Ferz/Salicites (Hrsg)Mediation in Betrieben – Konfliktmanagement und Organisationsentwicklung im Arbeitsalltag

Verlag Österreich, Wien 2016 XII, 232 Seiten, broschiert, € 35,–

MARTINRISAK (WIEN)

Da die österreichspezifische Literatur zur Mediation sehr überschaubar ist, ist es umso begrüßenswerter, dass im Verlag Österreich seit 2014 die Reihe „Forschungen in Appropriate Dispute Resolution – FADR“ erscheint und so das Thema Alternativer bzw „Angemessener“ Konfliktlösung nach und nach und vor allem interdisziplinär aufgearbeitet wird. Sie wird von Sascha Ferz, assoziierter Professor und Leiter des Forschungsfeldes Appropriate Dispute Resolution & Mediation sowie des Zentrums für Soziale Kompetenz an der Karl-Franzens-Universität Graz sowie Hanna Salicites, einer ehemaligen Universitätsassistentin im Bereich ADR@Uni Graz, herausgegeben. Thematisch spiegeln die im Jahrestakt bereits erschienenen Bände die gesamte Breite des Einsatzes alternativer Formen der Konfliktbearbeitung wider: Nachdem sich die ersten beiden schwerpunktmäßig mit Vielfalt und Familie sowie der BürgerInnenbeteiligung beschäftigten, ist der dritte, hier zu rezensierende, dem Arbeitsleben gewidmet. Er enthält 17 eher kürzere Beiträge, die unter den Obertiteln „Brennpunkt Konflikt“, „Unternehmenskultur“, „Konfliktbearbeitung und Best-Practice-Beispiele an Universitäten“, „Konflikt und Ausbildungsverhältnisse im Arbeitsleben“, „Arbeitsleben und Interkulturalität“ und „Cross-Border“ zusammengefasst sind. Die Untergliederung zeigt schon die breite thematische Fächerung der einzelnen Kapitel. Nicht alle passen dabei wirklich perfekt unter den Titel des Buches „Mediation in Betrieben“; oder maW: Wer sich ein Buch zur innerbetrieblichen Mediation erwartet, wird seine Erwartung nur bedingt erfüllt bekommen – die im Vorwort (Seite V) angesprochenen Schlagworte „Organisation, Konfliktmanagement und Führung“ treffen den bunten Mix der Beiträge zwischen Wissenschaft, Ratgeberliteratur und Praxisbeispielen dafür schon besser.

In einer Rezension in einer arbeits- und sozialrechtlichen Zeitschrift ist vor allem auf die stärker juristisch ausgerichteten Beiträge einzugehen, wobei Folgende hervorzuheben sind: Aschauer gibt einen kundigen und kompakten Überblick vor allem zu den rechtlichen Aspekten von Whistleblowing-Systemen, die es ermöglichen sollen, kanalisiert Missstände in Unternehmen aufzuzeigen, und betont dessen Potenzial als Teil eines unternehmensinternen Konfliktbearbeitungskonzeptes. Sonnleitner behandelt umfassend die sogenannte „Lehrlingsmediation“, dh die (Pflicht-)Mediation im Zusammenhang mit der besonderen Beendigung des Lehrverhältnisses nach § 15a BAG. Sie spricht dabei auch die Frage an, warum diese Beendigungsform in der Praxis nur marginal genutzt wird und Lehrberechtigte offenbar die einvernehmliche Lösung bevorzugen. Gründe werden in der Aufwändigkeit des Verfahrens und der Kostentragung der Mediation durch die Lehrberechtigten ebenso verortet wie in der mangelnden Verschwiegenheitsverpflichtung allfällig beigezogener Vertrauenspersonen.

Sehr gelungen ist der Abschnitt zu Konfliktbearbeitung und Best-Practice-Beispielen an Universitäten. In einem umfassenden Überblicksbeitrag stellt Ferz die unterschiedlichen AkteurInnen und (potenziellen) Institutionen des Konfliktmanagements an österreichischen Universitäten dar und kommt dabei zu dem Befund, dass zwar auf Einvernehmen ausgerichtete Konfliktbearbeitungsmodelle in den unterschiedlichen Ausprägungen vorhanden sind, es aber an deren klarer inhaltlichen wie auch organisatorischen Positionierung fehle. Dieses Manko könne unter Nutzung der Autonomie der Universitäten behoben werden, wobei es zuallererst eine fundierte Konfliktanalyse durch eine systematische Erfassung der gesamten Arena, danach einer geeigneten Passung der Einrichtung in das Gesamtgefüge und schlussendlich einer Vermittlung der Regeln an die Konfliktbetroffenen sowie einer Einschulung der SchlichterInnen und der Führungskräfte bedürfe. Wie solche Projekte aussehen können, schildern die BeraterInnen Proksch und Wurz betreffend die von ihnen unterstützte Etablierung von „Internen KonfliktberaterInnen“ an der Medizinischen Universität Wien sowie Albert, der Leiter des Büros für Konfliktmanagement (Konfliktberatungsstelle) an der Universität Wien.

Einige Teile des Buches haben nur am Rande mit der im Titel angesprochenen Mediation in Betrieben zu tun, sondern eher mit dem Konfliktmanagement im weiteren Sinne. So die Beiträge von Insam zum Wert von internem Konfliktmanagement, von Mayrhofer/Salicites zur sexuellen Belästigung, von Spiegel zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie von Kallus/Kolodej zur Rolle von Führungskräften bei arbeitsplatzbezogenen Konflikten. Jene im Abschnitt zur Interkulturalität beschäftigen sich mehr mit Kommunikation (Marics, Berger), Verhandlungsführung (Berger, Pecher) sowie Leadership (Lenz). Der vergleichende Teil („Cross-Border“) ist vor allem für Mediationsinteressierte von Interesse und bietet einen guten Einblick in die Regelungen betreffend die Mediation im tschechischen Arbeits- und Handelsrecht (Malacka) sowie die staatliche Förderung gerichtsnaher Mediation in Zivilrechtssachen unter einem gewissen Grenzwert in England und Wales (Prince), wobei hier der Bezug zum Arbeitsleben fehlt. In diesem Bereich wird schon seit langem durch das – in dem Band nicht behandelte – Advisory, Conciliation and Arbitration Service (Acas) ein Schlichtungsverfahren (conciliation) geboten, das vor jedem Verfahren vor einem Arbeitsgericht (Employment Tribunal) in Anspruch genommen werden muss.

Der Sammelband „Mediation im Betrieb“ bietet so eine große Bandbreite an sehr unterschiedlichen, interdisziplinären Beiträgen zu Fragen der Konfliktbearbeitung in Betrieben, wobei sich das durchgängige Konzept den LeserInnen nicht unbedingt sofort erschließt. Aus arbeitsrechtlicher Sicht zu vermissen ist die Verzahnung von Mediation mit dem Gerichtsverfahren, die lediglich in den vergleichenden Beiträgen behandelt wird, sowie die Auseinandersetzung mit kollektiven Konflikten auf betrieblicher Ebene, insb im Zusammenhang mit dem Zustandekommen von Betriebsvereinbarungen, und der Rolle des BR bei der Konfliktbearbeitung. Nichtsdestotrotz bietet der Band einen guten Einblick in die unterschiedlichen mit der Bearbeitung514von Arbeitskonflikten verbundenen Themenstellungen und so einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung des diesbezüglichen Diskurses. Gleichzeitig macht er aber auch augenscheinlich, wie sehr es an der weitergehenden Forschung sowohl in rechtswissenschaftlicher als auch in empirisch sozialwissenschaftlicher Hinsicht betreffend die Mediation im Arbeitsleben fehlt. Es gibt also noch viel zu tun...