnis dieser einen Person aber keinerlei Möglichkeit bestanden hatte, das wirksam gewählte Organ durch Wahl der Organfunktionäre handlungsfähig zu machen.

Sozialpolitische Forderungen nach einer Änderung dieses Rechtszustandes knüpften in der Hauptsache an diese Diskussionen um die drastischen Konsequenzen der Säumnis der einzig zuständigen Person an. Die Weiterentwicklung zur heute geltenden Regelung eines sukzessiven Einberufungsrechts erfolgte sodann durch die große ArbVG-Novelle BGBl 1986/394. Diese war im Kern wiederum Folge des im Jahre 1985 vom damaligen Sozialminister Dallinger vorgelegten „29-Punkte-Programms“ zur Novellierung des Arbeitsverfassungsgesetzes.* Unter Pkt 6 dieses Forderungskatalogs findet sich „Konstituierung des Betriebsrates: Regelung für den Fall, daß das älteste Mitglied nicht einberuft“. Dieser Forderung wurde durch den Gesetzgeber mit der Neufassung des § 66 ArbVG und der darin enthaltenen Regelung für den Fall, dass das an Lebensjahren älteste Betriebsratsmitglied die zweiwöchige Frist ungenützt verstreichen lässt, kommentarlos* nachgekommen.

Obwohl in den Materialien zur Novelle 1986 nicht ausgedrückt, war der offenkundige Zweck der Neuregelung dafür Sorge zu tragen, dass eine Einberufung im Falle des ungenützten Verstreichens der Frist von zwei Wochen dennoch stattfinden kann, hatte es doch nach der ursprünglichen Regelung der Einberufungsberechtigte in der Hand, das Organ durch Untätigbleiben schlicht zum Erlöschen (§ 64 Abs 3 ArbVG; siehe dazu sogleich) zu bringen.

In Summe ist also festzuhalten, dass es in der Intention des Gesetzgebers des Jahres 1986 gelegen war, einerseits am Einberufungsrecht des an Lebensjahren Ältesten festzuhalten, andererseits aber zu verhindern, dass dieser allein – mit oder ohne Grund – einzig durch Passivität eine Konstituierung verhindert. Der Weg, um diesem Ziel gerecht zu werden, war jener, dem an Lebensjahren ältesten Betriebsratsmitglied für die ersten beiden Wochen das ausschließliche Einberufungsrecht einzuräumen, nach Ablauf dieser Zeit aber ein subsidiäres Einberufungsrecht der Listenersten vorzusehen. Die alternativ mögliche Variante, eine Stellvertretung für ein allenfalls verhindertes an Lebensjahren ältestes Betriebsratsmitglied vorzusehen, wurde im Zuge der Novellierung nicht einmal angedacht, sodass auch aus diesem Grund an dem ausschließlichen Einberufungsrecht des an Lebensjahren ältesten Betriebsratsmitgliedes während der ersten beiden Wochen kein Zweifel besteht.* Vielmehr ist dem Gesetz sogar zu entnehmen, dass dieses primäre Einberufungsrecht auch nach Ablauf der zweiwöchigen Frist nicht verloren geht, sodass der an Lebensjahren Älteste selbst dann noch einberufen kann, wenn die subsidiären Einberufungsrechte bereits entstanden sind.*

Für den vorliegenden Sachverhalt heißt dies, dass während der zweiwöchigen, exklusiv dem an Lebensjahren Ältesten zustehenden Einberufungsfrist ein anderer und mithin nicht Berechtigter die Einberufung vorgenommen hat.

Die Frage, die sich nun stellt, ist jene nach den Rechtsfolgen dieser gesetzwidrigen Konstituierung. Handelt es sich dabei lediglich um einen unbeachtlichen Formalmangel, besteht ein Recht zur Anfechtung, oder ist die Konstituierung gem § 879 ABGB als rechtsunwirksam zu qualifizieren? Die Judikatur hat sich dazu – soweit ersichtlich – noch nicht geäußert. In der Literatur vertritt lediglich Neumayr, dass Mängel bei der Konstituierung einen Anfechtungsgrund darstellen.* Soweit es sich um minder schwerwiegende Mängel handelt, soll der Bestand des BR überhaupt gänzlich unberührt bleiben. Das sei vor allem dann anzunehmen, wenn die Mängel keinen Einfluss auf das jeweilige Ergebnis hatten.* Zwar scheint dieses Ergebnis die Wertung der §§ 59-60 ArbVG auf seiner Seite zu haben. Im Gegensatz zur Betriebsratswahl hat aber der Gesetzgeber die Möglichkeit zur Anfechtung im Falle einer mangelhaften Konstituierung des BR gerade nicht vorgesehen. Man muss also dem Gesetz eine planwidrige Lücke unterstellen, die im Wege einer analogen Anwendung des § 59 ArbVG zu schließen ist. Gerade daran darf aber mit gutem410Grund gezweifelt werden. Denn die Rechtsfolge, sollten die zweiseitig zwingenden Regelungen des Organisationsrechts des ArbVG verletzt worden sein, ist eigentlich klar: die Nichtigkeit und damit Rechtsunwirksamkeit der fraglichen Handlung gem § 879 ABGB. Gerade im vorliegenden Zusammenhang ist das freilich eine drastische Konsequenz. Denn die Folge wäre, dass die Betriebsratswahl mangels Konstituierung des gewählten BR nochmals durchgeführt werden müsste. Allerdings ist genau das auch die Rechtsfolge, die der Gesetzgeber vorsieht, sollten die zur Einberufung Berechtigten die Fristen für die Konstituierung des BR gem § 66 ArbVG ungenutzt verstreichen lassen.* Auch dabei handelt es sich im Kern um nichts anderes als um einen Mangel bei der Konstituierung. Damit bleibt freilich kein Platz mehr für die Annahme einer planwidrigen Lücke. Die Rechtsfolge, die der Gesetzgeber für den Fall einer gesetzwidrigen, weil mangelhaften Konstituierung vorgesehen hat, ist zweifelsfrei die Nichtigkeit derselben.

Allenfalls könnte man noch in Frage stellen, ob der Mangel, dass nicht der nach dem Gesetz Zuständige die konstituierende Sitzung einberufen hat, dem Mangel einer verfristeten Konstituierung gleichzuhalten ist. Nicht jeder Mangel muss sofort die Nichtigkeit zur Rechtsfolge haben. Bei näherer Betrachtung lässt sich auch in der Tat ein Anhaltspunkt für eine derart differenzierte Sichtweise finden. Denn der Grund, weshalb eine fristwidrige Konstituierung zur Nichtigkeit und damit zu Neuwahlen führt, ist wohl darin zu sehen, dass der Gesetzgeber einem BR, der es nicht einmal schafft, sich zeitgerecht zu konstituieren, nicht zutraut, seine sonstigen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen. Das wird man hingegen einem BR, dessen konstituierende Sitzung „bloß“ von einem dazu nicht befugten Mitglied einberufen wurde, nicht ohne weiteres unterstellen können. Insb dann, wenn alle Mitglieder der Einberufung Folge leisten und auch die Wahl des Vorsitzenden ordnungsgemäß durchgeführt wird, besteht kein Grund, an der Handlungsfähigkeit des BR zu zweifeln. Damit fehlt es aber an der Rechtfertigung für die drastische Rechtsfolge der Nichtigkeit. Tatsächlich entspricht es der hL im Zusammenhang mit regulären Betriebsratssitzungen, dass, sollte die Sitzung zu kurzfristig oder von der falschen Person einberufen worden sein, dieser Mangel durch die Anwesenheit aller Betriebsratsmitglieder geheilt wird.* Das ergibt sich letztlich unmittelbar aus § 14 Abs 6 BRGO 1974. Nichts anderes kann für die konstituierende Sitzung gelten, die im Hinblick auf die Einberufung – abgesehen vom „Einberufer“ – keinen Sonderregeln unterliegt. Im Umkehrschluss bedeutet das freilich, dass auch für die konstituierende Sitzung gelten muss: Sollte auf Grund der mangelhaften Einberufung auch nur ein Mitglied nicht zur Sitzung erscheinen, so liegt keine ordnungsgemäße Sitzung vor, so dass weder rechtsgültige Beschlüsse gefasst* noch die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden rechtsgültig durchgeführt werden können. Sollte es dennoch dazu kommen, so kann jedes gewählte Betriebsratsmitglied auf Feststellung der Ungültigkeit des betreffenden Beschlusses bzw der Wahl klagen.* Sollte es innerhalb der Frist des § 66 ArbVG nicht zu einer neuerlichen, diesmal rechtsgültigen Konstituierung kommen, erlöschen die Mandate und die Betriebsratswahl ist zu wiederholen.

Das erscheint nicht zuletzt aus Gründen des Minderheitenschutzes geboten. Denn trotz der grundsätzlichen „Pflicht“ zur Teilnahme gilt für die in der konstituierenden Sitzung anstehenden Wahlen (anders als für Beschlüsse) § 68 Abs 1 ArbVG nicht.* Mangels eines vorgeschriebenen Präsenzquorums kann daher eine Konstituierung mit einer minimalen Anzahl an teilnehmenden Betriebsratsmitgliedern (wie im gegenständlichen Sachverhalt) wirksam durchgeführt werden. Schon aus diesem Grund sind die gesetzlichen Formalvoraussetzungen für die konstituierende Sitzung besonders streng auszulegen – und zwar gleichgültig, wie viele Betriebsratsmitglieder schlussendlich tatsächlich an der Wahl teilgenommen haben.

Da B zur Einberufung der konstituierenden Sitzung weder am Tag nach der Wahl noch überhaupt berechtigt war (§ 66 Abs 1 ArbVG), hat eine ordnungsgemäße Einberufung nicht stattgefunden. Diese wurde auf Grund dessen, das E und F der Wahl fernblieben, auch nicht saniert. Hinsichtlich der sich daran knüpfenden Rechtsfolgen hat sich durch die Novelle von 1986 nichts geändert. Es bleibt also dabei, dass die in einer unzulässig einberufenen Konstituierung gewählten Organe rechtswidrig gewählt wurden.* Dieser Zustand hätte leicht saniert werden können, indem etwa während oder nach der zweiwöchigen Frist ab der Betriebsratswahl der an Lebensjahren älteste A korrekt eine konstituierende Sitzung einberufen hätte, oder aber die Einberufung (erneut) nach Ablauf der zweiwöchigen Frist durch E, den Listenersten der Minderheitsfraktion, erfolgt wäre. All dies ist aber nicht geschehen, und zwar insgesamt für die gesamte Dauer von zwei Mal sechs Wochen.

§ 64 Abs 3 ArbVG sieht für den Fall, dass binnen sechs Wochen nach Ablauf der sechswöchigen Frist des § 66 Abs 1 ArbVG eine Konstituierung nicht wirksam erfolgt ist, ein automatisches Erlöschen aller einzelnen Betriebsratsmandate vor.*

4.
Ergebnis

Eine gesetzeskonforme Einberufung einer konstituierenden Sitzung des am 16.11.2016 gewählten BR hat nicht stattgefunden. Das Einberufungsrecht kommt nämlich während der ersten beiden Wochen411ab der Wahl ausschließlich dem an Lebensjahren ältesten Betriebsratsmitglied zu. Zumindest nach dem Wortlaut des ArbVG ist dieses Recht während dieser Zeit nicht übertragbar, und es kann auch kein Stellvertreter zur Ausübung dieses Rechts namhaft gemacht werden. Eine neuerliche Einberufung durch einen hierzu Berechtigten hat weder während der ersten beiden Wochen noch danach stattgefunden, sodass es während der gesamten Frist aus § 66 Abs 1 ArbVG sowie der sich daran anschließenden Frist nach § 64 Abs 3 ArbVG zu keiner wirksamen Konstituierung gekommen ist. Es ist daher nach insgesamt zwölf Wochen ab der Wahl die Mitgliedschaft aller Betriebsratsmandatare erloschen. Im Zeitpunkt der Mitteilung der Kündigungsabsicht, am 16.2.2017 bestand daher im T-Unternehmen kein BR mehr.* Da der BR ab zwölf Wochen nach der Wahl in diesem Fall nicht mehr existent war, konnte er naturgemäß auch keine wirksame Stellungnahme zur Kündigung abgeben. Eine nach diesem Zeitpunkt erfolgte Zustimmung zur Kündigungsabsicht ist daher irrelevant. Das T-Handelsunternehmen ist im maßgeblichen Zeitpunkt ein Unternehmen ohne BR. R kann daher gem § 107 ArbVG seine Kündigung anfechten. Er kann sich hierfür auf alle in Betracht kommenden Anfechtungstatbestände des § 105 Abs 3 ArbVG stützen – insb auch auf § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG.