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Entgeltfortzahlung für die Funktion als Wahlzeuge bei der Betriebsratswahl?

 JOHANNANADERHIRN (LINZ)
  1. Die Einrichtung von Wahlzeugen hängt eng mit dem Gedanken der Betriebsdemokratie zusammen. Durch ihre bloße Anwesenheit wird häufig erreicht, dass einerseits Unkorrektheiten von Seiten des Wahlvorstands, andererseits aber auch unbegründete Wahlanfechtungen durch wahlwerbende Gruppen, die im Wahlvorstand nicht vertreten sind, unterbleiben. Ihnen obliegt daher eine wesentliche Funktion bei der Sicherstellung der Gesetzmäßigkeit des Wahlvorgangs.

  2. Aus den Regelungen des ArbVG bzw der Betriebsrats-Wahlordnung (BRWO) über den Freistellungs- bzw Entgeltfortzahlungsanspruch für Mitglieder des Wahlvorstands lässt sich nicht der Umkehrschluss ziehen, dass damit für andere Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl solche Ansprüche jedenfalls ausgeschlossen sind.

  3. Die Mitwirkung als Wahlzeuge stellt jedenfalls einen wichtigen, die Person des AN betreffenden Grund iSd § 1154b ABGB bzw des § 8 Abs 3 AngG dar. Die Tätigkeit als Wahlzeuge bei einer Betriebsratswahl dient letztlich auch den betrieblichen Interessen am gesetzmäßigen Ablauf einer Betriebsratswahl. Sie stellt für den einzelnen AN wenn auch keine Rechtspflicht, so doch eine so wesentliche gesellschaftliche Verpflichtung dar, dass vom Vorliegen eines Dienstverhinderungsgrundes iSd § 8 Abs 3 AngG auszugehen ist.

Der Kl ist seit 1988 bei der Bekl als Angestellter beschäftigt. Die tägliche Normalarbeitszeit liegt zwischen 7:00 Uhr und 16:00 Uhr. Am 9. und 10.6.2015 fanden bei der Bekl von 6:00 Uhr bis 16:00 Uhr Betriebsratswahlen statt, bei denen der Kl, der auch mit einer eigenen Liste kandidierte, als Wahlzeuge fungierte. Für diese beiden Tage wurde zwischen den Parteien eine Urlaubsvereinbarung geschlossen, damit der Kl seine Tätigkeit als Wahlzeuge ausüben kann. Der Kl begehrt die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der für den 9. und 10.6.2015 getroffenen Urlaubsvereinbarung. Die Wahrnehmung einer Wahlzeugenfunktion bei einer Betriebsratswahl stelle einen wichtigen, die Person des AN betreffenden Grund einer Leistungsverhinderung iSd § 8 Abs 3 AngG dar. Er habe daher unter Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts vom Dienst fernbleiben können.

Die Bekl bestreitet und bringt vor, dass kein Dienstverhinderungsgrund vorgelegen sei. Weder in der BRWO noch im ArbVG gebe es eine gesetzliche Grundlage für einen Freistellungsanspruch oder eine Entgeltfortzahlung für Wahlzeugen. Die Urlaubsvereinbarung sei daher wirksam.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Mitwirkung als Wahlzeuge sei als wichtiger, die Person des AN betreffender Grund iSd § 8 Abs 3 AngG anzusehen.

Der dagegen erhobenen Berufung der Bekl gab das Berufungsgericht nicht Folge. [...]

Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, da oberstgerichtliche Rsp zur Frage der Anwendung des § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b Abs 5 ABGB auf Wahlzeugen nicht bestehe und dieser Rechtsfrage über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.493

1. Nach § 23 BRWO ist jede Wählergruppe, deren Wahlvorschlag für die Betriebsratswahl zugelassen wurde, berechtigt, für jeden Wahlort höchstens zwei Wahlzeugen zu bezeichnen, denen das Recht zusteht, die Wahlhandlung zu beobachten. Als Wahlzeugen können außer wahlberechtigten AN auch Vorstandsmitglieder oder Angestellte einer zuständigen freiwilligen Berufsvereinigung oder gesetzlichen Interessenvertretung der AN namhaft gemacht werden. Die Wahlzeugen haben die Aufgabe, die Wahlhandlung zu überwachen. Dieses Überwachungsrecht erstreckt sich auf die unmittelbaren Vorbereitungen vor der Stimmabgabe, die Stimmabgabe selbst und auf die Stimmenzählung (Löschnigg in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 56 Rz 9). Die Bestellung von Wahlzeugen ist ein Recht der wahlwerbenden Gruppen, keine Verpflichtung. In der Literatur wird allerdings zu Recht darauf verwiesen, dass die Einrichtung von Wahlzeugen eng mit dem Gedanken der Betriebsdemokratie zusammenhänge. Damit soll ua erreicht werden, dass unnötige Streitigkeiten, die aus gegenseitigem Misstrauen entstehen könnten, vermieden werden. Wenn die Wahlzeugen auch in das Wahlverfahren selbst direkt nicht eingreifen dürfen, so wird durch ihre bloße Anwesenheit häufig erreicht, dass einerseits Unkorrektheiten von Seiten des Wahlvorstands, andererseits aber auch unbegründete Wahlanfechtungen durch wahlwerbende Gruppen, die im Wahlvorstand nicht vertreten sind, unterbleiben. Die Nichtzulassung ordnungsgemäß nominierter Wahlzeugen stellt einen Verfahrensfehler dar (vgl Jabornegg/Naderhirn/Trost, Die Betriebsratswahl6, 166). Ihnen obliegt daher eine wesentliche Funktion bei der Sicherstellung der Gesetzmäßigkeit des Wahlvorgangs.

2. Weder das ArbVG noch die BRWO enthalten eine Bestimmung über einen Freistellungs- bzw Entgeltfortzahlungsanspruch von Wahlzeugen für die Zeit der Ausübung ihrer Tätigkeit. Eine derartige Regelung findet sich in § 55 Abs 1 ArbVG sowie § 13 Abs 4 BRWO nur für den Wahlvorstand, indem auf die sinngemäße Anwendung der §§ 115 und 116 ArbVG verwiesen wird. Entgegen der Ansicht der Bekl lässt sich daraus jedoch nicht der Umkehrschluss ziehen, dass damit für andere Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl eine Dienstfreistellung bzw Entgeltfortzahlung jedenfalls ausgeschlossen ist. Durch die mit der Novelle BGBl Nr 394/1986 ins ArbVG aufgenommene Regelung erfolgte nur eine Klarstellung und damit Absicherung der Rechtsstellung der Mitglieder des Wahlvorstands. So verweist Löschnigg darauf, dass diese in der Stammfassung des ArbVG nur ansatzweise geregelt war, §§ 115 und 116 seien nur per analogiam zur Anwendung gekommen. Durch die Novellierung sei diese Unsicherheit bereinigt worden (Löschnigg in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 54 Rz 27). Die Materialien enthalten jedoch keinen Hinweis darauf, dass damit ein allfälliger Freistellungsanspruch auf den Wahlvorstand beschränkt und für andere Personen im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen ausgeschlossen werden sollte.

3. Zu prüfen ist daher, ob ein Entgeltfortzahlungsanspruch aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen besteht [...].

Nach § 8 Abs 3 AngG besteht ein Anspruch auf Entgelt, wenn der Angestellte durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Dienste verhindert wird. Andere wichtige, die Person des DN betreffende Gründe sind nicht nur solche, die in der Person des DN entstanden sind, sondern auch solche, die ihn entweder durch ihre unmittelbare Einwirkung an der Dienstleistung hindern oder nach Recht, Sitte oder Herkommen wichtig genug erscheinen, um ihn davon abzuhalten (RIS-Justiz RS0027938). Die dadurch entstehende Kollision von Vertragspflichten mit einer höherwertigen Pflicht kann dann im Einzelfall das ansonsten pflichtwidrige Unterlassen der Dienstleistung rechtfertigen. Es hat daher eine Interessenabwägung stattzufinden, wobei die Interessen des AN an der (bezahlten) Freistellung den Interessen des AG an der Erbringung der Arbeitsleistung gegenüberzustellen sind. Ein Dienstverhinderungsgrund liegt nur dann vor, wenn seitens des AN ein so wichtiges Interesse vorliegt, das schwerer wiegt als der Nachteil, den der AG durch das Unterbleiben der Dienstleistung erleidet (Drs, Sonstige Dienstverhinderungsgründe, in

Resch
, Fragen der Lohnfortzahlungspflicht 42 f mwN; vgl RIS-Justiz RS0029446). Neben familiären oder tatsächlichen Hinderungsgründen ist es anerkannt, dass eine Dienstverhinderung aus öffentlich-rechtlichen Pflichten ebenfalls unter § 8 Abs 3 AngG subsumiert werden kann. So wurde etwa in der Entscheidung 8 ObA 71/03d (zu § 1154b Abs 4 [richtig: Abs 5, Anm der Rezensentin] ABGB) die Tätigkeit als fachkundiger Laienrichter als ein solcher wichtiger Grund angesehen. Dabei wurde darauf verwiesen, dass auch wenn diese Tätigkeit das Einverständnis des AN voraussetzt, eine Verpflichtung zur beruflichen Vertretung besteht, entsprechende Laienrichter zu wählen und die Zugehörigkeit zu der Berufsgruppe auch Wahlvoraussetzung sei. Die „Bereitschaft zur Übernahme“ könne daher nur die Auswahl zwischen den potenziellen AN einschränken. Insgesamt bestehe aber zwingend das Erfordernis der Wahl von Laienrichtern aus dem Kreis der AN. Allgemein anerkannt ist auch, dass die Ausübung des Wahlrechts einen wichtigen Grund darstellt. Dabei wird in der Literatur ein Entgeltfortzahlungsanspruch bei allgemeinen Wahlen auch für Beisitzer und Wahlzeugen angenommen (Holzer in
Marhold/Burgstaller/Preyer
, AngG § 8 Rz 49; Melzer-Azodanloo in
Löschnigg
, AngG9 Rz 200; Drs in ZellKomm2 § 8 AngG Rz 137), ungeachtet des Umstands, dass die Tätigkeit als Wahlzeuge eine freiwillige ist (vgl beispielsweise § 61 NRWO). Floretta/Strasser (ArbVG HK, 331) bejahen für den Wahlzeugen zwar einen Anspruch auf Freizeit, nicht jedoch auf Fortzahlung des Entgelts. §§ 115, 116 ArbVG seien nicht analog anzuwenden. Auf § 8 Abs 3 AngG wird nicht eingegangen. Dagegen vertritt Löschnigg in
Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 56 Rz 9, dass die Mitwirkung als Wahlzeuge jedenfalls einen wichtigen, die Person des AN betreffenden Grund iSd § 1154b ABGB bzw des § 8 Abs 3 AngG darstellt. Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Die Tätigkeit als Wahlzeuge bei494einer Betriebsratswahl dient wie eingangs dargelegt den Interessen der AN des Unternehmens und damit letztlich auch den betrieblichen Interessen am gesetzmäßigen Ablauf einer Betriebsratswahl und ist so wie die Tätigkeit des Wahlzeugen bei allgemeinen Wahlen für das Funktionieren einer demokratischen (Betriebs-)Gemeinschaft von essentieller Bedeutung. Sie stellt damit für den einzelnen AN wenn auch keine Rechtspflicht, so doch eine so wesentliche gesellschaftliche Verpflichtung dar, dass vom Vorliegen eines Dienstverhinderungsgrundes iSd § 8 Abs 3 AngG auszugehen ist. Daran ändert auch nichts, dass diese Funktion auch von Mitgliedern von Interessenvertretungen ausgeübt werden kann. Denn gerade die Möglichkeit der Teilnahme von AN des Betriebs oder Mitgliedern wahlwerbender Gruppen wird in der Regel besonders geeignet sein, das Vertrauen in den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl zu bestärken und zur Akzeptanz des Ergebnisses beitragen. Soweit die Bekl damit argumentiert, dass ein derartiger Verhinderungsgrund bei der Teilnahme an einer Betriebsversammlung verneint wurde (9 ObA 347/89), haben schon die Vorinstanzen dargelegt, dass § 47 ArbVG ausdrücklich nur einen Anspruch auf Arbeitsfreistellung vorsieht und die Möglichkeit der Einräumung einer Entgeltfortzahlung einer Regelung in Kollektivverträgen bzw BV vorbehält. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass keine Regelung zur Abgeltung eines allfälligen Verdienstentgangs im geltenden Recht besteht (RV 840 BlgNR 13. GP 73). Die Teilnahme an der Betriebsversammlung ist daher weder von der Sache noch von der Rechtslage mit dem vorliegenden Fall vergleichbar. Die grundsätzliche Bejahung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs für Wahlzeugen macht auch – entgegen den Ausführungen in der Revision – § 55 ArbVG nicht überflüssig, da durch diese Regelung klargestellt wird, dass für die Tätigkeit als Wahlvorstand in jedem Fall ein Anspruch auf Dienstfreistellung und Entgeltfortzahlung besteht, unabhängig von den anderen Voraussetzungen, die nach § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b ABGB jeweils im Einzelfall zu prüfen sind.

4. Ausgehend von dem wichtigen Interesse des Kl an der Tätigkeit als Wahlzeuge hat wie zuvor dargelegt eine Interessenabwägung mit den Interessen des AG an der Arbeitsleistung des Kl zu erfolgen. Da diesbezüglich von der Bekl kein Vorbringen erstattet wurde, ist von einem überwiegenden Interesse des Kl auszugehen. Der Kl hat daher nach § 8 Abs 3 AngG einen Anspruch auf Freistellung gegen Entgeltfortzahlung.

5. Nach § 4 Abs 2 UrlG kann für Zeiträume, während der der AN Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Entfall der Arbeitsleistung hat, ein Urlaubsantritt nicht vereinbart werden, wenn diese Umstände – wie im vorliegenden Fall unstrittig – bereits bei Abschluss der Vereinbarung bekannt waren. Geschieht dies dennoch, zählen die in die Zeiten der Arbeitsverhinderung fallenden Urlaubstage nicht auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch (RIS-Justiz RS0052347). Der Anspruch des Kl, dass die beiden Tage, in denen er bei der Betriebsratswahl als Wahlzeuge tätig war, unabhängig von den Urlaubsvereinbarungen nicht auf seinen Urlaubsanspruch anzurechnen sind, besteht daher zu Recht. Der Revision war nicht Folge zu geben.

ANMERKUNG
1.
Einleitung

In der vorliegenden E befasst sich der OGH erstmals mit der Frage, ob die Tätigkeit als Wahlzeuge bei der Betriebsratswahl einen Anspruch auf Dienstfreistellung mit Entgeltfortzahlung nach § 8 Abs 3 AngG (bzw § 1154b Abs 5 ABGB) begründet. Der OGH hat dies unter Bezugnahme auf Lehrmeinungen bejaht, wobei dem – um es gleich vorwegzunehmen – zugestimmt werden kann. Diese Entscheidung wurde auch schon von Burkowski (ARD 6542/5/2017) für zutreffend erachtet (vgl auch Chlestil, DRdA-infas 2017, 148 f). Im Folgenden sollen ergänzende Überlegungen auch aus historischer Sicht angestellt werden.

2.
Der Wahlzeuge bei der Betriebsratswahl in der historischen Entwicklung

Die Funktion des Wahlzeugen (ohne jedoch diesen Begriff zu verwenden) kannte bereits § 11 der Vollzugsanweisung des deutschösterreichischen Staatsamtes für soziale Verwaltung vom 27.6.1919 über die Wahl der Betriebsräte, welche aufgrund des BRG 1919 erging. In § 11 BRWO 1928 fand der Begriff des Wahlzeugen ausdrücklich Eingang. In der BRWO 1947 waren die Wahlzeugen in § 18 geregelt.

Nunmehr normiert § 23 BRWO 1974, dass jede Wählergruppe mit zugelassenem Wahlvorschlag berechtigt ist, dem Wahlvorstand für jeden Wahlort höchstens zwei Wahlzeugen zu bezeichnen, denen das Recht zusteht, die Wahlhandlung zu beobachten. Hier fällt auf, dass im Gegensatz zu den Vorgängerregelungen statt von „Beaufsichtigung“ der Wahlhandlung von „Beobachtung“ der Wahlhandlung die Rede ist. Dies dürfte im Zusammenhang mit dem zweiten Halbsatz stehen, in dem erstmals die Regelung verankert wurde, dass den Wahlzeugen kein Einfluss auf den Gang der Wahlhandlung zusteht.

3.
Ist die Tätigkeit als Wahlzeuge bei der Betriebsratswahl ein Dienstverhinderungsgrund iSd § 8 Abs 3 AngG (§ 1154b Abs 5 ABGB)?
3.1.
Allgemeines

Im ersten Schritt soll nun dargelegt werden, warum die Tätigkeit als Wahlzeuge bei der Betriebsratswahl einen Verhinderungsgrund iSd § 8 Abs 3 AngG (wenn im Folgenden von § 8 Abs 3 AngG die Rede ist, gelten die diesbezüglichen Ausführungen entsprechend auch für § 1154b Abs 5 ABGB,495wenn nicht aus dem Text anderes hervorgeht) darstellt. Dabei bleiben die einschlägigen Regelungen des ArbVG zur Entgeltfortzahlungspflicht zunächst außer Betracht.

3.2.
Einzelfragen zu § 8 Abs 3 AngG
3.2.1.
Tätigkeit als Wahlzeuge Verschulden iSd § 8 Abs 3 AngG?

Vorab ist festzuhalten, dass die Tätigkeit als Wahlzeuge nicht als „Verschulden“ des AN an der Dienstverhinderung angesehen werden kann, welches die Entgeltfortzahlung nach den einschlägigen Regelungen ausschließt. Zur Zeit der Geltung des BRG 1919, in welchem eine Entgeltfortzahlungspflicht des Betriebsinhabers (BI) für die Erfüllung von Betriebsratsagenden nicht vorgesehen war (vgl unten) hat der VwGH in einer E (A 198/26 Arb 3586) die Anwendbarkeit des § 1154b ABGB für Zeiten angenommen, die die vom BR in den Verwaltungsrat entsandten Mitglieder in Sitzungen desselben verbrachten. Von einem Verschulden dieser Betriebsratsmitglieder könne nicht die Rede sein. Nach Ansicht des VwGH könnte man ein solches allenfalls in der Tatsache sehen, dass der AN das Amt des BR übernommen hat. Dies entspringe aber einer Pflicht gegenüber seinen Arbeitsgenossen und habe ihre Grundlage in einer gesetzlich festgelegten Einrichtung. Diesen Aussagen des VwGH kann nur beigepflichtet werden. § 40 ArbVG ordnet die Bildung der entsprechenden Organe ausdrücklich und verpflichtend an (vgl nur Löschnigg in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 40 Rz 20 ff). Dieser gesetzlichen Verpflichtung kann aber nicht nachgekommen werden, wenn sich keine AN finden, die bereit sind, dieses Amt zu übernehmen. Es kann einem AN dann auch nicht als Verschulden angelastet werden, wenn er gleichsam die Erfüllung einer einschlägigen gesetzlichen Pflicht ermöglicht. Dementsprechend betont auch die Lehre, dass „schuldhaftes Verhalten“ den Entgeltfortzahlungsanspruch nur dann ausschließt, wenn der AN die Dienstverhinderung durch ein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten herbeiführt (vgl nur Drs in ZellKomm2 § 8 AngG Rz 149 mwN).

Eine differenzierende Ansicht vertritt Burger (in Reissner, AngG2 § 8 Rz 88 mwN). Er lehnt zB einen Entgeltfortzahlungsanspruch für Mitglieder freiwilliger Hilfsorganisationen mit dem Argument ab, dass sich der AN systematisch und geplant für Einsätze während der Dienstzeit zur Verfügung stelle, wodurch eine Dienstverhinderung gewiss und wiederholt auftrete. Gleichgültig, ob man dem folgen will oder nicht, kann dieses Argument im Hinblick auf die zeitlich vorhersehbare und zeitlich begrenzte Wahlzeugentätigkeit, die arbeitsrechtlich explizit vorgesehen ist, nicht zugkräftig sein. Weder die Übernahme des Amtes als Betriebsratsmitglied, noch die Tätigkeit im Wahlvorstand oder als Wahlzeuge kann als Verschulden gewertet werden. Hier kann es keinen Unterschied machen, dass die Bildung des Wahlvorstandes wie jene des BR gesetzlich zwingend angeordnet ist, wohingegen die Benennung von Wahlzeugen „nur“ als Recht der entsprechenden Wählergruppen ausgestaltet ist und weiters auch niemand gezwungen werden kann, diese Funktion zu übernehmen. Wie der OGH zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich zwar um keine Rechtspflicht, aber doch um eine wesentliche gesellschaftliche Verpflichtung, wobei die Übernahme derselben durch AN geeignet ist, besonderes Vertrauen in den Wahlablauf zu gewährleisten.

3.2.2.
Tätigkeit als Wahlzeuge bei der Betriebsratswahl sonstiger wichtiger Grund?

Neben den vom OGH herangezogenen Argumenten spricht noch Einiges dafür, dass die Ausübung der Tätigkeit als Wahlzeuge ein sonstiger wichtiger, die Person des AN betreffender Grund ist. Bereits der Bericht der Kommission für Justizgegenstände (78 BlgStenProt HH 21. Sess 1912, 216) führt aus, dass die Formulierung „seine Person betreffende“ statt „in seiner Person gelegene“ Gründe (letztere Formulierung war im ABGB ursprünglich vorgesehen, vgl Mayer/Grünberg, Handlungsgehilfengesetz [1911] 127) zu erkennen gibt, dass es nicht gerade in der Person des DN entstandene Ursachen sein müssen, sondern zB auch Verkehrsstörungen darunter fallen können. Dies lässt sich aber auch aus anderen gesetzlichen Regelungen ableiten, zB aus § 1154b Abs 6 ABGB, wo seit BGBl I 2013/145 normiert ist, dass die Entgeltfortzahlung auch kollektivvertraglich nicht abbedungen werden kann, wenn die Dienstverhinderung aufgrund persönlicher Betroffenheit des AN durch eine Katastrophe besteht. Daraus ergibt sich, dass dieser Dienstverhinderungsgrund nach Ansicht des Gesetzgebers von § 1154b Abs 5 ABGB bzw § 8 Abs 3 AngG erfasst ist. In § 26 Abs 1 LAG ist ebenfalls von „anderen wichtigen, die Person des DN betreffenden Gründen“ die Rede. Abs 2 enthält eine demonstrative Aufzählung solcher Gründe. Hier finden sich zB Teilnahme an Begräbnissen bestimmter Personen, eigene Hochzeit oder eine solche der Kinder, Wohnungswechsel, Ausübung des Wahlrechts. Wegen der gleichlautenden Formulierung der Generalklausel ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch in Bezug auf § 8 Abs 3 AngG solche Gründe als wichtige Dienstverhinderungsgründe ansieht. Außerdem war eine der heutigen Regelung des § 8 Abs 3 AngG entsprechende Bestimmung bereits im Vorläufer des AngG, dem Handlungsgehilfengesetz (HGG), in dessen § 8 beinahe wortgleich enthalten. In Lehre und Judikatur wurden als einschlägige Gründe schon vor bzw zur Zeit der Geltung des HGG genannt (vgl Mayer/Grünberg, HGG 127 f auch zur historischen Entwicklung): Gang zu Gericht wegen Einbringung einer Klage, Ausübung des Wahlrechts, auch wenn keine gesetzliche Wahlpflicht besteht, Ableben der Mutter, Hochzeit des Bruders etc. Die Materialien zum HGG erwähnen als Entgeltfortzahlungstatbestand die Verhinderung durch Ausübung öffentlich-rechtlicher Funktionen (Gewerbegericht, Wahlen), vgl Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses496zum Entwurf des HGG, 1096 BlgStenProt AH 18. Sess 1908, 11. Diese Ansichten bzw die erwähnte Aussage in den Materialien waren dem Gesetzgeber des AngG sicherlich bekannt, durch die beinahe gleichlautende Übernahme der Regelung des § 8 HGG in das AngG hat er zu erkennen gegeben, dass er diese auch billigt.

Um vorab klarzustellen: Diese Entgeltfortzahlungspflichten sollen in keiner Weise negativ gewertet werden, sondern sind sozialpolitisch sehr wünschenswert, dennoch ist darauf hinzuweisen, dass eine Entgeltfortzahlungspflicht des AG für solche Gründe nicht von vornherein als selbstverständlich angesehen werden darf. Pragmatisch gesehen gehen solche Gründe den AG „nichts an“. Der Gesetzgeber hat sich aber dennoch über einen Freistellungsanspruch hinaus dazu entschieden, eine Entgeltfortzahlungspflicht zu statuieren. Wenn aber Ereignisse wie die eigene Hochzeit Dienstverhinderungsgründe iSd § 8 Abs 3 AngG darstellen, muss dies zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch für die Tätigkeit als Wahlzeuge bei der Betriebsratswahl gelten, noch dazu, da es sich bei dieser um einen Hinderungsgrund handelt, der von der Rechtsordnung ausdrücklich „vorgesehen“ ist und sich daher als Folge derselben ergibt. Im Gegensatz zu anderen Verhinderungsgründen „schafft“ hier das Arbeitsrecht selbst einen Hinderungsgrund. Der OGH hat die Bedeutung der Wahlzeugenfunktion zutreffend beschrieben und auch hervorgehoben, dass die Nichtzulassung ordnungsgemäß nominierter Wahlzeugen einen Verfahrensfehler darstellt (vgl Arb 7471). Bezüglich der Wahlzeugen bei der Nationalratswahl hält § 61 Abs 2 NRWO fest, dass diese lediglich als Vertrauensleute der wahlwerbenden Partei zu fungieren haben und ihnen ein weiterer Einfluss auf den Gang der Wahlhandlung nicht zusteht. Die Wahlzeugen bei der Betriebsratswahl fungieren nun natürlich auch in gewisser Weise als Vertrauensleute der entsprechenden wahlwerbenden Gruppen oder sind – wie in der vorliegenden E – selbst Mitglied einer solchen. Es wäre aber nicht zutreffend, ihnen eine rein fraktionelle Funktion zuzuordnen, sondern in der Hauptsache haben sie jene Funktion, die der OGH dargelegt hat (zur Kostentragung für fraktionelle Tätigkeiten von Betriebsratsmitgliedern vgl OGH9 ObA 133/91ZAS 1992/16, 131 [Resch] = DRdA 1991/54, 460 [Andexlinger]; zur fraktionellen Tätigkeit insgesamt OGH9 ObA 90/12vDRdA 2013/51, 512 [Felten]).

4.
Lässt sich aus dem ArbVG ableiten, dass § 8 Abs 3 AngG für Wahlzeugen bei der Betriebsratswahl nicht zur Anwendung kommen soll?
4.1.
Vorbemerkung

Nun ist zu prüfen, ob sich aus dem ArbVG ein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der Gesetzgeber die Tätigkeit als Wahlzeuge doch nicht § 8 Abs 3 AngG unterstellen wollte.

4.1.1.
Die Entgeltfortzahlung für Betriebsratsmitglieder in der Historie

Bereits im BRG 1919 war normiert, dass die Mitgliedschaft im BR ein Ehrenamt ist. Für unvermeidlichen Verdienstentgang und erwachsene Barauslagen gebührte den Mitgliedern des BR eine Entschädigung (§ 12 Z 1). In Z 2 war normiert, dass ua zur Deckung dieser sowie der sonstigen Kosten ihrer Geschäftsführung die Betriebsräte berechtigt sind, eine Umlage einzuheben. Der letzte Satz der Z 2 ordnete Folgendes an: „Inwieweit für den Verdienstentgang nach dem Gesetz der BI aufzukommen hat, entscheidet im Streitfalle das EA.“ Zu Zeiten des BRG 1919 gestaltete sich die Rechtslage also in der Weise, dass prinzipiell nicht der BI, sondern die Betriebsratsumlage zum Ersatz des Verdienstentganges, der sich aus der Betriebsratstätigkeit ergab, heranzuziehen war. Der letzte Satz der Z 2 deutete nun aber dahingehend, dass es offenbar doch Fälle geben konnte, in denen der BI für den Verdienstentgang eines Betriebsratsmitglieds aufzukommen hatte (vgl dazu auch Köck, Betriebsratstätigkeit und Arbeitspflicht [1992] 16 ff, auch insgesamt zur historischen Entwicklung). Das Obereinigungsamt hat ausgeführt (Gutachten OEA Z 69/24 Arb 3247), dass die Bestimmung des § 12 BRG 1919 zunächst eine andere Fassung haben sollte, nämlich: „Die Mitgliedschaft im Betriebsrate ist ein Ehrenamt. Den Mitgliedern gebührt nur eine Entschädigung für den Verdienstentgang, soweit hiefür nicht nach dem Gesetze der BI aufzukommen hat ....“ Die endgültige Formulierung im BRG 1919 ging auf einen Antrag des Abgeordneten Wutte zurück, wobei die Materialien keine Begründung geben. Das OEA sah in der endgültigen Formulierung eine Einschränkung gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Fassung und war der Ansicht, dass das BRG selbst keine Fälle enthalte, in welchen der Ersatz für den Verdienstentgang des BR dem BI auferlegt werde. Vielmehr sei im letzten Satz der Z 2 eine andere gesetzliche Vorschrift gemeint. Kernargument des OEA war, dass die durch das BRG dem BR auferlegten Pflichten lediglich den Zweck hätten, die Interessen der AN des Betriebes gegenüber den Interessen des BI zu wahren. Eine vom OEA beigezogene Auskunftsperson, die auch an der Entstehung des BRG 1919 mitgewirkt hatte, gab an, dass man bei der Beratung des Entwurfes den Standpunkt einnahm, dass die Kosten der im Interesse der Arbeiterschaft geschaffenen Einrichtungen auch von dieser allein zu tragen sind (vgl im Übrigen näher die Ausführungen in diesem Gutachten). Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass diese Vorgehensweise des OEA insofern bemerkenswert ist, als der OGH die Heranziehung mündlicher Auskünfte von Personen, die am Gesetzgebungsprozess beteiligt waren, als unzulässig ansieht (RIS-Justiz RS0008879). Dem folgt ein Großteil der Lehre (vgl die Nachweise in OGH 31.8.2016, 2 Ob 121/16g). Für eine Zulässigkeit sprechen sich dagegen Kerschner/Kehrer (in

Fenyves/Kerschner/Vonkilch
, ABGB3 [Klang-Kommentar] §§ 6, 7 Rz 33 mwN; in Bezug auf den KollV vgl vor allem Rz 131 und FN 408) aus.497

Das OEA kam zu dem Ergebnis, dass § 1154b ABGB nicht auf Dienstverhinderungen, die sich aus dem Ehrenamt des BR ergeben, anwendbar sei. Es handle sich hier nicht um zufällige, vorher nicht absehbare Ereignisse, sondern um Dienstverhinderungsgründe, die sich aus der freiwilligen Übernahme gewisser Pflichten ergeben und hinsichtlich derer das Gesetz in Form des Umlagefonds selbst Vorsorge trifft, soweit sie einen materiellen Entgang zur Folge haben. Vgl ähnlich zB Einigungsamt Wien (A 102/26 Arb 3618) sowie im Übrigen die Übersicht über die Rsp bei Adler, Betriebsrätegesetz3 (1929) 49 f.

In der Folge kam es zu einem Wandel der zu Zeiten des BRG 1919 wie dargelegt vorherrschenden Sichtweise, dass der BR eine Einrichtung im Interesse der AN sei, deren Finanzierung die Arbeitnehmerschaft selbst übernehmen solle. Es wurde erkannt, dass beide Seiten davon profitieren (vgl nur Floretta/Strasser, BRG2 [1973] 57 ff; Köck, aaO 23 ff mwN). Dieser Wandel wurde im BRG 1947 deutlich. § 16 Abs 3 leg cit normierte, dass den Mitgliedern des BR die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts zu gewähren ist. Auch wurden spezielle Freistellungsansprüche für Betriebsratsmitglieder unter Entgeltfortzahlung eingeführt sowie die Beistellungspflicht von Sacherfordernissen durch den BI vorgesehen (§ 22 BRG 1947). Der Umstand, dass im BRG 1947 und nun in § 116 ArbVG die Entgeltfortzahlung für Betriebsratsmitglieder ausdrücklich angeordnet ist, bedeutet nicht automatisch im Umkehrschluss, dass § 8 Abs 3 AngG auf solche Verhinderungen nicht anzuwenden wäre (vgl in diesem Zusammenhang auch Köck, aaO 52 f). Zu Zeiten des BRG 1919 wollte man aus den dargelegten Gründen keine Entgeltfortzahlungspflicht des BI für Betriebsratstätigkeiten und hat daher die Anwendbarkeit des § 1154b ABGB ausgeschlossen. Nunmehr soll der BI aber einer Entgeltfortzahlungspflicht unterliegen. Es könnte sich bei der Regelung des § 116 ArbVG um eine Klarstellung handeln. Möglicherweise ist diese Bestimmung auch dem Umstand geschuldet, dass § 1154b Abs 5 ABGB kollektivvertragsdispositiv ist. Dass eine gesonderte Regelung von Entgeltfortzahlungsansprüchen bei bestimmten Hinderungsgründen auf der AN-Seite nicht bedeutet, dass damit der Anspruch nach § 8 Abs 3 AngG ausgeschlossen sein soll, zeigt § 16 UrlG. Hier ist unbestritten, dass durch die gesetzliche Regelung der Pflegefreistellung die Generalklauseln über die Dienstverhinderung aus wichtigen Gründen keinesfalls eingeschränkt oder aufgehoben werden (vgl nur Cerny, Urlaubsrecht10 [2011] 271 f). Eine Erklärung für § 116 ArbVG wäre auch, dass das ArbVG die Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder regelt und daher auch die Entgeltfortzahlungsansprüche einer expliziten Regelung unterworfen wurden.

Durch das BGBl 1986/394 wurde im Anschluss an das 29-Punkte-Programm von Dallinger (abgedruckt in ZAS 1985, 36) die sinngemäße Anwendung des § 116 ArbVG auf die Mitglieder des Wahlvorstandes angeordnet. Hier ist nun in der Tat fraglich, ob der Gesetzgeber eine entsprechende Anordnung für die Wahlzeugen bewusst unterlassen hat, eben weil er wollte, dass diese keine Entgeltfortzahlung erhalten sollen. Eine eindeutige Feststellung kann nicht getroffen werden, da sich bezüglich der Absicht des Gesetzgebers auch aus den Materialien keine Anhaltspunkte gewinnen lassen. ME wird aber eher anzunehmen sein, dass der Gesetzgeber bei der Novelle 1986 nicht an die Wahlzeugen gedacht hat. Die Wahlzeugen wurden im ArbVG lediglich in der Stammfassung in § 105 und § 161 bedacht und waren dann nicht mehr Thema gesetzgeberischer Aktivitäten. Auch der Umstand, dass sie im Übrigen nicht im ArbVG, sondern in der BRWO geregelt sind, könnte eine Rolle spielen. Nur am Rande sei bemerkt, dass sie auch im Sozialversicherungsrecht womöglich „vergessen“ wurden. Betrachtet man etwa die Regelungen des § 176 Abs 1 Z 1 und Z 9 ASVG bezüglich Arbeitsunfällen gleichgestellten Unfällen, wird deutlich, dass die Wahlzeugen dort nirgends direkt darunter passen. Die Tätigkeit als Wahlvorstandsmitglied ist dagegen explizit geschützt. Es stellt sich schon die Frage, ob es sich hier nicht um ein Versehen des Gesetzgebers handelt (vgl bezüglich der Rechnungsprüfer Putzer, Betriebsverfassungsrechtliche Mandatsausübung und gesetzliche Unfallversicherung, ASoK 2008, 300 ff, der den Telos des § 176 Abs 1 Z 1 ASVG darin sieht, den AN eine unbeschwerte Wahrnehmung arbeitsverfassungsrechtlicher Rechte zu ermöglichen. Dieser Telos würde eindeutig auch auf die Wahlzeugen zutreffen). So sind zB die Teilnahme an der Betriebsversammlung und die Ausübung des Wahlrechts zu einer gesetzlichen beruflichen Vertretung oder Betriebsvertretung dem Unfallversicherungsschutz unterstellt. ME wäre es ein Wertungswiderspruch, würde man dagegen den Wahlzeugen bei der Betriebsratswahl keinen Unfallversicherungsschutz zugestehen (vgl in diesem Zusammenhang Tomandl in

Tomandl
, Sozialversicherungssystem, 2.3.2.3.1.5., sowie dens, Das Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung [1977] 34 f, der die Aufzählung in § 176 Abs 1 Z 1 ASVG ebenfalls als lückenhaft ansieht).

Ist aus den genannten Gründen in Bezug auf das ArbVG eher anzunehmen, dass der Gesetzgeber 1986 an die Wahlzeugen gar nicht gedacht hat, muss allerdings noch auf § 47 Abs 1 ArbVG hingewiesen werden, welcher bezüglich der Betriebsversammlung normiert, dass den AN bei Abhaltung der Versammlung während der Arbeitszeit ein Anspruch auf Arbeitsfreistellung entsteht. Ansprüche auf Entgeltfortzahlung für diese Zeit können durch KollV bzw durch BV geregelt werden. Diese Regelung ergibt, dass der Gesetzgeber offenkundig davon ausgeht, dass für eine Dienstverhinderung aufgrund einer Betriebsversammlung keine Entgeltfortzahlung nach § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b ABGB beansprucht werden kann, obwohl dies wertungsmäßig durchaus in Frage käme (vgl zutreffend Löschnigg in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 47 Rz 22; Jabornegg in
Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 97 Rz 301 mwN; anders noch Floretta in
Floretta/Strasser
, ArbVG-HK [1975] 288). Wie aus den Materialien (ErläutRV 840 BlgNR49813. GP 73) deutlich wird, dürften hier spezielle Überlegungen des Gesetzgebers eine Rolle gespielt haben. Vielleicht hat diese Bestimmung auch den Grund darin, dass bei Betriebsversammlungen potentiell alle (bei Gruppenversammlungen viele) AN des Betriebes vorhersehbar zeitgleich an der Dienstleistung verhindert sind und der Gesetzgeber diese Kosten dem BI nicht aufbürden wollte. Die genauen Beweggründe können aber im gegebenen Zusammenhang offen bleiben, da aus den oben dargelegten Gründen die Tätigkeit als Wahlzeuge der Funktion als Wahlvorstandsmitglied wesentlich „näher steht“, als der Teilnahme eines AN an der Betriebsversammlung.