FordAufstieg der Roboter – Wie unsere Arbeitswelt gerade auf den Kopf gestellt wird

Plassen Verlag, Kulmbach 2016, 368 Seiten, gebunden, € 25,75

KLAUSFIRLEI (SALZBURG)

Das hier zu besprechende Werk war am Buchmarkt sehr erfolgreich und wurde mit dem „Business Book of the Year“ Preis ausgezeichnet. Der Autor verfügt auf Grund seiner Berufslaufbahn über Insiderkenntnisse aus 25 Jahren Software-Entwicklung. Der Titel ist gewiss etwas reißerisch geraten und er führt auch etwas in die Irre. Es geht keineswegs nur um „Roboter“, sondern deutlich allgemeiner um neue Technologien der Rationalisierung und Automatisierung unter dem Aspekt ihrer Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Der Autor beschäftigt sich insb mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und ihren Auswirkungen auch auf qualifizierte Dienstleistungs- und Wissensarbeit. Er geht davon aus, dass es auf Grund der technischen Entwicklung zu einem Umbruch kommen wird, der die Gesellschaft vor enorme Belastungsproben stellt. Martin Ford spricht in diesem Zusammenhang von „disruptiven Technologien“, worunter Innovationen zu verstehen sind, die bestehende Technologien, bestehende Produkte oder bestehende Dienstleistungen weitgehend bis vollständig verdrängen.

Schwerpunktmäßig werden jene Bereiche untersucht, die sich bisher als eher resistent gegenüber den technologischen Entwicklungen iS von Automatisierungspotenzialen gezeigt haben, wie etwa die Hochschulbildung und das Gesundheitswesen. Für Ford steht in der Robotik eine Explosion bevor. Das Buch lebt von vielen instruktiven, wenngleich nicht systematisch geordneten und theoretisch kaum analysierten Beispielen. Sie vermitteln einen guten Einblick in die Wucht, mit der die bisherige Arbeitswelt demontiert und Arbeit massiv verdrängt wird.

Ein Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, ob angesichts der Entwicklung der Automatisierungstechniken die bisher gängige Annahme, es würden in der Folge ausreichend neue Arbeitsplätze geschaffen, einer kritischen Überprüfung standhält. Angesichts der beobachtbaren Trendlinien (stagnierende Löhne, wachsende Ungleichheit, rückläufige Erwerbsquote, verminderte Schaffung neuer Arbeitsplätze, langsamere Wiedereingliederung nach Phasen der Arbeitslosigkeit, Zunahme der Langzeitarbeitslosigkeit) ist sein Befund dazu, dass es „diesmal ganz anders“ ist, anders – vor allem deswegen, weil sich keine Kompensation des wegrationalisierten Arbeitsvolumens abzeichnet. Vor allen zeigt Ford überzeugend auf, dass Bildung und Weiterbildung künftig keine Garantie für beruflichen Erfolg und eine sichere soziale Existenz sein werden, was doch eher den Mainstream-Annahmen widerspricht.

Als entscheidende „disruptive Kraft“ identifiziert der Autor die Informations- und Kommunikationstechnologien. Diese würden sich exponentiell entwickeln. Paradebeispiel ist das „Moore’sche Gesetz“ für den Computerbereich. Die Unternehmen werden die komparativen Kostenvorteile, die der Einsatz der neuen arbeitssparenden Technik bietet, in vollem Umfang nutzen. Die neuen Märkte für Waren und Dienstleistungen entwickeln sich nach Ford gemäß der Maxime „the winner takes all“. Die Märkte werden immer mehr von einer sehr kleinen Zahl von Anbietern beherrscht. Es erhebe sich dazu die Frage, ob es einer kleinen Elite gestattet sein soll, das angehäufte Technologiekapital der gesamten Gesellschaft unter sich aufzuteilen.

Eine weitere These ist, dass nunmehr die technischen Innovationen in bisher unberührt gebliebene Bereiche eindringen und dort Arbeit massiv verdrängen. Eindrucksvoll ist die Darstellung der Potenziale des maschinellen Lernens, der Verwendung von Big Data, des „Cognitive Computing“ und der Entwicklung kreativer Maschinen, etwa solcher, die Artikel für Zeitungen schreiben, dichten, malen, komponieren, übersetzen, und vor allem auch Entscheidungen vorbereiten oder treffen, zB Personalentscheidungen, juristische Entscheidungen oder medizinische Diagnosen und Behandlungsvorschläge.

Die Stärke des Buches liegt in der Präsentation durchwegs verblüffender Anwendungsbereiche der neuen Technologien (zB im Anwaltsbereich in den USA), wo arbeitslose Juristen dequalifizierte Arbeit an Computern ausführen und zunehmend selbstlernende und mit intelligenten Algorithmen ausgestattete Software ausgebildete Juristen verdrängt oder diese zu Zuarbeitern der intelligenten Systeme degradiert. Anders als herkömmlich angenommen wird, gibt es für Ford kaum mehr Berufsfelder, die vor dem Zugriff der Technik geschützt sind.

Ausführlich geht der Autor dabei auf die Qualifizierungsangebote der Universitäten und auf den Gesundheitssektor ein. Ganze Studien werden schon online angeboten (Stichwort MOOCs). Der Erwerb von akademischen Qualifikationen wird dadurch erschwinglich, aber auch entpersonalisiert, die Universitäten werden zu einer hochtechnisierten Ausbildungs- und Zertifizierungsfabrik. Im Gesundheitswesen stehen automatisierte Diagnosen und Behandlungsvorschläge vor der Tür, ebenso wie Pflegeroboter. Als weitere ausgewählte Bereiche der Automatisierung werden der 3D-Druck und selbstfahrende Autos vorgestellt. Noch deutlich dramatischer würde sich die Situation allerdings darstellen, wenn sich die Annahmen einer durchaus einflussreichen wissenschaftlich-technischen Community zur Entwicklung von „Superintelligenz“ und „Singularität“ als zutreffend erweisen. Der Autor schließt diese transhumane Vision jedenfalls nicht aus.

Ford befürchtet im Gefolge der Freisetzung und Prekarisierung von Arbeit und wachsender Ungleichheit eine das ökonomische Gleichgewicht ins Wanken bringende Nachfragelücke. Gegen Ende des Buches versucht sich der Autor angesichts dieser Bedrohungen an der Entwicklung von Lösungen. Eine Verhinderung der Automatisierungstendenzen hält er für unrealistisch. Für ihn führt an einem bedingungslosen Grundein-508kommen kein Weg vorbei. Bemerkenswert sind seine zugegeben erfolgreichen Bemühungen, den Nachweis zu erbringen, dass ein solches mit der derzeitigen Wirtschaftsweise (neoliberaler Kapitalismus) durchaus kompatibel ist. Als Zeugen dafür ruft er mit Friedrich A. Hayek einen der Erzväter des ökonomischen Radikalliberalismus auf, der mit den Schlussfolgerungen von Ford sicher viel Freude hätte: im Ergebnis müsse das Grundeinkommen, um Arbeitsanreize aufrechterhalten, eher niedrig sein und im Gegenzug wäre das alte („teure und bürokratische“) Sozialsystem (wohl einschließlich der arbeitsrechtlichen Regulierungen) zu beseitigen. Dieser Teil der Lösungsstrategie des Autors liefert wieder einmal eindrucksvoll den Beweis dafür, dass sich bei näherer Betrachtung das bedingungslose Grundeinkommen als ein ultraliberales, reaktionäres, den Kapitalismus stabilisierendes und (sozial-)politisch defensives Modell erweist.

Zusammenfassend ist das Werk eine gut lesbare, bisweilen spannende journalistische Arbeit, die interessante Schlaglichter auf das Thema der Automatisierung und der damit verbundenen Verdrängung von Arbeit wirft. Überzeugend vertreten wird die These, dass es „diesmal“ wohl nicht gelingen wird, die Reduzierung des Arbeitsvolumens zu kompensieren. Zu beachten ist aber, dass sich die Beschreibungen und Beispiele fast ausschließlich auf die Verhältnisse in den USA beziehen.

Der Hauptmangel des Buches ist, dass so etwas wie eine politische Gestaltbarkeit der Entwicklung nie ins Blickfeld gerät. Die Frage, wieviel und welche Arbeit wir haben (wollen), ist politisch steuerbar, wenn es sich auch angesichts der internationalisierten Kapitalmacht und der Erosion der politischen Gestaltungspotenziale in den Nationalstaaten um eine höchst schwierige Aufgabe handelt. Ford geht hingegen eher von automatischen, über uns als Fatum hereinbrechenden Entwicklungen aus und billigt dem Staat oder der Zivilgesellschaft bzw den Gewerkschaften keine gesellschaftsgestaltende Rolle zu. Zur Frage, wie ein neues Arbeitsrecht und ein neuer Sozialstaat aussehen könnten, schweigt sich der Autor komplett aus und bietet stattdessen nur das resignative, sozial- und gesellschaftspolitisch bedenkliche Modell des bedingungslosen Grundeinkommens an. Zur europäischen oder österreichischen Situation trägt das Buch wenig bei, außer eine eindrucksvolle Warnung vor der vielfach unterschätzten Wucht der Entwicklung, die dazu aufruft, rechtzeitig intelligente Regulierungen zu entwerfen und durchzusetzen und nicht darauf zu vertrauen, dass neue Arbeitsplätze quasi im Selbstlauf entstehen.